Um Gottes willen -  Stephanie Mende

Um Gottes willen (eBook)

Warum Menschen heute ins Kloster gehen
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
196 Seiten
adeo (Verlag)
978-3-86334-814-4 (ISBN)
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'Wenn ich sagen würde, es ist leicht, ins Kloster einzutreten, würde ich lügen. Es ist wunderschön, aber es ist auch eine große Herausforderung.' Pater Isaak Maria, 26 Jahre, Zisterzienser Warum gehen Menschen ins Kloster - nicht nur für ein hippes Schweigewochenende, sondern für ein ganzes Leben? Was bewegt moderne Menschen dazu, sich einem religiösen Orden anzuschließen? Und dauerhaft auf Partnerschaft, Familie, Besitz und Selbstbestimmung zu verzichten? 16 Frauen und Männer im Alter von 23 bis 92 Jahren - vom Physiker bis zur Bierbrauerin - erzählen von ihrem persönlichen Weg in das Ordensleben und antworten auf spannende Fragen: Wann und warum haben sie den Ruf in dieses ungewöhnliche Lebensmodell verspürt? Welche Herausforderungen sind am größten? Und wie sieht der Alltag im Orden aus? Haben sie die Entscheidung je bereut und was macht sie wirklich glücklich?

liebt spannende Lebensgeschichten. Ob als Journalistin, Hörbuch- oder Buchautorin ist sie stets neugierig und interessiert sich für die Geschichten hinter der Geschichte. Als Systemischer Coach und Entspannungstrainerin gibt sie Kurse im klösterlichen Umfeld, wodurch die Idee zu diesem Buch entstand. Foto: Dieter Nothhaf

liebt spannende Lebensgeschichten. Ob als Journalistin, Hörbuch- oder Buchautorin ist sie stets neugierig und interessiert sich für die Geschichten hinter der Geschichte. Als Systemischer Coach und Entspannungstrainerin gibt sie Kurse im klösterlichen Umfeld, wodurch die Idee zu diesem Buch entstand. Foto: Dieter Nothhaf

Etwa 40 Kilometer westlich von München befindet sich die Erzabtei St. Ottilien. Die große Klosteranlage, die von vielen Besuchern als Kraftort wahrgenommen wird, liegt eingebettet in Wiesen, Wälder und Felder im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech. Bei schönem Wetter hat man von hier aus einen einzigartigen Blick auf das Alpenpanorama. Rund 80 Missionsbenediktiner leben, beten und arbeiten hier. Der Jüngste ist Anfang 20 und direkt nach dem Abitur in die Gemeinschaft eingetreten. Der Älteste ist 92. Er lebt seit über 70 Jahren in St. Ottilien.

Pater Timotheus ist 45 Jahre alt und seit fünf Jahren Prior der Erzabtei. Er hat eine freundliche und aufgeschlossene Art, die es Besuchern des Klosters leicht macht, mit ihm in Kontakt zu treten. Das Gespräch mit ihm ist angenehm und – so mein Empfinden – ausgesprochen offen und tiefgründig. Wir sitzen in einem Sprechzimmer, in dem sich die Mönche mit Besuchern treffen können, und unterhalten uns angeregt.

Stefan – so der Taufname von Pater Timotheus – wird 1974 in Ulm geboren. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder verbringt er eine glückliche Kindheit im beschaulichen Wullenstetten im Landkreis Neu-Ulm. Er ist ein aufgeweckter, wissbegieriger und pflichtbewusster Junge, der schon mit fünf Jahren eingeschult wird. „Ich bin in einem gut katholischen Elternhaus aufgewachsen. Jeden Sonntag besuchten wir den Gottesdienst. Unser damaliger Pfarrer hatte eine sehr liebevolle Art, die es uns Kindern leicht machte, uns in der Kirchengemeinde wohlzufühlen. Und so war es für mich selbstverständlich, nach der Erstkommunion Ministrant zu werden.“ Ein Amt, das der kleine Stefan mit großer Freude und viel Engagement ausübt. „Sonntags ministrierte ich meistens zweimal: in der Frühmesse und im normalen Gemeindegottesdienst. Ich mochte die Atmosphäre in der Kirche. Deshalb ministrierte ich auch regelmäßig an Werktagen. Damals fasste ich den Entschluss, Priester zu werden. Ich spürte eine tiefe Verbundenheit, aber auch eine tiefe Sehnsucht nach Gott in mir.“

Die Eltern sind selbstständig. Sie führen den familieneigenen Zimmereibetrieb in der fünften Generation. Dass nicht nur sein Vater, sondern auch seine Mutter Bauingenieurwesen studiert hatte, war für die damalige Zeit ungewöhnlich. „Unsere Mutter war die älteste von drei Töchtern und meine Großeltern erwarteten von ihr, den Familienbetrieb weiterzuführen. Da meine Mutter aber nicht nur in der Verwaltung tätig sein, sondern auch selbst Baupläne entwerfen wollte, ging sie zum Studium an die Fachhochschule nach Augsburg. Dort lernte sie meinen Vater kennen. Bis ich in die siebte Klasse kam, haben mein Bruder und ich unsere Hausaufgaben im Haus unserer Großeltern gemacht, in dem auch das Büro war, in dem unsere Mutter gearbeitet hat. Wenn wir fertig waren, gingen wir zu einer sehr liebevollen Tagesmutter. Doch trotz der vielen Arbeit fanden meine Eltern immer Zeit, ihren Glauben aktiv zu leben. So besuchten sie jedes Jahr im Advent einen Meditationskurs im Kloster Neresheim.“

Auch Stefan lernt die Benediktinerabtei kennen. Doch das ist als Kind nicht sein einziger Kontakt zu einem Kloster. Zwei Tanten seines Vaters sind Ordensfrauen und werden ab und an von der Familie besucht. Zwar kommt es Stefan zu dieser Zeit noch nicht in den Sinn, selbst einmal in ein Kloster einzutreten, doch der Wunsch, Priester zu werden, festigt sich im Laufe der Jahre. Am Gymnasium wählt er ab der siebten Klasse Latein als zweite Fremdsprache, um eine Grundlage für das spätere Theologiestudium zu schaffen. „Als Jugendlicher habe ich sogar mit einer Verwandten um fünf Mark gewettet, dass ich Priester werde.“

Aber dann kommt alles ganz anders. „Als ich in der neunten oder zehnten Klasse war, hatte ich mein physikalisches Erweckungserlebnis. Mein Vater hatte großes Interesse an Physik, sodass es bei uns zu Hause viel populärwissenschaftliche Literatur zu diesem Thema gab. Ich begann, darin zu stöbern, und war sofort begeistert.

Als ich dann von der Schule auch noch als Buchpreis Die kosmische Uhr von Hubert Reeves geschenkt bekam – ein Buch, in dem es unter anderem um das Standardmodell der Teilchenphysik geht –, war mein Interesse an Physik endgültig geweckt. Also belegte ich Mathematik und Physik in der Oberstufe als Leistungskurse und schrieb mich nach dem Abitur und dem Zivildienst in Ulm für ein Physikstudium ein.

Meiner Heimatpfarrei blieb ich dennoch treu. Bis zu meinem Vordiplom war ich als Oberministrant in unserer Gemeinde aktiv. Nur die fünf Mark, um die ich ein paar Jahre zuvor gewettet hatte, verlor ich, denn der Priesterberuf schien mit Beginn des Physikstudiums ein für alle Mal passé zu sein. Dass sich in meinem Leben noch einmal alles ändern und ich das Geldstück viele Jahre später wieder zurückbekommen würde, hätte damals wohl niemand gedacht.“ Pater Timotheus schmunzelt.

„Das war allerdings nicht der Grund, ins Kloster einzutreten und doch noch Priester zu werden. Rückblickend muss ich sagen, dass ich unendlich dankbar dafür bin, dass ich in einem soliden und funktionierenden Elternhaus aufwachsen durfte. Welch großes Geschenk das ist, habe ich erst richtig begriffen, als ich schon im Kloster war. Natürlich wurde bei uns zu Hause auch gestritten, aber am Ende wurde alles ausdiskutiert. Mein Bruder und ich fühlten uns in der Familie geborgen. Es war immer klar, dass Vater und Mutter für uns da sind. Das war das Fundament unserer Kindheit. Durch die Berufstätigkeit unserer Eltern wurden wir aber auch schon früh zur Eigenverantwortung und zur Mithilfe erzogen. Es war selbstverständlich, dass wir in den Ferien in der Zimmerei mitarbeiteten. Wir zogen immer alle an einem Strang. Noch heute habe ich zu meiner Familie eine sehr tiefe Bindung.“

Wie die Schulzeit verläuft auch das Studium reibungslos. In dieser Zeit ist Stefan zum ersten Mal richtig verliebt. „Ich hatte damals meine erste feste Beziehung. Auch wenn ich schnell spürte, dass es nicht die Frau fürs Leben war, war es eine schöne Zeit und eine gute Freundschaft.“

Nach dem Vordiplom wechselt Stefan an die Technische Universität München. Die erste Beziehung hat keinen Bestand. Mit 24 Jahren hat der zielstrebige junge Mann bereits sein Physik-Diplom in der Tasche. Doch damit ist seine Universitätslaufbahn noch nicht beendet. „Schon während der Diplomarbeit war mir klar, dass ich promovieren wollte. Die Promotionsstelle bekam ich am Max-Planck-Institut für Physik in München-Freimann und über ein Stipendium konnte ich zehn Monate ans CERN in der Nähe von Genf. Das war natürlich ein Traum.“

Das CERN – die Abkürzung steht für Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire, also Europäische Organisation für Kernforschung – ist für jeden Teilchenphysiker der Olymp. Dort wird physikalische Grundlagenforschung betrieben und mithilfe großer Teilchenbeschleuniger der Aufbau von Materie erforscht. „Für mich war das eine ganz tolle Zeit. Nicht nur die Arbeit begeisterte mich, auch privat war ich sehr glücklich. Ich lernte eine Medizinstudentin kennen. Wir passten so gut zusammen, dass ich dachte, die Frau fürs Leben gefunden zu haben. Als ich nach meiner Tätigkeit am CERN wieder zurück nach München ging, führten wir eine Fernbeziehung. Es war eine intensive Freundschaft, die mir bis heute sehr viel bedeutet.“

In München widmet sich Stefan der Fertigstellung seiner Doktorarbeit in theoretischer Teilchenphysik. Gerade einmal 27 Jahre ist er alt, als ihm die Doktorwürde verliehen wird. Doch bei allem Interesse für die Naturwissenschaft bleibt der Glaube eine wichtige Stütze in seinem Leben und immer wieder treibt ihn die Frage um, ob er wirklich sein Leben lang in der Forschung tätig sein will. „Während meiner ganzen Studien- und Promotionszeit habe ich regelmäßig Gottesdienste besucht. Und ich hatte Freunde, mit denen ich über religiöse Themen reden konnte. Das war wichtig für mich. Außerdem besuchte ich mindestens einmal im Jahr einen Meditationskurs bei Pater Beda in der Benediktinerabtei Neresheim. Selbst in ein Kloster einzutreten, kam allerdings nicht für mich infrage. Auch wenn Pater Beda jedes Mal zu mir sagte, dass er für mich bete, damit ich den Weg ins Kloster finde.“ Der weise Pater spürt wohl, wie tief der junge Naturwissenschaftler im Glauben verwurzelt ist.

„Im Fachbereich Physik ist es üblich, nach der Promotion erst einmal mehrere Postdoc-Stellen zu absolvieren, und so habe ich mich bereits parallel zur Doktorarbeit um eine solche Stelle beworben. Als ich schließlich ein Angebot von der Cornell University in Ithaca, New York, erhalten habe, war ich sofort hellauf begeistert. Diese Stelle wollte ich unbedingt antreten.“

Mit Feuereifer stürzt sich der begabte Physiker in seine Arbeit. Doch nur wenige Monate nachdem Stefan seine Postdoc-Stelle in den USA angetreten hat, erhält er eine erschütternde Nachricht aus Deutschland: Sein Vater ist an einem Glioblastom erkrankt, einem besonders aggressiven Gehirntumor. Die Lebenserwartung liegt bei elf bis 15 Monaten. Stefan ist geschockt. Das Einzige, was dem 28-Jährigen in dieser Zeit Halt gibt, ist sein Glaube; so wie auch seiner Familie in Deutschland, die sich von nun an jeden Abend zum gemeinsamen Gebet trifft.

„Auf dem Universitätsgelände gab es mittags eine heilige Messe, die ich ab diesem Zeitpunkt regelmäßig besuchte. Meistens hielt der emeritierte Philosophie-Dozent Father Robert Smith – von uns Father Bob genannt – den Gottesdienst. Er war als Ruhestandsgeistlicher in der Hochschulseelsorge in Cornell tätig. Mit ihm konnte ich sehr gute Gespräche führen. Vor allem die Frage, was für ein Leben ich...

Erscheint lt. Verlag 21.2.2020
Verlagsort Asslar
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Alltag • Berufung • Besitzlosigkeit • Bestimmung • Bier brauen • Brüder • ehelos • Ehelosigkeit • Evangelisch • Familie • Glaubensgemeinschaft • Glück • Katholisch • Kommunität • Lebensmodell • Lebensweg • Menschen • Mönch • Nonnen • Orden • Ordensleben • Physiker • Religion • Religiosität • Retrait • Schwestern
ISBN-10 3-86334-814-1 / 3863348141
ISBN-13 978-3-86334-814-4 / 9783863348144
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