Freischwimmen (eBook)

(Autor)

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2020
224 Seiten
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
978-3-446-26697-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Freischwimmen - Adam Baron
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Originell, lustig und tiefgründig schreibt Adam Baron über ein Familiengeheimnis, wahre Freunde und die Überwindung von Angst - für Fans von 'Wunder'
Eine herzzerreißende, urkomische Geschichte über die Dinge, die man selbst erfahren muss, weil einem Erwachsene mal wieder nichts sagen. Cym ist noch nie geschwommen - kein einziges Mal. Kein Wunder, dass ihn die Aussicht auf den ersten Schwimmunterricht in der Schule nervös macht. Andererseits - wie schwer kann das schon sein? Cym trägt schließlich die Badeshorts seines Vaters. Leichtherzig lässt er sich zu einem Wettkampf gegen seinen Widersacher hinreißen. Dass Cym dabei fast ertrinkt, hätte niemand erwartet. Dass der Unfall eine Familienkrise auslöst, erst recht nicht. Cym muss einer Wahrheit auf die Spur kommen, die sein Leben völlig auf den Kopf stellt. Doch das Beste ist, dass er dadurch echte Freunde gewinnt.

Adam Baron war Schauspieler, Komiker, Journalist und Pressesprecher bei Channel 4, bevor er mit dem Schreiben begann. Heute leitet der promovierte Literaturwissenschaftler den angesehenen Creative-Writing-Studiengang an der Kingston University in London. Nach fünf hochgelobten Romanen für Erwachsene erschien mit Freischwimmen 2020 sein Kinderbuchdebüt bei Hanser. 2021 folgte mit Auftauchen der zweite Band rund um Cymbeline Iglu und seine Freunde. Baron lebt mit seiner Frau und drei Kindern in London.

 

 

1

 

Ihr werdet es nicht glauben.

Ich, Cymbeline Iglu, bin noch nie geschwommen.

Was ihr nicht glauben werdet, ist übrigens das mit dem Schwimmen, nicht, wie ich heiße. Meinen Namen müsst ihr mir schon glauben, so heiße ich wirklich, Cymbeline Iglu, das steht auf meinem Ranzen, in meinem Pullover, im neuen Pass und so weiter. Aber dass ich noch nie geschwommen bin, das werdet ihr nicht glauben, denn mit nie meine ich überhaupt nie. Kein einziges Mal in meinem ganzen Leben. Dabei bin ich schon neun! Ich bin einer der zwei drittbesten Fußballer in meiner Stufe und der Zweitbeste im Rollschuhfahren, gleich nach Elizabeth Fisher, und die trainiert jeden Sonntag im Verein. Ich bin fit und gesund und völlig normal (abgesehen von meinem Namen), aber ich habe noch nie auch nur einen Fuß ins Meer, in einen Fluss oder in einen See gesetzt, ganz zu schweigen von einem echten, stinknormalen Schwimmbecken.

Überhaupt nie.

Bis letzten Montag.

Schuld ist meine Mum. Echt. Die ist einfach nie mit mir irgendwohin gegangen, wo man schwimmen kann. Nicht zum Babyschwimmen, nicht zum Bambinischwimmen und auch nicht später, als ich schon im Kindergarten war oder in die Schule kam. Wenn ich sie gefragt habe, warum nicht, kam sie immer nur mit irgendwelchen Ausreden, eine fauler als die andere: Zum Strand könnten wir nicht wegen ihrer Sandallergie; in Flüssen, behauptet sie, gibt es Krokodile (wir wohnen im Südosten von London); Seen, sagt sie, sind so was wie die Lochs in Schottland, da könne es Ungeheuer geben wie das von Loch Ness, und das sei so gefährlich (haha!), dass es noch kein Mensch GESEHEN hat! (Tut mir leid, Schottland, aber ist doch wahr! Das mit eurem Monster ist totaler Quatsch.) In Schwimmbädern ist Chlor (was ist das?) im Wasser, wovon man Juckreiz kriegt, außerdem findet man da büschelweise Haare von anderen Leuten im Wasser, und zwar nicht nur solche vom Kopf, sondern auch von anderen Stellen. Von all den Argumenten gegen das Schwimmen überzeugt mich dieses letzte noch am meisten, aber gut genug ist es trotzdem nicht. Mum hätte mit mir schwimmen gehen müssen. Letzten Montag wurde das noch einmal eindeutig bewiesen. Da ist nämlich etwas passiert, was ich nur so beschreiben kann: als

 

TOTALE, KOMPLETTE KATASTROPHE.

 

»Stellt euch in einer Reihe auf, alle. Ein bisschen dalli, wenn ich bitten darf.«

Das war Miss Phillips. Letzten Montag. Aber bevor ich euch davon erzähle, sollte ich wohl besser erst die Frage beantworten, die vermutlich in euren Köpfen hochgeploppt ist wie Brot im Toaster. Bestimmt denkt ihr jetzt – ich kann’s direkt hören: Wenn seine Mum sich weigert, mit ihm schwimmen zu gehen, wieso geht dann nicht sein Dad mit ihm? Manchmal vergesse ich ganz, dass die meisten Leute zwei Elternteile haben. Was einem normalerweise ja nur an Elternabenden oder bei Schultheateraufführungen auffällt. Da sitzt dann neben einer Mutter ein gelangweilt aussehender Vater, der ständig auf sein Smartphone guckt. Lance, mein bester Freund, mit dem zusammen ich drittbester Fußballer der vierten Klassen bin, hat sogar VIER Eltern. Seine Eltern haben sich getrennt und irgendwann andere Leute geheiratet, die jetzt seine Stief-Mum und sein Stief-Dad sind. Das ist natürlich total unfair, weil er dadurch drei Eltern mehr hat als ich. Mein Dad ist nämlich gestorben, als ich erst ein Jahr alt war. Ich erinnere mich gar nicht an ihn. Mein Dad – das sind für mich Bilder auf dem Kaminsims und der Grund, weswegen meine Mum manchmal in Tränen ausbricht. An Weihnachten. Oder an meinem Geburtstag, dann vor allem. Heul, heul, schluchz, schluchz. Ich meine, sie tut mir echt leid, aber wenn man sich gerade über die neuen Legos freuen will, ist das nicht besonders hilfreich.

Also kein Dad, der mit mir schwimmen geht zum Ausgleich dafür, dass meine Mum das nie gemacht hat.

»Haben wir alle unsere Siebensachen?«

»Sieben Sachen, Miss Phillips?«, fragte Lance.

»Schwimmsachen. Handtuch, Schwimmbrille, Badeanzug.«

»Badeanzug?«

»Badehose, in deinem Fall, Lance. Ein Bikini würde dir vermutlich nicht so gut stehen. Cymbeline, du siehst ein bisschen blass aus, hast du alles?«

»Ja, Miss«, sagte ich, aber meine Stimme klang irgendwie komisch.

»Also gut. Es ist nur ein kurzer Fußweg. Bleibt alle zusammen, bitte!« So machten wir uns auf den Weg zum Schwimmbad.

Das war letzten Montag, aber bevor ich da weitermache, sollte ich lieber noch mal einen Schritt zurück tun, in die Vorwoche. Tut mir wirklich leid, aber mir wird gerade erst klar, dass Geschichtenerzählen ganz schön KOMPLIZIERT ist. Jetzt also wieder zu Miss Phillips und zum Freitag vor dem vergangenen Montag.

»Kinder, ihr werdet untröstlich sein, aber ab sofort fällt Religion montagmorgens aus.«

Als der Jubel sich gelegt hatte, fragte Lance: »Wieso denn?«

»Weil, Lance – nicht immer reinrufen! –, weil wir mit unserem Schwimmkurs anfangen.«

»Wir?«, fragte Danny Jones und klang ziemlich erschrocken.

»Ihr natürlich. Ich gucke euch zu.«

Die Erleichterung darüber, Miss Phillips nicht im Badeanzug sehen zu müssen, war fast mit Händen zu greifen. Die ganze Klasse fing sofort aufgeregt an zu quasseln, und Lance grinste mich an.

»Bin gespannt, ob wir auch zusammen den dritten Platz im Schwimmen machen.«

»Ich …«

»Was ist los, Cym? Du siehst so … Alles okay mit dir?«

»Ja klar. Aber ich glaube nicht, dass wir wieder den dritten Platz schaffen. Nicht im Schwimmen, Lance.«

»Was? Wieso denn? Ich wette, du kannst super schwimmen, Cym.«

»Hm«, machte ich. »Na ja.« Dann – und ich hab keine Ahnung, wieso – sagte ich: »Stimmt, phänomenal gut.«

»Aber nicht so gut wie ich, wetten?«, sagte Billy Lee, und als er sah, dass Miss Phillips gerade wegschaute, boxte er mich schnell in den Magen. So ist Billy. Immer. Ein richtiges Ekel, so eine Art lila Minion, allerdings ohne jede Chance, wieder zu einem gelben zu mutieren. »Ich kann Schmetterling«, fuhr er fort. »Du auch?«

»Ja«, sagte ich. »Logo.«

»Und was noch?«

»Ööh.« Ich dachte scharf nach.

»Na?«

»Motte.«

»Was

»Das kann ich auch. Motte. Und … Schmetterling«, sagte ich. Lance brüllte los vor Lachen und schlug mir auf den Rücken. Wieso, weiß ich nicht. Schmetterling? Ich dachte, wir würden schwimmen gehen, nicht in den Park, um mit diesen Netzen herumzuwedeln. Ich ließ mir meine Ahnungslosigkeit aber nicht anmerken. Stattdessen sah ich Billy Lee mitten in sein grinsendes Vollmondgesicht, als er sagte: »Das sehen wir ja dann Montag früh. Du und ich, Iglu. Ein kleines Wettschwimmen.«

»Was?«

»Kraulen.«

»Hattest du nicht gerade was von Schwimmen gesagt?«

»Eben. Kraulen ist ein Schwimmstil, du Penner.«

»Schon klar«, antwortete ich.

Nach der Mittagspause hatte es sich bereits in der ganzen Klasse herumgesprochen: Ich, Cymbeline Iglu (beliebt, freundlich, stets hilfsbereit), würde in einem Wettschwimmen im Schwimmbad von Lewisham gegen Billy Lee (rotzfrech und gemein, einer, der alle schikaniert, wenn man ihn lässt) antreten.

»Wer verliert, ist ein Volltrottel«, verkündete Billy Lee.

So fühlte ich mich auch jetzt schon.

Ich? Wettschwimmen? Wo ich doch noch nie, KEIN EINZIGES MAL, in meinem ganzen Leben geschwommen war? Und das gegen einen, der einen Fuß größer war als ich und für jede Sportart, die überhaupt bei uns angeboten wurde, angemeldet war? Was – boingkopfaufpult – hatte – boingkopfaufpult – ich mir – boingkopfaufpult – dabei gedacht? Das fragte ich mich den ganzen Tag. Völlig verzweifelt zermarterte ich mein Gehirn auf der Suche nach einem Ausweg aus der Klemme, bis etwas Unglaubliches geschah. Es war nach Schulschluss, und ich stand auf dem Hof. Stand einfach so rum, als auf einmal …

 

VERONIQUE

CHANG

DIREKT

AUF

MICH

ZUKAM.

 

Ihr müsst wissen: Veronique geht sonst nie auf jemanden zu. Nicht einmal auf Miss Phillips, deren Grammatik- oder Rechtschreibfehler sie oft verbessert. Miss Phillips bedankt sich dann zwar jedes Mal, aber so ganz überzeugend kommt sie mir dabei nicht vor. Veronique gehört zu diesen seltenen Genies, die keinen an sich ranlassen. Sie kann Wörter buchstabieren wie »specktakuleer« und »Ritmuss«. Ihre Mutter kommt aus Frankreich, weswegen Veronique auch Französisch spricht, und ihr Vater ist Chinese, weswegen Veronique auch … Wie heißt das noch? – Satsuma spricht. Oder war das Clementin? Egal. Im Klavierkurs ist sie volle fünf Stufen über mir (Stufe fünf). Und sie ist … Jetzt guckt gerade keiner, stimmt’s? Dann kann ich’s ja sagen. Sie ist …

TOTAL HÜBSCH. Sie hat lange schwarze Haare, die so glänzen, dass man sich fast darin spiegeln kann, und immer ist so ein Duft um sie herum, als würde neben ihr jemand Fruchtdrops lutschen.

Ich war so verwirrt, als Veronique einfach so auf mich zukam, dass ich völlig vergaß, wo ich mich da hineingeritten hatte – in die größte Blamage meines Lebens. Jedenfalls...

Erscheint lt. Verlag 27.1.2020
Illustrationen Benji Davies
Übersetzer Birgitt Kollmann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel BOY UNDERWATER
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Angst • Bestseller • Familie • Freunde • Freundschaft • Geheimnis • Geistreich • Humor • Junge • Kinderbuch • Kinderbuchdebüt • Kindheit • Liebe • Mädchen • Nick Hornby • Preise • Preisgekrönt • Raquel Palacio • Schwimmen • Tauchen • Trauer • Überwindung • Verlust • Wahrheit • Wunder
ISBN-10 3-446-26697-6 / 3446266976
ISBN-13 978-3-446-26697-1 / 9783446266971
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