Erdsee (eBook)

Die erste Trilogie
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2020 | 1. Auflage
592 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491239-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Erdsee -  Ursula K. Le Guin
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Erdsee - die klassische Trilogie in vollständiger Neuübersetzung Auf einem Eiland der Inselwelt Erdsee lebt der junge Ged. Von allen nur Sperber gerufen, führt er ein einfaches Leben als Sohn eines Bronzeschmieds. Erst als brutale Räuberhorden sein Dorf überfallen, entdeckt er, dass er über geheimnisvolle, übernatürliche Fähigkeiten verfügt. Es gelingt Ged mit Hilfe der Magie, die Banditen abzuwehren, und fortan ist nichts mehr, wie es war. Sperber wird Lehrling an der berühmten Zauberschule von Rok und stellt dort seine Fähigkeiten unter Beweis: Er beschwört die Mächte der Schatten und schafft eine Verbindung zum Totenreich. Dabei erfährt er, dass ein Riss durch dieses Reich geht, der die Welt der Lebenden zu verschlingen droht. Gemeinsam mit der wiedergeborenen Hohepriesterin Tenar stellt sich Ged einem scheinbar aussichtslosen Kampf um die Rettung von Erdsee ... Enthält: ?Ein Magier von Erdsee?, ?Die Gräber von Atuan?, ?Das fernste Ufer? Für alle LeserInnen von J.R.R. Tolkien, Tad Williams und J. K. Rowling »Absolut brillant - einer der Meilensteine der modernen Fantasy!« Patrick Rothfuss

Ursula K. Le Guin (1929-2018) gilt als die Grande Dame der angloamerikanischen Science Fiction. Sie wurde mit zahlreichen Literatur- und Genrepreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk. Ihre Bücher beeinflussten viele namhafte Autoren, darunter Salman Rushdie und David Mitchell ebenso wie Neil Gaiman und Ian M. Banks.

Ursula K. Le Guin (1929–2018) gilt als die Grande Dame der angloamerikanischen Science Fiction. Sie wurde mit zahlreichen Literatur- und Genrepreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk. Ihre Bücher beeinflussten viele namhafte Autoren, darunter Salman Rushdie und David Mitchell ebenso wie Neil Gaiman und Ian M. Banks. Karen Nölle lebt als freie Übersetzerin und Lektorin in der holsteinischen Schweiz. Sie hat unter anderem Doris Lessing und Alice Munro ins Deutsche übertragen.

[Ein] Prachtband, der die Drachen und die Magie der berühmten Inselwelt so verführerisch zum Leben erweckt [...].

Die Fantasy von Le Guin unterscheidet sich von literarischer Dutzendware durch ihre Intelligenz, ihre Poesie und ihre Originalität. [...] Lesen Sie Ursula K. Le Guins Erdsee!

Ein echter Klassiker, der jetzt wiederentdeckt werden kann.

In der ihr eigenen, poetischen Sprache, die in der Neuübertragung wunderbar stimmig umgesetzt wurde, entführt sie uns in eine phantastisch andere und doch […] erlebbare Welt.

1 Krieger im Nebel


Die Insel Gont, ein einziger Berg, dessen spitzer Gipfel sich eine Meile über dem sturmgepeitschten Nordostmeer erhebt, ist berühmt für seine Zauberer. Die Ortschaften in den steilen Tälern und die Häfen an den engen, dunklen Buchten der Insel können sich mancher Söhne preisen, die auszogen, den Fürsten des Reichs an ihren Höfen als Zauberer oder Magier zu dienen oder auf der Suche nach Abenteuern von Insel zu Insel zu ziehen, um in ganz Erdsee zu wirken. Von diesen, heißt es, sei der wohl größte, ganz gewiss aber der am weitesten Gereiste ein Mann namens Sperber gewesen, der seinerzeit sowohl Drachenmeister als auch Erzmagier war. Von seinem Leben und seinen Heldentaten berichten das Gedlied und andere Gesänge, doch was hier erzählt werden soll, ist eine Geschichte aus der Zeit, als er noch nicht berühmt war und über die es keine Lieder gibt.

Er wurde in einem einsamen Dorf geboren, Zehn Erlen, am Kopf des Nordertals hoch auf dem Berg gelegen. Unterhalb des Dorfes fallen die Äcker und Weiden des Tals Stufe um Stufe zum Meer hin ab, und an die Schleifen des Flusses Ar schmiegen sich weitere Ortschaften. Oberhalb des Dorfes wächst auf Kamm hinter Kamm bis in die Höhen, wo es nichts mehr gibt als Fels und Schnee, nur Wald.

Als Kind wurde er Duni gerufen. Es war der Name, den ihm seine Mutter gab. Ihr war nicht vergönnt, ihm mehr als diesen Namen und sein Leben zu schenken, denn sie starb noch in seinem ersten Lebensjahr. Sein Vater, der Bronzeschmied des Dorfes, war ein grimmiger, wortkarger Mann, und da Dunis sechs Brüder um einiges älter waren als er und nacheinander von zu Hause weggingen, um Bauer oder Seefahrer zu werden oder sich in anderen Dörfern des Nordertals als Schmied zu verdingen, gab es niemanden, der das Kind mit Liebe großzog. Er wuchs, ein gesundes Kraut, wild heran, zu einem hochgewachsenen, aufgeweckten Jungen mit lauter Stimme, großem Stolz und einem aufbrausenden Temperament. Als er klein war, hütete er zusammen mit den wenigen anderen Kindern aus dem Dorf Ziegen auf den steilen Wiesen über den Flussquellen, und sobald er genug Kraft hatte, den langen Blasebalg in der Schmiede zu bedienen, machte der Vater ihn zu seinem Gehilfen, und er bekam jede Menge Schläge und Peitschenhiebe. Aus Duni war nicht viel an Arbeit herauszuholen. Er lief ständig davon, streunte weit in die Wälder hinein, schwamm in den Flussbecken der Ar, die wie alle Flüsse von Gont flink und kalt dahinströmten, oder kletterte über Felswände auf die Höhen über dem Wald, von denen er das Meer sehen konnte, die weite nördliche See, in der außer Perregal keine Inseln mehr liegen.

Im Dorf lebte eine Schwester seiner Mutter, die ihn, als er klein war, mit allem Notwendigen versorgte. Doch sie hatte selbst viel zu tun und überließ Duni, kaum dass er halbwegs eigenständig war, sich selbst. Eines Tages jedoch, als er sieben war, noch nicht in die Schule ging und noch keine Ahnung davon hatte, was auf der Welt für Mächte und Kräfte herrschen, hörte er seine Tante mit einer Ziege schimpfen, die auf das Strohdach der Hütte gesprungen war und nicht herunterkommen wollte. Erst als sie etwas rief, das gereimt war, kam das Tier sofort gesprungen. Als er am nächsten Tag die langhaarigen Ziegen auf den Wiesen am Hohen Fall hütete, rief er ihnen die Worte zu, die er gehört hatte, ohne ihren Sinn oder Zweck zu kennen und ohne zu wissen, woher sie stammten:

Noth hierth malk man

hiolk han merth han!

Er rief die Worte laut, und die Ziegen kamen zu ihm. Sie kamen sehr schnell, alle zusammen, ohne jedes Geräusch. Sie sahen ihn aus den dunklen Schlitzen in ihren gelben Augen an.

Duni lachte und rief abermals laut den Vers, der ihm Macht über die Ziegen verlieh. Sie schoben sich näher an ihn heran, schubsten und bedrängten ihn. Da fürchtete er sich plötzlich vor ihren dicken gerippten Hörnern, ihren seltsamen Augen und ihrer sonderbaren Stille. Er versuchte aus ihrer Mitte auszubrechen und davonzulaufen. Die Ziegen liefen mit, umzingelten ihn von allen Seiten und stürmten mit ihm ins Dorf hinunter, so dicht an dicht, als wären sie mit einem Strick vertäut, und mittendrin das weinende, laut schreiende Kind. Die Bewohner kamen aus ihren Häusern gerannt, um die Ziegen zu beschimpfen und den Jungen auszulachen. Unter ihnen war Dunis Tante, und sie lachte nicht. Sie sprach ein Wort zu den Ziegen, und die Tiere begannen wieder zu meckern und umherzustreifen und zu stöbern. Sie waren vom Zauber erlöst.

Zu Duni sagte die Tante: »Komm.«

Sie nahm ihn mit in ihre Hütte, in der sie allein lebte. Gewöhnlich ließ sie keine Kinder hinein, und die Kinder fürchteten sich vor dem Häuschen. Es war klein und dunkel, ohne Fenster, und duftete nach den Kräutern, die zum Trocknen am Dachbalken hingen: Minze und Goldlauch und Thymian, Schafgarbe und Zehrried und Perlkittel, Königshut, Spaltfuß, Rainfarn und Lorbeer. Die Tante hockte sich an die Feuerstelle und fragte den Jungen mit einem Seitenblick durch ihr zerzaustes schwarzes Haar, was er zu den Ziegen gesagt und ob er ahne, was es mit dem Spruch auf sich habe. Als sich herausstellte, dass er gar nichts wusste und dennoch die Ziegen in seinen Bann geschlagen hatte, wurde ihr klar, dass in ihm eine angeborene Macht schlummerte.

Als Sohn der Schwester hatte er ihr nichts bedeutet, doch nun sah sie ihn mit neuen Augen. Sie lobte ihn und erbot sich, ihm Sprüche beizubringen, die ihm besser zusagten, zum Beispiel das Wort, das eine Schnecke aus ihrem Haus lockt, oder den Namen, der einen Falken vom Himmel ruft.

»Ja, den Namen sollst du mir beibringen!«, rief Duni. Die Angst, die ihm die Ziegen eingeflößt hatten, war verflogen, und er platzte förmlich vor Stolz über ihr Lob seiner Tüchtigkeit.

Die Hexe mahnte: »Wenn ich dir das Wort beibringe, darfst du es niemals den anderen Kindern verraten.«

»Das verspreche ich dir.«

Über die Einfalt seiner flinken Antwort lächelte sie. »Das ist gut. Aber ich werde dein Versprechen sichern. Du wirst verstummen, bis ich dir die Zunge wieder löse, und danach wirst du zwar sprechen können, aber kein Wort von dem, was ich dir beibringe, über die Lippen bringen, wenn ein anderer Mensch es hören kann. Wir müssen die Geheimnisse unserer Kunst wahren.«

»Gut«, sagte Duni, weil er gar nicht den Wunsch verspürte, die Spielkameraden in das Geheimnis einzuweihen, und weil es ihm gefiel, Dinge zu wissen und zu können, die sie nicht wussten oder konnten.

Er blieb still sitzen, während seine Tante sich das ungekämmte Haar zurückband, den Gürtel ihres Kleides zuknotete und sich dann wieder ans Feuer hockte, um ein paar Handvoll Blätter hineinzuwerfen. Als diese einen Rauch erzeugten, der sich in der dunklen Hütte ausbreitete, fing sie an zu singen. Dabei wechselte ihre Stimme manchmal von Hoch zu Tief, als würde eine andere Stimme in ihr singen, und sie sang immer weiter, bis der Junge nicht mehr wusste, ob er wach war oder schlief. Neben ihm saß, die Augen rot vom Rauch, die ganze Zeit der alte schwarze Hund der Hexe, der niemals bellte. Dann redete die Hexe mit Duni in einer Sprache, die er nicht verstand, und ließ ihn einige Wörter und Wendungen nachsprechen, bis der Zauber wirkte und ihn mit Stummheit schlug.

»Sprich!«, sagte die Hexe, um den Bann zu prüfen.

Der Junge konnte nicht sprechen, aber er lachte.

Seine Tante bekam ein wenig Angst vor seiner Kraft, denn der eben gewirkte Zauber war der stärkste, den sie beherrschte: Sie hatte nicht nur versucht, sich zur Herrin über sein Reden und Schweigen zu machen, sondern auch, ihn zu zwingen, seine Zauberkraft in ihren Dienst zu stellen. Und er hatte, als er in den Bann geschlagen wurde, gelacht. Sie sagte darauf nichts, sondern spritzte Wasser auf die Flammen, damit sich der Rauch verzog, und gab dem Jungen Wasser zu trinken. Als die Luft klar war und Duni wieder sprechen konnte, verriet sie ihm den wahren Namen des Falken, dem der Falke gehorchen musste.

Es war Dunis erster Schritt auf dem Weg, dem er fortan sein Leben widmete, der erste auf dem Weg der Magie, der ihn eines Tages, während er einen Schatten verfolgte, über Land und Meer bis an die lichtlosen Ufer des Totenreichs führen sollte. Doch bei diesen ersten Schritten erschien er ihm als breite, helle Straße.

Als er merkte, dass die wilden Falken, wenn er sie mit Namen rief, aus dem Wind zu ihm niederstießen und mit lautem Flügelschlag auf seinem Handgelenk landeten wie die fürstlichen Jagdvögel, weckte das in ihm den Wunsch, weitere Namen zu lernen. Er lief zu seiner Tante und bat sie, ihn die Namen des Sperbers, des Fischadlers und des Steinadlers zu lehren. Für diese Worte der Macht tat er alles, was die Hexe verlangte, und lernte alles, was sie ihm beibrachte, auch wenn ihm das Aufgetragene längst nicht immer passte. Auf Gont gibt es eine Redewendung »schwach wie Frauenzauber« und eine andere »böse wie Frauenzauber«. Und die Hexe von Zehn Erlen hatte zwar weder etwas mit schwarzer Magie zu tun, noch hätte sie sich je an den hohen Künsten vergriffen oder mit den Alten Mächten herumgepfuscht, aber als Unwissende inmitten von Unwissenden nutzte sie ihr Können häufig zu törichten und zweifelhaften Zwecken. Sie hatte keinerlei Ahnung vom Gleichgewicht oder dem Gefüge des Ganzen, mit dem sich jeder wahre Magier auskennt und in dessen Dienst er sich stellt, so dass er nur zu seiner Kunst greift, wenn echte Not es gebietet. Die Tante hingegen hatte für jeden Umstand einen Zauber und murmelte ständig Formeln vor sich hin....

Erscheint lt. Verlag 27.5.2020
Reihe/Serie Erdsee-Trilogie
Übersetzer Karen Nölle
Zusatzinfo 1 s/w-Abbildung
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Charles Vess • Drachen • EPIC • Fantasy • Fantasy Bestseller • Fantasy Klassiker • Fantasy Serie • Harry Potter • Karen Nölle • Magie • Nebula Award • Neuübersetzung • Tolkien • World Fantasy Award • Zauberlehrling • Zauberschule
ISBN-10 3-10-491239-4 / 3104912394
ISBN-13 978-3-10-491239-4 / 9783104912394
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