Der Tote im Fiaker (eBook)

Ein Wien-Krimi

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
400 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-22566-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Tote im Fiaker -  Beate Maxian
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Für ein Mitglied der feinen Wiener Gesellschaft führt eine Fiakerfahrt in den Tod ...
Als Chefredakteurin des Wiener Boten weiß Sarah Pauli stets Bescheid, wenn sich etwas Ungewöhnliches in der Donaumetropole ereignet. So schreibt sie auch als Erste über das geheimnisvolle Kreuzsymbol, das plötzlich überall in Wien an Häusern und Sehenswürdigkeiten prangt. Und die Graffiti sind erst der Anfang eines unheimlichen Rätsels. Denn an einem nebeligen Tag wird in der Wiener Altstadt der Fahrgast eines Fiakers ermordet - und in der Kutsche findet man eine mysteriöse Zahlenreihe und darüber ein Kreuzzeichen ...

Beate Maxian lebt mit ihrer Familie in der Nähe des Attersees und in Wien und zählt zu den erfolgreichsten Autorinnen Österreichs. Ihre Wien-Krimis um die Journalistin Sarah Pauli stehen dort regelmäßig an der Spitze der Bestsellerliste. Auch »Ein tödlicher Jahrgang«, Auftakt ihrer Krimireihe um die Feinkosthändlerin Lou Conrad, wurde auf Anhieb ein Bestseller.

1


Der Ausblick widerte ihn an. Die Spinnweben in den Hecken ringsum kündigten den bevorstehenden Herbst an. Dazu gesellte sich Nieselregen samt Nebel. Ein Tag zum Trübsalblasen. Dabei war gestern noch Sommer gewesen. Der Reisepass glitt in die Tasche seines Sakkos, der Blick obligatorisch zum Nachbarhaus. Danach zur Uhr. Noch drei Minuten. Einen Morgen wie diesen hatte Leopold Bahnen schon gefühlte tausend Mal erlebt. Langweilig. Nervtötend. Zum Kotzen. Sein Leben war eine Endlosschleife aus Eintönigkeit.

Das Radio lief. ABBA. I have a dream.

Einen Traum hatte auch er.

Er brühte Pfefferminztee für Else auf, stellte die Eieruhr. Seine Frau bestand darauf, dass der Tee vier Minuten zog. Warum auch immer. Wieder wanderte sein Blick durchs Fenster. Noch eine Minute. Die Bewegung des Vorhangs im Haus gegenüber verriet, dass es gleich so weit sein würde. Die Nachbarin spähte durch die Gardine ihres Küchenfensters zu ihm herüber. Sobald er das Haus verließ, würde sie ihren Beobachtungsposten wechseln und sich ans Fenster des Esszimmers setzen, das zur Straße hinaus zeigte. Ab diesem Moment fixierte sie den halben Tag ihre Umgebung, registrierte jeden und alles. Ob er ihr einfach den Kopf einschlagen sollte? Mit einem kantigen Stück Hartholz aus dem Wald? Eiche böte sich dafür an. Wäre sie dann erlöst von ihrem kümmerlichen Dasein, oder empfand sie ihr Leben am Ende doch noch als lebenswert? Einsam hoffend, weitestgehend darauf angewiesen, dass etwas vor ihrer Haustür passierte. In dem Grätzel, in dem sie wohnten, war nicht viel los. Es würde ihm zweifellos gelingen, unbemerkt rüberzugehen, zu läuten, und dann: ein fester Schlag auf den Kopf. Doris würde tot zusammensinken, bevor sie realisiert hätte, was geschehen war. Ihre Leiche könnte er in die Wohnung zurückschieben, die Tür wieder zuziehen. Die Nachbarin hatte keine Familie, die sie regelmäßig besuchen kam. Auch Freundinnen waren rar gesät. Denkbar, dass es Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern würde, bis man sie entdeckte. Er lächelte bei dem Gedanken. Seine Frau wäre entsetzt ob seiner Idee. Else war eine strenge Katholikin, eine Heilige. Auch so was, was ihn ankotzte.

Die Nachrichtensprecherin versprach schöneres Spätsommerwetter erst ab Mitte der Woche. Egal, die Touristen nahmen auch an einem trüben Tag wie diesem die Innenstadt in Beschlag. Wie die Fliegen krochen sie in jede erdenkliche Ritze. Möglicherweise würden sich einige in seinen Laden verirren. Darauf wetten wollte er aber nicht. Das Angebot war zu speziell. Christliches Zeug interessierte in der Stadt nur mehr eine Minderheit.

Im Radio lief ein Werbespot für ein Deo. Er schaltete das Gerät aus und trat mit dem Tablett in der Hand ins Wohnzimmer. Else lag auf dem Sofa, zugedeckt bis zum Hals. Teilnahmslos nahm er ihr blasses Gesicht zur Kenntnis. Das Haar klebte förmlich an ihrem Kopf. War sie eigentlich jemals attraktiv gewesen? Er stellte die Tasse auf den Tisch, daneben die Kanne und zwei Wassergläser.

»Ich muss gleich los.«

»Wann kommst du zurück?« Sie hielt sich ein Taschentuch unter die Nase. Die Erkältung wollte einfach nicht besser werden. Schon seit vier Tagen fesselte die Erkrankung sie ans Bett. Das spielte ihm in die Hand.

»Nach der Arbeit, wie jeden Tag.« Er reichte ihr das erste Wasserglas. »Trink das, da sind Erkältungstropfen drin.« Wie zur Bestätigung stellte er eine kleine Arzneiflasche neben die Teekanne. Sie leerte das Glas in einem Zug.

»Spül damit nach.« Er streckte ihr das zweite entgegen. Sie platzierte das leere auf dem Tisch, nahm einen großen Schluck aus dem anderen und verzog das Gesicht. »Was ist das? Es schmeckt bitter.«

»Gegen deine Kopf- und Gliederschmerzen. Die freundliche Dame in der Apotheke meinte, es schmecke grauslich, aber wirke wahre Wunder.« Er lächelte fürsorglich und legte eine Medikamentenpackung auf den Tisch. Der darauf abgedruckte Text versprach, dass das Präparat sämtliche Symptome einer Verkühlung lindern würde.

»Wenn es hilft.« Else setzte das Glas an, kippte den Rest hinunter. »Schmeckt wirklich grauslich.«

Er schenkte Tee in die Tasse. »Damit bekommst du den Geschmack weg. Und danach schlaf ein bisschen.«

»Ich habe das Gefühl, nichts anderes mehr zu tun.« Sie nieste, schnäuzte sich und trank den angebotenen Tee. Dann zeigte sie auf die aufgeschlagene Seite des Wiener Boten auf dem Tisch. »Wer macht denn so etwas?«

In der Ausgabe vom vergangenen Wochenende hatte eine Journalistin namens Sarah Pauli einen Artikel über die Bedeutung des Antoniuskreuzes geschrieben. Seit drei Wochen sprayte ein Unbekannter die T-förmigen Kreuze an Häuser, Sehenswürdigkeiten und auf Straßen.

»Ich weiß es nicht.« Woher sollte er auch? Er verkaufte christliche Erzeugnisse. Er malte sie nicht.

»Das ist Blasphemie.«

»Natürlich.« Es hatte keinen Sinn, mit Else darüber zu diskutieren. Mit Gott trieb man keine Späße, diese Meinung verteidigte sie, selbst gegen den Teufel. Ihm war’s egal. Es interessierte ihn nicht. Nicht mehr. Er verabschiedete sich im Stehen.

Sie griff nach der Teetasse. »Kein Kuss. Die Verkühlung«, wehrte sie ab.

Ihm war’s recht.

 

Kaum dass er die Haustür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, öffnete sich die Tür des benachbarten Hauses. Offenbar hatte ihm Doris heute etwas mitzuteilen, sonst säße sie schon an ihrem Aussichtspunkt. Graue Jogginghose, graues T-Shirt, graue Haare. Wie alt mochte sie sein? Sechzig? Siebzig? Hatte sie das je erwähnt? Er erinnerte sich nicht. Und es gelang ihm auch nicht, ihr Alter zu schätzen. In der Hand hielt sie einen Müllsack, die Rechtfertigung für ihr Erscheinen. Ihre gegenseitige Abneigung verbargen sie voreinander hinter Oberflächlichkeit und höflichem Lächeln. In seinen Augen war sie nichts weiter als eine schreckliche Neugiernase. Außerdem ein verdammtes Lästermaul, das an kaum jemandem ein gutes Haar ließ. Eine gefährliche Mischung. Die Idee, ihr mit einem Stück Holz eins überzubraten, drängte sich ihm erneut auf. Er lächelte. »Guten Morgen, Doris.«

»Guten Morgen. Wie geht’s Else?«, fragte sie wie nebenbei und öffnete den Deckel der Mülltonne.

»Gut.«

»Die Verkühlung?«

»Wird besser.«

»Soll ich später mal nach ihr schauen?« Ein falsches Lächeln auf ihren Lippen. In Wahrheit wollte sie nachsehen, ob sie beide sich etwas Neues angeschafft hatten. Ein Sofa, einen Esstisch oder sonst etwas, über das es sich zu tratschen lohnte, auf die Art: Die müssen es ja dick haben. Oder sie haben alles auf Kredit gekauft. Wie oft hatte Else diese oder ähnliche Sätze schon von Doris gehört, weil sich einer der Nachbarn ein neues Auto, einen Pool oder Sonstiges geleistet hatte. Neid war Doris’ zweiter Vorname. Schön verpackt in geheucheltes Interesse.

»Ich hab eine Rindsuppe gekocht. Die tät ihr sicher gut«, setzte sie nach.

»Musst nicht nach ihr schauen. Ich komm mittags nach Hause, bis dahin schläft sie eh.« Eine Halbwahrheit. Er hatte vor heimzukommen, aber nicht, um nach Else zu sehen. Auf seinem persönlichen Plan stand heute etwas ganz anderes. »Und eine Suppe hab ich auch g’macht. Hühnersuppe, die hilft sogar noch besser bei einer Verkühlung als Rindsuppe.« Eine glatte Lüge. Natürlich gab es keine Suppe.

»Wenn das so ist, dann mach’s gut.« Die Enttäuschung stand Doris ins Gesicht geschrieben. »Schönen Tag noch, trotz des grauslichen Wetters.« Sie deutete nach oben. Ihre vom Nieselregen feuchten Haare kräuselten sich leicht. »Und grüß mir später die Else schön.«

»Mach ich! Servas, Doris.« Er stieg in den Ford Focus, der in der Einfahrt vor der Garage parkte, weil er gestern zu faul gewesen war, ihn reinzufahren, und startete ihn. Doris verweilte bei der Mülltonne, während er davonfuhr. Im Radio sangen Silbermond: Weg für immer.

Unwillkürlich musste er lächeln. Jetzt fing es wieder an.

Auf dem Weg in die Innenstadt kam er nur langsam vorwärts. Schlechtes Wetter und der erste Schultag nach den Sommerferien waren ein Garant für Chaos auf den Straßen. Zudem wimmelte es auf den Gehwegen von unzähligen Schulkindern, eine weitere Gefahrenquelle. Dazu mürrische Gesichter, wo man nur hinsah. Ihm war’s schon jetzt egal. Ab morgen würde er nicht mehr in der Stadt sein. Den Wagen stellte er in der Garage Am Hof ab. Der Dauerparkplatz kostete ihn ein Vermögen. Doch das war es ihm wert, nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu müssen. Frühmorgens ertrug er keine Menschenmengen. In Wahrheit ertrug er sie zu keiner Tageszeit.

Sein Geschäft lag im befahrbaren Teil der Goldschmiedgasse, einer Einbahnstraße: Christliche Geschenke Bahnen. Das beleuchtete Schaufenster mit der Madonna samt Kind in der Mitte, den Kreuzen und Weihwasserkesseln an den Seitenwänden verriet, dass Adele bereits im Laden stand. Sie arbeiteten seit acht Jahren zusammen. Ihre Betriebsamkeit war beeindruckend. Manchmal fragte er sich, ob diese Frau überhaupt jemals schlief. Er drückte die Tür auf. Adele bediente einen Mann, obwohl sie offiziell erst in einer halben Stunde öffneten.

»Guten Morgen«, flötete sie hinter dem braunen Verkaufstresen hervor.

»Guten Morgen«, erwiderte er.

Hinter Adele hingen weitere Kreuze und Weihwasserbrunnen. In Regalen, die im gesamten Verkaufsraum verteilt standen, reihten sich Heiligenfiguren an Madonnen, Krippen und Gebetswürfel. Nicht zum ersten Mal ertappte er sich bei dem Gedanken, dass seine Angestellte perfekt zur Einrichtung passte. Konservative Kleidung, brauner Rock, beige Bluse mit passender Strickjacke und robustes Schuhwerk ohne Schnickschnack. Der akkurat geschnittene Pagenkopf ließ sie strenger erscheinen, als...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2020
Reihe/Serie Die Sarah-Pauli-Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestseller Österreich • eBooks • Geschenk für Mütter Mama Mutti • Geschenk Muttertag • Heimatkrimi • kleine geschenke für frauen • Kreuzzeichen • Krimi • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinung 2020 • Krimi Österreich • Krimis • Mord im Hotel Sacher • Mord in Schönbrunn • Neuerscheinungen Bücher 2020 • Österreich • rätselhaft • Sarah Pauli • Symbol • Wien • Wien Krimi
ISBN-10 3-641-22566-3 / 3641225663
ISBN-13 978-3-641-22566-7 / 9783641225667
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