Kill Katzelmacher! (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
320 Seiten
Grafit Verlag
978-3-89425-678-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kill Katzelmacher! -  Martin Calsow
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Ein Kriminalroman, der unter die Haut geht! 1948: Die bayerische Landeshauptstadt liegt in Trümmern, die Währungsreform steht bevor - und die Bevölkerung versucht so gut es geht, unter amerikanischer Besatzung zur Normalität zurückzufinden. Doch ein perfider Serienmörder weiß das zu unterbinden: Er häutet seine Opfer bei lebendigem Leib und stellt seine Trophäen öffentlich zur Schau. Schnell ist klar, dass alle Toten ehemalige SS-Soldaten waren. Handelt es sich um Rachemorde Holocaust-Überlebender? Der junge jüdische US-Offizier Marcus Feinstein, der das Mordkommissariat interimsweise leitet, soll den Fall rasch und mit möglichst wenig Aufwand lösen. Doch das geht nur mit der Unterstützung seines deutschen Kollegen. Und Steinmüller, ehemaliger Wehrmachtssoldat, zeigt sich gegenüber der amerikanischen Besatzungsführung alles andere als kooperativ ...

Martin Calsow wuchs am Rande des Teutoburger Waldes auf. Nach seinem Zeitungsvolontariat arbeitete er bei verschiedenen deutschen TV-Sendern. Er lebt heute mit seiner Frau am Tegernsee und in den USA.

Martin Calsow wuchs am Rande des Teutoburger Waldes auf. Nach seinem Zeitungsvolontariat arbeitete er bei verschiedenen deutschen TV-Sendern. Er lebt heute mit seiner Frau am Tegernsee und in den USA.

1

München, 1948

Hier oben war ihre Welt. Das ovale, karge Zimmer, direkt unter dem Dach. Hierher kam kein Mörder. Hier war er. Er passte auf Salomea auf. Sie lag in seinem Bett, genoss seine Wärme, die er hinterlassen hatte, zog die nach Mottenpulver riechende Bettdecke übers Gesicht und hörte den Geräuschen zu, die er im Nebenzimmer produzierte.

Das Überziehen der braunen Hose, das Knöpfen der Jacke. Jetzt setzte er sein Käppi auf. Jetzt schnallte er sein Koppel um, nahm wie jeden Morgen seinen Colt aus dem Holster, spannte und sicherte, ehe er die Waffe zurücksteckte. Diese Uniform war besonders. Das hatte sie beim ersten Zusammentreffen gleich gedacht. Die Helme seiner Männer zierten zwei breite gelbe Streifen, vorn prangte in einem Kreis ein großes blaues C, von einem roten Blitz zerschnitten. Noch auffälliger war das knallgelbe Halstuch. Hätte es sich um Engländer gehandelt, hätte man ihnen Snobismus vorgeworfen. So aber erschien das Outfit lässig.

Das Aufklappen des Zippos. Das kochende Wasser für den Kaffee.

Sie hörte draußen auf dem Katzenkopfpflaster das Rumpeln des Jeeps. Seine Schritte kamen näher. Er blieb im Türrahmen stehen. Sie schaute auf, ein wenig vom Morgenlicht geblendet.

»Salomea, in der Küche steht frischer Kaffee. Steh auf. Es wird helfen.«

Da stand Marcus Feinstein, First Lieutenant der US Army »und Münchner Boxstadtjugendmeister im Weltergewicht von 1935«, wie er gern hinzufügte.

Er gehörte zu den United States Constabulary, einer Spezialeinheit, die von den Deutschen ehrfurchtsvoll »Blitzpolizei« genannt wurde. Die »Gelbbetuchten« kümmerten sich um drei Dinge: Sie setzten die Gesetze der Besatzungsmacht durch, übernahmen die Verbrechensbekämpfung und sollten die neuen Polizeikräfte ausbilden, die nicht nazibelastet waren.

Er war schlicht schön. Blaue Augen, blonde Locken, die schwer zurückgestutzt waren. Breites Kreuz, die auf Taille geschnittene Jacke betonte die sportliche Figur noch mehr. Er hatte sich einen Clark-Gable-Bart stehen lassen, der bei jedem anderen lächerlich gewirkt hätte. Marcus stand es. Die Nazis hätten an diesem arischen Typ ihre Freude gehabt. Nur, Marcus war Jude und die Nazis Vergangenheit – zumindest besiegt.

Im Bett musste er einiges lernen, aber sie hatten ja ein paar Tage Zeit, bis er ihr die Papiere besorgt haben würde. Ihre Papiere für Palästina. Ihr Weg in die Sonne.

Seine Kontakte bei den Engländern hatten ihm verraten, dass jeden Tag mit dem Abzug der britischen Mandatstruppen aus dem Nahen Osten zu rechnen war. Dann war Palästina endlich Israel. Montag, in fünf Tagen also, ging ein Schiff aus Rotterdam nach Tel Aviv. Das würde sie nehmen. Wenn die Papiere kamen.

Der Fahrer schnippte die Zigarette in den Park, wo die ersten Schwarzhändler des Tages so taten, als seien sie normale Spaziergänger, die lediglich zur Erholung auf und ab gingen. Tatsächlich machte sie der Jeep nervös. Feinstein wohnte in der Maria-Theresia-Straße in Bogenhausen. Sie war die westliche Grenze des größten Schwarzmarkts Münchens und in wenigen Minuten würde hier der Teufel los sein.

»Guten Morgen, Jay«, rief Feinstein und der Private machte Anstalten, militärisch zu grüßen.

Feinstein winkte ab. Sie setzten zurück, wendeten, fuhren mit Vollgas auf den Friedensengel zu und mit quietschenden Reifen hinunter zur Isar über die Luitpoldbrücke ins Zentrum. Je weiter sie sich der Altstadt näherten, desto weniger Häuser waren halbwegs unbeschädigt. Das war nach wie vor so. Er genoss es nicht mehr, wie er es beim Einmarsch vor drei Jahren getan hatte. Diese Stadt hatte ihn 1936 wie verdorbenes Essen ausgekotzt. Doch er war zurückgekommen. Hatte schon am dritten Tag jenen Beamten gefunden, der seinen Eltern die Ausreise verweigert und sie zum Transport angemeldet hatte. Der Mann hatte wie der einst »geliebte Führer« den Schnauzbart kurz unter der Nase getragen. Nach einer Viertelstunde Behandlung mit Feinsteins Colt war weder vom Bart noch vom Rest des Gesichts etwas zu erkennen gewesen. Feinstein hatte genug getötet, aber zu wenig Rache genommen. Drei Jahre später war er immer noch hier, obwohl er längst wieder in New York hätte sein können.

Sie hatten ihn ausgetrickst, ganz schlicht. Er hatte seine Papiere in der Hand gehabt, den Transport nach Bremerhaven und die Passage mit dem Truppentransporter zurück in die USA organisiert. Anschließend hatte er jedoch eine Zigarette zu viel im Hof der Kaserne geraucht und war seinem Captain Clifton, Chef der Münchner Einheit der Constabulary Police, aufgefallen. Der hatte ihn erst freundlich, dann für einen Moment zu freundlich, angelächelt, weil ihm wohl in diesem Augenblick eine Idee in den Kopf geschossen war.

»Du bist mein Mann, Feinstein«, hatte er ihm mit einer Hand auf der Schulter gesagt und ihn mit hoch in sein Büro genommen.

Dort hatte ihm der langsam sprechende und umso schneller denkende Captain Clifton aus Kentucky eine neue Aufgabe zugeteilt.

»Die Nazis liebten es zentral. Damit bekamen wenige sehr viel Macht, verstehst du?«

Feinstein hatte genickt. In zwei Stunden ging sein Zug. Sollte er den verpassen, müsste er erneut Wochen warten.

»Du hast in New York das Prinzip der Police Departments kennengelernt. Hübsch dezentral. Bring es den Krauts bei. Keine zentrale Gestapo mehr, keine Folterkeller. Ermittlungsarbeit ohne Lager. Du bist der Mann dafür. Ist ’ne Beförderung drin.«

»Hm, wer hat das denn bislang gemacht?«, fragte Feinstein vorsichtig.

»Lieutenant Murray.«

»Und wo ist der jetzt hin versetzt worden?«

Clifton grinste. »Dem haben Schieber vom Schwarzmarkt eine Kugel verpasst und ihn in die Isar geworfen. Doch wir haben sie geschnappt. Zwei wurden bereits gehängt.«

»Das ist ja ein Trost.«

»Nicht wahr? Gut, du hast den Job. Morgen stelle ich dich dem Polizeipräsidenten vor. Kein echter Nazi, aber ein Kommunist, also schön aufpassen.«

Am Abend hatte Feinstein in einem Drecksloch, das eine Bar sein sollte und in dem eine Band grauenhaft laute Beatmusik spielte, einem Kameraden zugebrüllt, dass sich sein Sarge ins Knie ficken könne. Der Typ war ein enger Freund des Chefs. Das hatte er jedoch zu spät bemerkt.

Am nächsten Morgen hatte er völlig verkatert zum ersten Mal an einem alten Schreibtisch im Gebäude an der Ettstraße in der Münchner Innenstadt gesessen und sich in deutsche Polizeiarbeit hineingefressen.

Sie sollten »Botschafter der Demokratie« sein. Das hatte General Harmon von ihnen gefordert. Sie sollten bestrebt sein, Vorurteile gegenüber Besatzern durch betont gerechtes und gesetzestreues Auftreten abzubauen. Feinstein musste darüber immer den Kopf schütteln. Diese Deutschen hatten fast seine gesamte Familie ausgelöscht und er war hier, um ihnen Zivilisation beizubringen. Das funktionierte nicht immer.

Waren seine Untergebenen anfangs noch devot und eilfertig mit allerlei Tätigkeiten, zeigten sich Feinsteins deutsche Mitarbeiter zunehmend selbstbewusster, nicht einmal drei Jahre nach ihrer größten Niederlage. Je mehr sie sich heimlich seinen Anweisungen widersetzten, sie vorsichtig torpedierten, hinter seinem Rücken über ihn lachten, desto mehr herrschte er sie an, zwang sie zu sinnlosen Aufgaben. Bald hasste er sie. Manchmal hatte er das tiefe Verlangen nach willkürlicher Gewalt, nach einer sinnlosen körperlichen Schikane. Er konnte es allerdings unterdrücken. In spätestens einem Jahr würde er nach New York zurückkehren und dieses Trümmerfeld sich selbst überlassen.

München hatte dreiundsiebzig Luftangriffe erlebt. Mehr als sechstausend Menschen waren gestorben. Die historische Altstadt war zu neunzig Prozent zerstört, die gesamte Stadt zu fünfzig Prozent. Durch Tod, Evakuierung und Flucht aus der Stadt war die Bevölkerungszahl auf die Hälfte zusammengeschrumpft. Doch nun, drei Jahre später, strömten neue Gruppen in die Stadt, in der schon wieder alle Straßen freigeräumt waren. In der das Wasser aus dem Hahn floss und Menschen mit tausendfünfhundert Kalorien pro Tag auskommen mussten.

Der Jeep donnerte vorbei an großen Gruppen Steine klopfender, werfender und wegschaffender Menschen in zerschlissenen Mänteln und Hemden. Menschen, die wie Ameisen versuchten, ihre einst so prächtige Residenzstadt wiederaufzubauen. Loren wurden von alten Männern mit staubdreckigen Mützen bewegt, Kinder sprangen über Trümmerhügel, wurden in scharfem Ton von Müttern gemaßregelt, die sich den Schweiß in einem Moment der Pause wegwischten.

Sie mussten einem Lkw ausweichen, der rückwärts aus einer Hofeinfahrt fuhr. Frauen schrien.

»Die Weiber haben in diesem Land diesen harten Ton drauf. Sie verstehen das ja, Sir«, versuchte sich der Fahrer in Konversation, als einige Frauen kreischend am Jeep vorbeiliefen, der stehen geblieben war.

Feinstein sah in die Richtung, aus der die Frauen kamen, erkannte die Fundamente des einstigen Braunen Hauses, wo mehrere Männer zusammenstanden und wild gestikulierten. Er stieg aus, bedeutete dem Fahrer, seine MP vom Rücksitz mitzunehmen, und lief auf die Menge zu.

Jemand schien aus den Trümmern eines Bekleidungsgeschäfts eine seltsam anmutende Schaufensterpuppe gezogen zu haben, hatte ihr den rechten Arm nach oben gedreht, als sollte sie den Hitlergruß entrichten, und sie auf das Restfundament gestellt. Er kam näher, Menschen stöhnten, hielten sich die Hände vor die Münder. Er drängte Kinder und Männer beiseite, die erst entrüstet waren, dann jedoch beim Anblick seiner Uniform sofort zurückwichen.

Die Sonne schob sich über die Trümmer der Ruinen vom Karolinenplatz, ihre Strahlen wanderten wie...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2020
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Atmosphärisch • bösartig • Direkt • fiktiv-historisch • fundiert recherchiert • historisch • Kriminalroman • München • Nachkriegszeit • Nazizeit • Rache • Serienmörder • US-Offizier
ISBN-10 3-89425-678-8 / 3894256788
ISBN-13 978-3-89425-678-4 / 9783894256784
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