Die Kinder von Nebra (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
619 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-8639-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kinder von Nebra -  Ulf Schiewe
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Das Mysterium der Himmelsscheibe, eine Hochkultur im Herzen Europas und der immerwährende Kampf zwischen Gut und Böse - ein großer historischer Roman mit unvergesslichen Figuren, ausgezeichnet mit dem Goldenen Homer 2021!

Nebra vor 4000 Jahren: Lange haben sich die Menschen der Willkür des mächtigen Fürsten Orkon gebeugt, der das Volk quält und ausbeutet, sich nimmt, wonach immer es ihn gelüstet. Jetzt endlich regt sich Widerstand. Die junge Priesterin Rana will Orkons dunkle Herrschaft brechen und die Menschen befreien. Das Werk ihres Vaters soll ihr dabei helfen: eine bronzene Scheibe, die den Sternenhimmel zeigt und eine geheime Botschaft der Götter enthält. Sie steht für die Göttin des Lichts, die dem Hass Liebe entgegensetzt. Doch Ranas Weg ist gefährlich, viel steht auf dem Spiel. Auch das Leben derjenigen, die ihr am liebsten sind ...


Auf einem Hügel bei Nebra stießen Sondengänger Ende der 1990er-Jahre auf eine bronzene Scheibe. Sie zeigt Mond und Sterne, gilt heute als die erste konkrete Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte. Ein Sensationsfund, den die Finder zunächst an Hehler verscherbelten. Erst 2002 kam die Himmelsscheibe in die kundigen Hände von Archäologen. Seither wird sie erforscht - und hat das Bild unserer Vorfahren geändert. Ulf Schiewe lässt ihre unbekannte Kultur auferstehen und spinnt um sie einen großen, epischen Roman.



Ulf Schiewe wurde im Weserbergland geboren und wuchs in Münster auf. Er arbeitete als Software-Entwickler und Marketingmanager in führenden Positionen bei internationalen Unternehmen und lebte über zwanzig Jahre im Ausland, unter anderem in der französischen Schweiz, in Paris, Brasilien, Belgien und Schweden. Schon als Kind war Ulf Schiewe ein begeisterter Leser, zum Schreiben fand er mit Ende 50.

Ulf Schiewe wurde im Weserbergland geboren und wuchs in Münster auf. Er arbeitete als Software-Entwickler und Marketingmanager in führenden Positionen bei internationalen Unternehmen und lebte über zwanzig Jahre im Ausland, unter anderem in der französischen Schweiz, in Paris, Brasilien, Belgien und Schweden. Schon als Kind war Ulf Schiewe ein begeisterter Leser, zum Schreiben fand er mit Ende 50.

DIE FLUSSGEISTER


O ihr verspielten Wesen. Verzückt lauschen wir eurem Plätschern und Flüstern. Ihr lieblichen Jungfrauen mit Wasserrosen im Haar, die ihr jeden Bach und jeden Fluss lebendig macht. Auch wenn ihr es in eurem Übermut bisweilen zu weit treibt und die Auen überflutet.

Rana hockt an einen Erlenstamm gelehnt am Flussufer und lauscht dem Murmeln des Wassers. Es ist ein einsamer Ort tief im Wald. Sie ist schon oft hier gewesen, dabei noch nie auf menschliche Spuren gestoßen. Nur auf die der Rehe, die an dem kleinen Fluss ihren Durst stillen, oder die eines Fuchses. Deshalb liebt sie es hier. Es ist ein guter Ort, um nachzudenken, um ihr Herz zu befragen.

Unter dem Blätterdach des Waldes herrscht angenehmes Halbdunkel. Hoch oben in den Baumkronen aber bringt die Sonne das helle Frühlingsgrün der Knospen zum Leuchten wie auch das der Gräser auf der kleinen Lichtung gegenüber, wo die ersten Blumen blühen. Licht und Schatten. Ein Gegensatz wie die beiden Lebenswege, zwischen denen sie zu wählen hat.

Soll sie ein einfaches, unbedeutendes Leben führen, wie andere junge Frauen einen Mann finden, Kinder gebären und damit zufrieden sein? Oder soll sie ihr Leben der Göttin weihen? Soll sie tun, was alle im Dorf und vor allem ihre Mutter von ihr erwarten, oder soll sie sich dem verweigern? Es ist die wichtigste Entscheidung ihres jungen Lebens, eine Entscheidung darüber, wer sie ist und wer sie sein will, über ihre Aufgabe in der Gemeinschaft, über die Bürde, die sie ein Leben lang tragen wird, falls sie sich für Mutters Weg entscheidet.

Noch ist sie unentschlossen und verwirrt. Ihre Gedanken jagen in die eine und dann wieder in die andere Richtung, ohne dass sich Gewissheit einstellen will. Sie hat sich hierher geflüchtet, um den vorwurfsvollen Blicken ihrer Mutter zu entgehen, die nicht versteht, warum sie plötzlich Zweifel hat. Hier im Wald und im Schatten der Bäume muss sie keine Fragen beantworten, muss sich nicht erklären. Wenn sie doch nur wüsste, was das Beste ist!

Eine Amsel schwirrt heran und unterbricht die quälenden Gedanken. Auf einem Zweig nicht weit von ihr lässt sie sich nieder, legt den Kopf auf die Seite und betrachtet Rana misstrauisch aus einem Auge. Dann wippt sie mit dem Schwanz und fliegt davon, als habe sie Besseres zu tun, als ihre Zeit mit einem Menschenweib zu vergeuden.

Rana reibt sich übers Gesicht, als könne sie damit die trübe Stimmung verscheuchen. Ihr Bruder Arni hat recht. Sie sollte sich nicht unnötig mit endlosem Grübeln herumschlagen. Arni ist ein ruhiger Mann. Er redet nicht viel, aber er scheint immer zu wissen, was er will. Sie beneidet ihn darum.

Ihr Blick wandert über die kleine Wiese am anderen Ufer und über den Wald. Dies ist ihr ganz eigener Ort, sie muss ihn mit niemandem teilen. Ein Zauber liegt über dem sich windenden Fluss mit seinem Uferschilf, dem angeschwemmten Fallholz, den halbhohen Büschen zu beiden Seiten, den tief hängenden Ästen, die sich im Wasser spiegeln. Über die sich kräuselnde Oberfläche flirren Libellen und andere Insekten, in der Tiefe huscht ab und zu der Schatten eines Fisches vorbei.

An der Stelle, wo sie sitzt, befindet sich ein winziger Sandstreifen, der einlädt, die Zehen in ihm zu vergraben. Neben den Vogelrufen und dem Säuseln des Windes in den Zweigen der Bäume ist wenig zu hören. Besonders liebt sie das Plätschern und Murmeln des Wassers. Oder ist es das Raunen der Flussgeister, die miteinander reden? Jedes Gewässer hat seine Geister. Manchmal vermeint sie, eine der vielen Flussgöttinnen zu hören, die für einen Augenblick den Kopf aus dem Wasser hebt und dann wieder verschwindet. Oder war es doch nur eine Fischflosse? Bestimmt hat auch das Liebesquaken der Frösche eine Bedeutung. Vielleicht ist es Panos, der seiner Liebsten nachstellt. Aber die Geister stören Rana nicht. Im Gegenteil. Sie fühlt sich ihnen verbunden. Auch wenn sie nicht versteht, was sie einander zu sagen haben.

Rana ist gern allein. Im Gegensatz zu anderen jungen Frauen im Dorf, die andauernd reden müssen und es seltsam finden, dass Rana sich absondert, allein durch die Wälder streift, sogar auf Bäume klettert und manchmal erst nach Einbruch der Dunkelheit zurückkehrt. Sie schütteln den Kopf und sagen, so etwas tun doch nur Jungs oder Männer, und sie fragen, ob sie denn keine Angst hat, sich so weit von der Siedlung zu entfernen und ganz allein durch die Wildnis zu wandern.

Nein, Angst hat sie nicht. Sie liebt den Wald und die Tiere darin. Einmal hat sie ein verlassenes Rehkitz heimgebracht und es mit Kuhmilch aufgezogen. Selbst vor Wölfen oder Bären fürchtet sie sich nicht, sie ist sicher, dass Astaris, die jungfräuliche Jägerin, sie beschützt. Ist der Bär, der Herrscher der Wälder, nicht ihr geweiht?

Sogar ihre Mutter hat es längst aufgegeben, Rana für diese Ausflüge zu schelten, obwohl sie sich Sorgen macht. »Rana ist eben anders«, pflegt sie zu sagen.

Der Gedanke an ihre Mutter führt unweigerlich zu der quälenden Frage, an der sie seit Wochen nagt und die sie am liebsten von sich schieben würde. Mutter zürnt ihr wegen ihres Zögerns. Schließlich sei sie von den Göttern erwählt, von Destarte selbst, und dürfe sich ihrer Bestimmung nicht verweigern.

Rana seufzt. In einem hat Mutter recht: Sie ist nicht wie andere junge Frauen im Dorf, sondern die Tochter der edlen Herdis, einer von allen verehrten Priesterin. Jeder erwartet, dass sie in Mutters Fußstapfen tritt. Vorbestimmt sei das, behauptet vor allem Herdis und mahnt, daraus erwachse ihr eine besondere Verantwortung. Schließlich habe sie Rana seit Langem auf diese Aufgabe vorbereitet, ihr alles beigebracht, was es zu wissen gibt. Und jetzt soll all das umsonst gewesen sein? Rana versteht nur zu gut, dass ihre Mutter aufgebracht ist.

Wenn es nach Herdis ginge, sollte Rana während des großen Festes geweiht werden. Mit allem, was die Riten bei dieser Gelegenheit von ihr verlangen. Doch anstatt sich zu freuen, denkt sie mit Beklemmung an das, was ihr bevorsteht. Nicht vor der Weihe fürchtet sie sich, vielmehr vor der Verantwortung für das nahe Heiligtum auf dem Hügel und für die Menschen, die sich hilfesuchend an sie wenden werden, wenn Mutter sich zurückzieht. Je näher der Tag rückt, desto weniger fühlt sie sich der Aufgabe gewachsen. Wie könnte sie jemals ihre Mutter ersetzen? Und will sie das überhaupt? Im Grunde ist sie nicht sicher, was sie eigentlich will.

Was, wenn sie nicht Destartes Priesterin wird? Mit ihren achtzehn Wintern wird sie schon bald über das beste Heiratsalter hinaus sein. Bisher hat sie sich für den Dienst an der Göttin aufgehoben. Dass sie vielleicht nie heiraten wird, stört Rana eigentlich nicht. Für ein Dutzend Rinder an einen Großbauern verkauft zu werden, den sie nicht liebt, wäre noch schlimmer als Priesterin zu werden. Außerdem gefällt ihr keiner der jungen Männer im Dorf. Weshalb man sie für spröde hält. Aber auch das hat sie wahrscheinlich von ihrer Mutter, dieses Anderssein, Anders-sein-Wollen, denn auch Herdis kann man nicht mit anderen Weibern vergleichen.

Rana seufzt ein weiteres Mal.

Ein Sonnenstrahl fällt durch die Blätter und badet ihre Gestalt für einen Augenblick in gleißendem Licht. Heute ist der erste wirklich schöne Tag dieses Frühlings. Die Sonne hat schon mehr als die Hälfte ihres Weges zurückgelegt. Es ist Nachmittag und warm geworden. Unter dem Laubdach des Waldes ist die Luft schwül. Rana hat Lust, sich abzukühlen und den weichen Flussgrund zwischen den Zehen zu spüren. Sie löst die Riemen ihrer Sandalen und streift sie von den Füßen.

Als sie sich erhebt, glaubt sie ein fernes Wiehern zu vernehmen. Sie dreht den Kopf, um zu lauschen. Ein Pferd? Hier im Wald, wo es weit und breit keine Weide gibt? Wo ein Pferd ist, ist meist auch ein Reiter. Aber sosehr sie sich bemüht, es ist nichts weiter als Vogelgezwitscher zu vernehmen.

Nach einer Weile gibt sie es auf. Sie muss sich getäuscht haben. Wer sollte sich hier auch herumtreiben? So weit entfernt von den Hütten des Dorfs. Weit und breit ist nichts als Wildnis, wahrlich kein Gelände für Pferde. Kurz entschlossen zieht sie sich ihr Gewand über den Kopf und lässt es ins Gras fallen. Mit beiden Händen sammelt sie ihr langes Haar und bindet es im Nacken zu einem lockeren Knoten.

Nackt steigt sie die Uferböschung hinunter und ins grelle Sonnenlicht. Sie spürt die Wärme auf der Haut, während sie vorsichtig ins Wasser steigt. Doch der Fluss ist noch so kalt, dass sie Gänsehaut bekommt. Sie watet in die Mitte, wo das Wasser ihr bis an die Schamhaare reicht. Einen Augenblick lang bleibt sie stehen, um sich an die kalte Strömung zu gewöhnen.

Sie ist kurz davor, sich hinzuhocken und ganz einzutauchen, als sie einen Schwarm Vögel auffliegen hört und dann das Knacken eines Zweiges. Erschrocken legt sie die Hände vor ihre Brüste und schaut sich hastig um. Ist da jemand?

Doch es ist nichts zu sehen als das Uferschilf und die Büsche, die den Fluss säumen, die Erle, an der sie gesessen hat, und die dicht stehenden Stämme des Waldes. Wahrscheinlich war es nur ein Tier. Und doch fühlt sie sich auf einmal beobachtet und bekommt Angst.

»Wer ist da?«, ruft sie.

Nichts regt sich, keine Antwort.

Das Baden ist ihr verleidet, und sie watet aufs Ufer zu. In diesem Augenblick hört sie ein unterdrücktes Kichern. Vor Schreck zuckt sie zusammen. Das war eine Männerstimme, kein Zweifel! Unwillkürlich tritt sie einen Schritt zurück und versucht erneut, ihre Blöße zu bedecken. Das Herz schlägt ihr plötzlich bis zum Hals.

»Wer ist da?«, ruft sie ängstlich. »Zeig dich, damit ich dich sehen...

Erscheint lt. Verlag 27.3.2020
Illustrationen Markus Weber
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • Antike • Archäologie • Aunjetitz-Kultur • Bornhöck • Börnhölt • Bronzezeit • Deutschland • Dieskau • episch • epischer Roman • Epos • Erdpyramiden • Erlebniswelt • Frühzeit • Gut gegen Böse • Harald Meller • helmsdorf • Himmelsscheibe • Historienroman • Historische Romane • Historischer Roman • Hochkultur • Königsgrab • Kult • Nebra • Pömmelte • Preisträger Goldener Homer 2021 • Priesterin • Ritus • Saale-Unstrut • Schmied • Schmiedekunst • Sonderausstellung Halle • Stonehenge • Thomas Thiemeyer • Vorzeit
ISBN-10 3-7325-8639-1 / 3732586391
ISBN-13 978-3-7325-8639-4 / 9783732586394
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