Heimat ist ein Sehnsuchtsort (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
576 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-99455-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Heimat ist ein Sehnsuchtsort -  Hanni Münzer
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»Heimat ist ein Sehnsuchtsort« - der Auftaktband zur bewegenden Heimatsaga von SPIEGEL-Bestsellerautorin Hanni Münzer (u.a. »Honigtot« und »Marlene«) Vor dem heraufziehenden Sturm des Zweiten Weltkriegs entfaltet sich das dramatische Schicksal der schlesischen Familie Sadler von 1928 bis heute - eine Geschichte von Liebe und Leid, von Glück und Hoffnung.   Breslau, 1928: Als der junge Komponist Laurenz Annemarie begegnet, ist es vom ersten Augenblick an Liebe. Für sie will er ein Land aus Licht und Blumen schaffen. Von Annemaries bewegter Vergangenheit und ihrem gefährlichen Geheimnis ahnt er nichts. Eine familiäre Katastrophe zwingt Laurenz, den elterlichen Hof zu übernehmen. Er, der nie Bauer sein wollte, findet sein Glück mit Annemarie an seiner Seite und zwei außergewöhnlichen Töchtern: der hochbegabten Kathi und der an einer seltenen Krankheit leidenden Franzi. Zwar stehen die Zeichen der Politik bereits auf Sturm, doch noch ist in der deutsch-polnischen Grenzregion alles friedlich. Als die fünfzehnjährige Kathi einen landesweiten Mathematikwettbewerb gewinnt, zieht sie ungewollt die Aufmerksamkeit Berlins auf die Familie. Ihre Mutter handelt, um ihre Kinder zu schützen - und tritt damit eine Lawine tödlicher Ereignisse los, die Kathis und Franzis Schicksal über Jahrzehnte bestimmen wird.   »Münzers Bücher haben eine Botschaft.« Welt am Sonntag

Hanni Münzer ist eine der erfolgreichsten Autorinnen Deutschlands. Mit den Romanen ihrer »Honigtot-Saga«, der »Seelenfischer«- und »Schmetterlinge«- Reihe sowie der »Heimat-Saga« erreichte sie ein Millionenpublikum und eroberte die Bestsellerlisten. Mit den Romanen »Honigland« und »Honigstaat« (Am Ende der Nacht 1 und 2), setzt sie ihre erfolgreiche »Honigtot-Saga« ebenso spannend wie bewegend fort. Nach Stationen in Seattle, Stuttgart und Rom lebt Hanni Münzer heute mit ihrem Mann in Oberbayern. 

Hanni Münzer ist eine der erfolgreichsten Autorinnen Deutschlands. Mit den Romanen ihrer "Honigtot"-, "Seelenfischer"- und "Schmetterlinge"-Reihe erreichte sie ein Millionenpublikum und eroberte die Bestsellerlisten. Nach Stationen in Seattle, Stuttgart und Rom lebt Hanni Münzer heute mit ihrem Mann in Oberbayern. Ihr aktueller Roman "Heimat ist ein Sehnsuchtsort" ist der Auftaktband einer zweibändigen Saga, die von ihrer eigenen Familiengeschichte inspiriert ist.

2


»Kein schöner Land in dieser Zeit …«
Altes Volkslied

Anton von Zuccalmaglio

 

Auf den ersten Blick war an Petersdorf nichts Besonderes und auch nicht auf den zweiten. Doch für seine Bewohner bedeutete Petersdorf ihre ganze Welt. Dort waren sie geboren, dort würden sie sterben. Jede Familie besaß einen Grabstein auf dem örtlichen Friedhof, einige verwitterte Inschriften darauf reichten gar zurück bis ins vierzehnte Jahrhundert.

Petersdorf war ein typisches Reihendorf im Grenzgebiet zu Polen. Die Mehrzahl seiner knapp dreihundert Seelen verdingte sich in der Landwirtschaft. Es gab eine Kirche, ein Gemeindehaus, den Gasthof Klose, eine Brauerei (Petersdorfer Märzen), ebenfalls im Besitz von Klose, dazu einen kleinen Kaufmannsladen für den täglichen Bedarf und eine Schmiede für die zahlreichen Pferde, die, neben den Ochsen, für die Feldarbeit und als Fortbewegungsmittel eingesetzt wurden. Außer dem Bürgermeister besaß 1928 in Petersdorf noch niemand ein Automobil. Allein der alte Pfarrer, der seit einem Sturz vom Pferd am Stock ging, knatterte inzwischen auf einem Zündapp-Zweirad zu seinen Schäfchen.

Der Ort erwachte früh. Auch auf dem Hof der Sadlers brannte schon Licht. Kurt Sadler betrat wie an jedem Morgen gegen fünf Uhr die Küche. Die Dämmerung war noch fern, und außer ihm waren um diese Zeit nur Dorota, die polnische Wirtschafterin, und Oleg, der Knecht, auf den Beinen. Dorota hatte bereits den Holzherd angefacht, der Raum war warm und gemütlich, und das Aroma frisch gebrühten Kaffees kitzelte angenehm in Kurts Nase. Wie stets würde er sich nur eine schnelle Tasse gönnen und erst gegen sieben gemeinsam mit seiner schwangeren Frau Paulina und seiner Mutter Charlotte frühstücken.

Kurt schätzte die stille Zeit bis zum Sonnenaufgang – diese Niemandszeit zwischen Nacht und Tag, zwischen Dunkelheit und Licht, wenn er seinen morgendlichen Rundgang machte, in den Ställen nach den Tieren sah und das erste Heu gabelte. Bereits mit sechs hatte er seinen Vater frühmorgens begleitet, so wie sein Vater dessen Vater. Seit jeher waren die Sadlers Bauern gewesen. Mit Fleiß und durch umsichtiges Wirtschaften hatten sie ihren Besitz im Laufe der Zeit vermehren können und bescheidenen Wohlstand erreicht: fünfundzwanzig Hektar fruchtbares Ackerland, Hänge voller Obstbäume, ein paar Schweine, etwas Kleinvieh und eine überschaubare Anzahl von Kühen, die noch auf Namen wie Lotti, Erna und Liesel hörten.

Es war ein einfaches, aber auch ein erfülltes Leben. Im Winter im Stall, im Sommer auf dem Feld. Die Familie hielt zusammen, bis zu vier Generationen lebten zeitweilig unter einem Dach. Der Hof ging vom Vater auf den ältesten Sohn über, man verheiratete die Söhne und Töchter aus der Gegend miteinander, vermischte sich mit böhmischen, deutschen und polnischen Familien, und bis auf ein paar Unverbesserliche, die es bekanntlich überall gibt, störte sich niemand daran. Das Leben im polnischen Grenzgebiet war nicht immer einfach, aber im Großen und Ganzen war es ein friedliches Miteinander.

Der Große Krieg, der von 1914 bis 1918 in Europa wütete, änderte vieles. Die deutsche Niederlage wurde in Versailles besiegelt, danach Grenzen wie Bausteine verschoben. Dem Frieden folgte Unfrieden. Man stritt um Schuldzuweisungen, um Entschädigungen, um Land. Kurt für seinen Teil interessierte sich nicht für das politische Geschacher. Das Land war das Land, so wie Gott es geschaffen hatte; selbst kannte es keine Grenzen. Allein die Menschen zerrten daran herum. Auch fehlte ihm die Zeit, sich mit dem Versailler Vertrag zu beschäftigen – im Gegensatz zu seinem Freund Franz Honiok. Der behauptete, der Vertrag verschärfe die Situation für die Überlebenden und lege den Grundstein für weitere Konflikte und Kriege. Kurt wusste nur eines: Die Versehrten blieben versehrt und die Toten tot. Es war stets die Bevölkerung, die den Preis für den Krieg zahlte. Denn mochten auch neue Grenzen gezogen und neue Länder geschaffen worden sein, der Mensch war derselbe geblieben.

Für Kurt hatte der Krieg einiges an Veränderungen gebracht. Er war gemeinsam mit seinem älteren Bruder Alfred losgezogen und allein zurückgekehrt.

In jenen fiebrig-heißen Augusttagen des Jahres 1914 marschierten sie begeistert an der Seite ihrer Kameraden und landeten im Vorhof zur Hölle. Während Alfred in Bialystok sein Leben ließ, hatte Kurt die Schlachtfelder an der Somme und die fauligen Schützengräben von Verdun überlebt, sprang dem Tod zigfach von der Schippe, während seine Kameraden um ihn herum starben wie die Fliegen. An Kugeln und Schrapnellen, an Giftgas, Typhus, Ruhr und Wechselfieber und nicht zuletzt an Hunger und Kälte. Weit entfernt vom wilhelminisch glorifizierten Heldentod. Er selbst war mit einer leichten Taubheit und dem Verlust mehrerer Zähne davongekommen, Letzteres der Mangelernährung geschuldet. Er hatte auch die folgenden, entbehrungsreichen Jahre als Kriegsgefangener überstanden. Auch wenn ihm das erlittene Grauen bis heute so manche Nacht den Schlaf raubte, war er seinem Schicksal nicht undankbar. Vielen seiner Kameraden erging es schlechter. Überleben war nicht alles, so mancher verzweifelte am Krieg und nahm ihn für immer mit nach Hause. Wie sein eigener Vater August.

Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft hatte Kurt die Verlobte seines gefallenen Bruders Alfred, die Köhler Paulina, geehelicht und den Sadler-Hof als Bauer übernommen. Der Hof lag etwas außerhalb von Petersdorf, eingebettet zwischen grünen Hügeln und saftigen Wiesen, umgeben von Wald und gut bestellten Feldern, die sich wie exakt gezeichnete Mosaike in die Landschaft fügten. Hinter dem Haus zog sich eine Obstwiese in sanften Wellen den Hügel hinauf, die den Sadlers vom Frühsommer bis in den Herbst eine vielfältige Ernte bescherte. Sein jüngerer Bruder Laurenz, nicht nur Musiker, sondern auch Poet, hatte den Hügel Himmelsleiter getauft. Selbst Kurt, obschon mit weniger Fantasie als sein kleiner Bruder ausgestattet, musste zugeben, dass man tatsächlich den Eindruck gewinnen konnte, dass die Bäume den Hügel hinaufkletterten, um am Ende in den Himmel zu steigen.

Irgendwann, vor vielen Generationen, musste es unter den Vorfahren auch einen besonderen Beerenliebhaber gegeben haben. Sobald die Luft nach Frühling schmeckte und an Bäumen und Büschen die Knospen aufbrachen, versank der Hof unter einem weißen und rosa Blütenmeer, und den ganzen Sommer gab es Beeren satt: Erdbeeren, Johannisbeeren, Blaubeeren, Stachelbeeren … Deshalb war der Hof der Sadlers auch als Beerenhof bekannt und Dorota über die Grenzen von Petersdorf hinaus berühmt für ihre eingemachten Marmeladen und Kompotte. Honig lieferten die hofeigenen Bienenstöcke. Im Sommer stand das Getreide hoch, im Wald gab es reichlich Wild und vielerlei Pilze; Fische holte man aus dem nahen Weiher, und zweimal im Jahr wurde geschlachtet. Der Hof versorgte sich quasi selbst.

Während Kurt seinen Kaffee trank, holte Dorota je eine Schütte Rüben und Kartoffeln aus dem Vorratskeller. Die Ernte in diesem Jahr konnte sich sehen lassen. Was sie selbst nicht verbrauchten, verkaufte Kurt wie alle Petersdorfer Bauern an Händler, die mit die Oder hinauffahrenden Booten die Ware in die nächsten Städte und teilweise bis nach Berlin brachten.

Kurt stellte eben die leere Tasse ab, als Oleg, Dorotas Ziehsohn und Knecht auf dem Hof, die Küche betrat. Er war von Kopf bis Fuß mit Mist besudelt. Dorota schnappte sich sofort den Besen und fegte den Knecht förmlich hinaus.

»Bei der Schwarzen Madonna! Oleg Rajewski, wie oft habe ich dir gesagt, dass du dich erst umziehen und waschen sollst! Vorher gibt es kein Frühstück!«

Oleg trollte sich, aber sie konnten ihn leise über Willi schimpfen hören. Willi war ein junger Ochse, der noch nicht ganz verinnerlicht hatte, wer der Herr im Stall war.

Kurt hatte Willi erst vorige Woche unter Preis erworben. Inzwischen schwante ihm, dass das angebliche Schnäppchen in Willis Charakter gründete und der Hoffmann Herbert ihn tüchtig übers Ohr gehauen hatte.

Kurt erhob sich und folgte Oleg nach draußen. Der Knecht holte eben einen Eimer Wasser aus dem Brunnen.

»Was ist, Oleg? Bekommst du Willi in den Griff?«

»Er will das Joch nicht tragen.«

»Wenn er sich nicht bald vor die Egge spannen lässt, geht er zum Metzger.«

Als Nächstes inspizierte Kurt das neue Tiefsilo, das er und Oleg angelegt hatten. Kurt plante noch mehr, träumte von elektrischem Licht und einer Toilette im Haus. Vorausgesetzt, die Ernte würde im kommenden Jahr 1929 genauso gut ausfallen.

Das Silo war bis zum Rand mit Rübenblättern gefüllt, die darin vergären sollten. Im Winter wurde das Gärfutter an die Kühe und Ochsen verfüttert. Das brachte Kurt zurück zu Willi. Auch wenn die Ernte gut war, die Zeiten waren es nicht. Er konnte es sich nicht leisten, ein unnützes Tier durchzufüttern. Er hatte den Großen Krieg überlebt, da würde er auch mit einem ungebärdigen Ochsen fertigwerden. Oleg hatte einfach zu viel Geduld mit dem Tier. Kurt steuerte den Stall an.

»So, Willi. Jetzt ist Schluss mit den Mätzchen!«

Willi hob bedächtig den Kopf, ließ sich jedoch bei seiner Mahlzeit nicht stören und kaute gemächlich weiter sein Stroh. Sobald Kurt das Stirnjoch vom Haken griff, ging eine Veränderung mit dem Tier vor. Willi begann, an der Kette zu zerren, stampfte und schnaubte. Kurt legte ihm die Hand auf den breiten Rücken.

»Ruhig, mein Dicker, ruhig.«

Ein Zittern lief durch den mächtigen Tierleib. Dann stand der Ochse still. »Siehst du, geht doch, Willi!« Kurt tätschelte Willis Stirn und setzte das Joch an.

Ohne Vorwarnung warf Willi plötzlich den...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2019
Reihe/Serie Heimat-Saga
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1. Band der Reihe • 2. Weltkrieg • Bestsellerautorin • Carmen Korn • deutsche Familiengeschichte • Dörte Hansen • Famliensaga • Gesthuysen • Gleiwitz • Hanni Münzer • Heimat • Heimatverlust • Historischer Roman • Honigtot • Kattowitz • Krieg • Marlene • Raketenforschung • Schlesien • Starke Frau
ISBN-10 3-492-99455-5 / 3492994555
ISBN-13 978-3-492-99455-2 / 9783492994552
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