Mein Name ist Robicheaux (eBook)

Ein Dave-Robicheaux-Krimi, Band 21
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
600 Seiten
Pendragon Verlag
978-3-86532-669-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Name ist Robicheaux -  James Lee Burke
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Dave Robicheaux wacht mit zerschundenen Händen auf. Er kann sich nicht erinnern, was zuvor passiert ist. In der gleichen Nacht wurde der Mann, der Robicheauxs Frau überfahren hat, ermordet. Ihm ist sofort klar, dass man ihn verdächtigen wird. Um sich zu entlasten muss er unbedingt herausfinden, wo er war und was er getan hat. Aber ist Robicheaux wirklich unschuldig? Enthält als Bonus die Short Story »The Wild Side of Life«, die ebenfalls erstmals auf Deutsch erscheint.

James Lee Burke wurde 1936 in Houston?/?Texas geboren und wuchs in Louisiana auf. In der Küstenregion des »Bayou State« spielen auch die Krimis um Dave Robicheaux. Burke wurde für sein Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mehrfach mit dem Edgar Alan Poe Award, dem Hammett Prize und dem Deutschen Krimi Preis. Burke lebt mit seiner Frau auf einer Ranch in Montana und in New Iberia?/?Louisiana.

James Lee Burke wurde 1936 in Houston / Texas geboren und wuchs in Louisiana auf. In der Küstenregion des »Bayou State« spielen auch die Krimis um Dave Robicheaux. Burke wurde für sein Werk mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mehrfach mit dem Edgar Alan Poe Award, dem Hammett Prize und dem Deutschen Krimi Preis. Burke lebt mit seiner Frau auf einer Ranch in Montana und in New Iberia / Louisiana.

1

In melancholischen Momenten, wenn ich das Gefühl habe, dass das Leben auf dieser Erde zu viel für uns ist und wir schon bald von unserer Macht, alles zu bekommen und zu verschwenden, ausgelöscht werden, fühle ich mich wie ein Dichter des frühen 19. Jahrhunderts dazu genötigt, eine Pause einzulegen und meine Erfahrungen mit den Toten zu reflektieren und wie sie unser Leben beeinflussen.

Dies mag wie eine makabre Sichtweise auf das eigene Leben erscheinen, doch ab einem bestimmten Punkt scheint es die einzige zu sein, die wir haben. Sterblichkeit ist nichts Nettes, und lasst euch von keinem etwas anderes einreden. Falls es so etwas wie Weisheit gibt, und soweit es mein eigenes Leben betrifft, hege ich diesbezüglich ernsthafte Zweifel, liegt sie in der Akzeptanz des menschlichen Daseins und vielleicht noch in dem Wissen, dass jene, die von uns gegangen sind, immer noch bei uns sind, irgendwo dort draußen im Nebel, dass sie uns den Weg weisen und manchmal aus den Schatten heraus auch leise zur Vorsicht mahnen, uns manchmal in unseren Träumen besuchen, so hell wie eine Kerze, die in einem fensterlosen Keller brennt.

An einem Wintermorgen, zwischen weißen Nebelwolken draußen auf dem Spanish Lake, sah ich die Jungs der Konföderierten in ihren nussbraunen Uniformen, wie sie durch die überfluteten Zypressen platschen, die Musketen hoch über den Kopf erhoben, die Ausrüstung mit Lumpen umwickelt, damit nichts klappert. Ich stand keine drei Meter von ihnen entfernt und doch nahmen sie keine Notiz von mir, als ob sie wüssten, dass ich noch nicht geboren war und ihre Mühen und Opfer nicht von mir geschultert werden mussten.

Ihre Gesichter waren ausgezehrt von den Entbehrungen, wachsbleich, das Haar nicht geschnitten und die Risse in ihren Uniformen nur unbeholfen mit Schnur geflickt. Ihre Münder waren zusammengekniffen, in den Augen leuchtete die Vorsicht. Der jüngste Soldat, ein Trommler, konnte nicht älter als zwölf gewesen sein. Einmal ging ich ins Wasser, um mich zu ihnen zu gesellen. Selbst da nahm niemand meine Anwesenheit wahr. Der Trommler-Junge stolperte und konnte sich nicht mehr aufrichten, kämpfte mit dem Lederriemen um seinen Nacken und dem Gewicht der Trommel. Ich streckte die Hand aus, um ihm zu helfen, und spürte, wie sie durch seine Schulter glitt. Ein Sonnenstrahl stach durch die Baumkronen und verwandelte den Nebel in weiße Seide; in weniger als einer Sekunde war die Kolonne verschwunden.

Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört, mir oder anderen solche Ereignisse zu erklären. Wie viele meines Alters glaube ich, dass man Menschen in Gruppen aus dem Weg gehen sollte, dass es töricht ist, sich mit anderen zu streiten, und dass das Wissen einer Generation nicht an die nächste weitergegeben werden kann. Das mögen zynische Ansichten sein, doch es gibt gewisse Wahrheiten, die man für sich behält und nicht verteidigt, aus Furcht, sie sonst herabzuwürdigen und dann ganz zu verlieren. Solche Wahrheiten haben weniger mit den Toten zu tun, als eher mit der Erkenntnis, dass wir nicht anders sind als sie, dass sie immer noch bei uns sind und wir immer noch bei ihnen, und dass es kein Leben nach dem Tod gibt, sondern nur ein einziges Leben, ein Kontinuum, in dem alle Zeit zugleich ist, wie ein Traum im Kopf Gottes.

Warum sollte ein alter, dreimal verwitweter Mann sich mit Dingen aufhalten, die nicht beweisbar sind und nichts mit einer vernünftigen Weltvorstellung zu tun haben? Denn erst gestern, auf einem kaputten Bürgersteig in einer heruntergekommenen Gegend am unteren Ende der St. Claude Avenue im Lower Ninth Ward des St. Bernard Parish, unter einer Kolonnade, die nach Katrina immer noch völlig verbogen war, gegenüber eines Spirituosenladens mit verrammelten Fenstern, der unter einer Virginia-Eiche stand, die mindestens 200 Jahre alt war, sah ich zur Melodie von Darling Nelly Gray einen Zug der Konföderierten-Infanterie aus einem Feld marschieren und durch die Wand eines ausgebrannten Hauses verschwinden, ohne auf der anderen Seite wieder herauszukommen.

* * *

Der Mann, wegen dem ich hergekommen war, hieß Fat Tony Nemo, auch bekannt als Tony the Nose, Tony Squid oder Tony Nine Ball … Letzteres allerdings nicht etwa, weil er ein so ausgebuffter Billardspieler wäre, sondern weil er mal einem Barkeeper mit dem Endstück eines Poolqueues eine Neuner-Kugel in den Mund gestopft hatte. Das war natürlich in einem früheren Leben passiert, als er noch als Geldeintreiber für Didoni Giacano gearbeitet hatte und die zwei immer in Didis Cabrio mit einem blutverschmierten Baseballschläger auf dem Rücksitz durch New Orleans kutschiert waren und jedem eine Scheißangst eingejagt hatten, der die wöchentliche Buchmachergebühr nicht zahlen konnte. Zurzeit war Fat Tony in der Politik unterwegs, im Drogenhandel, Prostitution, Casinos, Hollywoodfilmen und in der Betonbranche. Außerdem hatte er in Hongkong für die Triaden Geld gewaschen und Somozas Schmalzlocken geholfen, Crack und Kokain in Amerikas Innenstädten zu etablieren. Was sein Revier betrifft, so hatte er überall in Louisiana, Mississippi und Florida seine Finger im Spiel. Falls er auch nur einen Hauch von Anstand oder Angst vor dem Gesetz hatte, so hatte ich davon bisher nichts mitbekommen.

Warum sollte also nun ein halbpensionierter Sheriff Detective aus dem Iberia Parish bei einem Psychopathen wie Tony Squid vorbeischauen? Ganz einfach. Die meisten Polizeiermittler orientieren sich an Niccolò Machiavellis mahnenden Worten, meist ohne zu wissen, wer er war, dass man seine Freunde nahe bei sich halten solle, seine Feinde jedoch noch näher. Weniger unkompliziert ist die Tatsache, dass wir mit dem Bodensatz der Gesellschaft viel derselben Kultur teilen und es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen uns gibt, und die Informationen, die wir von ihnen erhalten, sind unentbehrlich.

Als ich sein Büro betrat, saß Fat Tony auf einem Drehstuhl hinter seinem Schreibtisch. Nein, das stimmt so nicht. Tony saß nicht; er war auf einen Stuhl oder ein Sofa gehäuft, wie ein gallertartiger Berg Walsperma, der an einen Strand angeschwemmt worden war, nur dass er einen blauen Anzug trug mit einer roten Blume am Revers. Quer über seinem Stempelkissen lag ein Schwert in einer schlichten Metallscheide mit einer verschnörkelten Parierstange aus Messing. „Schön, dass du kommen konntest, Dave. Du enttäuschst einen nie. Deswegen mag ich dich“, keuchte er.

„Wie geht’s?“

„Ich hänge an einer Sauerstofflasche. Bei mir steht eine Kolostomie an. Ich kann in keinem Puff gevögelt werden, in dem man mit Kreditkarte bezahlt. Meine Frau sagt mir, ich würde unter einem schweren Fall von GASCH leiden. Ansonsten geht’s mir blendend. Was soll die Frage?“ Er musste erst einmal verschnaufen, bevor er fortfahren konnte. „Was zu trinken?“

„Nein, danke. Was ist GASCH?“

„Gorilla-Achsel-Schweiß. Bist du immer noch trocken?“ „Ich gehe immer noch zu den Meetings der AA, falls du das meinst.“

„Ist doch dasselbe, oder?“

„Nein.“

„Egal. Nimm Clete Purcel mal zu einem Treffen mit.“

„Was hat Clete getan?“

„Was hat er noch nicht getan? Er ist das verfickte Krebsgeschwür der ganzen Stadt. Er sollte einen stählernen Keuschheitsgürtel tragen, damit er seine Gene nicht weitergeben kann.“

„Womit kann ich dir helfen, Tony?“

„Vielleicht kann ich dir ja helfen. Ich hab das von deiner Frau gehört.“

„Ich weiß deine Anteilnahme zu schätzen, aber ich muss jetzt zurück nach New Iberia.“

„Sie ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, oder?“

Ich nickte.

„Wann, so ungefähr vor drei Monaten?“

„Vor zwei Jahren. Ein Typ in einem Pick-up hat sie von der Seite gerammt. Ich würde jetzt lieber das Thema wechseln.“

Er reichte mir das Schwert. „Das hab ich von einem Flohmarkt in Memphis. Ich habe einen Experten gefragt, wie viel so was wert ist. Er hat gesagt, er würd’s mir für 3 000 abnehmen. Aber wie hoch ist der tatsächliche Wert?

„Keine Ahnung.“

„Du kennst dich mit Geschichte aus, du weißt, was die Namen dieser Orte auf dem Heft bedeuten, ob das Schwert dadurch wertvoller wird. Was soll dieses Cemetery Hill Zeugs? Wer kämpft im Krieg schon auf einem verfickten Friedhof?“

Auf dem Messinggriff war der Name von Lieutenant Robert S. Broussard, Achte Louisiana Infanterie, eingraviert. Am Ansatz der Klinge befand sich ein Stempel mit den Initialen CSA und dem Namen des Schmiedes, James Conning, aus Mobile, Alabama, dazu die Jahreszahl 1861.

„Ich hab mal gegoogelt“, sagte Tony. „Der Typ, dem das gehört hat, stammte aus New Iberia. Es ist viel mehr wert, als 3 000 Dollar, oder? Vielleicht war der Kerl wegen irgendwas berühmt.“

„Bei dem ganzen Bürgerkriegskrempel, der im Internet verhökert wird, konntest du nicht mehr darüber finden?“

„Dem Internet kann man nicht trauen. Da wimmelt’s doch nur so von Irren.“

Selbst, wenn ich gewollt hätte, könnte ich die Widersprüche in dem eben Gesagten nicht alle entwirren. Es war eine typische Fat-Tony-Unterhaltung. Zu versuchen, sich in seine Gedankenwelt zu versetzen, war ungefähr das Gleiche, als würde man seine Hand in eine Toilette stecken, bei der noch nicht abgezogen worden war. Draußen zertrümmerten schwarze Kids auf einer unbebauten Parzelle mit einem Luftgewehr Flaschen. Auf dem Grundstück gab es zwar Betonfundamente, doch es fehlten die Aufbauten. Ein Müllwagen fuhr eine Straße hinunter, Möwen pickten am herausquellenden Müll.

„Geht’s um Clete?“, fragte ich.

„Ich hab kein Problem mit Purcel. Andere Leute schon. Stimmt es, dass er im Southern Yacht Club seinen dicken Schwanz...

Erscheint lt. Verlag 9.10.2019
Reihe/Serie Ein Dave Robicheaux-Krimi
Übersetzer Jürgen Bürger
Verlagsort Bielefeld
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agent • Autounfall • Broward County • Dave Robicheaux • Detektiv • Ermittler • Ermittlung • FBI • Hauptverdächtiger • Hollywood • Iberia • Informant • James Lee Burke • Kommissar • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimipreis • Krimis • Krimiserie • lafayette • Louisiana • Madre de Dios • Miami • Mord • Mörder • New Iberia • New Orleans • Nordamerika • Polizei • Polizist • Privatdetektiv • Psychothriller • Salt Lake County • Schnüffler • Serienkiller • Serienmord • Serienmörder • Spannungsroman • Thriller • USA • Utah • Verbrechen • Verbrecher • Verschwörung
ISBN-10 3-86532-669-2 / 3865326692
ISBN-13 978-3-86532-669-0 / 9783865326690
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