Der rote Apfel (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
352 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-24200-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der rote Apfel -  Mi-ae Seo
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Wie wird ein unschuldiges Kind zu einem erbarmungslosen Serienkiller?
Seoul, Gegenwart: Ein perfider Serienmörder hat die Stadt monatelang in Atem gehalten. Jetzt ist Lee Byongdo, der Killer mit dem zarten Gesicht, gefasst worden und wird in einer Psychiatrie verwahrt. Doch Lee schweigt. Es gibt nur einen Menschen, mit dem er bereit ist zu reden: mit der jungen Psychologin Sonkyong. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sie ihm bei jedem Besuch einen saftigen roten Apfel mitbringt. Niemand weiß, warum er Sonkyong gewählt hat, denn beide sind sich nie begegnet. Die junge Frau willigt in das Treffen ein - ohne zu ahnen, dass sie damit einen Weg beschreitet, der sie in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele führt ...

Mi-Ae Seo wurde in Korea geboren und lebt in Seoul. Ihre Thriller sind in Korea regelmäßig auf der Bestsellerliste, sie ist außerdem erfolgreiche Drehbuchautorin. 'Der rote Apfel' wurde in mehrere Länder verkauft, eine Verfilmung ist bereits in Planung.

1


Es war 3.37 Uhr am frühen Morgen des 17. Juni, als ein Feueralarm aus dem Stadtteil Eungam-dong einging.

Im selben Augenblick, als die Meldung über den Brand das Lagezentrum der städtischen Zentrale für Feuer- und Katastrophenschutz erreichte, wurden auch die zuständige Feuerwache, eine nahe gelegene Polizeistation und ein auf Brände spezialisiertes Spurensicherungsteam des Polizeipräsidiums Seoul informiert.

Lee Sanguk, seines Zeichens Brandermittler, hatte Nachtschicht und war gerade im Ruheraum der Bereitschaftskräfte eingeschlafen, als sein Handy klingelte. Er rieb sich die müden Augen und stand notgedrungen auf. Bis ein Uhr morgens hatte er noch an einem Bericht geschrieben, darum hatte es lediglich für zwei Stunden Schlaf gereicht.

Immer wieder fielen ihm die Augen zu. Erst als er schließlich aus dem Gebäude trat, vertrieb der kühle Wind seine Müdigkeit. Die frische Nachtluft fegte die Erinnerung an die sommerliche Schwüle des Schlafraums mit einem Mal weg.

Vom Parkplatz aus rief Sanguk seinen Kollegen an, bevor er selbst in den Wagen stieg.

Inspektor Yu Dongsiks verschlafene Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung. »Ja, ja, ich bin schon wach.«

Offensichtlich war Yu bereits vom Polizeipräsidium benachrichtigt worden. Sanguk sah den Inspektor lebhaft vor sich, wie er aufrecht im Bett saß und den Kopf hin und her schüttelte, um nicht im nächsten Augenblick wieder in Tiefschlaf zu fallen, während er mit geschlossenen Lidern in den Telefonhörer hineinhorchte. Er hatte die Angewohnheit, manchmal geradezu kindliche Posen einzunehmen, die so gar nicht zu seiner enormen Statur passten.

Sanguk unterdrückte ein Lachen und teilte seinem Kollegen mit, dass er direkt zur Brandstelle fahre. »Mach dich fertig und komm. Beeil dich.«

»Warte mal!«

»Ja, bitte?« Sanguk hatte gerade auflegen wollen, wandte aber jetzt seine Aufmerksamkeit wieder dem Telefon zu.

»Wo war das noch gleich?«

Eigentlich hätte Yu den Ort des Brandes bereits kennen müssen, aber entweder wollte er sich noch einmal vergewissern, oder er war immer noch schlaftrunken.

»In der Gegend von Eungam-dong. Diesmal ist es in der Paegryonsa-Straße nahe der Kreuzung am Chungam-Gymnasium.«

Am anderen Ende der Leitung war ein Seufzen zu hören. Dann wurde es still. Wahrscheinlich brauchte der Inspektor einen Moment, um sich zu sammeln. Kurz darauf stöhnte er und murmelte etwas Undeutliches, während er sich vermutlich fluchend aus dem Bett quälte.

Sanguk konnte das sehr gut nachvollziehen. Ihm ging es nicht anders. »Ja, ich drehe hier auch bald durch.«

»Na gut. Ich beeil mich. Wir sehen uns dort.«

Sanguk steckte das Handy ein und stieg ins Auto.

Er drehte den Zündschlüssel und sah auf die Uhr. Es war mittlerweile kurz nach vier.

So früh am Morgen war noch wenig Verkehr auf den Straßen zu erwarten. Am Sungryemun-Tor vorbei und über die Anhöhe von Muakjae sollte er den Brandort in zwanzig Minuten erreicht haben. Während er über den Parkplatz fuhr, dachte er darüber nach, wie viele Feuer es in Eungam-dong in der letzten Zeit gegeben hatte.

Die Serie von Brandstiftungen hatte im Frühjahr begonnen, und der fünfte Brand lag noch nicht lange zurück. Sanguk übertrieb nicht, wenn er sagte, er würde einen Anfall bekommen, sobald er davon höre, dass jemand in dieser Gegend auch nur ein Streichholz angezündet hatte.

Den ersten Vorfall hatte es auf der Baustelle eines Hochhauses in der Nähe des Städtischen Krankenhauses Eunpyeong gegeben.

Am Fuß des Paegryon-Berges wurden zu dieser Zeit mehrere Wohngebäudekomplexe hochgezogen. Dadurch war ein heilloses Durcheinander aus allerlei Baumaterial entstanden, und in der Zufahrt wimmelte es nur so von Baufahrzeugen.

Menschen waren zum Glück nicht zu Schaden gekommen, da das Feuer auf der unbebauten Fläche zwischen der Baustelle und der Paegryonsa-Straße ausgebrochen war. Zwar war diverses Baumaterial in Form von Holzbrettern und Styropor in Flammen aufgegangen, aber der Schaden hatte sich insgesamt in Grenzen gehalten. Ein Arbeiter, der den Baugrund bewachte, hatte das Feuer frühzeitig entdeckt und schnell Alarm geschlagen. Es war sofort gelöscht worden. Die beteiligten Feuerwehrleute fanden keine Hinweise auf Brandstiftung, und so legte man den Fall zu den Akten. Man ging davon aus, das Feuer sei durch eine brennende Zigarette oder eine andere Unachtsamkeit hervorgerufen worden.

Als es jedoch in der Folge zu weiteren Bränden in diesem Viertel kam, wurde der erste Fall noch einmal genauer geprüft, weil man sichergehen wollte, dass es sich wirklich nur um fahrlässiges Verhalten gehandelt hatte. Da die Baustelle normalerweise abends abgesperrt wurde und sich für gewöhnlich kaum Menschen in ihrer Umgebung aufhielten, kam nun jedoch der Verdacht auf, dass jemand das Feuer absichtlich gelegt haben könnte.

Das dritte Feuer hatte den größten Schaden verursacht.

Von da an waren Sanguk als Brandermittler des Katastrophenschutzes und Inspektor Yu von der Spurensicherung der Polizei hinzugezogen worden.

Der nächste Brand war in der Nähe der Eungam-Kirche ausgebrochen, hinter der gleichnamigen Grundschule auf der gegenüberliegenden Seite der Paegryonsa-Straße. Die Flammen hatten sich innerhalb kurzer Zeit auf Nachbarwohnungen ausgebreitet, befeuert vom gelben Staub eines Sandsturms, der aus China herübergezogen war. Drei Wohneinheiten waren ausgebrannt, und eine dreiköpfige Familie fand dabei den Erstickungstod.

Der Vorfall hatte sich um drei Uhr morgens ereignet, und diesmal gab es einen Zeugen. Wahrscheinlich lag es daran, dass das Feuer in einer bewohnten Gasse ausgebrochen war.

Der Zeuge war ein Einwohner des Viertels, der sich gerade auf dem Heimweg vom Nachtdienst befunden hatte. Er sagte aus, er habe in der Nähe der Unglücksstelle eine verdächtige Person gesehen. Nachdem diese Person Richtung Hauptstraße verschwunden war, seien die Flammen hochgeschlagen. Das war jedoch alles gewesen. Der Zeuge hatte wegen der Dunkelheit nicht erkennen können, wie der Verdächtige ausgesehen oder was dieser angehabt hatte.

Sanguk hatte gemeinsam mit Yu die Asche am Brandort akribisch untersucht, um Rückschlüsse auf den Brandherd und die Ursache des Feuers ziehen zu können, aber sie waren zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen. Die Zeugenaussage passte nicht zu der Situation vor Ort. Bewohner aus der Nachbarschaft vermuteten, dass der lang schwelende Konflikt zwischen den Anwohnern und einer Baufirma mit der Angelegenheit zu tun hatte.

Als Sanguk den höchsten Punkt des Muakjae in Richtung Hongje passiert hatte und gerade in die Moraenae-Straße einbog, klingelte sein Handy.

»Wo bist du?« Yus Stimme klang tiefer als sonst.

»Bist du schon dort?«, fragte Sanguk.

»Nein, ich bin noch unterwegs.«

»Was gibt’s? Wir treffen uns doch gleich.«

»Ist das nicht bereits das sechste Mal?«

»Ja, ist es.« Eine Weile lang war es still, und Sanguk dachte schon, die Verbindung sei abgebrochen. Er fragte seinen Kollegen: »Wolltest du mir etwas sagen?«

»Ich hab schlecht geträumt.«

»Geträumt?«

Der Feueralarm mitten in der Nacht musste Yu aus einem unruhigen Schlaf gerissen haben, und er klang verunsichert. Seit sie zusammen arbeiteten, hatte er immer souverän gewirkt, aber diesmal stand er wegen der Brandserie offensichtlich stark unter Druck.

Sanguk und Inspektor Yu ermittelten zwar gemeinsam, hatten aber unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte.

Während Sanguk durch die Untersuchung der Unglücksstelle anhand von Spuren und Augenzeugenberichten Brandherd und Brandursache herausfinden sollte, begannen Yus Ermittlungen erst auf Basis dieser Ergebnisse. Bestand der Verdacht, es handele sich um fahrlässige oder gar vorsätzliche Brandstiftung, leitete er ein Ermittlungsverfahren ein. Er untersuchte dann den Tatort nach Spuren, welche der oder die Täter hinterlassen hatten. Seine Aufgabe war es, den Fall zu lösen.

Als Mitarbeiter des Katastrophenschutzes schloss Sanguk seine Arbeit für gewöhnlich am Brandort ab. Für den Polizeibeamten Yu war es hingegen der Startpunkt für eine bisweilen langwierige Ermittlung, sobald sich der Brandfall als Straftat erwies. Sein Job war erst erledigt, wenn der Täter gefasst war.

In der Regel besichtigten sie den Brandort gemeinsam und tauschten ihre fachliche Meinung aus, aber Yu stand dabei gewiss mehr unter Stress als Sanguk. Insbesondere diese Brandserie, die seit einigen Monaten immer wieder dasselbe Stadtviertel heimsuchte, setzte ihn enorm unter Druck. Es war höchste Zeit, dass der Fall gelöst wurde, und das machte ihn nervös. Im Allgemeinen war es nicht üblich, dass sich die beiden bei einem Feueralarm sofort auf den Weg machten. Nur wegen der aktuellen Vorfälle war die Anweisung erfolgt, jede Brandmeldung aus dem Viertel unmittelbar an Sanguk und Yu weiterzuleiten.

Sanguk wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte einfach nur den Wunsch, dieser Brand möge der letzte sein, indem er das entscheidende Indiz lieferte, um den Täter zu fassen.

»Glaubst du nicht an Träume?«, fragte Yu.

»Durchaus. Habe ich dir nicht erzählt, dass meine Mutter einen wunderbaren Traum hatte, als sie mit mir schwanger war? Deswegen bin ich zur Feuerwehr gegangen.« Um Yu aufzuheitern, zeigte sich Sanguk gesprächiger als sonst um diese Uhrzeit und war bereit, das Thema noch zu vertiefen. Doch der Inspektor, der die Geschichte wohl schon dutzendfach gehört hatte, beendete das Gespräch, bevor Sanguk fortfahren konnte....

Erscheint lt. Verlag 10.8.2020
Übersetzer Ki-Hyang Lee
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Good Girl
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Das Schweigen der Lämmer • eBooks • Gift • Korea • kriminalpsychologin • Psychospannung • Psychothriller • Seoul • Serienkiller, Serienmörder • Thriller • unheimliches Kind
ISBN-10 3-641-24200-2 / 3641242002
ISBN-13 978-3-641-24200-8 / 9783641242008
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