Wandelseele -  Julia A. Jorges

Wandelseele (eBook)

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2019 | 1. Auflage
408 Seiten
Shadodex-Verlag der Schatten
978-3-946381-75-4 (ISBN)
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Unerkannt leben sie unter den einfachen Menschen: Wandelseelen. Sie sind fähig zur Reinkarnation und verfügen über besondere Begabungen, doch dafür brauchen sie fremde Lebensenergie. Studentin Sine hat gerade erst erfahren, dass sie eine solche Wandelseele ist. Doch sie ist nicht imstande, ihren Drang, fremde Energie zu zehren, zu kontrollieren. Das macht sie zu einer Gefahr für ihre Mitmenschen. Als der Scout Darius Korweyn sich ihrer annimmt, hofft sie auf Unterstützung durch ihresgleichen in einem Gildenhaus bei Paris. Sie findet Vertraute und sogar neue Freunde. Doch schon bald gerät sie in einen Konflikt der Mächtigen, der sie um ihr Leben fürchten lässt und sie zwingt, in die Katakomben von Paris hinabzusteigen.

Teil 1: Wintererwachen

Teil 2: Die Gemeinschaft der Ewigen

Teil 3: Bestie in Gold

Teil 4: Hölle und Himmel

 

 


Teil 2: Die Gemeinschaft der Ewigen


 

1

 

Die sanfte Melodie ihres Handyweckers holte Sine in die Wirklichkeit zurück. Gerade mal etwa zwei Stunden hatte sie schlafen können, denn Darius bestand darauf, sie noch am Vormittag dem Rat vorzustellen. Sie fühlte sich wie gerädert. Auch weil ihr Gehirn, statt die kurze Ruhephase im Tiefschlaf zu verbringen, entschieden hatte, träumend Dinge zu verarbeiten, die in ihrem Unterbewusstsein auf der Lauer gelegen und nur darauf gewartet hatten, dass sie die Augen schloss.

Sie erinnerte sich daran, ohne Orientierung umhergetappt zu sein, bis sie zu ihren Füßen ein schwaches orangefarbenes Licht entdeckte, das wie ein einzelnes, bösartiges Auge zu ihr emporstarrte. Mehr als sie es sah, spürte sie, dass sie sich in einem engen Flur befand. Vor einer Tür blieb sie stehen. Sie war riesig und verlor sich oben in der Dunkelheit. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um an die Klinke zu gelangen. Sie zog und rüttelte aus Leibeskräften daran, bis der Wecker ihre Bemühungen beendete. Sine ahnte, dass das, was hinter der Tür lag, ohnehin unerreichbar war. Noch nie hatte sie sie öffnen können, so oft sie dieses Szenario schon geträumt hatte. Manchmal war sie an ihr vorbeigelaufen auf der Suche nach einem anderen Ausgang, aber hinter jeder offenen Tür befand sich wieder die erste, verschlossene.

In ihrer Erschöpfung hatte sie sich vorhin aufs Bett geworfen, ohne das Zimmer im Obergeschoss genauer in Augenschein zu nehmen. Jetzt fielen Sonnenstrahlen zwischen den Vorhängen hindurch auf einen hellgrünen Teppichboden. Vor dem Fenster stand ein schlichter Schreibtisch, geziert von einem rot blühenden Weihnachtskaktus. Nachttisch und Kleiderschrank waren im gleichen, mit Blumenmustern verzierten Landhausstil gehalten wie das Bett. Gegenüber hingen Regale, die bis auf ein gerahmtes Foto des Châteaus leer waren, daneben ging es in ein winziges Badezimmer. Die Atmosphäre des Raumes entsprach der eines gemütlichen, aber nicht übermäßig teuren Hotelzimmers und damit nicht unbedingt den Vorstellungen, die Sine sich von den Gemächern eines prunkvollen Schlosses gemacht hatte. Doch ihre Enttäuschung, nicht in einem Himmelbett nächtigen zu dürfen, wurde von der Neugier auf das Château und seine Bewohner überlagert. Sie gähnte herzhaft und streckte sich. Eine schnelle Dusche würde die Müdigkeit sicher verjagen.

Einigermaßen erfrischt schlüpfte Sine in ihre Sachen. An der Tür blieb sie einen Moment unschlüssig stehen. Wohin sollte sie sich wenden? Einen Treffpunkt hatte Darius nicht erwähnt. Am besten, sie ginge nach unten, vielleicht gab es dort eine Art Empfang.

Was das wohl für Menschen waren, die hier lebten? Alte Seelen. Die Gilde. Die Worte besaßen einen geheimnisvollen, Ehrfurcht einflößenden Klang.

Mit klopfendem Herzen trat Sine auf den dämmrigen Flur. Das Licht kam von in die Decke eingelassenen Lampen. Zu beiden Seiten befanden sich Türen genau wie ihre eigene, alle mit Nummern versehen, und kurz fühlte Sine sich an ihren Traum erinnert. Ihr Zimmer hatte die Nummer achtunddreißig. Sie nahm den innen steckenden Schlüssel, schloss die Tür und sperrte ab. Dann wandte sie sich nach rechts, wo der Flur nach ein paar Metern um die Ecke bog. Wenn sie nicht alles täuschte, waren sie dort die Treppe hochgekommen.

Alles lag still und verlassen. Schliefen die Schlossbewohner noch oder waren sie bereits in den unteren Geschossen zugange? Verließen sie womöglich das Anwesen, um ganz normalen Berufen nachzugehen? Nein, nicht nach dem, was Darius erzählt hatte.

Bilder von Leuten in wallenden Gewändern kamen ihr in den Sinn, die vor riesigen Messingkesseln standen und eifrig alchemistische Ingredienzien einrührten. Labortische, auf denen farbige Flüssigkeiten in Destillierkolben siedeten, während verschroben-geniale Erfinder an futuristischen Maschinen tüftelten und bucklige alte Frauen in abgedunkelten Gemächern Kristallkugeln befragten. Sine musste über ihre Fantasie, die gerade mit ihr durchging, grinsen und vergaß für einen Moment die Nervosität.

»Attention!«

Sine konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite springen, bevor Patricia auf Inline-Skates an ihr vorbeisauste. Zu sehr war sie in Gedanken versunken gewesen, zumal die Rollen auf dem Teppichboden so gut wie kein Geräusch verursachten.

Das Mädchen presste die Knie gegeneinander, um den Schwung herauszunehmen, und stützte sich an der Wand am Ende des Flurs ab. Nicht besonders elegant drehte sie sich zu Sine um, bemüht das Gleichgewicht zu halten. »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte sie kleinlaut. »Ich übe schon seit Tagen auf den Dingern, aber ich fürchte, ich bin hoffnungslos untalentiert.«

»Ist nicht so einfach, wie es aussieht«, räumte Sine ein. »Ich habe es ausprobiert, bin aber so oft hingefallen, dass mir der Hintern eine Woche lang wehtat. Dann habe ich es gelassen.«

»Aufgeben? … Pah!« Patricia lachte. »Genau deshalb trainiere ich hier oben. Auf dem Teppich ist ein Sturz nicht ganz so schmerzhaft.«

Sine musste ebenfalls lachen. »Vielleicht solltest du dir eine Klingel umhängen, um unschuldige Passanten zu warnen.«

»Gute Idee! Wollen wir mal zusammen fahren? Ich habe noch ein Paar, das könnte dir passen.« Patricia strich eine Strähne ihres widerspenstigen schwarz gefärbten Haares hinters Ohr. War es nicht vorhin violett gewesen? Sie ging in die Knie und setzte sich, um die Inliner auszuziehen. Durch ein Loch in einer Socke wackelte sie mit dem großen Zeh. Sine reichte ihr die Hand und half ihr auf. »Danke«, sagte Patricia grinsend. »Verrate keinem, dass ich nicht richtig bremsen kann.«

Sine versprach es und fragte: »Weißt du, wo Darius sich aufhält?«

»In Professor Witburys Büro zusammen mit den anderen Ratsmitgliedern. Die können es gar nicht erwarten, dir auf den Zahn zu fühlen.«

»Wie meinst du das?«

Das Mädchen machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nimm nicht alles so wörtlich. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich wäre dem Verein nie beigetreten, wenn es mir hier nicht gefallen würde.« Sie lief zur Treppe, die Inliner ließ sie im Flur liegen.

»Warte, Patricia«, bat Sine.

»Nenn mich Pat. Ich mag Patricia nicht besonders.« Auf dem Treppenabsatz blieb sie stehen und schaute aus dem schmalen Sprossenfenster.

»Geht mir mit meinem Namen ähnlich«, sagte Sine und stellte sich neben sie. Ein atemberaubend schöner Anblick bot sich ihr. So weit das Auge reichte, erstreckte sich ein parkähnlicher Garten mit Springbrunnen – zu dieser Jahreszeit natürlich abgestellt –, Pavillons, Teichen und berankten Torbögen. Sogar ein Labyrinth aus sorgfältig gestutzten, immergrünen Hecken entdeckte Sine. Der Park eines Märchenschlosses. »Wow«, entfuhr es ihr.

»Ja, wir leben hier recht feudal. Ganz wie es sich für höhere Wesen gehört«, bestätigte Pat mit unüberhörbarer Ironie.

»Wie kommt es, dass du so gut Deutsch sprichst?«, wollte Sine wissen.

»Hab früher lange in Deutschland und der Schweiz gelebt«, erklärte sie knapp.

Sine überlegte kurz, wie lange das gewesen sein konnte, bedachte man Patricias Teenageralter. Aber sie war eine Alte Seele – wer sollte wissen, auf was für eine Vergangenheit sie bereits zurückblickte? »Ich bin ziemlich durcheinander«, gestand sie. »Erst gestern habe ich erfahren, was ich bin und dass ich schon mal gelebt habe. Plötzlich gehöre ich nirgends mehr hin. Und Darius und Xavier sind … na ja, ein bisschen wunderlich. Mit dir kann ich wenigstens normal reden.«

Patricia nickte. »Klar kannst du das, jederzeit. Mach dir keine Sorgen, jeder ist nach seiner Initiierung erst mal verwirrt. Aber man gewöhnt sich an ein Dasein als Wandelseele.«

»Wandelseele?«

»Ewige, Alte Seelen, nenn es, wie du möchtest. Ich mag die altmodische Bezeichnung Wandelseele am liebsten, auch wenn sie kaum jemand verwendet.« Patricia lachte. »Bei unseren Gilden-Scouts bist du auch direkt an die Richtigen geraten, um es dir extra schwer zu machen. Xavier ist nicht gerade für seine Small-Talk-Qualitäten bekannt, aber er ist in Ordnung. Was Darius betrifft – der wurde alt geboren, im doppelten Sinn. Versteh mich nicht falsch. Er ist klug und zuvorkommend und man kann sich hundertprozentig auf ihn verlassen. Emotionale Feinfühligkeiten liegen ihm dagegen weniger.« Ihr forschender Blick traf Sine. »Ich hoffe, du hast dich nicht in ihn verliebt, bloß weil er nicht gerade übel aussieht.«

Sine hoffte, sie sähe nicht allzu ertappt aus. »Nein, nein«, wehrte sie ab. Verliebt schien ihr auch nicht das richtige Wort zu sein, was ihre Gefühle Darius gegenüber anging. Oder doch? »Und dieser Professor Witbury und die anderen?«, fragte sie schnell. »Was wollen die von mir?«

»Dich für die Gilde gewinnen natürlich. Jetzt komm, es wird dich niemand fressen«, drängte Patricia und lief die Stufen hinunter. Sine folgte ihr etwas weniger eilig.

 

2

 

Sie kamen am ersten Stock vorbei, der nicht viel anders aussah als der zweite. Auf der Treppe und im Foyer des Erdgeschosses begegneten ihnen einige Bewohner des Châteaus. Sie grüßten höflich und bedachten Sine mit neugierigen Blicken, was ihr ein wenig unangenehm war. Pat führte sie durch einen breiten Flur, dessen Dielenboden unter den Schritten ächzte, bis zum Ende des rechten Flügels.

Vor einer massiven Tür aus dunkler Eiche blieb sie stehen. »Da wären wir, nur keine Panik. Der Professor ist sehr nett, und von den anderen solltest du dich nicht einschüchtern lassen. Die wollen was von dir, vergiss das nicht!« Sie klopfte und drückte die Tür...

Erscheint lt. Verlag 18.12.2019
Verlagsort Kressberg-Mariäkappel
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ewiges Leben • Gilgamesch • Katakomben • Lebensenergie • Paris • Rache • Reinkarnation • Vampire • Wiedergeburt
ISBN-10 3-946381-75-8 / 3946381758
ISBN-13 978-3-946381-75-4 / 9783946381754
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