Tage des Zorns (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
480 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-1995-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tage des Zorns -  Michel Bussi
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

'Hochspannung bis zum Schluss!' Le Point.

Der Chef einer Flüchtlingsorganisation wird tot aufgefunden. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass er von einer jungen Frau ermordet wurde. Handelt es sich bei dieser um Bamby, die Tochter von Leyli, die vor Jahrzehnten aus Nordafrika nach Marseille geflohen ist, und die ein dunkles Geheimnis zu verbergen scheint? Dann passiert ein weiterer Mord, diesmal jedoch wird er von einer Überwachungskamera aufgezeichnet. Die Beweise scheinen erdrückend - aber warum sollte Bamby gerade jenen Mann töten, der ihre Mutter all die Jahre unterstützt hat?

Atmosphärisch und raffiniert konstruiert: ein packender Thriller aus Marseille.



Michel Bussi, geboren 1965, Politologe und Geograph, lehrt an der Universität in Rouen. Er ist einer der drei erfolgreichsten Autoren Frankreichs. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und sind internationale Bestseller. Bei Rütten & Loening und im Aufbau Taschenbuch liegen seine Romane 'Das Mädchen mit den blauen Augen', 'Die Frau mit dem roten Schal', 'Beim Leben meiner Tochter', 'Das verlorene Kind', 'Fremde Tochter' und 'Nächte des Schweigens' vor. Mehr zum Autor unter www.michel-bussi.fr Barbara Reitz absolvierte ihr Studium am Institut für Übersetzen und Dolmetschen der Uni Heidelberg. Seit 30 Jahren übersetzt sie hauptsächlich aus dem Französischen, aber auch aus dem Spanischen und Englischen. Sie übertrug u. a. Elena Sender und María Dueñas ins Deutsche. Eliane Hagedorn studierte Germanistik an der LMU München und Französisch an der Sorbonne. Sie übersetzt seit 30 Jahren aus dem Französischen und lebt in Deutschland und Frankreich. Sie übertrug u.a. Guillaume Musso und Marc Levy ins Deutsche.

2


6:49 Uhr

Bamby stand François gegenüber.

Die geschickt aufgehängten Spiegel im Zimmer Scheherazade des Red-Corner-Hotels vervielfältigten den Blickwinkel, so als würde sie rundherum von einem Dutzend Kameras gefilmt, die ihr Bild dann an die Wände und die Decke projizierten.

François hatte noch nie ein so hübsches Mädchen gesehen.

Zumindest nicht in den letzten zwanzig Jahren. Nicht, seit er aufgehört hatte, durch die Welt zu reisen und sich für ein paar Dollar eine thailändische oder nigerianische Prostituierte zu gönnen, die eine Miss World hätte werden können, wenn der Lauf des Lebens sie nicht zufällig zur Bordsteinschwalbe gemacht hätte. Nicht, seit er ein geregeltes Leben mit Solène, Hugo und Mélanie führte, sich ein Einfamilienhaus in Aubagne zugelegt hatte, sich jeden Morgen die Krawatte band, um anschließend die Konten von Vogelzug zu prüfen. Seitdem ging er höchstens zweimal pro Jahr auf Geschäftsreise. Und nie weiter als bis nach Marokko oder Tunesien.

François rechnete im Kopf rasch nach: Seit einem Jahr hatte er Solène nicht mehr betrogen. Fast ohne es zu merken, war er treu geworden. Bei Vogelzug, unter den leidenschaftlichen Kämpferinnen für die Sache der Flüchtlinge, waren selten Frauen, die sich freizügig kleideten, ihre Kurven betonten oder die Rundungen ihrer Brüste zur Schau stellten.

Und noch weniger hatte er Gelegenheit, sie zu berühren.

Das Mädchen, das sich vor ihm räkelte, hieß Bamby. Ein Name aus Mali. Sie war vierundzwanzig Jahre alt, besaß den Körper einer afrikanischen Prinzessin und schrieb im Fach Anthropologie gerade ihre Doktorarbeit über Flüchtlingsmigration. Sie hatte ihn zufällig kontaktiert, er gehörte zum Panel von fünfzig Fachleuten zum Thema Einwanderungsregulierung, das Bestandteil ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen war. Fünfzig Stunden mit einem Diktiergerät aufgezeichnete Interviews … darunter seines, ein einstündiger Monolog mit Ausnahme einiger Unterbrechungen, wenn ihn die Arbeit in die Vogelzug-Büros rief.

Bamby schien von seinem Werdegang fasziniert gewesen zu sein. François hatte ihn ausgeschmückt, seine Überzeugungen, seine Tätigkeit geschildert und seine Gemütszustände ausgebreitet. Er hatte von der Unbekümmertheit seiner Anfänge und seinen Reisen ohne Gepäck erzählt, die mit den Jahren der Erfahrung, dem fortschreitenden Alter, dem Erfolg und anderen Verlockungen Platz gemacht hatten.

Sie hatte ihm seinen Text per Mail zur Freigabe geschickt, ehe sie sich zwei Wochen später wieder getroffen hatten, ein Abend mit angeregten Gesprächen, diesmal ohne Diktiergerät, an dessen Ende sie sich aber lange umarmt hatten, ehe sie sich trennten. Rufen Sie mich an, wenn Sie wollen 

Die hinreißende Doktorandin hatte ihn angerufen. Sie hatte unglaublich viel zu tun. Die Doktorarbeit, die Vorlesungen an der Fakultät, die sie vorbereiten musste, keine Zeit für eine Affäre, nicht im Moment, ihre Zeit war kostbar und durfte nicht vergeudet werden.

Das traf sich gut: François teilte diese Einstellung.

Keine Zeit vergeuden.

Warum nicht ein Treffen hier, im Red-Corner-Hotel in der Nähe?

Kaum waren sie im Zimmer, legte sich François aufs Bett und täuschte einen plötzlichen Anfall von Müdigkeit vor, den man den drei Fläschchen Wodka zuschreiben konnte, die er unten in der Bar getrunken hatte. Keine Zeit vergeuden? Die Schöne hatte immerhin Stunden gebraucht, bis sie zutraulich geworden war.

Bamby hockte sich neben ihn, ohne falsche Scham, aber mit entwaffnender Zärtlichkeit. Sie begnügte sich damit, ihn zu liebkosen, zwischen Nacken und Hals, da, wo die Haare einen Flaum bildeten. Ihr Körper war in ein afrikanisches sonnengelbes Baumwolltuch gehüllt, das ihr bis zu den Knöcheln reichte, aber den oberen Teil ihres Halses und die nackten braunen Schultern frei ließ. Ein kleiner silberner Anhänger verlor sich unter dem goldenen Stoff.

»Ist das ein Vogel?«

»Eine Eule. Wollen Sie mal sehen?«

Die hübsche Doktorandin ließ das afrikanische Tuch langsam hinabgleiten, wie einen Vorhang. Es hielt über ihren Brüsten einen Moment inne und fiel dann – völlig überraschend – bis auf die Taille herab.

Darunter trug sie nichts …

Ihr prachtvoller, fast schon unwirklich scheinender Busen prangte ihm entgegen. Die kleine Eule zitterte in der Mulde.

Das sonnengelbe Tuch umspielte ihre Lenden, kitzelte ihren Bauchnabel, blieb an ihren Hüften hängen. Bamby erhob sich, ließ ihren Finger an François’ Hals entlanglaufen, am obersten Knopf seines Hemdes innehalten und langsam weiter nach unten gleiten, bis er schließlich am Hosenschlitz seiner Jeans ankam … Die Kleine war offensichtlich wild entschlossen, ihn verrückt zu machen!

Sie war wohl etwas jünger als seine Tochter. Das schockierte ihn nicht. François wusste, dass er mit seinem leicht ergrauten Haar noch attraktiv war und Sicherheit ausstrahlte. Und er wusste natürlich um die Anziehungskraft des Geldes.

Spielte Geld in diesem Fall eine Rolle?

Bamby räkelte sich sanft vor ihm, lächelte und spielte den Schmetterling, der schon im nächsten Augenblick davonfliegen könnte. François zwang sich, seinen Gedanken zu folgen, um sich zu beruhigen, um sich nicht zu rasch auf dieses Mädchen zu stürzen, sondern sein Tempo beizubehalten. Würde Bamby Geld annehmen? Nein, sicher nicht. Das Einfachste wäre, sie gelegentlich wiederzusehen. Sie wie eine Prinzessin zu behandeln. Hier und da ein Geschenk, ein Restaurantbesuch. Ein besseres Hotel als das Red Corner in der Vorstadt. Er bewunderte solche Mädchen, die über das Privileg verfügten, schön und intelligent zugleich zu sein. Ihm war aufgefallen, dass sie – allem Anschein zum Trotz – zugänglicher waren als die anderen, weil sie derart viel Neid erregten, dass sie sich verpflichtet fühlten, die untadelige gute Freundin zu werden, um nicht gesteinigt zu werden. Für sie war Bescheidenheit eine Überlebensstrategie.

Und nur wenige Männer hatten das Privileg, diese Engel zu berühren.

Er hat eine sanfte Stimme und er redet gerne. Aber vor allem hört er sich gerne reden.

Seine Frau heißt Solène. Er hat eine einjährige Tochter. Mélanie.

Er hat eine kleine Narbe in Form eines Kommas unterhalb der linken Brustwarze.

François’ Erregtheit steigerte sich noch, als Bamby näherkam und ihre Finger unter sein Hemd gleiten ließ, zwei Knöpfe aufmachte und sich auf seine Brustwarzen konzentrierte. Sie streichelte ihn lange, und er durfte zum ersten Mal seine Hände auf ihre Brüste legen. Nur ein paar Sekunden, ehe sie zurückwich, als hätte die Berührung sie verbrannt.

Oder weil sie noch mit ihm spielen wollte, diese Interpretation war François lieber. Bamby hielt seinem Blick stand, wandte sich dann betont langsam von ihm ab.

»Ich hole mir ein Glas Wasser.«

François’ Hände fühlten sich verwaist, aber dafür kamen seine Augen zum Zug. Immer mit der Ruhe, entschied er insgeheim, für jeden meiner Sinne ist genug da. Die Augen waren als Erstes an der Reihe. Während Bamby durchs Zimmer ging, ließ sie das sonnengelbe Tuch verführerisch ganz herabsinken.

Sie trug nichts darunter.

Weder oben noch unten.

Sie entfernte sich und kam dabei am bunten Glasfenster vorbei, was eine wahre Farbkaskade auf ihre Haut zauberte. Einen Augenblick später kehrte sie mit einem Glas Wasser in der Hand zurück und bot François eine atemberaubende Frontalansicht.

»Gefällt Ihnen, was Sie sehen?«, säuselte Bamby unschuldig.

Sich am Kopfkissen abstützend, richtete François sich auf. Das war sein Geheimnis bei den Frauen. Niemals den Eroberer spielen. Und das umso mehr, wenn er die Gewissheit hatte, gewonnen zu haben.

Mit einem Blick, aus dem Bewunderung sprach, fixierte er sie. So, wie man ein langersehntes Geschenk betrachtete und dabei so tat, als hätte man es nicht verdient.

»Meine Schöne, meine Wunderschöne, meine Schwalbe, was treibst du nur mit einem alten Mann wie mir?«

»Schweigen Sie, François.«

Bamby trat auf ihn zu. Sie trug nur noch das Kopftuch, das ihr Haar bedeckte. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte diese Tatsache François überrascht. Das Kopftuch wollte nicht so recht zur Persönlichkeit dieser emanzipierten Studentin passen. Dadurch konnte man sie noch weniger einordnen. Bamby hatte die Frage danach mit schallendem Gelächter abgetan.

»Finden Sie mich so nicht hübscher?«

Natürlich hatte diese göttliche Circe recht. Das Kopftuch verhüllte das Oval ihres Gesichts, warf einen Schatten auf ihre Wangenknochen, und wie ein Bilderrahmen hob es das Glanzstück dieses Gemäldes hervor, auf das sich der Betrachter konzentrieren konnte: zwei mandelförmige Augen, Booten aus Perlmutt gleich, die je eine schwarze Perle mit honigfarbenen Reflexen durch das tiefschwarze Schilf ihrer dichten Wimpern trugen.

Ein würziger Duft erfüllte das Zimmer, und aus unsichtbaren Lautsprechern erklangen orientalische Rhythmen. François fing an, sich Sorgen zu machen, dass es hier womöglich auch Kameras gab.

Zum Rhythmus der Musik wiegte sich Bamby langsam in den Hüften und weckte bei François die Illusion, er könnte, sobald sie es entschied, ihren nackten Körper zum Vibrieren bringen. Als wäre sie ein Instrument in seinen Händen, ein ganz außergewöhnliches...

Erscheint lt. Verlag 7.4.2020
Übersetzer Barbara Reitz, Eliane Hagedorn
Sprache deutsch
Original-Titel On la trouvait plutôt jolie
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Das Mädchen mit den blauen Augen • Flüchlinge • Flüchtlingskrise • Frankreich • Frankreichkrimi • Fred Vargas • Islamophobie • Marseille • Pageturner • Rassismus • Spannungsroman • Südfrankreich
ISBN-10 3-8412-1995-0 / 3841219950
ISBN-13 978-3-8412-1995-4 / 9783841219954
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99