Stärke des Herzens -  Gilbert Morris

Stärke des Herzens (eBook)

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2020 | 1. Auflage
400 Seiten
SCM Hänssler im SCM-Verlag
978-3-7751-7485-5 (ISBN)
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England, 17. Jahrhundert. John Bunyan ist ein leidenschaftlicher Prediger, der Gottes Wort frei und mutig verkündigt. Als der Staat die Religionsfreiheit einschränkt und dieses neue Gebot machtvoll durchsetzen will, droht ihm große Gefahr. Die Wakefields werden in die wechselvollen Ereignisse verwickelt und müssen sich ihren eigenen Herausforderungen stellen. Glaube und Liebe sind die mächtigen Gefühle, für die sie alles zu geben bereit sind.

Gilbert Morris (1929-2016) war Pastor, Englisch-Professor und Bestsellerautor. Mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebte er in Alabama, USA.

Gilbert Morris (1929-2016) war Pastor, Englisch-Professor und Bestsellerautor. Mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebte er in Alabama, USA.

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2

Amos lernt einen Kesselflicker kennen


1650

Amos Wakefield hasste es, zehn Jahre alt zu sein! Er durfte kaum etwas machen, das er gern machen wollte, und war gezwungen, eine Menge Dinge zu tun, die er nicht tun wollte. Dazu gehörte das Studium der lateinischen Sprache und das frühe Zubettgehen, während zu den erstgenannten die Jagd mit seinem Falken gehörten, den er Hook – Haken – genannt hatte nach den nadelscharfen Klauen, mit denen der besondere Vogel seine Beute zu töten pflegte.

An einem hellen Februarmorgen hatte er es satt, bedeutungslose lateinische Verben zu konjugieren – amo, amas, amat –, also verließ er sein Zimmer und schlich die Treppen hinunter. Eine der Mägde hätte ihn beinahe ertappt, aber er schaffte es gerade noch, sich hinter die Rüstung zu ducken, die einem fernen Ahnen gehört hatte. Als die Magd verschwunden war, verließ Amos in aller Eile das Haus und machte sich zu den Stallungen auf, wo die Vögel gehalten wurden.

Die Stallungen waren für Amos das bedeutendste Gebäude auf dem Gelände – und das Wichtigste daran waren die Pferdeställe, in denen sein eigenes Pferd, Destrin, seine Box hatte. Die Stallungen lagen nach Süden und hatten sehr kleine Fenster, die mit Horn bedeckt waren, um die Falken vor Zugluft zu schützen. Amos war mit jedem Zoll des Ortes vertraut, von der winzigen Feuerstelle an einem Ende bis zu dem kleinen Raum, in dem sich die Stallknechte trafen, um an nassen Abenden nach einer Fuchsjagd das Zaumzeug zu reinigen.

Der Junge bewegte sich rasch. Er warf keinen Blick auf die Gerätschaften, zu denen ein Kessel, eine Bank mit kleinen Messern aller Art und Wandbretter mit Töpfen darauf gehörten. Als er zu der Bank kam, auf der die Hauben der Falken aufbewahrt wurden, betrachtete er sie sorgfältig. Es war eine bemerkenswerte Sammlung: alte, von Rissen durchzogene Hauben, die angefertigt worden waren, bevor Amos geboren wurde; winzige Hauben für Bussarde und kleine Hauben für Falken. Alle waren in den Farben der Wakefields gefertigt: weißes Leder mit grünem Fries an den Seiten, umrandet von blaugrauen Reiherfedern.

Amos hob eine Haube auf, dann wandte er sich den Vögeln zu. Er ignorierte die beiden Bussarde und den alten Habicht. Er schlüpfte in den Handschuh, dann streckte er die Hand aus. Hook hob augenblicklich die Schwingen und setzte sich auf das Leder. Sein Griff war so wild, dass Amos spürte, wie die mächtigen Klauen sich in seinen Arm krallten. Ein Schauder durchrieselte ihn. Ich frage mich, wie es wohl ist, ein Vogel oder eine Maus zu sein und zu fühlen, wie einen diese Krallen durchbohren.

Einen Augenblick empfand er Mitleid für die Opfer des Falken, aber seine Vorfreude auf die Jagd überschattete diese Gedanken. Er vergewisserte sich, dass der Falke sicher auf seinem Arm saß, dann verließ er die Stallungen. Dreißig Minuten später befand sich Amos auf einem offenen Feld westlich des Schlosses. Er suchte den Himmel nach Beute ab und sah bald eine Wildgans, die nach Süden flog. Rasch löste er die Fessel des Falken. Hook erhob sich augenblicklich und Amos kratzte seine Füße und fuhr sanft mit den Fingern durch sein Brustgefieder.

»Komm schon, lass uns sehen, was ein königlicher Vogel zustande bringt«, wisperte er voll Zuneigung. Dann rief er laut: »So-ho!«, und warf den Arm hoch, um dem Raubvogel einen besseren Start zu geben. Hooks mächtige Schwingen schlugen die Luft, trugen ihn in die Höhe, bis er ein kleiner Punkt am Himmel war. Er überholte die Wildgans bei seinem Aufstieg, dann begann er Kreise zu ziehen. Wie immer, wenn der Falke sich bereit machte, seine Beute zu schlagen, schlug Amos’ Herz einen Trommelwirbel! Er beobachtete, wie der Vogel zum Sturzflug ansetzte und die Gans schlug, dass die Federn nach allen Richtungen flogen. Die Wucht des Schlages tötete den größeren Vogel augenblicklich, und Hook zog Kreise und stieß einen schrillen Schrei aus, als der Kadaver seiner Beute zu Boden fiel.

Amos rannte durch die Disteln und merkte es kaum, als er sich einen bösen Kratzer auf der Wange zuzog. Als er beim Kadaver der Gans anlangte, hatte Hook eben einen Schnabel voll Federn ausgerupft.

»Gut!«, rief Amos laut. Er griff eilig zu, setzte Hook trotz dessen Widerstrebens die Haube auf und nahm den Vogel auf den Arm. »Ich würde dir diese Gans ja gerne zum Frühstück geben«, erklärte er, während er auf das Feld zurückkehrte, »aber wenn du dich vollstopfst, hast du keinen Grund mehr, etwas anderes anzugreifen, oder?«

Der eifrige Junge wanderte noch eine Stunde lang durch die Wälder und sah voll Vergnügen zu, wie Hook eine Taube und einen Waldhahn schlug. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Amos sich schließlich voll Bedauern nach Hause wandte.

»Zurück zu dem dummen alten Latein, Hook!«, klagte er. Er streichelte die seidigen Federn des Falken und fügte hinzu: »Ich wünschte, ich wäre ein Falke. Du brauchst niemals etwas anderes zu lernen als das Töten, nicht wahr?«

Er eilte den Pfad zum Schloss entlang und war erleichtert, als er feststellte, dass niemand in den Stallungen seine Ankunft bemerkt hatte. Rasch eilte er nach drinnen und ging geradewegs auf Hooks Sitzstange zu. Er nahm dem Vogel die Kappe ab, und als der Falke sich auf seine Sitzstange setzte, band er die Leine fest.

»Es sieht nicht so aus, als würdest du Latein lernen.«

Erschrocken fuhr Amos herum und sah seinen Vater, der im Schatten stand. »Oh – Vater!« Er schluckte schwer. »Ich – ich habe dich nicht gesehen.«

»Nein, du warst zu beschäftigt mit Hook.«

Amos hatte nicht wirklich Angst vor seinem Vater, aber es gab Zeiten – wie jetzt, wenn er ungehorsam gewesen war –, dass ihn etwas sehr Ähnliches wie Furcht überkam. Seine Gedanken überschlugen sich, als er versuchte, sich eine Entschuldigung auszudenken, die ihm aus der Klemme heraushelfen würde, aber ihm fiel nichts ein. Er legte die Hände auf dem Rücken zusammen, drehte sie hin und her und wartete darauf, dass sein Vater sprach.

»Ich bin enttäuscht von dir, Sohn.«

Amos blickte rasch auf und sah, dass das keilförmige Gesicht seines Vaters traurig war. Christopher Wakefield war jetzt sechzig Jahre alt und die Zeit hatte ihre Spuren an ihm hinterlassen. Sein kastanienbraunes Haar war mit grauen Strähnen untermischt, und um seine Augen und seinen breiten Mund zeichneten sich Linien ab, die von einem harten Leben sprachen. Nur Chris’ Augen waren dieselben wie in seiner Jugend: dunkelblau und leuchtend. Sie erschienen wie das perfekte Ebenbild der Augen des Jungen, der wie angenagelt unter dem Blick seines Vaters stand.

Als er in die Augen seines Vaters sah, wusste Amos, dass er nicht lügen konnte. »Ich war dir ungehorsam, Vater«, sagte er mit hoch erhobenem Kopf.

»Ja, das warst du.«

»Du kannst mich mit dem Rohrstock züchtigen, wenn du willst.«

Chris’ Lippen waren streng zusammengepresst, aber bei Amos’ unerwartetem Angebot verzogen sie sich zu einem Lächeln in den Mundwinkeln. Wakefield liebte seinen jüngeren Sohn von Herzen und sah oft seine eigene Jugend in dem Jungen wieder. Er betrachtete die stämmige Gestalt, das dunkelrote Haar mit den leichten Locken darin – genau so, wie sein Haar in diesem Alter ausgesehen hatte – und das kampflustige Kinn. Er wusste, dass sein Sohn mehr von ihm geerbt hatte als nur die äußere Ähnlichkeit, denn Christopher war ebenfalls ein rebellischer junger Mann gewesen.

Er studierte Amos’ ernstes Gesicht einen Augenblick lang, dann fragte er: »Würde eine Tracht Prügel dich davon abhalten, mir ungehorsam zu sein?«

»Nein, Sir, ich glaube nicht.«

Christopher lachte laut bei diesem Eingeständnis. »Nun, dann werde ich es auch nicht tun.«

Erleichterung huschte über das Gesicht des Jungen, aber Chris freute sich, als er sah, dass sich in den jungen Augen seines Sohnes ein Ausdruck des Bedauerns abmalte, als er zu ihm aufblickte. »Es tut mir leid, Vater. Ich verspreche, ich werde zur Strafe zweimal so viel Latein lernen wie bisher.«

»Das wollte ich dir eben vorschlagen.« Christopher trat vor und berührte den wilden Kopf des Raubvogels. »Ist er gut geflogen, Sohn?«

»Oh ja, Sir!«

Christopher hörte zu, als der Junge mit vor Aufregung und Vergnügen glühenden Wangen die Jagd schilderte. Sosehr er sich über den lebhaften Bericht seines Sohnes freute, so fühlte er sich doch von einer Welle der Erschöpfung überkommen und setzte sich auf einem dreibeinigen Hocker nieder. Obwohl er es niemand gegenüber erwähnt hatte – nicht einmal Angharad oder dem Arzt gegenüber –, wusste Christopher, dass nicht alles in Ordnung war. Sein Herz hatte sich in den letzten sechs Monaten seltsam benommen. Hin und wieder durchfuhr ihn ein Schmerz in der Brust – als würde ein Schwert bis zum Griff hineingestoßen. Und noch öfter hatte er, wie auch in diesem Augenblick, ein seltsam hohles Gefühl in der Brust, als wäre er plötzlich sehr zerbrechlich geworden. Er setzte sich dann immer still hin, bis das Gefühl vorüberging. Eine kranke, graue Leere folgte darauf, die ihn auch jetzt überkam, als er dasaß und Amos lauschte.

Christopher achtete sehr darauf, sich den Schmerz und das Unbehagen nicht anmerken zu lassen; er wollte nicht, dass seine Familie sich Sorgen machte. Schließlich beendete Amos seine Geschichte und Christopher lächelte ihn voll Zuneigung an. »Ich muss bald wieder einmal mit dir jagen gehen. Das haben wir schon lange nicht mehr getan.«

»Morgen?«

»Wenn ich kann und wenn du dein Latein lernst.«

»Vater, erzähl mir vom König«, sagte Amos abrupt.

Ein...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2020
Reihe/Serie Wakefield Saga
Verlagsort Holzgerlingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 17. Jahrhundert • Britisches Königreich • Christlicher Roman • Chronik • Cromwell • England • Gefühle • Glaube • Glaubenshelden • Großbritannien • Historischer Roman • John Bunyan • Ken Follet • Königshaus • Liebe • London • Prediger • Religionsfreiheit • Tudor
ISBN-10 3-7751-7485-0 / 3775174850
ISBN-13 978-3-7751-7485-5 / 9783775174855
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