Ich weiß, wer du bist (eBook)

Psychothriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
400 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00434-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich weiß, wer du bist -  Alice Feeney
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Willkommen in Aimees Welt - einer Welt, in der alles eine Lüge zu sein scheint und es doch eine Wahrheit gibt. Ich bin Aimee Sinclair, jemand, von dem Du denkst, Du kennst ihn. Nur woher? Ich bin Schauspielerin, Ehefrau. Aber eine Mörderin? Mein Ehemann ist spurlos verschwunden, und die Polizei glaubt, ich verheimliche etwas. Glaubt, ich hätte ihn umgebracht. Obendrein scheint jemand zu wissen, woher ich komme, wer ich bin, was ich getan habe. Du lebst die Lüge, hast es immer getan, Dich immer als jemand anderes ausgegeben. Aber das ist nichts Neues, oder? Du hast schon oft gelogen. Immer. Die Lügen, die wir uns selbst auftischen, sind die gefährlichsten.

Alice Feeney ist Journalistin und hat 16 Jahre als Nachrichtenredakteurin und Produzentin für BBC News gearbeitet. Sie hat in London und Sydney gelebt und sich mit ihrem Mann und ihrem Hund inzwischen in Surrey niedergelassen. «Manchmal lüge ich» ist ihr Debütroman.

Alice Feeney ist Journalistin und hat 16 Jahre als Nachrichtenredakteurin und Produzentin für BBC News gearbeitet. Sie hat in London und Sydney gelebt und sich mit ihrem Mann und ihrem Hund inzwischen in Surrey niedergelassen. «Manchmal lüge ich» ist ihr Debütroman. Sabine Längsfeld übersetzt bereits in zweiter Generation Literatur verschiedenster Genres aus dem Englischen in ihre Muttersprache. Zu den von ihr übertragenen Autor:innen zählen Anna McPartlin, Sara Gruen, Glennon Doyle, Malala Yousafzai, Roddy Doyle und Simon Beckett.   Karen Witthuhn übersetzt nach einem ersten Leben im Theater seit 2000 Theatertexte und Romane, u.a. von Simon Beckett, D.B. John, Ken Bruen, Sam Hawken, Percival Everett, Anita Nair, Alan Carter und George Pelecanos. 2015 und 2018 erhielt sie Arbeitsstipendien des Deutschen Übersetzerfonds.

1


LONDON, 2017


Ich bin diese Frau, die einem irgendwie bekannt vorkommt, man weiß nur nicht, woher.

Ich verdiene mein Geld mit Lügen. Das kann ich am besten: eine andere werden. Meine Augen sind das Einzige, was ich im Spiegel noch erkenne, wenn sie mir aus dem geschminkten Gesicht eines fiktiven Charakters entgegenstarren. Wieder eine neue Rolle, eine neue Geschichte, eine neue Lüge. Ich wende mich ab, bereit, sie zurückzulassen. Ich habe Feierabend, und im Vorbeigehen streift mein Blick die Aufschrift an der Garderobentür: AIMEE SINCLAIR.

Mein Name, nicht seiner. Ich habe ihn nicht abgegeben.

Vielleicht weil mir im Grunde immer klar gewesen ist, dass unsere Ehe nur so lange halten würde, bis uns das Leben in die Quere käme. Ich rufe mir in Erinnerung, dass mein Name mich nur bestimmt, wenn ich es zulasse. Er ist nichts weiter als eine Aneinanderreihung von Buchstaben; ein elterlicher Wunsch, ein Etikett, eine Lüge. Manchmal sehne ich mich danach, diese Buchstaben in etwas anderes zu verwandeln. In jemand anderes. Ein neuer Name für ein neues Ich. Das Ich, zu dem ich wurde, als niemand hinsah.

Den Namen eines Menschen zu kennen bedeutet nicht, den Menschen zu kennen.

Ich glaube, wir haben uns letzte Nacht kaputtgemacht.

Manchmal tun uns die, die uns am meisten lieben, am heftigsten weh, weil sie es können.

Er hat mir weh getan.

Wir haben die schlechte Angewohnheit entwickelt, einander zu verletzen. Um Dinge reparieren zu können, muss man sie vorher kaputt machen.

Ich habe ihm weh getan.

Ich sehe nach, ob ich daran gedacht habe, mein Buch in die Tasche zu stecken, so wie andere nach ihrem Geldbeutel oder dem Hausschlüssel sehen. Zeit ist kostbar, darf niemals verschwendet werden, und ich verbringe die Drehpausen am Set mit Lesen. Schon in meiner Kindheit habe ich am liebsten in erfundenen Wirklichkeiten gelebt, mich in die Geschichten anderer geflüchtet, die glücklicher verlaufen als meine eigene. Wir sind, was wir lesen. Als ich mir sicher bin, dass ich nichts vergessen habe, gehe ich davon, zurück zu wer und was und wo ich vorher war.

Letzte Nacht ist etwas Furchtbares passiert.

Ich habe mit Gewalt versucht, so zu tun, als wäre es nicht so, habe mit aller Macht versucht, meine Erinnerungen neu zu sortieren, aber ich höre seine hasserfüllte Stimme immer noch, spüre seine Hände um meinen Hals, sehe sein Gesicht vor mir, mit einem Ausdruck, den ich noch nicht kannte.

Ich kann es trotzdem wiedergutmachen. Ich kann uns wieder reparieren.

Die gefährlichsten Lügen sind die, die wir uns selbst erzählen.

Es war nur ein Streit. Wer wirklich liebt, der streitet auch, das ist schon immer so gewesen.

Ich laufe durch die vertrauten Flure der Pinewood Studios, lasse zwar meine Garderobe hinter mir, aber meine Gedanken und Ängste kommen mit. Meine Schritte wirken schleppend und unsicher, als wollten sie den Akt des Nachhausegehens absichtlich hinauszögern – aus Angst vor dem, was dort auf mich wartet.

Ich habe ihn geliebt, ich tue es immer noch.

Ich halte es für wichtig, das nicht zu vergessen. Wir waren nicht immer so wie heute. Das Leben formt Beziehungen um, wie das Meer den Strand umformt; es unterspült die Dünen aus Liebe und errichtet Uferbänke aus Hass. Ich habe ihm gestern Abend gesagt, dass es aus ist. Ich sagte ihm, ich wollte die Scheidung und dass ich es diesmal ernst meinte.

Habe ich nicht. Es ernst gemeint.

Ich steige in meinen Range Rover und fahre auf das ikonenhafte Studiotor zu, dem Unausweichlichen entgegen. Ich lege mich sorgsam in Falten, verstecke die Ecken und Kanten, die andere besser nicht zu sehen kriegen. Der Pförtner winkt mir zu, sein Gesicht eine freundliche Maske. Ich zwinge mich zurückzulächeln und fahre davon.

Für mich ging es bei der Schauspielerei nie darum, im Mittelpunkt zu stehen. Ich tue, was ich tue, weil ich nichts anderes kann und weil es das Einzige ist, was mich glücklich macht. Die schüchterne Schauspielerin ist für die meisten Menschen ein Oxymoron, aber auf mich trifft es tatsächlich zu. Nicht jeder möchte jemand sein. Manche wollen einfach nur jemand anderes sein. Zu spielen ist leicht, was mir schwerfällt, ist, ich zu sein. Ich muss mich vor fast jedem Interview oder Event übergeben. Sobald ich anderen Menschen als ich selbst gegenübertreten muss, werde ich körperlich krank und zum Nervenbündel. Doch wenn ich als eine andere die Bühne betrete oder vor der Kamera stehe, fühlt es sich an, als könnte ich fliegen.

Niemand versteht, wer ich wirklich bin. Nur er.

Mein Ehemann verliebte sich in die letzte Version von mir. Mein Erfolg ist noch recht frisch, und die Erfüllung meiner Träume war für ihn der Beginn seiner Albträume. Anfangs versuchte er, mich zu unterstützen, aber er wollte mich noch nie teilen. Trotzdem flickte er mich jedes Mal wieder zusammen, wenn die Angst mich zerfetzte. Was nett von ihm war, aber nicht uneigennützig. Um Befriedigung daraus zu ziehen, etwas zu reparieren, muss man es entweder eine Weile kaputt liegen lassen oder es selbst wieder kaputt machen.

Ich fahre langsam durch Londons hektische Straßen, probe stumm für das echte Leben, erhasche unerbetene, flüchtige Blicke auf mein erfundenes Selbst. Die sechsunddreißig Jahre alte Frau im Rückspiegel wirkt wütend, weil sie gezwungen ist, eine Maske zu tragen. Ich bin nicht schön, aber es heißt, ich hätte ein interessantes Gesicht. Meine Augen sind zu groß für den Rest, als hätten die Dinge, die sie gesehen haben, sie überproportional anschwellen lassen. Meine langen dunklen Haare wurden von fachkundigen Fingern geglättet, und im Augenblick bin ich dünn. Das erfordert die Rolle, die ich spiele, außerdem vergesse ich regelmäßig zu essen. Ich vergesse zu essen, weil mich eine Journalistin irgendwann als «plump, aber putzig» bezeichnet hat. Was sie über meine schauspielerische Leistung sagte, habe ich vergessen.

Die Bemerkung stammt aus einer Besprechung meiner allerersten Filmrolle im letzten Jahr – der Rolle, die mein Leben und das meines Mannes unwiderruflich veränderte. Unser Bankkonto veränderte sie auf alle Fälle, dafür rutschte unsere Liebe ins Minus. Er verübelte mir den Erfolg, und ich glaube, er musste mich kleinmachen, damit er sich selbst wieder groß fühlen konnte. Ich bin nicht mehr die, die er geheiratet hat. Ich bin jetzt mehr als sie, und ich glaube, er wollte weniger. Er ist Journalist und auf seinem Gebiet selbst erfolgreich, aber das ist nicht das Gleiche. Weil er dachte, er würde mich verlieren, fing er an, mich festzuhalten – so fest, dass es weh tat.

Ich glaube, einem Teil von mir gefiel das.

Ich parke am Straßenrand und lasse mich von meinen Füßen den Gehweg durch den Vorgarten tragen. Ich habe das Haus in Notting Hill gekauft, weil ich dachte, es könnte unsere Beziehung kitten, während wir weiter an der Refinanzierung unserer Ehe arbeiteten. Doch Geld ist nur ein dürftiges Pflaster, es heilt weder gebrochene Herzen noch gebrochene Versprechen. Noch nie zuvor habe ich mich von meinen falschen Entscheidungen so gefangen gefühlt. Ich habe mir mein eigenes Gefängnis erbaut, wie Menschen es oft tun, mit dicken Mauern aus Schuldgefühlen und Verpflichtungen. Mauern, die wirkten, als hätten sie keine Türen, dabei war der Weg in die Freiheit immer da. Ich habe ihn nur nicht gesehen.

Ich schließe die Haustür auf und schalte in jedem einzelnen kalten, dunklen, verlassenen Zimmer das Licht an.

«Ben», rufe ich und ziehe den Mantel aus.

Sogar meine Stimme klingt falsch, als sie seinen Namen ruft: gekünstelt, fremd.

«Ich bin wieder zu Hause», spreche ich in den nächsten leeren Raum hinein. Das hier als mein Zuhause zu bezeichnen klingt auch falsch; es hat sich nie so angefühlt. Kein Vogel sucht sich den eigenen Käfig aus.

Als ich meinen Mann unten nirgends finden kann, gehe ich nach oben, jeder einzelne Schritt bleischwer von Furcht und Zweifel. Seit ich wieder in der Kulisse unserer Ehe stehe, werden die Erinnerungen an letzte Nacht ein bisschen zu laut. Ich rufe erneut nach ihm, er antwortet noch immer nicht. Nachdem ich in jedem Zimmer nachgesehen habe, gehe ich zurück in die Küche und entdecke erst jetzt den erlesenen Blumenstrauß auf dem Tisch. Ich mustere die kleine Karte, die zwischen den Blüten steckt. Es steht nur ein Wort darauf:

Sorry.

Das ist leichter gesagt als gefühlt. Und noch leichter geschrieben.

Ich will, was zwischen uns passiert ist, ausradieren und zurück auf Los gehen. Ich will vergessen, was er mir angetan hat und zu was er mich getrieben hat. Ich will von vorne anfangen, aber uns ist schon längst die Zeit davongelaufen, weit bevor wir anfingen, voreinander davonzurennen. Vielleicht wäre alles anders geworden, wenn ich die Kinder hätte kriegen dürfen, die ich so dringend lieben wollte.

Ich verfolge meine Schritte zurück bis ins Wohnzimmer und starre den Couchtisch an. Da liegen Bens Sachen: Brieftasche, Hausschlüssel, Telefon. Ohne Telefon geht Ben nirgendwohin. Ich hebe es auf, vorsichtig, als könnte es jeden Moment explodieren oder sich zwischen meinen Fingern in Luft auflösen. Der Bildschirm erwacht zum Leben und zeigt den verpassten Anruf einer mir unbekannten Nummer. Ich möchte mehr sehen, aber als ich noch mal auf den Knopf drücke, will das Telefon Bens PIN haben. Ich versuche es ein paarmal, bis es mich endgültig aussperrt.

Ich suche noch einmal das ganze Haus nach ihm ab, aber er ist nicht da. Er versteckt sich nicht. Das ist...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2020
Übersetzer Sabine Längsfeld, Karen Witthuhn
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Aimee • Ehemann • Entführung • Krimi aus England • Lüge • manchmal lüge ich • Psychothriller • Sarah Michelle Gellar • Schauspielerin • Thriller
ISBN-10 3-644-00434-X / 364400434X
ISBN-13 978-3-644-00434-4 / 9783644004344
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