Armageddon (eBook)

Die Nephilim
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2019 | 1. Auflage
656 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99229-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Armageddon -  Wolfgang Hohlbein
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Jericho ist gefallen, und Beka hat alle Freunde verloren, die mit ihr in den zerstörten Städten des gelobten Landes gegen die Engel gekämpft haben. Als Beka auf die exzentrische Nonne Uriella trifft, schöpft sie neue Hoffnung. Doch in einem Weltuntergangs-Tornado gerät Beka zwischen die Fronten entfesselter Engelsgewalt und verzweifelt kämpfender Elitesoldaten. Schwer verletzt erwacht sie im atomar verwüsteten Rom - und sieht sich der Inquisitorin Alexa gegenüber, die sie kreuzigen will.

Wolfgang Hohlbein, Jahrgang 1953, war Industriekaufmann, bevor er 1982 mit seinem Debüt »Märchenmond« einen Autorenwettbewerb gewann. Seitdem schreibt er einen Erfolgsroman nach dem anderen und gilt als der Großmeister der deutschen Phantastik. Titel wie »Die Tochter der Himmelsscheibe«, »Das Avalon-Projekt« sowie der »Enwor«-Zyklus wurden bei Piper zu Bestsellern. Wolfgang Hohlbein lebt mit seiner Familie und vielen Haustieren in der Nähe von Düsseldorf.

1


Der Wind war eisig, aber er fühlte sich trotzdem wie Säure auf ihrem Gesicht an, denn er brachte die Asche einer verbrannten Welt mit sich. Alles unter ihr war schwarz, braun oder grau oder kaminaschefarben in allen nur vorstellbaren Schattierungen von Schmutz. Der Himmel hatte die Konsistenz und Farbe von klumpig geronnenem Blei und hing so tief, dass sie sich schon ein paarmal dabei ertappt hatte, den Arm heben und ihn berühren zu wollen. Es roch scharf und brandig, nach ausgeglühtem Stein und Stahl und geschmolzenem Fleisch und zu Glas gesintertem Sand, und es war ihr unmöglich zu sagen, ob mit dem Wind nun das Wehklagen einhundert Milliarden gepeinigter Seelen oder das Schmirgelpapier-Geräusch ebenso vieler Sandkörner heranwehte, die sich längst mit der stoischen Geduld einer Naturgewalt darangemacht hatten, jegliche Spur des Menschen vom Antlitz der Erde zu tilgen.

Beka fror. Ihr war schon kalt gewesen, als sie hierhergekommen war, und in der Zeit, in der sie jetzt hier stand und auf die verheerte Ebene hinabsah, war die Kälte zuerst unangenehm geworden, dann quälend und schließlich schier unerträglich. Sie zitterte am ganzen Leib, und ihre Finger und Zehen schmerzten, als würden ihr Nadeln unter die Nägel getrieben. Trotzdem war es ihr nicht möglich, den Blick von der geschändeten Stadt unter sich loszureißen, aus deren Ruinen immer noch Rauch aufstieg und zwischen deren Trümmern winzige rote und gelbe und orangefarbene Glutnester und Funken blitzten, unentwegt erlöschend und an anderer Stelle wieder aufflammend, wie dem Taktstock eines unsichtbaren Dirigenten gehorchend, der eine Melodie direkt aus der Hölle intonierte.

Ein greller Blitz zerriss das braunrote Flickenteppich-Muster aus Rauch und tanzenden Aschefunken weit unter ihr, gleich darauf ein zweites, noch intensiveres Gleißen. Erst danach wehte der doppelte Knall der Explosionen zu ihr herauf, seltsamerweise in einem Abstand, der nicht zu dem der beiden Lichtblitze zuvor passte. Etwas Dunkles flog davon und löste sich in einem Funkenschauer auf. Beka zog ganz instinktiv den Kopf zwischen die Schultern, als eine dritte und noch einmal ungleich stärkere Explosion das Stadtzentrum unter ihr zusätzlich verheerte. Ganz kurz ergriff Zorn von ihr Besitz, als sie begriff, dass es pure Zerstörungswut war, deren Zeugin sie wurde, denn dort unten hatte es schon nichts mehr zu erobern gegeben, als Yoram und sie aus der Stadt geflohen waren. Trotzdem wurde immer noch gekämpft und getötet. Manchmal meinte sie, verzweifelt rennende Bewegungen wahrzunehmen und Schreie zu hören. Dass ihr Verstand darauf beharrte, dass die Entfernung viel zu groß und Flammen und Rauch viel zu dicht waren, um irgendetwas davon wirklich erkennen zu können, nahm dem Anblick rein gar nichts von seinem Schrecken.

Etwas raschelte hinter ihr. Beka spürte die Nähe eines anderen schlagenden Herzens, noch bevor sie sich halb umdrehte und Lukas als schwarzen Scherenschnitt über sich aufragen sah. Sein Gesicht war konturlose Dunkelheit, wie alles an ihm. Trotzdem spürte sie seinen Blick; wie die Berührung einer unsichtbaren Hand.

Ihr eigener Blick löste sich von der Finsternis, die von dort auf sie herabsah, wo sein Gesicht sein sollte, und suchte den geschmolzenen Himmel über und hinter seinen Schultern ab, doch da war nichts. Zumindest keine Flügel. Hatte sie überhaupt jemals Flügel an ihm gesehen? Ganz gewiss nicht im Flugzeug und auch nicht später, während ihrer Odyssee durch das unterirdische Tempellabyrinth, und da hatte sie alles an ihm gesehen.

Und danach, während der Schlacht gegen Zadkiel und seine Tefillin-gebrandmarkten Ephraimiten? Sie wusste es nicht. Sie wusste auch nicht, warum sie ihn nicht einfach gefragt hatte. Eigentlich spielte es gar keine Rolle, weil …

Erneut regte sich Unmut in ihr, als ihr aufging, dass er sie nicht nur schon wieder manipulierte, sondern sich noch nicht einmal mehr die Mühe machte, diesen Umstand zu verhehlen. Doch selbst dieses vage Gefühl von Empörung verschwand, als sich Lukas’ Aufmerksamkeit darauf richtete; eine weitere Erkenntnis, die sie umso mehr ärgern sollte, es aber nicht tat, weil er auch sie …

Beka begriff gerade noch rechtzeitig, dass sich ihre Gedanken auf direktem Weg in eine Endlosschleife befanden, brach sie mit einer bewussten Anstrengung ab und führte die angefangene Bewegung zu Ende, indem sie sich endgültig zu ihm umdrehte. Etwas Dunkles und Gepfeiltes jagte über den Himmel und war verschwunden, bevor ihr Blick es wirklich erfassen konnte. Hinter Lukas bewegte sich nun doch etwas, ein Flimmern wie von heißer Luft, in dem etwas Gestalt annehmen wollte. Aber es verschwand ebenfalls, gerade als sie es zu erkennen glaubte, und Lukas tat noch ein Übriges, indem er an ihr vorbeiwies und sagte: »Also sind Jerichos Mauern zum zweiten Mal gefallen.«

Der Choreograf dieser morbiden Szene war wohl der Meinung, ein akustisches Ausrufezeichen in Form einer weiteren und sogar noch einmal heftigeren Explosion hinzufügen zu müssen. Beka wartete, bis sich das mehrfach gebrochene Echo in den geschwärzten Ruinen unter ihr verlaufen und Lukas’ Gesicht aufgehört hatte, blau und rot im flackernden Widerschein der Flammen zu leuchten. Diesmal war sie sich sicher, den gellenden Schrei einer Frau zu hören, der schreckliche Höhen erreichte und dann mit noch schrecklicherer Plötzlichkeit abbrach.

»Und?«, fragte sie spitz. »Warst du damals auch dabei?«

»Und wenn es so wäre?«

»Würde ich dich fragen, auf welcher Seite.«

»Natürlich auf der richtigen«, antwortete er mit großem Ernst, hob aber auch sofort die Hand, als sie etwas sagen wollte. Zugleich streckte er die andere aus, um ihr über den Abgrund hinwegzuhelfen, der sie voneinander trennte, zwar kaum einen Meter breit, aber tief genug, um sie einen Sturz in aller Ausführlichkeit genießen zu lassen, sollte sie einen Fehltritt tun.

Beka bedachte ihn nur mit einem verächtlichen Blick, ignorierte seine ausgestreckte Hand und trat mit einem großen Schritt über den Riss hinweg, der den Berg nahezu komplett spaltete. Ihr Herz zog es vor, den halben Schlag zu überspringen, den diese Bewegung dauerte.

Lukas schob anerkennend die Unterlippe vor. »Glückwunsch! Deine Höhenangst hast du anscheinend überwunden. So ein kleiner Weltuntergang dann und wann wirkt doch manchmal Wunder.«

Beka sagte auch dazu nichts, sondern schluckte lieber die nach Galle schmeckende Spucke herunter, die sich plötzlich unter ihrer Zunge sammelte. So schmeckte also Angst? Aber das war lächerlich. Gerade noch hatte sie sich im Zentrum einer nicht nur im übertragenen Sinne apokalyptischen Schlacht befunden, bei der es um nichts Geringeres als die Zukunft der gesamten Menschheit gegangen war, und jetzt geriet ein Teil von ihr fast schon in Panik, nur weil sie einen etwas größeren Schritt tun musste?

Aber dieser Teil bestand auch darauf, dass ihm der feste Boden unter ihren Füßen herzlich egal und sie in Wahrheit längst abgestürzt und im freien Fall nach unten war, um nach einem Fünfundzwanzig-Kilometer-Sturz auf glühendem Stein und scharfkantig zerbrochenem Eisen zu zerschellen.

Diese Vorstellung war beinahe noch größerer Unsinn, aber was scherte sich ihre durchgeknallte Fantasie um Logik, wenn es darum ging, sie ein bisschen zu quälen?

Lukas sah sie mit schräg gehaltenem Kopf an. Für einen Moment las sie nichts als ehrliche Sorge in seinem Blick – war da etwas, das er ihr sagen wollte, etwas Schlimmes? –, doch dann deutete er nur mit einer unbestimmten Geste hinter sich. »Du solltest nicht hier sein. Es sei denn, du legst es darauf an, dass sie dich doch noch erwischen.«

Beka setzte zwar zu einer spöttischen Entgegnung an, duckte sich dann jedoch nur noch tiefer, als eine weitere krachende Explosion aus dem Tal heraufwehte. Aus dem Augenwinkel meinte sie etwas Dunkles und Gigantisches zu sehen, das sich dort aufbäumte, wo einmal die Festung im Herzen Jerichos gewesen war, und sich in Flammen auflöste; als hätte es ihr bloßer Blick in Brand gesetzt.

»Aber du würdest mich doch beschützen, oder?«, stichelte sie.

Lukas’ Blick suchte das Tal und die brennende Stadt ab, bevor er antwortete. Er klang allerdings nicht wirklich überzeugt, als er es tat. »Selbstverständlich – obwohl es nicht nötig sein wird, es sei denn, wir trödeln noch lange hier herum.« Er schickte noch ein aufmunterndes Lächeln hinterher, das verunglückt genug war, um seiner Behauptung auch noch den allerletzten Rest von Glaubwürdigkeit zu nehmen, und fuhr fort: »Wir sollten trotzdem verschwinden. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«

Hätte sie es nicht besser gewusst, sie hätte sich spätestens jetzt gefragt, ob Lukas …

Der Gedanke entglitt ihr – nein, sie konnte fühlen, wie er ihr entzogen wurde –, und sie fragte stattdessen: »Wohin?«

»In Sicherheit«, antwortete er, während er bereits losging. Beka folgte ihm, wobei sie bewusst die Hand ignorierte, die er ihr hilfreich entgegenstreckte. »Außerdem möchte dein Vater mit dir reden. Und ich kann mir vorstellen, dass du ebenfalls eine Million Fragen an ihn hast.«

»Nein«, widersprach Beka. »Zwei.« Mindestens.

Lukas lächelte knapp, aber seine Augen blieben ernst. »Und er wird sie dir alle beantworten. Sogar die, die dir bisher noch gar nicht eingefallen sind. Doch dafür gibt es bessere Orte als den Rand eines Schlachtfelds.«

Wenn auch nur zu einem Bruchteil wahr war, was sie befürchtete, dann traf diese Beschreibung so ziemlich auf den ganzen Rest der Welt zu. Und was ihren Vater anging, so war sie hier herunter geflohen, weil der mit seinem Auftauchen verbundene Schock einfach zu groß gewesen war. Wäre sie geblieben, hätte sie vielleicht etwas gesagt...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2019
Reihe/Serie Der Armageddon-Zyklus
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Apokalypse • Bibel • Chronik der Unsterblichen • Endzeit • Engel • Fantasy Bestseller • Seraphim
ISBN-10 3-492-99229-3 / 3492992293
ISBN-13 978-3-492-99229-9 / 9783492992299
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