Der Lehrmeister (eBook)

Die Geschichte des Johann Georg Faustus II
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
800 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1879-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Lehrmeister -  Oliver Pötzsch
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Der Weg zum Licht führt durch die Dunkelheit Der goldene Herbst 1518 neigt sich dem Ende. Sechs Jahre sind vergangen, seitdem der berühmte Magier Johann Georg Faustus aus Nürnberg geflohen ist. Sein Ruhm ist gewachsen, selbst an den Höfen von Herzögen, Grafen und Bischöfen sucht man seinen Rat. So als würde der Herrgott - oder sein böser Gegenspieler? - eine schützende Hand über ihn halten. Gemeinsam mit seinem neuen Gefährten Karl Wagner und der jungen Gauklerin Greta, seiner Ziehtochter, reist er als Quacksalber und Astrologe durch die Lande. Doch Johann spürt, dass dies nur die Ruhe vor dem Sturm ist. Sein Erzfeind Tonio ist noch nicht besiegt. Tief im Inneren weiß Johann, dass das Böse zurückkehren und erneut seine Hand nach ihm ausstrecken wird ...

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der Henkerstochter-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der "Henkerstochter"-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Prolog


15. September, Anno Domini 1518,
Rom, in den Kerkern der Engelsburg

Der Heilige Vater folgte den Schreien, die ihm den Weg durch die Katakomben wiesen. Sie waren schrill und hoch und zeigten Papst Leo X., dass die Zeit gekommen war.

Mit eingezogenem Kopf eilte er durch die niedrigen Gänge, wobei seine rote Samthaube gelegentlich die schmutzige Decke streifte. Leo keuchte, er zitterte vor Vorfreude, wie immer, wenn er hier unten war, um die letzte Vernehmung persönlich vorzunehmen. Die Engelsburg am Tiberufer war ein Labyrinth aus Kammern, Sälen und Gängen, vor über tausend Jahren erbaut als Mausoleum römischer Kaiser, mit Fluchttunneln, Geheimtüren und Grabkammern. Auch jetzt noch war sie das Grab vieler bekannter und unbekannter Gefangener. Doch mittlerweile diente der Palast den Päpsten als Festung und Fluchtburg, er galt als uneinnehmbar. In den oberen Stockwerken befanden sich die päpstlichen Gemächer, herrschaftliche Zimmer, bis zur Decke vollgehängt mit Ölgemälden der berühmtesten Maler, so als wären es Tapeten. Aus bronzenen Hähnen quoll kaltes oder warmes Wasser, Diener reichten kandiertes Obst sowie Eis, geschlagen in den fernen Bergen nördlich des Apennin und gesüßt mit dem sündhaft teuren Zucker, der aus den erst jüngst entdeckten Ländern jenseits des Meeres kam, jedes Gramm davon so wertvoll wie Gold. In den oberen Sälen roch es nach Veilchen und Parfum, um den Gestank der römischen Gassen zu vertreiben, und die Mauern atmeten den Geist Gottes.

Hier unten jedoch, tief in den Katakomben, herrschten Tod und Verderben.

Papst Leo X. lauschte, als ein erneuter Schrei ertönte, diesmal noch spitzer und höher, fast wie von einem Kind. Er war eindeutig auf dem richtigen Weg. Mit vor Aufregung klopfendem Herzen beschleunigte er seine Schritte und wandte sich nach rechts, wo eine Treppe noch tiefer hinabführte. Leo war fett, er wog weit über zweihundert Pfund, seit den Tagen seiner Thronbesteigung hatte er ständig zugenommen. Ihn plagten Kurzatmigkeit und ständig wiederkehrende schmerzhafte Fisteln am Hintern. Er mochte gar nicht daran denken, wie anstrengend es erst werden würde, all die Treppen wieder hinaufzugehen. Doch die wachsende Vorfreude trieb ihn voran.

Vielleicht würde er jetzt endlich die Wahrheit erfahren!

Blakende Fackeln beleuchteten einen engen, von Ruß verdreckten Gang, gelegentlich begegnete dem Papst ein Wachmann der Schweizer Garde, der sich tief vor ihm verneigte. Leo würdigte ihn keines Blickes. Es war ohnehin nicht von Vorteil, wenn man ihn hier unten sah. Doch manchmal ließ es sich eben nicht vermeiden.

Etwa dann, wenn ein Geheimnis nicht bis an die Oberfläche dringen durfte.

Eine weitere Treppe führte noch tiefer hinab in die Finsternis. An ihrem Ende tauchten im Zwielicht des Ganges zwei Wachsoldaten auf. Sie standen links und rechts von einer mit mehreren Eisenbändern verstärkten Tür, in die auf Kopfhöhe ein kleines Gitterfenster eingelassen war. Von dort kamen die Schreie, die nun wieder anschwollen, so als wollte derjenige, der sie ausstieß, den Heiligen Vater auf eine besonders intime Weise begrüßen.

Leo verzog das Gesicht, das Geheul war wirklich kaum auszuhalten. Glücklicherweise endete es ebenso abrupt, wie es begonnen hatte.

Der vor Anstrengung keuchende Papst gab den beiden Wachen ein Zeichen, woraufhin diese die schwere Tür öffneten. Dahinter war ein Raum zu erkennen, der nur mäßig von Fackellicht erhellt wurde, ein süßlicher, rauchiger Geruch ging davon aus, der sich nun auch im Gang davor ausbreitete. Brennende Glutpfannen standen in den Ecken der nahezu quadratischen, aus groben Steinen erbauten Kammer, daran lehnten Zangen und andere Utensilien, deren Zweck Leo nur erraten konnte, auch wenn er sie hier und dort bereits gesehen hatte, zum Beispiel in Florenz, wo er herstammte. Leo nickte anerkennend. Er hatte das feiste Gesicht und auch den Starrsinn eines Bauern, sein Verstand jedoch war der eines Gelehrten. Zugleich war er skrupellos und gerissen wie alle in seiner Familie.

Wir haben die Wahrheit gut versteckt, dachte er. Am tiefsten Punkt Roms.

Giovanni, so sein weltlicher Name, entstammte dem Geschlecht der Medici, jener reichen Dynastie, die seit über hundert Jahren die Geschicke von Florenz, ja, von ganz Norditalien bestimmte. Sein Vater war Lorenzo de Medici, genannt »Il Magnifico«, der Prächtige. Als zweitem Sohn der Familie war für Giovanni eine kirchliche Karriere vorgezeichnet, bereits mit sieben Jahren war er zum Domherrn von Florenz ernannt worden, mit vierzehn Jahren folgte der Posten eines Kardinals. Nach dem Tod seines älteren Bruders Piero stieg er zum Herrscher der Toskana auf. Im Grunde hatte es noch erstaunlich lange gedauert, bis Giovannis Ehrgeiz, seine Machtgier, vor allem aber der Einfluss seiner Familie ihn Papst werden ließen. Fünf Jahre war das nun her, seitdem hatte Giovanni endlich die Stellung inne, die sich seine Familie, die er selbst sich seit seiner Kindheit ersehnt hatte.

Er war der mächtigste und reichste Mann der christlichen Welt.

Giovanni hatte vor, jeden einzelnen Tag seiner hoffentlich noch langen Amtszeit zu genießen. Er wollte in die Geschichte eingehen als der Papst, der Rom zu neuer Blüte verholfen hatte, indem er den neuen gewaltigen Petersdom vollendete. Die ihn preisenden Denkmäler würden aus Gold und Silber geschmiedet werden.

Für all das hatte Leo einiges auf sich genommen, auch Dinge, die ihm nachts den Schweiß auf die Stirn trieben und ihn nicht schlafen ließen. Dinge, so grausam und unsäglich, dass er hoffte, Gott werde seinetwegen die Augen davor verschließen – und sie stillschweigend billigen.

Alles geschieht zum Wohle der Kirche! Zum Wohle der Kirche und natürlich auch zu meinem Wohl. Aber gibt es da überhaupt einen Unterschied?

Der Papst rümpfte die Nase, um sich auf den zu erwartenden Gestank vorzubereiten, dann betrat er den Kerker, wobei er sein rotes Gewand raffte, damit es so wenig wie möglich mit dem mit Asche und Blut verdreckten Steinboden in Berührung kam. Der Geruch in der Kammer warf ihn fast um. Es roch warm und süßlich nach Blut, Kot und Erbrochenem.

Der Gestank der Angst. Der Angst und der Wahrheit …

Leo blickte hinüber zu der Streckbank, die sich in der Mitte des Raums befand. Darauf lag ein dürrer, leblos wirkender Mann, einzig mit einem zerrissenen Lendenschurz bekleidet. Die Arme und Beine waren mit Brandmalen von den vorhergegangenen Befragungen übersät, sein von einem struppigen Bart bedecktes Antlitz war schmerzvoll verzogen. Leo kamen Leidensdarstellungen Christi in den Sinn, denen der Gemarterte glich, er schob den Gedanken aber schnell beiseite.

»Und?«, fragte er den bulligen, stiernackigen Mann, der mit blutbefleckter Schürze und einem Schürhaken in der Hand neben der Streckbank stand. »Hast du etwas aus ihm herausbekommen?« Leo unterdrückte seine Aufregung.

»Leider nein, Heiliger Vater.« Der Kerkermeister schüttelte den Kopf. Leo kannte ihn von früheren Torturen her, er stammte aus den Marken, wo er schon dem berüchtigten ­Cesare Borgia zu Diensten gewesen war. Der Mann galt als einer der Besten seines Fachs, noch dazu verschwiegen wie ein Grab, doch offensichtlich war auch er mit seinem Latein am Ende.

»Er brabbelt nur noch sinnloses Zeug«, erklärte der Kerkermeister schulterzuckend. »Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass er wirklich etwas gewusst hat. Er ist ein Betrüger, wie so viele vor ihm.«

»Ein Betrüger, hm? Nichts als ein verdammter, dreckiger Betrüger …«

Der Papst gab sich Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Er trat näher und musterte das von schwärenden Wunden und blauen Flecken entstellte Gesicht des Gefangenen. Sämtliche Zähne waren ihm gezogen worden, einer nach dem anderen, ebenso wie die Finger- und die Fußnägel. Er hatte nichts mehr gemein mit jenem hochfahrenden, lautsprecherischen Kerl, der noch vor Kurzem auf den römischen Plätzen sein Können angepriesen hatte. Zitternd öffnete er den Mund und lallte etwas, ein dünner Faden von Speichel und Blut rann aus seinem Mundwinkel.

»Ver … Vergebung, Herr …«, brachte er mühsam hervor. »Vergebung …«

Angeekelt wandte sich Leo ab. Am liebsten hätte er der jämmerlichen Kreatur einen Tritt verpasst, doch das gehörte sich nicht für den mächtigsten Mann der christlichen Welt. Dabei hätte er sich eigentlich denken können, dass sich auch dieser Versuch am Ende als Sackgasse herausstellen würde, so wie so viele zuvor! Aber die Quellen waren vielversprechend gewesen, und er hatte sichergehen wollen. Er musste jeder möglichen Spur folgen.

Leo atmete tief durch und versuchte dabei, den infernalischen Gestank zu ignorieren. Nun, glücklicherweise gab es immer noch Hoffnung. Erst vor ein paar Tagen hatte sich ein neuer Weg aufgetan, ein besonders verheißungsvoller. Trotz der eben erlittenen Niederlage spürte Leo tief im Herzen, dass er seinem Ziel ganz nahe war. Ihm war, als hätte Gott im Traum zu ihm gesprochen. Ja, schon bald würde er das Geheimnis erfahren, er hatte es sozusagen aus erster Hand. Und nun, nachdem dieser letzte Pfad...

Erscheint lt. Verlag 25.10.2019
Reihe/Serie Faustus-Serie
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • Abenteuerroman • Daniel Wolf • Das Salz der Erde • Der Medicus • Deutschland • Dr. Faustus • Faust • Faustus • Game of Thrones • Gaukler • Gelehrter • Georg • George R.R. Martin • Geschichte • Gilles de Rais • Henkerstochter • Historienroman • Historischer Roman • Historischer Roman Bestseller • Historischer Roman Deutschland • Johann • Ken Follett • Kraichgau • Legende • Lehrmeister • Mittelalter • Noah Gordon • Pakt mit dem Teufel • Rattenfänger von Hameln • Reformation • Ritter • R.R. Martin • Satan • Säulen der Erde • Teufel • Wolf Serno
ISBN-10 3-8437-1879-2 / 3843718792
ISBN-13 978-3-8437-1879-0 / 9783843718790
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