Der Jadereiter (eBook)

Kriminalroman. Jitpleecheep ermittelt in Bangkok (1)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
384 Seiten
Unionsverlag
978-3-293-31074-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Jadereiter -  John Burdett
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Im brodelnden Bangkok ist der Polizist Sonchai auf der Jagd nach den Mördern von William Bradley, einem skrupellosen amerikanischen Jadehändler. Der Fall wird persönlich, denn bei der Bergung des Toten kommt auch Sonchais Partner ums Leben - aus dem Wagen des Amerikaners kriechen etliche Giftschlangen hervor. Sonchai ist Buddhist, er sieht auch Kräfte am Werk, die unter der oberflächlichen Welt wirken. Seine Jagd nach den Tätern gerät zu einer Reise in verborgene Bezirke: in die eigene Vergangenheit, in die Unterwelt Bangkoks, in die Bordelle des berüchtigten achten Bezirks bis hinein in die Vorzimmer der amerikanischen Botschaft.

John Burdett, 1951 in London geboren, studierte Rechtswissenschaften und arbeitete vierzehn Jahre als Anwalt in Hongkong und London, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Er ist der Schöpfer der in und um Bangkok angesiedelten Krimireihe mit dem buddhistischen Ermittler Sonchai Jitpleecheep. Burdett lebt in Bangkok und in Frankreich.

John Burdett, 1951 in London geboren, studierte Rechtswissenschaften und arbeitete vierzehn Jahre als Anwalt in Hongkong und London, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Er ist der Schöpfer der in und um Bangkok angesiedelten Krimireihe mit dem buddhistischen Ermittler Sonchai Jitpleecheep. Burdett lebt in Bangkok und in Frankreich.

5


Nachdem ich Pichai mit meiner Jacke zugedeckt hatte, wartete ich neben dem Toyota auf meine Kollegen mit dem Streifenwagen und dem Transporter. Sobald sie da waren, sammelten sie die toten Schlangen ein und nahmen den Tatort mit der Videokamera auf. Vier Männer waren nötig, um die Python wegzutragen, die ihnen immer wieder von den Schultern rutschte. Ich begleitete Pichai und den schwarzen Marine in dem Transporter zur Leichenhalle und blieb auch bei ihnen, als einer der Angestellten dort meinen Freund auszog. Ich versuchte, die linke Seite seines Gesichts nicht anzusehen. Der riesige Schwarze lag auf einer Bahre daneben, sein nackter Körper bedeckt mit rußfarbenen Beulen und Wassertropfen von geschmolzenem Eis, die im Licht funkelten wie Diamanten. Im einen Ohr trug er drei Perlen, im anderen nichts.

Mit meiner Unterschrift bestätigte ich den Empfang von Pichais persönlicher Habe, darunter seine Buddhakette und ein Sack mit seinen Kleidern; dann fuhr ich nach Hause in das Wohnloch, das ich in einem Vorort am Fluss gemietet habe. Eigentlich hätte ich sofort im Polizeirevier Bericht erstatten und Formulare ausfüllen müssen, aber in meinem Kummer wollte ich den anderen Cops nicht begegnen, die immer auf die Freundschaft zwischen mir und Pichai eifersüchtig gewesen waren.

Das Dharma lehrt uns die Flüchtigkeit aller Phänomene, doch auf den Verlust dessen, was man mehr liebt als sich selbst, ist man einfach nicht vorbereitet.

Die Einheiten auf Pichais Handy waren zu Ende, als ich versuchte, meine Mutter von meinem Zimmer aus anzurufen. In meiner Wohnanlage gibt es auf jedem Stockwerk nur im Büro der Verwaltung ein Telefon. Unter den Augen der fetten Angestellten, die eine Vorliebe für Reischips mit Shrimpsgeschmack hat, wähle ich die Nummer meiner Mutter, die in der schwül dampfigen Ebene etwa dreihundert Kilometer nördlich von Krung Thep lebt, in Phetchabun. Sie und Pichais Mutter sind frühere Kolleginnen, enge Freundinnen, die sich nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben in ihre Heimatstadt zurückzogen, dort ein Grundstück erwarben und zwei protzige Paläste darauf bauten; soll heißen: Die zweistöckigen Häuser mit den grünen Dächern und den überdachten Balkonen sind nach dem dortigen ländlichen Standard so etwas wie Paläste. Während ich warte, dass meine Mutter sich meldet, höre ich das Knirsch-knirsch-knirsch der Reischips zwischen Fat Soms Zähnen. Ihren Blick empfinde ich wie die Last von hundert Säcken Reis auf meinen Schultern, denn sie spürt meine Niedergeschlagenheit.

Ich weiß, ich bin feige, weil ich Pichais Mutter nicht selbst anrufe, aber das schaffe ich nicht. Es könnte sein, dass ich die Fassung verliere, wenn ich mit ihr spreche. Meine Mutter Nong kann solche Dinge viel besser als ich.

Ich lausche auf das Klingeln. Meine Mutter kauft sich jedes zweite Jahr ein neues Handy, weil sie immer das kleinste Modell möchte. Jetzt besitzt sie ein Motorola, das so winzig ist, dass sie es in den Ausschnitt stecken kann. Ich stelle mir vor, wie es zwischen ihren Brüsten klingelt und vibriert. Ihre Stimme klingt immer ein wenig misstrauisch, wenn sie rangeht, denn es könnte ja ein früherer Liebhaber sein, vielleicht ein Farang aus Europa oder Amerika, der mitten in der Nacht Sehnsucht nach ihr hat. Die Einsamkeit der Farangs kann sich zu einer tödlichen Krankheit auswachsen, die ihr Gehirn vernebelt und sie quält, bis sie den Verstand verlieren. Dann ergreifen sie jeden Strohhalm, und sei es auch nur eine Nutte in Bangkok, mit der sie während einer Sexreise vor langer Zeit mal eine Woche zusammen verbrachten.

Meine Mutter hat sich vor mehr als zehn Jahren aus dem Berufsleben zurückgezogen, bekommt aber von Zeit zu Zeit immer noch Anrufe. Daran ist sie selbst schuld, weil sie Gespräche unter ihrer alten Nummer auf das neue Handy umleiten lässt. Vielleicht wartet sie ja nach wie vor auf diesen einen Anruf? Möglicherweise genießt sie auch nur die Macht, die sie über verzweifelte weiße Männer hat.

»Halloo?«

Als ich ihr die Sache mit Pichai erzähle, verschlägt es ihr tatsächlich auch einmal die Sprache. Ich lausche auf ihren Atem, ihr Schweigen, ihre Liebe – auf diese Frau, die ihren Körper verkaufte, um mich großziehen zu können.

»Das ist ja schrecklich, Sonchai«, meint sie schließlich. »Soll ichs Pichais Mutter für dich sagen?«

»Ja, ich glaube nicht, dass ich ihre Trauer im Moment ertragen würde.«

»Sie ist nicht so groß wie deine. Willst du ein paar Tage zu mir kommen?«

»Nein. Ich werde die Leute umbringen, die ihn getötet haben.«

Schweigen. »Das weiß ich. Aber sei vorsichtig, mein Lieber. Das scheint eine große Sache zu sein. Du kommst doch zur Beisetzung, oder?«

Darüber habe ich auf dem Weg von der Leichenhalle nach Hause nachgedacht. »Nein, ich glaube nicht.«

»Sonchai?«

»Begräbnisse auf dem Land …«

Pichais Leiche wird in einem Pavillon auf dem Anwesen des örtlichen Wat liegen, während eine Kapelle den ganzen Nachmittag lang Klagelieder spielt. Bei Sonnenuntergang wird die Musik dann lebhafter werden, weil Pichais Mutter dem Wunsch der Nachbarn entsprechend ein Fest veranstaltet. Es wird Kisten mit Bier und Whisky, Tanz, Sänger, Glücksspiele und vielleicht die eine oder andere Rauferei geben. Irgendwann werden die Yaa-baa-Händler auf ihren Motorrädern eintreffen. Das Schlimmste wird der Verbrennungsofen sein. In dieser abgeschiedenen Gegend sieht er mit seinem hohen rostenden Kamin aus wie etwas aus dem frühen Dampfzeitalter. Er ist gerade groß genug für den geschmückten Sarg. Darunter befindet sich ein Rost mit Holzfeuer. Tagelang wird der Geruch von Pichais Fleisch die Luft erfüllen. Das Fleisch meines Bruders ist auch mein Fleisch.

»Sie werden ihn in dem Ding verbrennen, stimmts?«

Meine Mutter seufzt. »Ja, wahrscheinlich. Besuch mich bald. Oder soll ich zu dir fahren?«

»Nein, nein, ich komme zu dir. Wenn alles vorbei ist.«

Fat Som ist tatsächlich einmal sprachlos, als ich den Hörer auflege. Zwischen ihren Zähnen stecken Reischipskrümel. Sie möchte mir ihr Beileid aussprechen, kennt mich aber nicht gut genug. Ihr Karma hindert sie daran, Gefühle zu artikulieren; aufgrund einer Befleckung in einem früheren Leben ist sie dazu verurteilt, dick und voller Ressentiments zu sein. Immerhin gibt sie sich Mühe, etwas zu sagen, runzelt die Stirn, als ich das Zimmer verlasse, doch ich reagiere nicht darauf. Vom Flur aus höre ich das Telefon in dem Büro klingeln. Fat Som wird die Reischips hinunterschlucken müssen, bevor sie rangeht. Ich will gerade den Schlüssel ins Schloss meiner Tür stecken, die der einer Zelle ähnelt, als ich Fat Som rufen höre. Ich sehe, wie sie völlig außer Atem auf mich zuwalzt; ihre Fleischmassen schwabbeln unter ihrem Baumwollkleid. »Es ist für Sie.«

Ich bin erstaunt, denn hier ruft mich niemand an. Wahrscheinlich hat sich jemand verwählt; ich reagiere nicht. Doch Fat Som lässt mir keine Ruhe. Als ich das Büro wieder betrete, weint sie wie ein Kind. Vielleicht, denke ich, hat meine eigene Tragödie ihr Karma verändert, vielleicht wird sie nun erlöst? Wenn Pichai tatsächlich als Arhat gestorben ist, hat er dann jetzt an der Schwelle zum Nirwana die Kraft zu heilen? Ich lächle sie an, als ich den Hörer in die Hand nehme, und sie ist mir unendlich dankbar.

Ich höre amerikanisches Englisch. »Könnte ich mit Detective Sonchai Jipeecheap sprechen?«

Erst nach einer Weile merke ich, dass er versucht hat, meinen Familiennamen auszusprechen. »Am Apparat.«

Mein Englisch hat fast keinen Thai-Akzent, obwohl es mit vielen anderen Einschlägen von Florida bis Paris gefärbt ist. Das hängt mit dem früheren Beruf meiner Mutter zusammen. Man hat mir gesagt, dass ich in Stresssituationen Englisch mit deutscher Präzision und bayerischem Akzent spreche. Von Fritz werde ich Ihnen bald erzählen.

»Detective, tut mir leid, dass ich Sie zu Hause anrufe. Mein Name ist Nape, ich bin der stellvertretende Rechtsberater des FBI in der amerikanischen Botschaft in der Wireless Road. Wir sind gerade von Colonel Vikorn über den Tod von William Bradley, einem Sergeant der Marines, informiert worden, der der hiesigen Botschaft zugeteilt war. Soweit ich weiß, sind Sie für die Ermittlungen zuständig.«

»Korrekt.« Der Schock hat meine Perspektive verzerrt. Findet dieses Gespräch auf einem anderen Planeten, in der Hölle, vielleicht sogar in einem der Himmel statt? Ich habe keine Ahnung, wie ich diese Unwirklichkeit in den Griff bekommen soll.

»Soweit ich weiß, ist bei der Aktion auch Ihr Partner und enger Freund Detective Pichai Apiradee ums Leben gekommen. Ich möchte Ihnen mein herzliches Beileid aussprechen.«

»Ja.«

»Wie Ihnen vermutlich bekannt ist, haben wir aufgrund einer Abmachung mit der thailändischen Regierung das Recht auf Zugang zu sämtlichen Erkenntnissen im Rahmen Ihrer Ermittlungen über den Tod eines amerikanischen Militärangehörigen. Umgekehrt wären wir bereit, Ihnen die forensischen Mittel des FBI zur Verfügung zu stellen. Wann würde es Ihnen passen, zu uns in die Botschaft zu kommen, damit wir uns über das weitere Vorgehen unterhalten können? Oder sollen wir Sie aufsuchen?«

Am liebsten würde ich hysterisch lachen über die Idee, das FBI in meinem winzigen Wohnloch...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2020
Übersetzer Sonja Hauser
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amerika • Bangkok • Buddhismus • Geheimdienst • Großstadt • Jadehandel • Kriminalroman • Prostitution • Religion • Spannung • Thailand
ISBN-10 3-293-31074-5 / 3293310745
ISBN-13 978-3-293-31074-2 / 9783293310742
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