Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück (eBook)

Roman
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2020 | 1. Auflage
448 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-24633-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück -  Sophie Villard
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Die Kunst war ihre Leidenschaft. Die Liebe ihr Schicksal.
Paris 1937: Die rebellische Erbin Peggy Guggenheim genießt ihr Leben in der schillernden Künstlerbohème, eine glamouröse Abendgesellschaft folgt auf die nächste. Doch Peggy hat einen Traum. Sie will ihre eigene Galerie eröffnen und endlich unabhängig sein. Da verliebt sie sich in einen hochgewachsenen Schriftsteller mit strahlenden Augen: Samuel Beckett. Aber ihre Liebe steht unter keinem guten Stern, denn Peggys Traum lässt sich nur im fernen London verwirklichen, weit weg von Beckett. Und auch am Horizont ziehen dunkle Wolken auf: Der Krieg zwingt zahlreiche Künstler zur Flucht aus Europa. Peggy hilft vielen von ihnen dabei - und begibt sich und ihre Liebe in große Gefahr ...

Sophie Villard ist das Pseudonym einer erfolgreichen deutschen Autorin. Die gelernte Journalistin und Politologin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Dresden. Ihr Roman über die berühmte Kunstsammlerin Peggy Guggenheim stand auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Nach »Madame Exupéry und die Sterne des Himmels« und »Mademoiselle Eiffel und der Turm der Liebe« widmet sie sich in ihrer neuen Saga nun dem aufregenden Leben der Familie Cartier.

Kapitel 1


Paris, Avenue des Champs-Élysées,
ein Tag nach Weihnachten 1937


Peggy schwang die Pelzstiefeletten aus dem Taxi auf das nasse Trottoir vor dem Eckhaus und zog den Zobel enger um sich. Die Fenster des Fouquet’s leuchteten ihr durch den Schneeregen golden entgegen, als sie dem Lachen, dem Swing und den Stimmen zueilte. Ein wenig Wehmut begleitete sie, denn dies sollte eine ihrer letzten Nächte hier in Paris werden. Der Stadt, in der sie als junge Frau die Liebe gefunden hatte und die sie nun verließ, um ihrer neuen Liebe zu frönen. Einer Liebe, die nichts mit Männern zu tun hatte, sondern die einem deutlich edleren Interesse diente, wie sie fand.

Die Einladung zu James Joyce’ Dinnerparty heute Abend hatte sie trotz der Reisevorbereitungen gerne angenommen. Denn die Partys des berühmten Schriftstellers waren stets ein ausgesprochen anregendes Vergnügen. Wie froh sie war, dass diese Freundschaft ihre Scheidung von Laurence überdauert hatte, denn das war absolut nicht mit allen Bekannten der Fall.

Schnell schob sie die trüben Gedanken fort, öffnete die Tür und trat durch den schweren Samtvorhang in die Wärme des Fouquet’s. Heute schien etwas Besonderes auf sie zu warten in dieser altehrwürdigen Brasserie, deren holzgetäfeltes und mit rotem Jacquard gestaltetes Interieur sich zu einem Lieblingsort der Joyce entwickelt hatte. Ihr selbst war das Ganze viel zu viktorianisch. Aber so waren sie nun mal, diese Leute von den Britischen Inseln.

Sie überließ dem Kellner den Zobel und überprüfte den Sitz ihrer Marlene-Hose im barockumrandeten Spiegel. Die Jüngste war sie mittlerweile tatsächlich nicht mehr, dachte sie, als sie den Hut vom zerdrückten Haar nahm und die durch Trauer und Schlafmangel entstandenen Augenringe betrachtete, die selbst das dicke Make-up nicht verdecken konnte. Aber sie war noch hier! Sie richtete sich gerade auf, drückte die Brust raus, so wie es ihr damals im Ballettunterricht eingebläut worden war. Und nun hatte sie auch noch diesen Plan entwickelt! Diesen verrückten, aber perfekten Plan. Warum war sie nicht schon viel früher darauf gekommen? Denn es war ja genau das, was sie immer hatte tun wollen: Künstler fördern und mit ihnen zusammen sein. Die letzten knapp zwanzig Jahre hatte sie das als Ehefrau und Lebensgefährtin beeindruckender Männer getan. Aber jetzt, mit beinahe vierzig, war es Zeit für einen neuen Lebensabschnitt. Sie würde selbst etwas Besonderes schaffen! Einen Ort, an dem Menschen Kunst hautnah erlebten, sie lieben lernten und ins Nachdenken kamen.

Und schon in knapp vier Wochen würde es so weit sein: Im Swinging London, in der Cork Street Nummer 30, hatte sie passende Räume in der ersten Etage gemietet. Dort würde sie, Peggy Guggenheim aus New York, ihre erste eigene Galerie eröffnen, mit Kunst handeln und sich schon bald einen ausgezeichneten Namen in der Branche gemacht haben. Allerdings! Schon bald wäre sie eine anerkannte Geschäftsfrau. Daran bestand kein Zweifel! Absolut keiner. Und kein Mann würde ihr bei diesem Vorhaben in die Quere kommen, jetzt nicht mehr. Sie war eine erwachsene Frau und konzentrierte sich ab sofort auf ihre Arbeit statt auf Männer.

Peggy schritt kerzengerade hinter dem Kellner über den dicken roten Teppich durch den Saal. Die Blicke der dinierenden Pariser Gesellschaft an den weiß gedeckten Tischen richteten sich durch den Zigarettenqualm auf sie, als offensichtlich wurde, dass sie die Gruppe des großen Schriftstellers ansteuerte, zu der illustre Gäste zählten.

»Peggy!« James Joyce erhob sich, umarmte und küsste sie, die Nickelbrille rutschte von seiner Nase, er richtete sie. James trug eine irische Weste, die er von seinem Großvater geerbt hatte, wie er stolz erzählte, als Peggy ihn auf die besondere Stickerei ansprach. Nora winkte ihr, dass sie neben ihr Platz nehmen sollte. Wie lange waren die beiden nun schon verheiratet? Peggy wusste es nicht mehr. Doch bereits als sie ihnen zum ersten Mal begegnet war, 1923 in Villerville in diesem gruseligen Ferienhaus mit der Badewanne im Keller, das Laurence für sie nach der Geburt von Sindbad gemietet hatte, waren sie unzertrennlich. So unzertrennlich, wie Peggy und Laurence es nie gewesen waren. Außer auf der ausgedehnten Hochzeitsreise, als sie Capri, Ägypten und Israel besucht hatten. Da schon. Aber auf Hochzeitsreisen war das ja auch nicht so schwierig. Nach acht Jahren war es Zeit geworden, sich aus dieser Ehe, dieser Amour fou, zu befreien. Überfällig und richtig, bestärkte sich Peggy wieder einmal. Laurence hatte ihr zwei wunderbare Kinder geschenkt, das war gewiss, und diese beiden wollte sie auch nie und nimmer missen. Er hatte sie zu Beginn ihrer Ehe mit seinem blonden Strandjungen-Look und seinem Charme verzaubert und sie in die Pariser Künstlerszene eingeführt. Aber als seine Karriere nicht voranging und er immer frustrierter wurde – als die Tritte, Schläge, Wutanfälle überhandnahmen –, da hatte sie das einzig Richtige getan und war gegangen. Bedauerlicherweise war die Scheidung sehr teuer für sie geworden, die Berichterstattung in der Presse schmerzhaft. Und die Kinder hatte man aufgeteilt: Sindbad zu Laurence und Pegeen zu ihr. Wie gut, dass sie die Schlammschlacht von ihnen weitestgehend hatten fernhalten können, weil ihre Lebensmittelpunkte inzwischen die Internate waren. Nein, es hatte keine andere Möglichkeit gegeben. Schließlich hatte sie sich befreien müssen. Sie hatte ihre Würde – und vermutlich auch ihr Leben – retten müssen.

Peggy verdrängte die traurigen Erinnerungen und zwang sich zu einem Lächeln, als sie endlich neben Nora Platz nahm, die wie immer etwas plump und gewöhnlich aussah. Auch der knallrote Lippenstift auf ihrem schlaffen Mund und die frische schwarze Farbe in ihrem störrischen Haar konnten nichts daran ändern. Dass diese Frau das Vorbild für Joyce’ berühmteste Frauenfigur Molly Bloom sein sollte, war ihr nach wie vor unbegreiflich. Sofort fing Nora an, von James’ Gedichtsammlung zu erzählen, die dieses Jahr erschienen war. James stoppte sie, indem er das Glas erhob.

»Auf diesen Abend, den wir mit lieben Freunden in Frieden verbringen dürfen, auch wenn die Welt um uns herum anfängt, verrückt zu spielen. Solange wir können, trinken wir: Auf die Liebe, auf die Worte, auf Paris!«

»Auf die Liebe, auf die Worte, auf Paris!«, erklang es aus den zehn Kehlen am Tisch, die alle offenbar zu trocken waren. Jeder stürzte den Champagner hinunter.

Aus dem Grammofon sang Fred Astaire »They Can’t Take That Away From Me«, und Peggy nahm sich die Zeit, die übrigen Gäste näher zu betrachten. Die Martins kannte sie. Nette Menschen aus Devon, mit denen sie und Laurence bereits an der Côte d’Azur geurlaubt hatten. Aber wer war das? Ihr genau gegenüber? Der junge Mann, er mochte vielleicht so um die dreißig sein, kam ihr vage bekannt vor. Er war hager und offenbar sehr groß, soweit sie das im Sitzen erkennen konnte. Sein billiger französischer Anzug beulte und hatte abgeschabte Ellenbogen. Aber er trug ihn mit der Eleganz eines Marquis aus einer anderen Zeit. Die schwarzen üppigen Haare hatte er offenbar mühsam mit Zuckerwasser gebändigt. Die blauen Augen über der scharfen Nase schauten traurig aus einem erstaunlich ernsten Gesicht für seine jungen Jahre. Sein Blick war in die Ferne gerichtet, und seine Gedanken schienen sich mit schwerwiegenden Dingen zu beschäftigen, jedenfalls nicht mit dem Studium der Speisekarte, die er in der Hand hielt.

»Peggy, du kennst sicherlich unseren Freund Sam«, sagte Nora, die ihren Blick wohl bemerkt hatte. »Samuel Beckett, James’ guter Bekannter und Helfer? Ich glaube, ihr hattet schon das Vergnügen.«

Peggy nickte ihm zu, und da fiel es ihr wieder ein. Der junge Mann korrigierte für Joyce Druckfahnen und erledigte Korrespondenzen. Sie hatte von ihm gehört, und vor ungefähr zehn Jahren war er bei einer Party bei ihr und Laurence in der Avenue Reille dabei gewesen, im Schlepptau der Joyce. Damals noch ein halbes Kind, Herrgott! Deshalb hatte sie ihn als Mann nicht wahrgenommen. Aber jetzt! Himmel hilf! Wie er sich zurücklehnte und rauchte, als ob ihn das alles hier nichts anginge. Famos!

»Was macht die Kunst?«, fragte Nora, nachdem sie ihre Speisekarte zugeklappt hatte.

Natürlich war das keine ernst gemeinte Frage. Niemand wusste bislang von Peggys Plänen. Es war reine Höflichkeit, dass Nora sich erkundigte, was in ihrem Leben los war, vielleicht sogar Mitleid. Denn was war das für ein Jahr gewesen! Nicht nur, dass sie noch immer unter der Scheidung und der Trennung von ihrem Sohn litt – auch ihre Mutter war im November verstorben. Sie schob die Bilder von den schwarz gekleideten Menschen bei der Beerdigung in New York, von der sie gerade erst zurückgekehrt war, mit Vehemenz beiseite. Fünfundzwanzig Jahre hatte ihre Mutter ihren Vater überlebt. Ein Schauder stieg in Peggy auf, als sie an die Umstände seines ungewöhnlichen Todes dachte, der die Familie damals mehrere Jahre gelähmt hatte. Schnell griff sie nach der Champagnerschale und nippte an dem perlenden Getränk. War es denn nicht endlich einmal Zeit für glücklichere Umstände?

»Was meinen Sie, was eine Frau glücklich macht, Peggy?«, fragte auf einmal James mitten in ihre Gedanken hinein, als ob er sie gelesen hätte. »Sind es Kinder, Kleider, Autos oder Männer?« Er lachte schon über seinen eigenen Scherz. Aber ganz so unernst hatte er das wohl gar nicht gemeint.

»Es sind die Zeiten im Leben, in denen sie mit sich und ihren Entscheidungen vollkommen im Einklang ist«, sagte Peggy prompt und stellte das leere Champagnerglas auf das Tischtuch.

Ein kleines Lächeln erschien auf dem traurigen Gesicht...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bohème • Coco Chanel • Die Malerin • eBooks • Frankreich • Frauen Geschenk • Frida Kahlo • Gabriele Münter • Goldene Zwanziger • Historische Liebesromane • Historische Romane • Liebesromane • London • Mademoiselle Coco • Michelle Marly • New York • Paris • Starke Frauen • Taschenbuch Neuerscheinung 2020 • transatlantic
ISBN-10 3-641-24633-4 / 3641246334
ISBN-13 978-3-641-24633-4 / 9783641246334
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