Der Krieg der Elemente (eBook)

Roman
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2022 | 1. Auflage
784 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-22816-3 (ISBN)

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Der Krieg der Elemente -  Matthias Oden
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Hinterrücks hat das Herzogtum Chimrien das angrenzende Kaiserreich der Salen angegriffen. Was die reichen und machtgierigen Fürsten des Reiches zunächst als unbedeutende Scharmützel abtun, weitet sich rasch zu einem Debakel aus. Eine salische Stadt nach der anderen fällt, und die Gegner kämpfen mit ungeahnter Grausamkeit. Nichts scheint die Chimren aufhalten zu können - als wären sie mit übernatürlichen Mächten im Bunde. Mächten, die selbst die Kräfte der Natur bedrohlich ins Wanken bringen. Aber noch ahnt niemand das wahre Ziel der chimrischen Heerführerin ...

Matthias Oden hat Geschichte, Politikwissenschaft und Ethnologie studiert. Er war als Chefredakteur von mehreren Wirtschaftsmedien tätig sowie als Berater für Markenkommunikation. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet. Sein Debütroman »Junktown« eregte bereits Aufsehen und war für den Deutschen Science-Fiction-Preis nominiert. Mit »Die Krone der Elemente« und »Der Krieg der Elemente« hat er sein großes Fantasy-Epos vorgelegt. Matthias Oden lebt mit seiner Familie in München.

1

Amonidas

Er wachte auf. Sein Traum hatte ihn geweckt, aber er konnte sich nicht an ihn erinnern, das konnte er nie. Draußen, jenseits der offenen Kajütentür, war bereits der Morgen zu erahnen; eine feine Linie Rosa am Horizont, darüber das blasser werdende Tuch dunkelblauer Nacht. Amonidas schloss wieder die Augen. Auf dem Rücken liegend lauschte er den gleichmäßigen Ruderschlägen. Sonst war alles still. Noch war es keine Totenruhe, und doch fühlte es sich bereits so an. Er schmeckte das Salz der See auf seinen Lippen, vor allem aber die bittere Würze der Algen. So tief waren sie inzwischen in sie vorgedrungen, dass ihr Duft schwer in der Luft lag. In wenigen Stunden würden sie die Morgeninseln erreichen.

Und mit ihnen das Pesh.

Die Traurigkeit, mit der er wach geworden war, verschwand hinter Visionen aus Gold. Pesh hatte seine Familie reich gemacht, reicher als die meisten, und der Gedanke daran ließ es warm durch seinen Körper rieseln. Inzwischen füllten viele Quellen die Tiefen Kammern Pylaimons, keine aber war so wichtig und einzigartig wie die Traumalge.

Pesh ließ den Schleier zwischen den Welten durchlässig werden, ließ Seher Träume senden und finden. Die Welt brauchte Pesh, und seine Familie gehörte zu den fünf, die es ihr liefern konnten. Der Krieg im Westen, obschon nur wenige Wochen jung, hatte bereits Nachfrage und Preise erhöht. In den Häfen der Symmachie kauften Händler aus dem Salenreich und dem Herzogtum die Lager leer, und alle anderen taten es ihnen nach. Ging es um die Traumalge, wollte niemand, durfte niemand leer ausgehen. Hielt der Krieg an, würde die diesjährige Ernte seiner Familie ein Vermögen einbringen. Selbst Mutter würde zufrieden sein, vielleicht.

Amonidas lauschte in die Stille hinein. Pesh heilte auch. Schlaflosigkeit, natürlich, ebenso Krämpfe, Trübsinn und Atembeschwerden, es bekämpfte Fieber und mancherlei mehr, vor allem aber linderte es Schmerzen. Mit diesem Gedanken kam die Traurigkeit zurück. Mehr konnte die Alge nicht mehr für Horodates tun. Und endlich, nach Stunden, hatte sie es auch geschafft. Beinahe die ganze Nacht über hatte das Wimmern des alten Mannes das Schiff umhüllt.

Amonidas öffnete die Augen wieder und setzte sich auf. Gähnend streckte er sich. Er hatte nicht viel Schlaf gefunden, und wie stets nach dem Aufwachen spürte er die Verspannungen in Nacken und Schulter, heute schlimmer als sonst. Was er auch träumen mochte, Nacht für Nacht bescherte es ihm harte, steife Muskeln, die Eoniki erst wieder weich kneten musste. Singende, bezaubernde, wonnevolle Eoniki. Er sah sich nach ihr um.

Die Sklavin schlief auf der anderen Seite des Betts, nackt, wie sie es immer tat. Gleichmäßig hob ihr Atem ihre Brüste. Im Dämmerlicht der Kajüte zeichneten sich die Höfe der Brustwarzen dunkel von ihrer Haut ab. Er nahm sie oft und gern, sie war weich und liebevoll und konnte mit ihren Händen wahre Wunder vollbringen. Aber seit Horodates gestürzt war, hatte er sie weder singen lassen noch sie angerührt. Solange sein Lehrmeister im Sterben lag, mussten sein Verlangen und sein Rücken warten.

Amonidas stand auf. Er wusste nicht, wie gut sie über Nacht durch die Algen gekommen waren, aber Pinhaan konnte nicht mehr weit sein.

Vor der Kajüte nahmen die beiden Rudergänger ihre Hände von den Pinnen und legten sie aufs Herz. Ebenso wortlos erwiderte er den Gruß und ging übers Hauptdeck zum Bug, entlang der niedergeholten Segelruten, die längs der Schiffsachse am Fuß der Masten lagen. Die meisten seiner Seesoldaten schliefen noch auf den Planken; die wenigen, die bereits wach waren, grüßten ihn ebenso stumm wie die Rudergänger. Die Trotz bot Platz für fünfzig Helme und wurde von einhundertzwanzig Ruderern angetrieben; die eine Hälfte saß unter Deck, die andere hier oben im Freien. Knirschend bewegten sich die Riemen in ihren Lagern, mehr war nicht zu hören; das Trommelschlagen hatte er untersagt. Auf den Bänken saßen erfahrene Männer und Frauen, sie kamen auch so zurecht.

Er hatte sie die Nacht durchrudern lassen, weil er nicht bereit war, von aller Hoffnung Abschied zu nehmen. Vielleicht konnten sie auf Pinhaan Horodates doch noch helfen. Das war sein Herz, was sprach. Sein Verstand sagte ihm anderes.

Vor drei Tagen hatte sich sein Lehrmeister und Hausseher, weit in seinen Achtzigern, bei einem Sturz die Decktreppe hinunter beide Hüften gebrochen. Trotz Pesh war er immer noch fiebrig. Als er gestern Abend nach ihm gesehen hatte, hatte Horodates ihn nicht einmal mehr erkannt. Seine Haut war blass gewesen und klamm.

An der Bugkajüte sah er fragend ins Gesicht des Sklaven, der vor der Tür wachte. Betreten schüttelte der Mann den Kopf. »Er schläft jetzt, Herr«, sagte er leise. »Aber erst seit Kurzem.«

Reglos nahm Amonidas die Worte zur Kenntnis. Er griff zum Geländer ebenjener Unglückstreppe und bestieg das flache Deck der Bugkajüte. Nur mit Bedacht trat er auf: Zwischen ihm und dem alten Mann befanden sich lediglich dünne Holzplanken. Horodates schlief den Pesh-Schlaf, aber Amonidas wollte trotzdem nicht riskieren, ihn zu wecken. Niedergeschlagen legte er die Hände auf die Reling und blickte aufs Meer.

Der rosa Streifen war breiter geworden und kräftiger, das Blau des Himmels heller. Ganz oben standen noch ein paar Sterne am Firmament, einsam und blass, als hätte die Nacht sie vergessen. Das Licht des werdenden Tages gab den Blick frei auf das Dämmermeer, das vollkommen von Algen bedeckt war. Vor der Trotz ruderte das kleine Sucherboot. Die Taster standen mit jeweils einem Fuß auf den Bordwänden und stießen ihre langen Stangen suchend durch die Algendecke.

So kurz vor den Morgeninseln war diese Vorsichtsmaßnahme nötig: Die Algen wuchsen hier so dicht und zäh, dass sie an vielen Stellen bereits begehbar waren. Und an nicht wenigen hatte die Sonne sie so hart gebrannt, dass sie eine ernste Gefahr für jedes Schiff darstellten, das auf sie auflief. Die Algenteppiche trieben lose auf den Wellen und verschoben die Fahrrinne hierhin und dorthin oder drückten ganze Flöze in sie hinein. Es brauchte geschulte Augen, um eine lockere Algenmatte von einem dieser steinharten Ungetüme zu unterscheiden, und jahrelange Erfahrung mit der Stange.

Noch wichtiger als die Taster aber war der Wegsucher, der in ihrer Mitte saß. Die Augen verbunden, die Ohren verstopft, damit nichts ihn ablenken konnte. Er kannte den Kurs, pesh-vernebelt sah er ihn, sah die Fahrrinne inmitten der Algen, und dirigierte sein Boot und damit den ganzen Konvoi mit den Händen.

Er war der wichtigste Mann auf der Fahrt zu den Morgeninseln.

Als Amonidas ihm befohlen hatte, auch die Nacht hindurch den Weg zu suchen, hatte er geflucht wie ein Schmuggler. Amonidas wusste, wie anstrengend das Wegsuchen war. Mehrmals hatte er selbst es übernommen, mit fünfzehn das erste Mal, so wie es Familienbrauch war. Es war eine schlimme Schinderei, die einem auch mit Schlafpausen alles abverlangte. Ohne diese den Weg durch die Algen finden zu müssen … Oh, er verstand den Wegsucher, sehr gut sogar. Nachts mussten sich auch die Taster allein auf ihre Stangen verlassen, die Gefahr eines Schiffbruchs stieg enorm. Aber falls es noch Rettung für Horodates geben sollte, dann war sie auf Pinhaan zu finden, und diese Chance, mochte sie auch noch so klein sein, war jedes Risiko wert. Und wenn der gesamte Konvoi dabei draufginge.

Er hätte Horodates den Wunsch verwehren sollen, mitzukommen. Eine Dromone war kein Platz für einen alten Mann. Horodates aber hatte unbedingt noch einmal die Morgeninseln sehen wollen, wochenlang hatte er ihm damit in den Ohren gelegen. Amonidas hatte ihm einen Wunsch erfüllen wollen; hätte er geahnt, was passieren würde … Hart schluckte er gegen den Kloß an, den er im Hals hatte.

Aber wenn er ehrlich zu sich war, hatte nicht allein Horodates’ Wunsch den Ausschlag gegeben. Sein Lehrmeister war der beste Seher, den Amonidas kannte. Er war präziser in der Deutung von Omen als andere und lag öfter richtig. Er fand die Traumbotschaften, die für ihn bestimmt waren, und manchmal sogar solche, die nicht an ihn hätten gehen sollen. Als Einziger von den vielen Sehern Pylaimons hatte er kürzlich eine Veränderung auf den Traumfeldern bemerkt. Die Ewigen Wisper, darauf bestand er, seien verschwunden, und bald würde etwas geschehen, etwas Großes. Von einer neuen Zeit hatte er gesprochen …

Die anderen Seher hatten gelacht, aber Amonidas hatte keinen Moment an ihm gezweifelt. Auch er spürte es: Die Welt veränderte sich, geriet in Bewegung. Es war nicht nur der Krieg im Salenreich. Türen öffneten sich gerade, Türen voller Möglichkeiten. Amonidas musste nur entscheiden, durch welche er hindurchgehen und an welchen er vorbeilaufen sollte. Dafür hatte er seinen alten Lehrmeister an seiner Seite haben wollen. Schon jetzt war er enorme Wagnisse eingegangen, und jeden Tag wurden sie größer. Was immer Horodates ihm auch von der Zukunft zu zeigen vermochte, er würde jeden Hinweis bitter nötig haben.

An Backbord kam dunkel die Silhouette der Schaumkrone in Sicht, einer Dromone aus der Flotte seines Onkels. Das letzte von vielen, vielen Wracks, die die Fahrrinne nach Pinhaan säumten. Vor vier Jahren war das Schiff auf einen Algenflöz aufgelaufen und aufgegeben worden. Noch hielten die Algen es fest, aber Jahr für Jahr sank es tiefer in sie hinein; bald würde es ganz verschwunden sein. Schon jetzt lag das Oberdeck nur ein paar Handbreit über der Algendecke. Letztes Jahr hatte die Schaumkrone noch beide Masten besessen, jetzt ragte nur noch einer von ihnen in den Himmel. Die...

Erscheint lt. Verlag 16.5.2022
Reihe/Serie Elemente
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2022 • Abenteuer • deutschsprachige Fantasy • Die Krone der Elemente • eBooks • epische Fantasy • Fantasy • Helden • High Fantasy • höfische Intrigen • Magie • Neuerscheinung • Schlachten • Schurken
ISBN-10 3-641-22816-6 / 3641228166
ISBN-13 978-3-641-22816-3 / 9783641228163
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