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Heldenhass (eBook)

Das Böse siegt immer und das ist auch gut so
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
176 Seiten
edition subkultur (Verlag)
978-3-943412-90-1 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
7,99 inkl. MwSt
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Kristjan Knall ist berüchtigt für seine kritischen Bücher mit Fußnoten. Dieses Mal lässt der Mann mit der Fellmütze seinen Hass nicht an lebenden Berlinern, sondern an den (meistens toten) Helden unserer Gesellschaft aus. Ob Gandhi, Martin Luther, Mutter Teresa oder Henry Ford. Knall deckt auf, wie viel Dreck die Gefeierten und Glorifizierten am Stecken hatten. Dabei kommen auch jene nicht ungeschoren davon, die diese Menschen verehren. Als Bonus erzählt Kristjan Knall dann noch von diversen Anti-Helden unserer Gesellschaft, also den 'Bösen'. Auch dabei macht er es sich nicht einfach, denn: 'Man kann nicht die ganze Zeit das pure Böse verkörpern. Ab und zu will man ein Eis essen, mit den Kindern spielen, kacken. Selbst die Bösesten sind Menschen wie wir.' Lach- und Sachgeschichten über das allgegenwärtige Grauen, die Ambivalenz von Gut und Böse und das Absolute im Wahnsinn und der kollektiven Dummheit.

Kristjan Knall kommt vom Kampfstern Ironika und landete im trostlosesten Jahrzehnt der Geschichte, den 80ern, in Berlin. Die erste Verlegerin fragte ihn: 'Du bist'n Wessi, wa?' Ist bis heute nicht klar. Er studierte was Langweiliges und arbeitete was Grässliches, darum muss er Dampf ablassen. Den bekommt Berlin (in 'Berlin zum Abkacken' und '101 Gründe Berlin zu hassen'), Europa ('Europa ist geil, nur hier nicht') und die lesende Welt insgesamt ('Stoppt die Klugscheißer') ab. Er hasst den Kapitalismus und mag Schokoladenkuchen. Er glaubt, dass Kunst furchtbar ist, Literatur aber das kleinste Übel, zumindest wenn man sie übers Knie bricht. In der Edition Subkultur ist von ihm 2019 das Sachbuch 'Neukölln - Ein Elendsbezirk schießt zurück' erschienen.

Stiefmutter Teresa


Mutter Teresa ist kein Mensch mehr, sie ist ein Idiom, ein Sprichwort. Sie bedeutet Gutherzigkeit, Selbstaufgabe, Nächstenliebe. Die Friedensnobelpreisträgerin und Heiliggesprochene war und ist das telegene Selbstbild des Christentums. Daran zweifeln nur absolute Unmenschen.

Was seltener erwähnt wird, ist, dass sie Albanerin war. Bei ihrer Geburt hieß sie einschüchternd exotisch: Anjezë Gonxhe Bojaxhiu. Es passt nicht zu unserer europäischen Identität, dass das Land, das wir geflissentlich ignorieren, obwohl es in der Mitte Europas liegt, für unsere Werte maßgeblich sein soll. Es passt uns nicht, weil dort der Feind wohnt. Haltet die Kinder fest: Muslime! Für Heimathorst erschreckende 58,79 % der Albaner sind Muslime und – schlimmer! – allen haftet noch der Makel des Kommunismus an. Enver Hoxha schaffte es wie kein Zweiter, die Lehren von Marx und Lenin falsch zu verstehen. Er baute eine rigide konservative Diktatur auf. Sicherheit ging vor. Alle paar Meter am Strand ein Bunker, in Beton gegossene Zeichen seiner Paranoia. Leider hatten die meisten Leute zwar hinreichend unsinnige Arbeit, aber nichts zu essen. Das scheinen auch die gegenwartsmüden Vergangenheitsfetischisten zu vergessen, die den Erhalt von Arbeitsplätzen fördern und das Grundeinkommen verweigern: Ein Arbeitsplatz ist Lebenszeitverschwendung und keine Garantie für Einkommen, Sinn oder Menschenwürde. Man kann noch heute arm sein und trotzdem arbeiten. Arbeitsplätze sind mehr wert als Menschen. Nicht jeder Mensch bekommt einen Arbeitsplatz, jeder Arbeitsplatz aber einen Menschen. Der Markt regelt das! „Der Mensch braucht nicht die Arbeit, der Mensch der braucht das Geld“, singt der Liedermacher Götz Widmann. Wenn du die gleiche Sache jeden Tag acht Stunden lang machst, dann ist das ein Wahn. Außer du wirst dafür bezahlt, dann ist es ein Beruf.

Gut, Albanien war härter. Zwar darbte niemand auf den Straßen, weil er sofort von der Staatssicherheit weggeschafft wurde. Aber es brauchte einen Helden. Vorhang auf für Mutter Teresa. Sie hatte 517 Kinderheime in über 100 Ländern. Davon die meisten in Indien, für den Biodeutschen: Albanien auf Speed. Noch ärmer, noch wahnsinniger, noch merkwürdigere Religionen und Bräuche. Da würde man nicht mal zum Sterben hingehen. Und noch grässlichere Krankenhäuser. Zu Mutter Teresas Hochzeiten in den Siebzigern und Achtzigern war das indische Gesundheitssystem, gelinde gesagt, gruselig. Den meisten Ärzten und Krankenschwestern kann man jedoch zugestehen, dass sie mit den kleinen Ressourcen das Beste versuchten. Nicht so in Mutter Teresas „Sterbehäusern“. Kahle Räume, in denen nur das Bild der Mutter hing, Betten dicht an dicht, die Patienten fixiert. Schlechtes Essen, keine Trennung von Patienten mit Tuberkulose und anderen Seuchen von anderen, keine spezifische Behandlung, nicht einmal Schmerzmittel. Wer sich einschiss, wurde von den „Krankenschwestern“ ausgelacht. Ein Journalist verglich die Zustände mit dem Konzentrationslager Bergen-Belsen.2

Mutter Teresa war selten in der Stadt, in der sie sich einen Namen machte. Kein Wunder, Kalkutta war ein rauchender Trümmerhaufen voll von Kranken, Armen und Leidenden. Sie jettete um die Welt, palaverte mit den Reichen und Schönen und unterstützte Kampagnen gegen Abtreibung. Wahrscheinlich, damit noch mehr Leute sterben konnten. Wie ein großer Philosoph unserer Zeit, Marilyn Manson, sagte: „Let’s just kill them all and let God sort them out.“ Das Zitat stammt von Arnold Amalrich, im 13. Jahrhundert ging das als Meinung und nicht als Verbrechen durch. Passenderweise war er Mönch des katholischen Zisterzienserordens. Der Anlass? Die Kreuzzüge wurden mit dem Massaker von Béziers eröffnet. 20.000 Menschen wurden im Namen der Barmherzigkeit getötet.

Vielleicht hatte die arme Mutter Teresa kein Geld? Den indischen Behörden gab sie natürlich keine Auskunft – wo kämen wir denn da hin? Das Vermögen ihrer Stiftung wurde auf Hunderte Millionen US-Dollar geschätzt. Als die deutschen Finanzbehörden anfragten, sagte sie, das gehe sie gar nichts an. Übersetzt auf Nonne bedeutet das: „Verpisst euch!“

Ein Journalist schätzte, dass ihr Einkommen jährlich 50 Millionen US-Dollar betrug – allein in New York. Ein beträchtlicher Teil davon kam von guten Katholiken, die sie auch vor Gericht verteidigten: italoamerikanischen Mafiosi. Mutter Teresa hatte noch bessere Freunde. Sie pflegte engen Kontakt zu den Duvalier-Brüdern, den skrupellosen und korrupten Diktaturen von Haiti. Selbst im Knast besuchte sie ihre „Freunde“ noch. Als ob das alles nicht geschmacklos genug gewesen wäre, legte sie in ihrem Heimatland Blumen am Grab des meistgehassten Albaners nieder: Enver Hoxha.

Zur gleichen Zeit wurde sie als Folge eines begeisterten Medientaumels heiliggesprochen, da sie angeblich ein Krebsleiden durch Handauflegen geheilt hatte. 1979 folgte – wenn man schon mal dabei ist – der Friedensnobelpreis. Die Geschichte war einfach zu gut. Der Ehemann der Geheilten und die Ärzte waren zwar der Meinung, es war ihre Behandlung, aber wenn man die Wahl zwischen Medizin und Gott hat, nimmt man doch Gott, wenn man wirklich glaubt.3 Genau wie Mutter Teresa, die zum Sterben nicht in eines ihrer Hospize ging, sondern in einem US-amerikanischen Krankenhaus allen Komfort genießen durfte. Wieso durften das ihre Nächsten, die sie anscheinend so liebte, nicht? Der formvollendete Atheist Christopher Hitchens schrieb in seinem Buch mit dem streng unironischen Titel „The Missionary Position: Mother Teresa in Theory and Practice“, dass Mutter Teresa den Katholizismus konsequent vertreten habe. Sie sagte: „In der Akzeptanz des Sterbens der Armen liegt etwas Schönes, sie leiden wie Jesus Christus. Die Welt wird durch ihr Leiden bereichert. […] Wir lassen Menschen, die wie Tiere leben, wie Engel sterben.“

Geschmacklos, sadistisch, aber völlig logisch, wenn man an Tausende Jahre alte Geistergeschichten glaubt. Bis hierhin könnte die Geschichte die einer finsteren kollektiven Psychose sein, eine Überreaktion, weil die Welt zu komplex, zu stressig für das mentale System ist. Wie der Straßburger Veitstanz des Mittelalters, bei dem sich die Menschen zu Tode tanzten. Wie der Lachepidemie, die 1962 Tansania befiel, in der Tausende Menschen über Monate lachten, sodass sogar Schulen geschlossen werden mussten. Wie das Dritte Reich, die AfD.4 Das veraltete gesellschaftliche Ordnungssystem Katholizismus wurde überstrapaziert, wurde wild. Ein gutes Argument gegen Aussagen wie „der Zweck heiligt die Mittel“. Natürlich denkt jeder: „Damit habe ich nichts zu tun.“ Aber zum Beispiel bei der Diskussion über Homöopathie und Placebos ist die Frage brandaktuell: Soll man andere oder sich selbst bescheißen, wenn es hilft? „Raus aus der Selbstunterwerfung mit homöopathischer Hundemilch?“5 Die Antwort ist immer nein, denn wenn es hilft, dann nur kurz. Religionen, Placebos und Selbstbeschiss sind wie Heroin: Hilft, wie Bayer 1898 auf der Packungsbeilage schrieb, gegen Husten.6 Strenggenommen keine Lüge, aber die Nebenwirkungen töten heute mehr US-Amerikaner als Verbrechen und Unfälle – zusammen.

Aber diese Geschichte ist mehr als das. Denn das edle Motiv kann man nur unterstellen, wenn die Protagonisten wirklich an die Geistergeschichte glauben. Selbst, wenn in Jerusalem 30 Jahre nach Jesus Tod ein neuer Jesus predigte.7 Wenn sie nicht daran glauben, dann müsste etwas fundamental Böses in den Handelnden vorgehen, eine Grausamkeit, die eine menschliche Spezialität zu sein scheint. Vielleicht eine Trotzreaktion auf die ganzen Litaneien vom Gutsein? Ein transzendentales „Fick dich!“ an die christliche Propaganda? Ein mentales Übergeben nach einem an zölibatäre Dogmen verschwendeten Leben? Wer nicht daran glaubte, müsste ein extremer Sadist, ein Psychopath sein, um so zu handeln. Wie Mutter Teresa. Sie wollte alle ihre Briefe nach ihrem Tod vernichtet sehen. Zum Glück geschah das nicht. Die Briefe deckten auf, dass sie von Zweifeln zerfressen war. „Wo ist mein Glaube?“, schrieb sie. „Selbst ganz tief drin … ist nichts als Leere und Dunkelheit. Gott, wenn es dich gibt – bitte vergib mir! […] So ein tiefes Verlangen nach Gott … abgestoßen, leer, kein Glaube, keine Liebe, kein Eifer.“ In den acht Jahren Briefwechsel schwand ihr Glaube weiter. Nach eigener Aussage betete sie selbst nicht mehr. Ihr Lächeln, sagte sie, sei eine Maske.

2 Noch heute steht im katholischen Bayern eine Anti-Abtreibungskapelle. Der Besitzer Franz Graf behauptet, der „Babycaust“ sei der „Größte Völkermord in der Geschichte der Menschheit“. Natürlich keine strafbare Holocaustrelativierung, nicht in Bayern. Tipp: Wen die Kreuze im Klassenzimmer stören: Angststörung begründet Abhängen.

3 Der Widerspruch bei Religiösen zeigt sich zum Beispiel, wenn Islamisten beim Anschlag in Paris 2015 die „Märtyrer rächen“ wollen, die von der Polizei erschossen wurden – Wieso muss man jemanden rächen, der ins Paradies gekommen ist? Wie viele Religiöse verzichten auf den Arzt und bestellen den Priester?

4 Die brilliert auch mit der Eigenwahrnehmungsstörung des Jahres. Während Ausländer laut ihr marodieren sollen, sind AfD-Abgeordnete die kriminellsten im Parlament. Genau genommen fünfmal so kriminell.

5 Sein Magazin, 3/19, S. 12

6 https://www.zeit.de/2008/12/Heroin-Kasten

...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2020
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Essays / Feuilleton
Kinder- / Jugendbuch
Schlagworte Antihelden • Antisemitismus • Berlin • Christentum • Diktatur • Gandhi • Gut und Böse • Helden • Kannibalismus • Luther • Mozart • Personenkult • Sachbuch • satirisches Sachbuch • Schwarzer Humor • Skandal • Vorbilder
ISBN-10 3-943412-90-3 / 3943412903
ISBN-13 978-3-943412-90-1 / 9783943412901
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