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Mondbeben -  Ludwig Fels

Mondbeben (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
320 Seiten
Jung und Jung Verlag
978-3-99027-176-6 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
18,99 inkl. MwSt
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In einem früheren Leben war Olaf Ostrander Schuldeneintreiber, jemand, der andere daran erinnert, dass es nichts umsonst gibt. Notfalls mit Gewalt. So hat er auch seine Frau kennengelernt, gerettet und erobert, um den Preis einer Strafe in Haft. Als sie kurz nach seiner Entlassung eine Erbschaft macht, ist der Moment für beide gekommen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Gemeinsam wollen sie sich einen Traum erfüllen: den Traum von einem Leben auf einer Insel, weit weg von allem, unter Palmen und einer ewigen Sonne in einer Villa am Meer. Sie finden, was sie suchen, doch bald schon wird ihnen klar, dass der Himmel auf Erden nicht so einfach zu haben ist. Und dass sie trotz der hohen Zäune um ihr Haus dem Glück und anderen unberechenbaren Mächten ausgeliefert sind, die sie daran erinnern, dass es nichts umsonst gibt.Eindringlich und mit Leidenschaft erzählt Ludwig Fels von Sehnsucht und Verzweiflung, davon, was es kostet, an einem Traum festzuhalten. Und was es bedeutet, am eigenen Leib erfahren zu müssen, dass es ein falscher Traum gewesen ist.

geboren 1946 in Treuchtlingen, Franken, gestorben 2021 in Wien, wo er seit den 1980er Jahren lebte. Zahlreiche Veröffentlichungen als Lyriker und Erzähler, daneben Arbeiten für Hörspiel und Theater. Mit Romanen wie Ein Unding der Liebe (1981) oder Der Himmel war eine große Gegenwart (1990) wurde Fels einem größeren Publikum bekannt und vielfach ausgezeichnet.

Geboren 1946 in Treuchtlingen, Franken, lebt in Wien. Seit 1973 Schriftsteller. Zahlreiche Veröffentlichungen als Lyriker und Erzähler, daneben Arbeiten für Hörspiel und Theater. Auszeichnungen, u. a. Hans-Fallada-Preis 1983, Wolfgang-Koeppen-Preis 2004, Wolfram-von-Eschenbach-Preis 2011.

DAS LETZTE LEBEN


Ein paar Stunden noch, dann würden sie da sein. Helen hatte den Fensterplatz, sie schlief. Jedenfalls rührte sie sich nicht, als er aufstand, um sich die Beine zu vertreten. Er stellte sich vor den Bordtoiletten an, hatte fast sieben Stunden durchgehalten. Es brannte ein bißchen beim Wasserlassen und stach, und war gleich wieder vorbei. Er dehnte und reckte sich, ehe er zurückging und sich wieder neben Helen setzte. Er wischte sich die Hände an der Hose trocken und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sieben Stunden sind gar nichts, wenn man sich einen Film im Bordkino anschaut, in einem Prospekt der Hidden Pearl Resort Company blättert und ein, zwei Gläschen trinkt. Helen hatte sich die ganze Zeit nicht bewegt.

Nach der Landung hatten sie ihr Gepäck zu der Reihe von Taxis getragen, die vorm Terminal warteten. Ein weißer Mercedes mit rosafarbenem Schriftzug hatte geblinkt, neben ihnen gebremst. Der Fahrer hatte ihnen zugewunken und seinen hocherhobenen Daumen gezeigt.

Hotel Rosemilk, hatte er gerufen. Ja!

War ausgestiegen und hatte ihr Gepäck im Kofferraum verstaut, während sie im Fond Platz genommen hatten.

Service, hatte er gesagt, als er losgefahren war.

Als sie nichts sagten, probierte er es mit Welcome und so, und Olav legte Helen eine Hand aufs Knie und nickte.

Egal.

Sie fuhren zum Hafen und dort wie in einem Rutsch auf die Fähre nach Zifere Island.

Als die Fähre abgelegt hatte, stiegen sie aus dem Wagen, aber das Deck war zu voll, und sie konnten sich kaum bewegen, außerdem war es viel zu heiß, Tiere und Autos standen in der Sonne. Wenn man die Augen schloß, hörten sich die Wellen wie Donner an. Aber irgendwie war es ein schönes Gefühl zu schaukeln.

Er fühlte sich leicht verkatert und nahm alles zu deutlich wahr, und das gefiel ihm nicht. Später würde er alles so sehen, wie es wahrscheinlich wirklich war, frei von Erwartung und ohne jede Beschönigung. Ein Schwarm orangegefiederter Vögel kreiste unter den Wolken, hielt plötzlich inne und stürzte sich kopfvoran in die Wogen.

Was sind das für Vögel? fragte er Helen.

Mir ist ein bißchen nicht so gut, sagte sie.

Er führte sie an die Reling, wo sie heftig atmete. Im Prospekt hatten sie gelesen, daß bei klarem Wetter drüben auf dem Festland sogar die Landebahn des Flughafens auszumachen wäre, und sie suchten die Küstenlinie ab, bis sie die Landebahn erkennen konnten: ein schwarzer Strich am Horizont.

Und was sagst du jetzt?

Ich kann jetzt nichts sagen, sagte sie.

Haben wir nicht alles gut gemacht?

Besonders du, sagte sie.

Für dich, sagte er.

Kennen wir uns?

Und ob!

Das Zimmer war okay. Es war frisch gestrichen, und der Fliesenboden wirkte sauber, hallte bei jedem Schritt. Ein paar vertrocknete Fliegenkadaver hingen im verdrillten Moskitonetz. Die Matratzen waren hart und knarzten wie alte Bretter, als sie sich hinlegten.

Zwei, drei Nächte, sagte er.

So schnell wird es nicht gehen, sagte sie.

Vielleicht eine Woche oder so, sagte er.

Sie streichelte ihn, halb schon im Schlaf, unendlich langsam.

Ich kann gar nicht genug getrunken haben, um gleich schlafen zu können, sagte er. Schließlich fängt man nicht jeden Tag ein anderes Leben an.

Im Flugzeug hätte ich fast geweint, sagte sie.

Warum?

Weil es so anstrengend ist, uns zu entkommen, sagte sie.

Im Flugzeug war doch alles in Ordnung, sagte er.

Erinnerte sich an die Schläge der Angst in seinem Kopf, in seinem Bauch und daran, wie er sich festgehalten hatte, als er ein paar Tropfen schwarzen Bluts in der Kloschüssel bemerkte, hatte die Spülung gedrückt, nachdem er sich trockengetupft hatte, hatte in den Spiegel gestarrt und versucht, sich wieder zu erkennen.

Laß uns runtergehn und was trinken.

Wir waren unten und haben was getrunken.

Er hatte nicht davon gesprochen. Auch als sie aufgewacht war, hatte er nicht davon gesprochen.

Der Ventilator eiert, sagte er. Hörst du nicht, wie er eiert?

Sei froh, daß er eiert, sagte sie. Das heißt, daß er arbeitet.

Das Ding arbeitet nicht, es eiert, sagte er. Hat dich schon was gestochen?

Das Repellent ist große Klasse, sagte sie. Sparsam im Verbrauch.

Sparsam im Verbrauch, sagte er.

Ich weiß selber, was ich gesagt habe, sagte sie.

Das Repellent ist sparsam im Verbrauch, sagte er.

Dann lag er einfach da und wartete, ihr Atem wie ein Gebirge neben ihm. Die Nacht stieß ihm Dornen in die Haut, und er riß sie sich heraus, um nicht einzuschlafen. Es ist nichts, sagte er sich, versuchte, es ehern klingen zu lassen. Er spürte eine angenehme Leere im Bauch, rollte sich auf die Seite und wartete auf den Schlaf, lag wach und hörte dem Tuckern des Ventilators zu, das sich anhörte, als würde etwas Schaufelartiges Körperflüssigkeiten umrühren. Unten in der Hoteldisco wurde das Sound-System hochgefahren. Bässe wummerten durch den Fliesenboden. Die Trommeln der Eingeborenen, dachte er, verschrottet. Er erinnerte sich an die Gegenden, durch die sie auf dem Weg zum Hotel gefahren waren, Hütten aus Blech, Zelte aus Plastik, gelbe und rote Erde, von Öllachen durchtränkt, die Straßenbankette mit Müll übersät. Das Licht ein weißes Messer, das an den Farben schabte. Ein Spruchband, über die Straße gespannt, die ins Zentrum führte: WILLKOMMEN AUF ZIFERE ISLAND – INSEL DER INSELN!

Er schloß die Augen, hörte ihrem Atem zu, stellte sie sich jung und nackt vor, wie sie gewesen war, so viele Jahre, lange, lange Zeit, betastete sein Gesicht, seinen Bauch, zog die Knie an, um auch sie betasten zu können. Weiter wollte er nicht. Helen, dachte er, hast du eine Ahnung, wie ich dich liebe, Helen.

Sie hatten sich mit Mr Moses, dem Makler, per Mail am nächsten Morgen im Restaurant des Hotels verabredet, um anschließend das Objekt zu besichtigen, das sie zu erwerben vorhatten. Und er konnte nicht einschlafen, lag da, nackt in seinem Schweiß, fror wegen des Ventilators und wegen des Repellents und erinnerte sich daran, wie alles anfing.

Ein paar Blättchen Rost rieseln auf ihn herab, als die Eisentür hinter ihm zufällt.

Danke, daß du pünktlich bist, sagt sie.

Er kann nicht anders, muß lachen, weiß nicht, was er sagen soll, und sagt: Kein Problem!

Sie küßt ihn auf die Wange. Dann hängt sie sich bei ihm ein, als hätte sie es extra für heute geübt, und sie gehen ein Stück, ohne etwas zu sagen. Es ist noch immer ein bißchen wie Hofgang, und das sagt er ihr.

Sie winkt ein Taxi heran, und sie steigen ein.

Zu dir oder zu mir?

Netter Witz! Er lacht sogar. Schließlich lebt sie in seiner Wohnung. Ich bin nicht wählerisch, sagt er.

Im Schlaf klangen Helens Atemzüge wie ein ruhiger, leiser Gesang. Er stand auf und trat auf den Balkon. Unten im Hotelpark leuchteten Lampions, und hinterm Küchentrakt schimmerte der Ozean, auf den ein unablässiger Regen von Sternschnuppen niederging.

Er zog sich leise an, machte sich auf den Weg hinunter in die Bar.

Die dunklen Gesichter der Frauen wirkten fast schwarz im Licht, das aus den Spiegeln fiel. Auf der Hotelterrasse vor der Bar gab es eine kleine Tanzfläche aus gewachstem Beton, aber niemand tanzte, die Nacht war noch zu schwül. Er orderte beim Barmann ein Bier, stellte sich mit der Flasche ans Terrassengeländer. Im Pool schwamm der Mond, es roch ein bißchen faulig. Hinterm Pool zweigten weißlich leuchtende Kieswege ab, die durch den Park zum Strand führten. Unter einem zwergwüchsigen Baum standen eine Frau und ein Mann, kaum zu erkennen im Schatten des Blätterdachs. Die Frau lehnte mit dem Rücken am Stamm, während der Mann sie und den Stamm zu umarmen schien. Sie waren zu weit weg, als daß er gehört hätte, was sie sich sagten, er betrachtete lieber die Sterne, die den Himmel mit dem Gewicht ihres Lichts fast zum Einsturz brachten. Er hob die Flasche, winkte dem Barmann.

So ist der Mensch.

Das sagte er oft und gern und meinte damit auch sich selbst.

An der Börse und im Casino abzocken, immer dem Traum vom großen Geld hinterher und überall gewinnen, lukrativ investieren im spielerischen Wechsel von Fluchten und Reisen – und immer wissen, wo einem etwas gehört und wieviel davon. Während er auf das zweite Bier wartete, dachte er an seinen Vater, der eines Tages erst mittags aufgestanden, aus dem Haus gegangen und nie mehr...

Erscheint lt. Verlag 28.2.2020
Verlagsort Salzburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Armut • Diktatur • Korruption • Staatsstreich • Trauminsel • Übersee
ISBN-10 3-99027-176-8 / 3990271768
ISBN-13 978-3-99027-176-6 / 9783990271766
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