Break my Silence (eBook)
350 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98650-2 (ISBN)
Danara DeVries ist das Pseudonym einer nerdigen Mutter von zwei Nachwuchs-Nerds. Das Schreiben eigener Texte ist ihr liebster Zeitvertreib und wenn sie nicht gerade durch virtuelle Welten hastet und mit Schwertern herumfuchtelt, versinkt sie in dem Kreieren romantischer Beziehungen mit Tragikfaktor.
Danara DeVries ist das Pseudonym einer nerdigen Mutter von zwei Nachwuchs-Nerds. Das Schreiben eigener Texte ist ihr liebster Zeitvertreib und wenn sie nicht gerade durch virtuelle Welten hastet und mit Schwertern herumfuchtelt, versinkt sie in dem Kreieren romantischer Beziehungen mit Tragikfaktor.
Kapitel 1
Menschen machen mir Angst. Ich hasse es, mich durch eine große Ansammlung verschwitzter Körper durch die Straßen zu kämpfen. Hasse die unausweichliche Nähe, die mir von der Gesellschaft aufgezwungen wird. Hasse es, mich nicht zurückziehen zu können. Ihre Gedanken machen mir Angst, das, was hinter ihrer Stirn vor sich geht, wenn sie mich sehen. Was sie denken könnten, was sie … tun könnten.
Nachts ist es anders. Normale Menschen befinden sich zuhause, bei ihren Liebsten, liegen in ihren Betten und tun eben … normale Dinge. Erst dann wage ich mich raus. Gehe einkaufen, schlendere durch die Straßen, gehe in den Park. Es mag komisch klingen, aber das ist die Zeit, die ich wirklich genießen kann. Vierundzwanzig-Stunden-Läden sind deshalb für mich ein absoluter Segen. Ich kann meine Einkäufe erledigen und mich wieder zuhause verkriechen, ohne einer Menschenseele zu begegnen – bis auf den Kassierer natürlich, der nicht müde wird, mich fürsorglich immer wieder darauf hinzuweisen, dass ich nachts nicht alleine rausgehen soll. Es könnte etwas passieren.
Ich lächle jedes Mal und spule eine einstudierte Floskel ab. Was soll schon passieren? Ich spüre die beißende Ironie wie Peitschenschläge in meinem Nacken. Es ist ja schon so viel passiert, dass ich mich erst in dieses selbst gewählte Exil begeben habe. Ich hatte vor, mich nicht unterkriegen zu lassen, doch ich habe versagt. Die Menschenmenge bietet mir keinen Schutz mehr, denn dort ist es passiert. Dort wurde ich begrapscht, angefasst und war so sehr zwischen all den feiernden und tanzenden Leibern eingepfercht, dass ich mich den Berührungen nicht entziehen konnte. Den Knall des Feuerwerks in jener Silvesternacht höre ich, wann immer ich die Augen schließe.
Deshalb ist die Nacht zu meinem Freund geworden.
Heute Nacht zwingt mich allerdings ein anderes Bedürfnis auf die Straße, das ich nicht mehr länger aufschieben kann. Mittlerweile habe ich nicht einmal mehr ein Paar saubere Socken. Ich muss waschen. Vor Monaten ist meine Waschmaschine kaputtgegangen. Klar, ich hätte mir ein neues Gerät über einen Onlinehändler bestellen können – so wie ich es mit allem tue, was ich zum Leben brauche – aber mein Erspartes ist aufgebraucht und … arbeiten kann ich nicht mehr. Die Wohnung gehört meiner Mutter, die mich finanziell unterstützt. Aber ich wage nicht, ihr die Kosten für eine Waschmaschine aufzubürden. Das Krankengeld reicht gerade so für das Nötigste. Also bleibt nur der Gang in den Waschsalon. Zwei Straßen weiter, kein großes Ding. Doch ich habe die halbe Nacht gebraucht, den Mut aufzubringen, mich überhaupt raus zu wagen. Natürlich ist es nichts anderes, als einkaufen zu gehen, nur mit dem winzigen Unterschied, dass ich mindestens eine Stunde, wenn nicht sogar länger, im Waschsalon verbringen MUSS. Ich kann nicht meinem Vier-Stufen-Plan folgen. Reingehen – Einkaufen – Rausgehen – nach Hause. Einkaufen ist zur Routine geworden, die ich mir über Monate hinweg antrainiert habe. Der Waschsalon ist eine neue Herausforderung, an die ich mich erst langsam herantasten muss. Und das will gut vorbereitet sein. Der gefüllte Wäschekorb steht seit Tagen als ständig präsente Mahnung vor der Wohnungstür. Jedes Mal, wenn ich in den Flur gehe, erblicke ich ihn und er erinnert mich daran, was ich erledigen muss. Und heute ist es so weit. Heute Nacht bringe ich die Kraft auf, zu gehen.
Als ich schließlich mit dem Korb unter dem Arm vor dem Laden stehe, kann ich mein Glück kaum fassen. Niemand da. Wirklich. Der Laden ist menschenleer. Ein breites Lächeln formt sich auf meinen Lippen und beschwingt trete ich ein. Ich atme den Geruch frisch gewaschener Kleidung ein, es duftet nach Alpenveilchen und Sommerwiese. Das Kleingeld klimpert in meiner Jackentasche. Hoffentlich habe ich genug zusammenkratzen können. Hastig sehe ich mich um. Der Waschsalon ist nicht sehr groß. Zehn Maschinen auf der linken Seite nehmen die komplette Wand ein, davor eine große Sitzgruppe. Zwei Mehrsitzer stehen sich gegenüber, dazwischen ein niedriges Tischchen, wo eine gute Seele ein paar Zeitschriften, Plastikbecher und ein paar Flaschen Wasser bereitgestellt hat. Sieht einladend aus.
Auf der rechten Seite lacht mich ein wildes Sammelsurium an Plakaten an: Theatervorstellungen, Filmposter, Info-Plakate zum Tag der offenen Tür an der Universität … alles, was sich eben in der Stadt abspielt. Doch diese Veranstaltungen finden alle tagsüber statt und bedeuten große Menschenansammlungen – definitiv nichts für mich.
Ich suche mir die letzte Maschine in der Reihe aus und studiere die Anweisungen, die auf einem Schild über dem Gerät angebracht wurden. Aha, erst die Wäsche in die Maschine füllen, dann das Programm wählen und dann das Geld einwerfen. Die Maschine startet automatisch. Ich runzle die Stirn und überfliege die Anweisungen ein weiteres Mal.
»Und wie kommt das verdammte Pulver in die Maschine?«, murmele ich vor mich hin, kneife die Augen zusammen und konzentriere mich Wort für Wort auf die Anweisungen.
»Ist alles schon drin!«
Mein Herzschlag setzt für einen Moment aus und ich starre auf die Waschanweisungen, warte panisch darauf, dass es wieder gleichmäßig weiter schlägt. Doch das wilde Hämmern eine Sekunde später zerreißt mich förmlich. Mein Puls rast, heiße und kalte Schauer schießen über mein Rückgrat und mein Verstand schreit »FLUCHT!« Doch ich stehe wie angewurzelt da und kann mich nicht bewegen.
Der Typ – oh mein Gott! Es ist ein Typ! – steht neben mir, beugt sich vor und zeigt auf einen ausgeblichenen Satz am unteren Ende der Anweisungen. »Früher stand da mal eine Information dazu, ist aber zu verwaschen. Vermutlich weil immer wieder jemand mit seinen Fingern drüber tatscht.« Lässig schiebt er seinen Kopf in mein Blickfeld und grinst spitzbübisch. Er trägt eine graue Beanie-Mütze über einer Sonnenbrille. Unter der Mütze linsen ein paar blonde Haare hervor. Sein dunkler Bart ist kein richtiger Dreitagebart mehr, eher ein fünf- oder sieben-Tage-Bart. Dazu eine dunkle Sweatjacke und schwarze Jeans. Ein ganz normaler Typ eben. Und ich starre ihn an, als sei er sprichwörtlich vor mir aus dem Boden gewachsen. Was natürlich totaler Schwachsinn ist. Es ist nur so, dass ich seit Wochen kein Wort mit einem »echten« Menschen gewechselt habe. Ich weiß gar nicht mehr, wie meine Stimme klingt. Okay, hin und wieder habe ich mit meiner Mutter telefoniert, aber das zählt nicht. Denn als Gespräch kann man das, was wir im Augenblick unter Kommunikation verstehen, nicht bezeichnen. Ich fauche sie an, dass sie mich in Ruhe lassen soll, und sie weint. Tja. Irgendwann speise ich sie dann mit einer leeren Floskel ab. Ich bräuchte Zeit. Es ist gerade Mal sechs Monate her, noch viel zu früh, um mich aus meinem Schneckenhaus herauszuwagen.
Und dann steht plötzlich dieser Typ vor mir. Im Hochsommer. Mit einer Wollmütze. Und einer Sonnenbrille. Nachts. »Warum trägst du eine Sonnenbrille?«, frage ich und wundere mich ein wenig, dass meine Stimme noch genauso klingt, wie ich sie in Erinnerung habe. Ich hätte erwartet, dass sie nach der langen Zeit, in der ich ihre Benutzung verweigert habe, anders klingt. Viel rauer …
Der Typ starrt mich perplex an. Ich vermute es zumindest, da ich ja nicht hinter diese verdunkelten Brillengläser sehen kann. »Ähm«, erwidert er und greift sich an das Gestell. Er zögert, doch dann gibt er sich einen Ruck und nimmt die Brille ab. Zum Vorschein kommen blitzende, mich eifrig musternde Augen. »Du musst mich bestimmt für einen Perversen halten. Nachts mit Sonnenbrille rumzulaufen«, plappert er munter drauf los.
»Wir haben alle unsere Macken.« Ich zucke mit den Schultern und wende mich wieder meiner Wäsche zu. »Siehst nicht aus wie ein Perverser«, murmele ich abweisend und zähle das Geld ab, mit dem ich den Automaten füllen will.
Er lehnt sich lässig zu mir rüber. »Wie sieht denn ein Perverser aus?«
Meine Augen huschen wie von selbst zu ihm. Er beißt sich auf die Unterlippe und sieht mich abwartend an. Nur schwer kann ich mich von seinem Anblick losreißen. Es ist ja nicht so, dass ich noch nie einen Mann gesehen hätte. Nein, es ist eher so, dass ich nicht gesehen werden will. Also ergebe ich mich in die Vorstellung, wenn ich nicht hinsehe, sieht man mich nicht. Und dann bin ich sicher. Wie bescheuert das ist, weiß ich selbst, doch das ist meine Verteidigungsstrategie. »Nicht so«, entgegne ich einsilbig und wähle ein Programm.
»Aha!«, macht er. Für einen Atemzug hält er tatsächlich den Mund und mustert meine Programmwahl. »Das würde ich nicht tun.« Er greift nach meinem Handgelenk und hält mich gerade noch rechtzeitig davon ab, das Gerät einzuschalten.
»Wieso nicht?«, frage ich harsch und weiche zurück. Ich klinge viel abweisender, als ich eigentlich beabsichtigt habe. Nein, nicht abweisend, ich klinge regelrecht panisch und seine Reaktion zeigt, dass meine Worte genauso ankommen. Hastig lässt er mich los und hebt die Hände.
»Sorry«, entschuldigt er sich. »Wollte dir nicht zu nahetreten. Aber mit dem Programm hätten deine Sachen anschließend deiner Puppe gepasst.«
»Ich habe keine Puppen!«, entgegne ich. »Und jetzt lass mich in Ruhe meine Wäsche waschen.«
Er tritt zur Seite und gibt den Weg zu meiner Maschine frei. »Sorry, ich wollte nur helfen.«
»Du hilfst mir am meisten, wenn du mich einfach in Ruhe lässt.«
Er neigt den Kopf. »Hast du nicht gerne Gesellschaft?«
Ich schüttele den Kopf. »Klaro, oder? Ich gehe um zwei Uhr morgens in einen Waschsalon, weil hier so viel los ist …«
Er lacht leise. »Verständlich.«
»Also kannst du mich bitte in Ruhe lassen?« Ich starre ihn...
Erscheint lt. Verlag | 6.4.2020 |
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Reihe/Serie | Read! Sport! Love! |
Read! Sport! Love! | |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Boxen Romane • Große Liebe • Hamburg Romane • Herz • Liebesroman deutsch • Liebesromane für junge Frauen • Lucky Punch • Read!Sport!Love! • Romance • Romane für Frauen • schreckliches Geheimnis • Secret kiss • Silvesternacht • Sport Romane • Sports Romance • tragische Liebe |
ISBN-10 | 3-492-98650-1 / 3492986501 |
ISBN-13 | 978-3-492-98650-2 / 9783492986502 |
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