Kreuzverhör (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
640 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-20377-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kreuzverhör -  Jens Lapidus
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Die dunkle Seite Stockholms: Seit Jahren werden junge Mädchen von einem geheimen Täterring missbraucht. Jeder, der droht, die Machenschaften dieses menschenverachtenden Netzwerks aufzudecken, wird gnadenlos eliminiert. Anwältin Emilie vertritt eines der jungen Opfer. Katja ist schwer traumatisiert, stellt sich aber dennoch den quälenden Fragen der Staatsanwaltschaft, um die Peiniger dingfest zu machen. Als Katja brutal niedergemetzelt wird, setzen Emilie und ihr Freund Teddy - ein Ex-Knacki, der sich in der Stockholmer Unterwelt bestens auskennt - alles daran, den Mörder zu finden. Doch sie werden selbst von Jägern zu Gejagten, die mit aller Macht zum Schweigen gebracht werden sollen.

Jens Lapidus (geboren 1974) hat eine der erstaunlichsten Karrieren Schwedens inne. Er ist nicht nur einer der angesehensten Strafverteidiger des Landes, sondern auch einer der erfolgreichsten Autoren. Durch seine anwaltliche Tätigkeit verfügt er über mannigfaltige Kontakte zu Schwerverbrechern und genuine Einblicke in die schwedische Unterwelt, die Normalsterblichen normalerweise verwehrt bleiben. Die Authentizität, Schnelligkeit und Direktheit seiner Romane suchen ihresgleichen. Seine Bücher wurden in 30 Sprachen übersetzt, vielfach preisgekrönt und mehrfach verfilmt.

1


Das einzig Nette an diesem Termin war, dass es dieselbe Beraterin war, die Teddy geholfen hatte, als er gerade aus dem Knast gekommen war. Sie hieß Isa und sah genauso aus wie letztes Mal. Immer noch um die vierzig, immer noch wie eine Mischung aus Boheme-Södermalmsfrau und glitzeriger Östermalmslady gekleidet. Immer noch Tücher und seltsame Pulswärmer in starken Farben kombiniert mit kleinen Brillantohrringen, die eigentlich gar nicht so klein waren.

»Hallo, Teddy, lang ist’s her«, sagte Isa. Wenn sie lächelte, bekam sie kleine Grübchen in den Wangen. Aus irgendeinem Grund mochte Teddy sie, obwohl ihre einzige Aufgabe war, ihn zum Arbeiten zu bringen.

»Ja, die Zeit rast«, erwiderte er und versuchte, nett zurückzulächeln. Im Grunde war das alles hier nur peinlich.

Schon als er aus dem Knast gekommen war, hatte er nicht erwartet, hier irgendwann sitzen zu müssen, und schon gar nicht jetzt, zwei Jahre später. Er hatte geglaubt, er sei in einem anderen Schweden angekommen, auf einem anderen Niveau. Er war motiviert gewesen, bereit, hart zu arbeiten und dafür Zeit zu investieren. Er hatte sich wirklich verändert: Er war entschlossen, den unbequemen Weg zu nehmen, den ganzen Scheiß hinter sich zu lassen. Aber bereit zu sein war eine Sache – die Veränderung dann auch durchzuziehen eine andere. Die Wirklichkeit rannte ihm schnell davon. In seinem Lebenslauf klaffte ein acht Jahre langes schwarzes Loch, und inzwischen hatte er sich fast an das Misstrauen der Menschen gewöhnt. Aber nur fast.

»Dann gehen wir mal durch, wie die letzten Jahre aus der Jobperspektive so ausgesehen haben«, schlug Isa vor.

»Wo wollen Sie anfangen?«

»Ich weiß, dass Sie einen Job in einer Anwaltskanzlei bekommen haben, stimmt doch, oder?«

Diesen Teil wollte Teddy gern kurz halten. »Ja, ich habe ein paar Aufträge als Sonderermittler für eine Kanzlei namens Leijon angenommen.«

»Sonderermittler? Was heißt das?«

»Das ist nicht so einfach zu erklären. Aber der verantwortliche Teilhaber, Magnus Hassel, nannte mich den Macher

Teddy musste daran denken, dass mehrere dieser Jobs in Gewalttätigkeiten geendet hatten und dass er riskiert hatte, der Teddy zu werden, der er nicht mehr sein wollte. Vor mehr als einem Jahr, nach der Geschichte mit Mats Emanuelsson, hatte er den Job bei der Kanzlei quittiert.

Isa fragte nach Gehalt, Arbeitsgewohnheiten und ob er irgendwelche Fortbildungen absolviert habe. »Und nach der Kanzlei?«, fragte sie. »Was haben Sie dann gemacht?«

»Dann war es schwierig. Aber ich hab die KRAMI-Kurse gemacht.«

Isa sah in ihre Akte. Er wusste, dass sie sehen würde, dass er nicht nur alle Kurse und Gruppenaktivitäten von KRAMI mitgemacht hatte, sondern auch mindestens fünf Praktika absolviert hatte, von denen aber keines zu einer Anstellung geführt hatte. KRAMI: eine schöne Mischung aus Arbeitsvermittlung und Rehabilitationsmaßnahme mit dem Ziel, dass Typen wie er – Personen mit einem sogenannten kriminellen Hintergrund – einen Job finden und vor allem behalten würden. Er wusste nicht, warum das bei ihm nie funktionierte.

Isa sprach von Wegweiserkursen und Arbeitsplänen. Ihr Schreibtisch war aus hellem Holz. Der Boden Linoleum, an den Wänden weiße Strukturtapeten, und die Stühle fühlten sich plastikartig an. Hinter ihr war eine Glasscheibe, in der Teddy arbeitende Arbeitsvermittler und sein eigenes vages Spiegelbild sah. Er war groß und fand immer, seine Haare sahen irgendwie unsichtbar aus: braun, halbkurz oder vielleicht auch mittellang.

Außer Isas Ohrringen erinnerte alles in diesem Raum ans Gefängnis. Das hier war kein persönliches Zimmer, es gehörte nicht Isa, sondern war eine Besucherzelle, ein Ort mit Einblick in die Arbeitsvermittlung, aber ohne Fenster zur Wirklichkeit.

Vielleicht wusste Teddy ja auch, wo sein Problem lag. Nach den Jahren in der Anstalt und den Jahren in Freiheit kannte er immer noch keine anderen Menschen als die, die er vorher schon gekannt hatte und mit denen er schon befreundet gewesen war, ehe er einfuhr. Die zu seinem alten Leben gehörten. Er konnte an einer Hand abzählen, wer zu seinem Umkreis zählte: seine Schwester Linda und deren Sohn ­Nikola. Dejan von früher. Tagg und Loke vom selben Gang. Mit denen fühlte er sich wohl. In deren Gegenwart konnte er er selbst sein. Und dann natürlich Emelie, aber an die wollte er jetzt lieber nicht denken. Wie auch immer, keiner von denen konnte ihm irgendeine Arbeit anbieten. Abgesehen von Dejan vielleicht, aber die Jobs würden dem schwedischen Staat kaum irgendwelche Steuereinkünfte bescheren. Ehrlich gesagt bestand eher die Gefahr, dass sie zu gesteigerten Kosten für Schweden führen würden – in Form einer größeren Belastung der Polizeikräfte, die ermitteln mussten, was Dejan da so trieb.

Vielleicht sollte er mal zu seiner Lage stehen und einsehen, dass er nirgends hineinpasste. Teddy würde niemals ein Teil des Schweden sein, nach dem er sich während der Jahre im Gefängnis so sehr gesehnt hatte. Er würde für immer ein Außenseiter bleiben. Aber das bedeutete nicht, dass er wieder kriminell werden wollte.

»Hören Sie mir zu, Teddy? Sie müssen mir zuhören, sonst kann ich Ihnen nicht helfen.«

Teddy streckte die Beine unter dem Tisch aus, die vom langen Sitzen schon ganz steif waren. »Entschuldigung. Ich musste nur gerade an einen Kumpel von mir denken, der mir vielleicht helfen könnte, einen Job zu finden.«

Es war ein Versuch. Aber was sollte er auch tun? Keiner der Kurse, Praktikumsplätze und Gruppenworkshops hatte zu irgendetwas geführt. Dejan würde ihm sicher helfen, um der alten Freundschaft willen. Isa tippte auf dem Computer, als Teddy von der Baufirma des Freundes erzählte. Dann legte sie den Kopf schief und sah ernst aus.

»Tut mir leid, Teddy, aber ich glaube, das mit Ihrem Freund wird schwierig. Ich möchte nicht verurteilend wirken, aber seine Firma hat nur einen sehr geringen Umsatz, und er hat in den letzten zehn Jahren kein Einkommen versteuert. Ich glaube nicht, dass er Ihnen einen richtigen Job wird anbieten können. Also, jedenfalls keinen, den ich gutheißen kann.«

Isa hatte recht.

Aber gleichzeitig lag sie auch falsch.

2


Sechs Uhr früh war es, und das Kranke war, dass Nikola deshalb nicht völlig fertig war. George Samuel, sein Chef, hatte ein ganz eigenes Smile, bei dem sich das ganze Gesicht um die Augen herum zusammenfaltete. Nikola fragte sich, ob George überhaupt noch etwas sehen konnte, wenn er grinste.

»Guten Morgen, Nicko, weißt du, was wir heute machen werden?«, fragte er, als Nikola das winzige Büro betrat.

Nikola hängte sich den Werkzeuggürtel um. »Jepp. Heute werden wir mit unserem größten Job überhaupt anfangen. Sie reden jetzt schon eine Woche lang von nichts anderem.«

Sie gingen zum Kleinlaster runter: George Samuels Elektroservice stand in schnörkeligen Buchstaben auf der Seite. Der Werkzeuggürtel klapperte. Nikola hatte keine eigene Karre, deshalb schlug er immer erst mal bei seinem Chef auf, und dann fuhren sie zusammen zu den Jobs. Da hatten sie auch immer Zeit, ein bisschen zu quatschen.

Seine Mutter Linda hatte diese Lehrstelle organisiert. Und jetzt arbeitete Nikola wie jeder normale Affe: fünf Tage die Woche. Mit der ersten Sendung des Morgenradios hoch, Mittag gegen halb elf, und noch ehe es im Winter dunkel wurde wieder nach Hause. Manchmal schlief er eine Stunde vorm Abendessen, damit er es überhaupt schaffte, länger als bis neun Uhr aufzubleiben.

Ein unfertiges Shoppingcenter erhob sich aus dem Nichts zwischen Bahnschienen und Landgericht in Flemingsberg und sah aus, als hätte jemand ein Beton-Ei dort vergraben, das nun erste Risse zeigte. Das war wirklich ein Riesenjob. George Samuel war nicht der einzige Elektriker, der beauftragt worden war, aber für ihn plus seinen Lehrling bedeutete das einen Vollzeitauftrag für über zehn Monate. Ein garantierter sicherer Kunde für fast ein Jahr, das war unschätzbar, so viel wusste Nikola.

Sie standen nebeneinander, arbeiteten als Team. Einphasenwechselstrom, Dreiphasenwechselstrom und Verbindungsdosen. Kabel, Sicherungen und Ampere. Nikolas Wortschatz im Elektrosegment war so schnell gewachsen, dass er schon bald mehr stromführende Wörter beherrschte als Slangbegriffe für Drogen. Manchmal fühlte es sich an, als würde der Job mehr bedeuten als das restliche Leben. Aber das war okay – er mochte das, wenn sie nicht gerade weiter hinten den Boden aufrissen: Das Geräusch erinnerte ihn an das Ereignis.

Vor anderthalb Jahren war er auf dem Weg nach Hause zu Teddy gewesen. Als er die Tür zur Wohnung seines Onkels aufmachte, war eine Bombe explodiert und hatte Nikola an die Wand gedrückt. Er hatte sich Verletzungen im Bauch, auf der Brust und an den Händen zugezogen, mit denen er reflexhaft sein Gesicht geschützt hatte. Das bedeutete eine Woche auf der Intensivstation des Krankenhauses und einen Monat Reha. Seine Mutter und Teddy hatten ihn jeden Tag besucht. Nur das Mädchen, mit dem er sich getroffen hatte, Paulina, die hatte mit ihm Schluss gemacht. Aber egal, sie war es ja offensichtlich nicht wert gewesen.

George hatte wie gewöhnlich ein verstaubtes altes Radio auf den Boden gestellt. Sie hörten Radio: Bebe Rexhas aufmüpfige Stimme versprühte wieder und wieder denselben Refrain. Es war, als würde man in einem eigenen Raum arbeiten.

George drehte die Lautstärke runter. »Du weißt ja wohl, dass du nächste Woche deine sechzehnhundert Stunden geschafft hast,...

Erscheint lt. Verlag 16.8.2021
Reihe/Serie Die Stockholm Reihe
Übersetzer Susanne Dahmann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel TOP DOGG
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anwältin • eBooks • Hidden Agenda • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mädchenhandel • Schweden • Schwedenkrimi • schwedischer Bestseller • Schweigepflicht • Serien Bücher • Skandinavien • Stockholm • Thriller • Verfilmte Bücher • verfilmte Romane • weibliche Ermittlerin • ZDF-Serie
ISBN-10 3-641-20377-5 / 3641203775
ISBN-13 978-3-641-20377-1 / 9783641203771
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