Power To The People (eBook)

Wie wir mit Technologie die Demokratie neu erfinden
eBook Download: EPUB
2020
176 Seiten
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
978-3-446-26688-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Power To The People - Georg Diez, Emanuel Heisenberg
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Über Technologie als Chance für eine andere Politik und Gesellschaft sprechen Georg Diez und Emanuel Heisenberg in ihrem Buch 'Power to the People'.
Die Digitalisierung ist unter Verdacht geraten: Überwachung, Manipulation, Fake News. Dabei bietet sie auch Möglichkeiten, unsere Demokratie zu erneuern. Georg Diez und Emanuel Heisenberg plädieren in ihrer Streitschrift für einen anderen Umgang mit den neuen Technologien. Sie beschreiben, wie Identität, Autonomie und Mitbestimmung mit digitalen Mitteln erreicht werden können, etwa durch eine neuartige Regulierung von Social-Media-Plattformen. Sie zeigen, am Beispiel von Barcelona, wie mit einer gänzlich neuen Daten-Politik Probleme wie Gentrifizierung und Klimawandel gesteuert werden können. Technologie, wenn wir sie im Sinne einer digitalen Bürgergesellschaft denken, ermöglicht eine neue Form von Macht und Emanzipation, die von unten wächst: Eine digital-demokratische Revolution.

Georg Diez war Journalist und Kolumnist u.a. für Spiegel, Spiegel Online, Zeit, Frankfurter Allgemeine und Süddeutsche Zeitung. Zuletzt erschienen von ihm der politische Essay Das andere Land (2018), Martin Luther, mein Vater und ich (2016) und Der Tod meiner Mutter (2009). Heute arbeitet er als Direktor für Strategie und Medien bei einem unabhängigen Forschungsinstitut.

Einleitung


Technologie ist eine Art, zu denken und zu handeln. Darin liegt das konstruktive Potential, eine andere Form von Demokratie und Gesellschaft zu imaginieren und zu gestalten. Wie können Prozesse und Abläufe beschleunigt und transparenter, durchlässiger, partizipativer, gerechter gemacht werden? Wie können Regierung und Repräsentation anders gedacht werden? Wie sollten Märkte verändert werden, damit Eigentum und Besitz kein Hindernis mehr sind für das gute Leben für möglichst viele? Das ist der Optimismus, von dem wir angetrieben sind. Es gibt keine progressive Politik ohne oder gegen Technologie, das ist unsere Überzeugung. Wir verstehen dieses Buch auch als eine Handlungsanweisung, als Aufforderung und Wegweiser, wie so eine andere Politik und Gesellschaft aussehen könnten.

Wir leben, als Weltgemeinschaft, in einem Zeitalter der Angst und des Zorns, so hat es der indische Essayist Pankaj Mishra formuliert2; und was das bedeutet, das sehen wir jeden Tag, davon hören und lesen wir in immer schnelleren Zyklen von News, Live-Tickern und Twitter-Stürmen. Es ist die Technologie, die diese Zyklen antreibt, die Kommunikation in Sekundenschnelle ermöglicht und den Kosmos schrumpfen lässt, weil theoretisch jede*r alles jederzeit wissen kann. Oft genug ist aber das Gegenteil der Fall, denn die Explosion des Wissens sorgt für ein Gefühl der Überwältigung und Verunsicherung in wesentlichen Fragen von Wahrheit und Lüge, von Richtig und Falsch, von Gut und Böse. Angst ist eine Folge dieser Überwältigung und steht im Zentrum der Konflikte unserer Zeit: zwischen Arm und Reich, Stadt und Land, Alt und Jung, zwischen Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe, Religion, die in überkommenen politischen Konstruktionen, in Nationalstaaten, zusammenleben und sich zutiefst misstrauen. Und so mag es Leser*innen verwundern, dass wir ausgerechnet der Technologie die Rolle einer integrativen, emanzipatorischen, verbindenden Kraft zutrauen, die diese Angst überwinden kann.

Wie also kommen wir zu unserem Optimismus? Wir haben uns in den vergangenen Jahren und an unterschiedlichen Orten intensiv mit Demokratie und Technologie auseinandergesetzt. Wir haben dieses Buch im Dialog begonnen, und idealerweise sollte es auch so gelesen werden: offen, neugierig und von der Hypothese getragen, dass das Gute möglich ist. Dieser Gedanke, der Kern einer progressiven Politik, verbindet uns. Emanzipation, Individualismus, Empathie, Gerechtigkeit, Solidarität, Menschlichkeit müssen als gedankliche Möglichkeit verfügbar sein, bevor sie realisiert werden können.

Wir kommen aus verschiedenen Feldern, der eine Journalist und Autor, der andere Start-up-Gründer im Bereich Erneuerbare Energien. Wir sind unterschiedlich im Temperament und ähnlich in der Weltsicht. Wir suchen das Neue im Alten und den Kern des Künftigen in der Gegenwart. Wir glauben an den Menschen. Diese Haltung prägt unseren Blick auf Technologie, die in diesem Buch als Werkzeug für Veränderung definiert ist, techné im altgriechischen Wortsinn, ein Tool, das vom Menschen geschaffen wurde und nicht vom Menschen getrennt ist; etwas, das dem Menschen dient.

Und genau an diesem Punkt liegt der Anfang einer anderen Vision von Technologie, zwischen dem Kult des technologisch Machbaren, wie ihn das Silicon Valley verkörpert, und der intuitiven Abneigung gegenüber allen technologischen Veränderungen, die jede wirtschaftliche und vor allem demokratische Innovation blockiert. Zwischen diesen beiden Positionen liegt ein weites Feld von Optionen für eine progressive Politik, und dieses Feld wollen wir ausmessen; wir wollen Vorschläge machen, wie eine andere, gerechtere digitale Demokratie aussehen könnte; wir wollen konkret beschreiben, wie Technologie für alle genutzt und nicht nur für Monopolisten, autoritäre Herrschaft oder rechte Meinungsmache instrumentalisiert werden kann.

Die Argumentation in diesem Buch vollzieht sich dabei in drei Schritten:

  1. Technologie ist vom Menschen gemacht.

  2. Politik ist die angemessene Form menschlicher Macht.

  3. Technologie bietet die Möglichkeit, diese Macht besser und gerechter zu gestalten, wobei sie selbst politischer, also gesellschaftlicher Kontrolle unterliegt.

Es geht uns darum, die Grundlagen demokratischer Praxis für das digitale Zeitalter neu zu beschreiben. Es geht uns um Gestaltung und Veränderbarkeit. Wir sind interessiert an demokratischer Innovation, an anderen institutionellen Formen und an alternativen Marktstrukturen. Genauer gesagt: Wir möchten herausfinden, ob es einen Weg gibt, Technologie ins Zentrum der Demokratie zu stellen, so dass sie weder der extraktiven Logik des gegenwärtigen Kapitalismus gehorcht noch dem chinesischen Modell des staatsgetriebenen und autoritären digitalen Überwachungsapparates, dessen Elemente mittlerweile weltweit eingesetzt werden. Gibt es womöglich sogar eine spezifisch europäische Antwort auf die Fragen der technologischen Revolution, gibt es eine Chance, Europa neu zu denken und zu positionieren, aus dem Geist des verantwortungsvollen Individualismus heraus?

Es ist der europäische Bürger*innengeist, der aus der Aufklärung in die Gegenwart herüberragt und die Möglichkeit demokratischer Innovation auch im digitalen Zeitalter bietet. Ein wesentliches Element ist dabei, dass nach Jahrzehnten der Vorherrschaft neoliberalen Denkens der Begriff und die Funktion des Staates neu definiert werden. Der Staat ist nicht notwendigerweise etwas, das den Bürger*innen entgegensteht, der Staat ist im Idealfall der Bürger, ist eine Ordnung, die von Bürger*innen gemacht wird. Die Bürger*innen selbst sind dabei Akteur*innen, die aktiv eingreifen können und müssen, damit die Demokratie lebendig bleibt und die Wirtschaft sich innovativ und gerecht weiterentwickelt. Der Staat, von dem wir sprechen, wäre ein grundsätzlich anderer als der, den wir heute kennen.

Eine zentrale These dieses Buches ist es, dass das demokratische Denken und Handeln hinter den technologischen Möglichkeiten zurückbleibt. In der politischen Realität der meisten westlichen Demokratien besteht eine Kluft zwischen politischem Anspruch und politischer Wirklichkeit, was tiefgreifende systemische Konsequenzen hat. Die Menschen verabschieden sich vom System und flüchten sich in Vergangenheiten, die Schutz versprechen. Institutionen halten an einer überkommenen Machtlogik fest, weil sie den Wandel fürchten, und das trifft auf politische Parteien genauso zu wie auf traditionelle Medien und große Industrieunternehmen, die immer noch größtenteils von alten weißen Männern dominiert werden, geprägt durch das analoge Zeitalter und ohne Anreiz, Veränderungen zuzulassen.

Dabei hat sich etwas sehr Grundsätzliches verändert: Macht funktioniert im digitalen Zeitalter anders, Kommunikation funktioniert anders, der Markt funktioniert anders, Identität, Individualität, Staat, Nation funktionieren anders — also müssen wesentliche Elemente einer demokratischen Grundordnung im 21. Jahrhundert neu gedacht werden. Und tatsächlich gibt es längst Innovationen wie die Blockchain- und Peer-to-Peer-Technologien, die es ermöglichen, Wirtschaft und Gesellschaft dezentraler und individuell steuerbarer zu gestalten. 

Problematisch für progressive Positionen ist dabei die Tatsache, dass der gegenwärtige Diskurs über das Internet und die digitalen Möglichkeiten überlagert wird von einer negativen Realität, die die Harvard-Professorin Shoshana Zuboff3 als »Überwachungskapitalismus« zusammengefasst hat — die Macht von Konzernen, mit digitalen Mitteln Freiheitsrechte einzuschränken. Kostenfreie Leistungen wie E-Mail-Dienste, Suchmaschinen oder soziale Netzwerke werden mit Informationen bezahlt, die die anbietenden Konzerne speichern, auswerten und analysieren. Diese Form der Überwachung wird anschließend als Prognose-Produkt verkauft, wobei der Mensch in seinen Handlungen und seiner Nachfrage als berechenbar gilt. Seine privaten Daten werden Teil einer Produktwelt.

Besonders in autoritären Staaten zeigen sich bereits die Auswirkungen der Vernetzung von Daten, wenn beispielsweise in China Fußgänger beim Überqueren einer roten Ampel gefilmt werden, wobei ihre Bewegungen und Gesichtszüge analysiert und mit Datenbanken abgeglichen werden. Der Regelverstoß geht dann in ein Scoring-System ein, das darüber entscheidet, ob jemand einen Platz an der Universität oder eine Wohnung erhält. Die Technologie ist dadurch mächtiger und effektiver als jeder Polizeiapparat, denn sie ist allgegenwärtig.

Aber nichts muss so sein, wie es ist. Technologie fällt nicht vom Himmel, sie ist ...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Autonomie • City • Data • Datenschutz • Demokratie • Demokratische • digital • Emanzipation • Gestalten • Globale • Mitsprache • Native • #ohnefolie • ohnefolie • Revolution • Smart • Überwachung • Verantwortung • Zukunft
ISBN-10 3-446-26688-7 / 3446266887
ISBN-13 978-3-446-26688-9 / 9783446266889
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