Die Königin von Berlin (eBook)

Sie war die Muse von Bertolt Brecht. Roman
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2020 | 1. Auflage
416 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45137-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Königin von Berlin -  Charlotte Roth
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Ein aufregender Roman über Carola Neher, eine der schillerndsten Schauspielerinnen der Weimarer Republik von der Bestseller-Autorin Charlotte Roth. Wo sie auftritt, jubeln die Menschen der geheimnisvollen Carola Neher zu. Die Theater reißen sich um sie. Berlin liegt ihr zu Füßen in jenen letzten Jahren der Weimarer Republik. In durchfeierten Nächten verdreht sie einem berühmten Mann nach dem anderen den Kopf - doch im Herzen bleibt sie allein. Das ändert sich, als sie dem Dichter Klabund begegnet, ein Suchender und ein Getriebener wie sie selbst. Ausgerechnet sie, die begehrte femme fatale, verliebt sich in den scheuen, zurückhaltenden Dichter, der von der gleichen inneren Glut verzehrt wird wie sie selbst. Was keiner für möglich gehalten hätte, tritt ein: Sie heiratet ihn. Doch eine brave Ehefrau wird Carola nicht, denn schon bald lockt sie das wilde Leben - und die Künstler Berlins, darunter Bertold Brecht, der ihr die Chance ihres Lebens bietet ... In diesem Roman setzt Bestseller-Autorin Charlotte Roth der Schauspielerin Carola Neher ein Denkmal, die in den 20er Jahren die Muse vieler berühmter Männer war und als Brechts erste Polly unsterblich wurde.

Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist gebürtige Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa. Sie lebt heute in London, liebt aber ihre Geburtsstadt Berlin über alles. Ihr Debüt, 'Als wir unsterblich waren', war ein Bestseller, dem seitdem zahlreiche weitere Romane über Frauenschicksale vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte folgten.

Charlotte Roth, Jahrgang 1965, ist gebürtige Berlinerin, Literaturwissenschaftlerin und seit zehn Jahren freiberuflich als Autorin tätig. Charlotte Roth hat Globetrotter-Blut und zieht mit Mann und Kindern durch Europa. Sie lebt heute in London, liebt aber Berlin über alles. Ihr Debüt, "Als wir unsterblich waren", war ein Bestseller, dem seitdem zahlreiche weitere Romane über Frauenschicksale vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte folgten.

Im Sommer ist es hier nicht so schlimm«, hatte Peter gesagt.

Der Peter, mit dem Annette ein paar Wochen lang »gegangen« war, auch wenn es in Weyher bei Edenkoben nicht viel gab, wohin man gehen konnte. Im Sommer immerhin trafen sich die jungen Leute nach der Arbeit – wenn sie Arbeit hatten – am See, um zu schwimmen. Der See lag außerhalb des Ortes, ganz und gar umrundet von mannshohem Schilf, in dem sich Paare verstecken konnten, wenn sie nicht schwimmen wollten, sondern knutschen. Knutschen, das war in dem Sommer mit Peter auch das gewesen, was sie mit Händen, Armen und dem Rest gemacht hatten, und derweil hatten ganze Schwärme von Mücken sich an ihnen satt getrunken.

Nach dem Schwimmen oder Knutschen konnte man sich die Haare auskämmen, die Schilfhalme vom T-Shirt klauben und in den Kronprinz gehen, die einzige Gaststätte in Weyher, die das ganze Jahr über geöffnet hatte. Kartoffelknepp gab es da, an manchen Tagen Blutwurst mit Sauerkraut, an anderen Leberknödel. Suppe immer. Kuchen meistens. Und Wein. Wenn es an etwas in diesem Teil der Welt niemals fehlte, dann am Wein.

Das sagt sich so einfach, dachte Annette. In diesem Teil der Welt. Das klang, als ließen die übrigen Teile sich kinderleicht erreichen, als wäre es nur eine Frage der Zeit, wann sie aus Weyher aufbrechen und anderswohin gehen würde und von dort wieder anderswohin und so weiter.

Bis sie die Welt kannte.

Konnte man das? Die Welt so gut kennen wie Weyher bei Edenkoben?

Davon, aus Weyher aufzubrechen und anderswohin zu gehen, hatte Annette geträumt, solange sie denken konnte. Sie war gut in der Schule gewesen. Die Beste in der Klasse. Zur weiterführenden Schule gingen die Kinder aus Weyher in Edenkoben, das lag mit dem Fahrrad keine halbe Stunde entfernt und hatte zehnmal so viele Einwohner. Als Annette als Zehnjährige zum ersten Mal allein dorthin geradelt war, hatte sie geglaubt, sie wäre in der großen Welt fern von Weyher angekommen. Mit der Zeit jedoch – erst Woche für Woche, dann Tag für Tag – war Edenkoben geschrumpft und näher an Weyher gerückt. Inzwischen waren Edenkoben und Weyher zu einem Ganzen verschmolzen. Nur dass es in Edenkoben neuerdings eine Pizzeria, ein Kino und mehrere Supermärkte gab.

Nach der Schule waren die ersten der jungen Leute, die am See im Schilf gelegen und im Kronprinz Wein getrunken hatten, aus Weyher weggegangen. Sie fanden keine Arbeit und zogen in die nächstbeste Stadt, wo es welche gab. Annette hatte in Edenkoben ihre Lehre gemacht. Sie hatte gehofft, später studieren zu können, Geschichte oder Geografie, um die Rätsel der Welt zu erforschen, aber schließlich war sie nach Weyher zurückgekehrt. Als schon so gut wie alle, die hatten bleiben wollen, weg waren, war sie, die von Anfang an weggewollt hatte, immer noch da.

Schließlich war auch Peter gegangen.

»Für dich ist es anders«, hatte er gesagt. »Du hast Arbeit. Aber für die meisten von uns gibt es hier keine Zukunft.«

Also war Annette immer noch hier und hatte immer noch Arbeit, und mit der Zeit wurde ihr klar, dass sie wohl auch nicht mehr fortgehen würde. »So spielt eben manchmal das Leben«, sagte ihre Großmutter. »Wir haben ja auch nicht fortgehen können und sind daran nicht gestorben.«

Ihre Mutter sagte: »Wenn es mir noch einmal eine Zeit lang besser geht, kannst du doch vielleicht eine von diesen Städtereisen machen. Mit dem Bus. In der Neuen Post sind immer Angebote, gar nicht teuer. Und mit deiner Arbeit hättest du’s doch schlechter treffen können, oder? Du musst dir wenigstens nicht den Rücken krumm schuften, sondern kannst den ganzen Tag sitzen.«

Möglicherweise besteht darin das Problem, dachte Annette. Das lange Sitzen war einschläfernd, und irgendwann hatte sie die Hoffnung aufgegeben, dass doch noch einmal etwas geschehen würde. Im Grunde aber stimmte sie der Großmutter zu: Sie hätte es schlechter treffen können.

Annette war Bibliothekarin in einer Bibliothek, in die nie jemand kam. Nie war natürlich übertrieben. Der Volksschullehrer kam mit seiner altersgemischten Klasse, um den neuen Schülern beizubringen, wie man eine Bibliothek benutzte. Annette saß hinter dem Tresen, der unter die Treppe gebaut war, und stellte den Sechsjährigen Bibliotheksausweise aus, von denen die meisten nie Gebrauch machen würden. Ab und zu lieh eine Hausfrau sich einen Krimi oder einen Liebesroman, und Annette versah die erste Seite mit einem Stempel, obwohl sie auch ohne Stempel keinen Zweifel daran hegte, dass sie das Buch nächste Woche um die gleiche Zeit zurückbekommen würde.

Es gab auch einen literarischen Zirkel in Weyher, der sich einmal im Monat in der Bibliothek traf, um über ein Buch zu debattieren. Dafür bestellte Annette im Kronprinz eine Beköstigung mit Schnittchen und – wie hätte es anders sein können – Wein. Im Herbst fiel der Zirkel meist aus, weil die Leute mit der Weinlese beschäftigt waren, im Winter fanden die Proben für das Krippenspiel in St. Peter und Paul statt, und im Sommer war es zum Lesen oft zu warm. Aber immerhin, den Zirkel gab es. Annette hätte es schlechter treffen können.

Außerdem war sie nicht allein Bibliothekarin, sondern obendrein Leiterin des Heimatmuseums von Weyher. Das Heimatmuseum lag im Obergeschoss, in das die Treppe über dem Tresen führte. Wie die Bibliothek bestand auch das Heimatmuseum vorwiegend aus einem einzigen Raum, doch gab es oben wie unten noch Lagerräume und im Museum einen Verkaufsstand mit Postkarten und allerlei Krimskrams. Auf halber Treppe befanden sich eine sogenannte Kaffeeküche und eine Toilette.

Ins Heimatmuseum kam noch seltener jemand als in die Bibliothek, weshalb im Bürgermeisteramt beschlossen worden war, es tagsüber aus Sicherheitsgründen abzuschließen. Ließ sich doch ein Besucher blicken, ging Annette mit ihm nach oben, schloss ihm das Heimatmuseum auf und fragte gleich nach, ob er Postkarten oder Krimskrams kaufen wollte. Der Volksschullehrer kam manchmal mit seinen Schülern, von denen die älteren Klemmbretter bei sich trugen, um sich Notizen zu machen. Die jüngeren spielten am Postkartenständer. Manche klauten Krimskrams.

Im Sommer natürlich, wenn die Frühstückspension und das Wanderheim geöffnet hatten, ließ sich gelegentlich ein Tourist blicken, und von Zeit zu Zeit schneite jemand herein, der dringend auf die Toilette musste. Außerdem tagte im Museum der Heimatverein. Vierteljährlich. Wenn die Sitzung nicht ausfiel, bestellte Annette im Kronprinz Schnittchen und Wein.

Das war ihr Leben. Abends ging sie nach Hause, löste Hilke, die Tagespflegerin, ab, und weiter würde nichts mehr geschehen. Sie würde hier sitzen bleiben und altern wie eine Kartoffel, die nicht durch Modergestank auf sich aufmerksam machte, sondern irgendwann einfach verschrumpelt war. Wiederum war ein Monat so gut wie zu Ende. Sie konnte damit beginnen, die Einnahmen und Ausgaben in die Spalten des dafür angeschafften Kassenbuchs einzutragen, die der Bibliothek auf der linken und die des Heimatmuseums auf der rechten Seite.

40 Pfennige für eine verkaufte Postkarte.

30 Pfennige Überziehungsgebühr für einen Krimi.

Ein Quietschen ließ sie aufblicken. Die Glastür, durch die sie hinaus auf die Straße sehen konnte, wenn sie sich etwas zur Seite neigte, wurde aufgeschoben. Nur bis zur Hälfte. Ein Mann blieb im Türrahmen stehen und sah sich so hastig im Raum um, als hätte er Angst. Als er Annette entdeckte, wich er noch einen halben Schritt zurück. Annette hatte einmal, auf dem Heimweg aus Edenkoben, ihr Fahrrad wegen eines platten Reifens schieben müssen und war in der Dunkelheit einem Hasen begegnet. Der Hase war aus einem Gebüsch geschossen und im Sprung erstarrt, der ganze Körper wie eine Sehne gespannt, der schmale, schöne Kopf nichts als zitternde Barthaare, Löffel und riesenhaft geweitete, fast schwarze Augen, in denen aller Schrecken zu stehen schien, den die Welt bereithielt.

Für ein Tier, das seinen Platz am Ende der Nahrungskette hatte, war das Leben eine immerwährende Gefahr. Der Mann, der Annette in der Tür gegenüberstand, schien unter den Menschen einen ähnlichen Platz einzunehmen wie der Hase unter den Tieren. Damals war Annette schließlich samt Fahrrad langsam zurückgewichen, bis der Hase sich aus seiner Schreckstarre gelöst hatte und mit mächtigen Sätzen davongesprengt war.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie schließlich.

»Mir? Sie? Nein.« Einen Akzent wie diesen hatte sie hier noch nie gehört – gerolltes R, gedehnte Vokale, drei Silben wie Schnalzer mit der Zunge. »Oder ja. Bitte doch. Ich suche das Stadtarchiv, habe mich in der Pension erkundigt. Man schickte mich hierher.«

War er Deutscher? Durch die Grammatik tastete er sich wie ein Blinder durch unvertrautes Terrain, beging jedoch keine Fehler, sprach nur ohne jede Selbstverständlichkeit. »Ein Stadtarchiv haben wir nicht«, sagte Annette. »Wir sind ja keine Stadt.« Dem Hasen hatte sie ihren Rückzug bieten können, für den Mann hatte sie ein Lächeln. Er war mittelgroß, schlank, trug eine Stoffhose und eine blaue Windjacke, die selbst in Weyher hoffnungslos altmodisch wirkten. Sein Haar war grau, obwohl er Annette nicht alt genug schien, um so komplett ergrautes Haar zu haben. Es stand vom Kopf ab wie windzerzaust, nur regte sich draußen kein Lüftchen. Sein Gesicht war schmal, schön, die Augen geweitet. In Gedanken hatte sie ihn längst Herr Hase getauft.

»Ja, natürlich. Entschuldigen Sie. Man hat mir das schon erklärt in der Pension, wo ich übernachte. Man sagte mir allerdings, vielleicht könnte ich hier doch Hilfe finden.«

»In der Pension Zum wilden...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1920er • 20er Jahre • 20er Jahre Berlin • 20er Jahre Romane/Erzählungen • 20. Jahrhundert • Babylon Berlin • Berlin • Bertolt Brecht • Bestseller-Autorin • Biografien Frauen • Biografien Schauspieler • biografische Romane • Carola Neher • Dreigroschenoper • Femme fatale • Frauenschicksal • Große Liebe • historische romane 20. jahrhundert • historische Romane Berlin • Historische Romane Deutschland • Klabund • Kommunismus • Künstlerroman • Lebensgeschichten Frauen • Liebesgeschichte • Polly • Roman Biographien • Roman Drama • Romane nach wahren Begebenheiten • Roman wahre Begebenheiten • schauspieler biografien • Schauspielerin • schicksalsromane • Seeräuberjenny • Shortlist DeLIa Literaturpreis • Star • Starke Frauen der Geschichte • Tanz auf dem Vulkan • Theater • Theater-Schauspielerin • Tragödie • Verfilmung • Wahre GEschichte • wahre geschichten bücher • Wahre Liebesgeschichten • Weimarer Republik
ISBN-10 3-426-45137-9 / 3426451379
ISBN-13 978-3-426-45137-3 / 9783426451373
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