Angela Merkel - Das Requiem (eBook)

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2020 | 1. Auflage
352 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2252-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Angela Merkel - Das Requiem -  Gertrud Höhler
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Angela Merkel hat die Republik verändert wie kein Kanzler vor ihr. Machtwille und Bindungslosigkeit machten sie den Westpolitikern überlegen. Das Herrschaftswissen der gescheiterten DDR und mächtige Gönner in der West-CDU lieferten ihr den Spielraum für eine Kehrtwende in der gesamtdeutschen Politik. Merkel verschob die politische Mitte nach links und schleifte CDU-Bastionen. Die Kanzlerin der Einheit sprach das Siegersyndrom der Deutschen an: Überall die Ersten und Besten sein, gekoppelt an die Unfähigkeit, mit der Rolle der Deutschen als Täter umzugehen. Schnell wurde die quasi parteilose Kanzlerin zum Weltstar, der in kein Schema passt. Hohe Ziele in den ethisch hochexplosiven Feldern Euro, Energiewirtschaft, und Migration zeigen eine unbekümmerte Alleinherrscherin, die sich nicht durch Gesetze aufhalten lässt. Als Symbolpolitikerin reist sie um den Globus und verkündet humanitäre Botschaften, denen niemand widersprechen kann. Omnipräsenz schlägt Omnipotenz. Ihr Zauberwort lautet 'multilateral', alle mit allen. Angela Merkel ist Agentin einer wertneutralen Zukunft, die Bekenntnisse überflüssig macht. Die ernüchternde Bilanz nach 14 Jahren: Deutschland geht aus dem Stresstest der Ära Merkel geschwächt hervor.

Prof. Dr. Gertrud Höhler zählt zu den renommiertesten Beraterpersönlichkeiten im deutschsprachigen Raum. Nach langjähriger Tätigkeit als Universitätsprofessorin für Literaturwissenschaft entschloß sie sich, ihre Begabung für scharfe Analysen und problemorientiertes Denken in andere Bahnen zu lenken und als freie Beraterin von Wirtschaft und Politik zu arbeiten. Die Autorin zahlreicher Managementbücher ist Mitglied in Verwaltungsräten internationaler Konzerne und eine vielgefragte Rednerin. Sieben ihrer Titel waren auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Prof. Dr. Gertrud Höhler zählt zu den renommiertesten Beraterpersönlichkeiten im deutschsprachigen Raum. Nach langjähriger Tätigkeit als Universitätsprofessorin für Literaturwissenschaft entschloß sie sich, ihre Begabung für scharfe Analysen und problemorientiertes Denken in andere Bahnen zu lenken und als freie Beraterin von Wirtschaft und Politik zu arbeiten. Die Autorin zahlreicher Managementbücher ist Mitglied in Verwaltungsräten internationaler Konzerne und eine vielgefragte Rednerin. Sieben ihrer Titel waren auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Präludium und Fuge: 
Ankunft und Abschied


Merkels Finale werden Merkel-Deutsche schreiben. Pro und Contra wird mit der Brainware einer Seitenwechslerin Dissonanz und Ratlosigkeit zu einem Cocktail mischen, der für die einen nach Heimweh schmeckt, den anderen auf der Zunge brennt wie flammende Wut – und für die vielen Wendedeutschen in Merkels Heer der Mitmacher Wehmut mit Nostalgie und halb wachem Verlustschmerz verbindet.

Merkel-Deutsche sind sie alle am Ende dieser Ära, die nicht ohne Schleifspur in die Bildergalerie der deutschen Nachkriegskanzler einrücken kann, wenn die verunsicherten Merkel-Jünger mit ihren Gegnern ein würdiges Finale planen wollen. »Der Wahrheit eine Bresche und Utopia eine Chance«, könnte das Motto dieses Abschieds von einer Kanzlerin lauten, die nichts unangetastet ließ, was den Rechtsstaat ausmacht, die nichts unversucht ließ, um ein neues Zeitalter mit einem neuen Menschenbild in die Mitte Europas zu tragen – und die mehr preisgab, als die Erträge ihrer Amtsführung ausgleichen können.

War sie das nun, die Merkel-Sekunde in der Weltgeschichte? Wie lautet die wahre Geschichte? Und wer war sie in dieser Story: Trendsetter, Trendleader oder pathfinder? War sie Vorläufer oder Mitläufer bei diesem Stresstest der europäischen Rechts- und Werteordnung?

War Angela Merkel die Botin der Zukunft, die noch niemand verstand? Changes and challenges, Chancen und Herausforderungen liefen immer mit, wenn Deutschland und Europa versuchten, das Wende-Talent der ewig Unvollendeten zu verstehen. Denn nichts, was sie anfasste und aus den Angeln hob, wurde vollendet. Aber alle Erwartungen, alle Langmut und alle Diplomatie der westlichen und der internationalen Kollegen gaben der Kanzlerin Raum für Experimente.

Sie war die Kanzlerin, die aus der Kälte kam. Eher aus Putins als aus Gorbatschows Reich. Das Mädchen, das der großäugigen Hera aus dem antiken Götterhimmel glich, schien sich hereinzustaunen in das westliche Politpersonal. Verstört von der Wende waren sie alle, aber die Systemwechslerin Angela lieferte den coolsten Übergang. Funktionärin im totalitären System gewesen zu sein, war das ideale Ticket, um auch in der Politelite des Systemnachbarn, Deutschland-West, dazuzugehören: Merkel war nicht als Panzerknackerin des Warschauer Pakts aufgetreten; sie hatte abgewartet. Als Dissidentin hätte sie nicht so geräuschlos Karriere machen können, wie es dann gelang.

Das Zauberwort von der deutschen »Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit« schluckte den gesamten Systemkontrast weg, der beim Wechsel aus einem totalitären in einen freiheitlich-demokratischen Staat zur Debatte steht: Immerhin war es ein politisch beiderseits beschlossenes »Gleichgewicht der Abschreckung«, das die Unvereinbarkeit beider Systeme der bipolaren Welt bis dahin in sensibler Hochspannung koexistieren ließ.

Kommentarlose und bekenntnisfreie Systemwechsel waren und sind bis heute weder üblich noch möglich. Das Mädchen Angela wechselte unter dem Schutzschirm eines Gewährsmanns aus der sozialistischen DDR die Seite; Lothar de Maizière war es, der seiner Sprecherin das Bekenntnis ersparte, das sie auch später noch vermied: in einer christlich-demokratischen Partei als Überzeugungstäterin dabei zu sein. Helmut Kohl, Bundeskanzler der Einigung, lieferte den Anschlussjob: Die stellvertretende Regierungssprecherin der letzten DDR-Regierung wurde Ministerialrätin im Presse- und Informationsamt der gesamtdeutschen Regierung Kohl. »Kohls Mädchen« unterlief so mit den Zertifikaten zweier Wendemänner aus West und Ost die tiefergehende Nachfrage nach ihrem politischen Bekenntnis zum freiheitlichen Rechtsstaat.

Integration? Ein Fremdwort. Schon damals, vor der Schwelle zum Jahrtausend der wandernden Völker, galt in Deutschland die tollkühne Annahme, dass jeder, der »zu uns kommt«, auch ein willkommener Mitgestalter unserer Verfassungsgeschichte sein werde. Dennoch darf man nach anderthalb Jahrzehnten Merkel-Macht in Gesamtdeutschland fragen, wer in dieser langen Zeit wen integriert hat: Hat die politische Kultur des vereinigten Deutschland Angela Merkel integriert, oder hat, umgekehrt, Angela Merkel der demokratischen Tradition Deutschlands ein Integrationsprogramm verordnet, das den freiheitlichen Rechtsstaat und seine Gewaltenteilung aus den Angeln hebt? Wenn es so war, dann bleibt die Frage weiter akut: War Merkels Agenda ein Projekt ihrer metademokratischen Trendleadership, oder schwamm die Kanzlerin Merkel mit in einem Megatrend, den andere mit Leadership-Energie versorgten? Hatte die deutsche Kanzlerin eine tauglichere Zukunftswitterung als die meisten Deutschen, als sie sich für ein Menschenbild entschied, in dem die Normen und Werte der westlichen Allianz ebenso wenig Raum behalten werden wie in den Weltkonzernen der unbestrittenen Trendleader der digitalen Netzwerke?

Merkel führt häufig Mischformen der nun plötzlich alt aussehenden Welt und der europäischen wie der transatlantischen Tradition verbal weiter. Sie überspannt den Bogen anderswo, nämlich in ihren Alleingängen. Wo Konsens für Ruhe sorgt und den Wandel nicht aufhält, agiert die deutsche Kanzlerin wie gewohnt: intransparent und entscheidungsscheu, also, im Bürgerfeeling, ungefährlich. Genau das macht ihren Regierungsstil gefährlich. Dass keiner rauskommt aus der Falle des neuen Menschenprofils, umschrieb Merkel mit der Formel »alternativlos«. Eine andere Formel für den Satz: »Du hast keine Chance, also nutze sie.«

Dass es in ihrer gesamten Regierungszeit um Wandel ging, zeigt die Einführung der Vokabel »Wende«, wo andere Politmanager vielleicht von »Innovation« oder »Reform« gesprochen hätten. In Merkels Schicksalsmanagement sollen einsame Entscheidungen als schicksalswendende objektive Großereignisse erscheinen, denen sich niemand entziehen kann. Völkerschicksal mit dem unpathetischen Wort »Wende« zu beschreiben, hatte die deutsche Gesellschaft ja seit der spektakulären Maueröffnung zwischen West und Ost begonnen. Damit konnten alle weiteren Wendemanöver der übergesetzlich agierenden Kanzlerin im gleichen Sprachbaukasten Platz finden. Was immerhin bedeutet, dass Eurorettung oder Verstaatlichung der Energiewirtschaft oder Open-door-Regime für Migranten ohne Erkennungsansprüche des Gastlandes wie evolutionäre Großereignisse behandelt werden, eben »höhere Gewalt«.

Ist die deutsche Kanzlerin Getriebene einer Weltenwende, die den Menschen von seinen Erfolgserlebnissen eines auslaufenden Äons trennt, um ihn neu zu definieren, ohne passion- und mission-Statements, die das Vertrauen der Abhängigen binden? Oder gehört Merkel zu den Treibern eines neuen Auftritts der westlichen Allianz am Ufer neuer Aufbrüche, in Allianzen mit Systemen, die im Weltbild der erfolgreichen Zivilisationen der westlichen Welt bis dahin als Gegner und Akteure eines konträren Menschenbildes verzeichnet waren?

Kurz und klar gefragt: Führte Merkel die deutsche und die europäische Politik nur einfach dahin, wohin ohnehin die Reise ging? Unterscheidet die Kanzlerin Merkel von ihren Kollegen im In- und Ausland vor allem dies: dass sie einen Megatrend in Richtung autokratischer Herrschaftsformen unter Preisgabe traditioneller Werte- und Normenkataloge früher als andere Politiker für unausweichlich hielt? Ihre Herkunft aus einem totalitären System befähigte Merkel zu einer Sicht auf Staatsentwürfe, deren Vergänglichkeit schon im ideologischen Konzept angelegt war. Vielleicht kam sie mit dem Wissen, dass der Zusammenbruch des DDR-Staates auch als Auftakt für die Entdeckung weiterer Systemermüdungen zu begreifen sei, auf die der Blick sich zunächst wie auf das rettende Ufer gerichtet hatte. Die West-CDU sah sich erst einmal als das rettende Ufer. Das rettende Ufer ist unterdessen zur Rettungsinsel ausgebaut und in offenes Wasser geschwommen: ein Refugium der Anti-Merkel-Deutschen.

Dass Merkel den Megatrend zu Staatenkonglomeraten wie der EU bedient, war einer der Hauptgründe für ihre hohe Akzeptanz bei den Brüsseler EU-Managern. Eine deutsche Führung ohne das konservative deutsche CDU-Profil aus der Ära Kohl war auch deshalb hochwillkommen bei den Top-Europäern, weil diese unbelastete Neudeutsche die verlockenden Versuchungen wiederbelebte, die das Kolonialherrenprofil der Geldverteiler schon bald bei der sogenannten Eurorettung schärfen sollten. Die deutsche Dominanz in EU-Fragen wurde durch Merkels ballastfreien Auftritt in Brüssel das Ticket, auf dem die deutsche Kanzlerin auch Experimente einer neuen Couleur durchsetzen würde. Noch ehe das jemand ahnte, hätte die Frage aufkommen müssen, ob die deutsche Führungsposition in der heraufziehenden EU-Krisenkette anders und nachhaltiger hätte genutzt werden können. Die strafende Hand der deutschen Kommandeurin im Drama um Südeuropas Währungsdilemma – starre Einheitsdecke über heterogene Volkswirtschaften, der Euro als »falsche« Währung – hat immerhin das Virus der Spaltung in den europäischen Traum eingeschleppt. Aus Partnern wurden laut Gipfelbeschluss der Euro-Profiteure Gläubige und Schuldner. Damit war die Spaltung Europas besiegelt – ein Preis, den Gewinner und Verlierer noch heute und morgen...

Erscheint lt. Verlag 10.1.2020
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Staat / Verwaltung
Schlagworte Abschaffung Wehrpflicht • alternativlos • alternativlose Politik • Amtsende Merkel • Angela Dorothea Kasner • Angela Kasner • Ära Merkel • Atomausstieg • Bestsellerautorin • Bundeskanzlerin • Bundesregierung • Bundesrepublik Deutschland • CDU • CDU-Bundesvorsitzende • DDR • Demokratie in der Krise • Demokratiekrise • Deutsch Deutsche Geschichte • Deutschland • Eurorettung • Fakten schaffen • Große Koalition • Internationale Beziehungen • Internationale Politik • Kanzleramt • Kanzlerin • Klimakanzlerin • Kohls Mädchen • Machtpolitik • Marktwirtschaft • Merkel Bilanz • Merkel Raute • Merkel Rückblick • Merkel-Sekunde • Migrationspolitik • Politik • politische Rechtsbeugung • Politischer Rückblick • Regierung • Regierungskrise • Soft-Law • system m • There is no alternative • Überwachungskapitalismus • Vertrauenskrise • wir schaffen das
ISBN-10 3-8437-2252-8 / 3843722528
ISBN-13 978-3-8437-2252-0 / 9783843722520
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