Lauf, so schnell du kannst (eBook)
400 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7325-8598-4 (ISBN)
Angie Powell führte einst ein erfolgreiches Unternehmen, indem sie Touren durch die Wildnis anbot - bis Kriegsveteran Dare Callahan auftauchte und ihr Konkurrenz machte. Als Angie ein letztes Mal mit einem Klienten unterwegs ist, beobachtet sie einen kaltblütigen Mord und muss vor dem Killer fliehen. Ausgerechnet Dare ist zur Stelle, um ihr zu helfen, und Angie muss sich eingestehen, dass sie seinem raubeinigen Charme immer mehr verfällt.
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
1
Er hatte gewonnen.
Sie hatte verloren.
Sie hasste es, zu verlieren. Verlieren kotzte sie mehr an als so ziemlich alles andere.
Schon bei der bloßen Vorstellung knirschte sie mit den Zähnen und dachte noch einmal darüber nach, was sie am besten gleich tun sollte. Im Wesentlichen wohl das Handtuch werfen. Okay, nicht direkt das Handtuch werfen, aber sie wollte sich definitiv zurückziehen – doch jetzt musste sie erst handeln. Sturheit war einer ihrer größten Fehler, wie ihr nur allzu bewusst war. Aus diesem Grund setzte Angie Powell, bevor sie einen Fehler machen und ihre Meinung ändern konnte, hastig ihren Namen unter den Vertrag mit Harlan Forbes, dem einzigen Makler in der Gegend, lehnte sich dann in ihrem Stuhl zurück und versuchte, ihre Atmung zu kontrollieren.
So, das war’s. Ihr Haus stand offiziell zum Verkauf. Ihr Magen war so verkrampft, dass sie das Gefühl hatte, kopfüber in einen Abgrund zu stürzen – aber nun gab es kein Zurück mehr. Na ja, wahrscheinlich doch; Harlan hatte sie fast ihr ganzes Leben lang gekannt und wäre vermutlich bereit, den Vertrag auf der Stelle zu zerreißen, würde sie ihn darum bitten. Nicht nur das, außerdem war der Vertrag befristet. Wenn sich ihr Haus nicht in der vorgegebenen Zeit verkaufte, würde sie den Vertrag entweder verlängern oder … tja, was? Was hatte sie denn sonst für eine Möglichkeit? Keine. Hier ging es ums Ganze, hier hieß es: Friss, Vogel, oder stirb. Aber auch wenn sie mit dem Rücken zur Wand stand – sie wollte verdammt sein, wenn sie jetzt einfach aufgab. Umziehen war nicht das Gleiche wie aufgeben.
»Ich werde es sofort ins Internet stellen«, sagte Harlan und schwang auf seinem Drehstuhl herum, um den Vertrag neben seinen eleganten All-in-One-Computer mit integriertem Monitor zu legen, ein überraschend modernes elektronisches Teil in seinem schäbigen, vollgestopften Zweiraumbüro, das sich im ersten Stock über dem Eisenwarenladen befand. »So knüpfe ich heutzutage die meisten meiner Kontakte.« Er warf ihr einen schnellen Blick zu, Sorgenfalten zeichneten sich auf seinem geröteten Gesicht ab. »Mach dir bloß keine Hoffnungen, sofort ein festes Angebot zu bekommen. Die Objekte hier sind im Durchschnitt sechs Monate auf dem Markt, was bei der derzeitigen Wirtschaftslage nicht mal schlecht ist.«
»Danke«, sagte sie. Harlan war einer der besten Freunde ihres Vaters gewesen. Sie nahm an, dass er den Verkauf genauso dringend brauchte wie sie selbst. Die wirtschaftliche Talfahrt hatte in dieser Gegend jeden getroffen. Sechs Monate. Gott, konnte sie noch sechs Monate durchhalten? Die Antwort war: Wenn sie musste. Sie konnte alles, wenn sie es musste.
Sie stand auf. »Glaub mir, ich mach mir erst mal gar keine Hoffnungen.«
Aber das tat sie doch; dagegen konnte sie gar nicht an. Sie wünschte sich, das Haus würde in dieser Minute verkauft werden, bevor sie zu viel darüber nachdenken konnte. Gleichzeitig graute ihr vor dem Gedanken, es zu verlassen, und die beiden Gefühle kämpften in ihr, bis sie schreien wollte. Als ob das etwas nützte.
Sie zog den Mantel an und griff nach ihrer großen Tasche, dann setzte sie sich die Mütze auf. Sie brauchte sowohl den Mantel als auch die Mütze. Der November hatte Kälte gebracht und die Täler bereits mit einer dünnen Schneeschicht überzogen. Die Berggipfel rings um das Tal waren weiß; der Wind, der von ihnen herabwehte, roch schon nach Winter, nach Tannen mit frischem Schnee. Eine Warmfront war im Anzug, die ein wenig Schnee schmelzen würde, aber jeder, Mensch und Tier, wusste schon jetzt, dass dieses Zwischenspiel bald wieder vorüber sein würde. Und dann trat der Winter mit seiner Kälte die monatelange Herrschaft an.
Sie musste damit rechnen, einen weiteren Winter hier zu verbringen. Natürlich wäre es schön, wenn sich ein Käufer für ihr Haus fand, aber Angie war realistisch. Die Taube auf dem Dach hatte sie noch nie gereizt, solange sie den Spatz in der Hand hatte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich mühsam über Wasser zu halten und mit der Zahlung ihrer Rechnungen nicht so lange zu warten, dass eine Zwangsvollstreckung unvermeidlich würde. Und das, bis ihr Haus einen Käufer gefunden hatte und sie umziehen konnte.
Wenn. Was für ein Wort. Wenn sich ihr Dad nicht vor fünf Jahren eine Menge Geld geliehen hätte, um das Unternehmen zu erweitern, weitere Pferde und Quads zu kaufen und drei kleine Ferienhäuser zu bauen, dann wäre das Haus immer noch schuldenfrei, und sie würde trotz des Rückgangs ihres Einkommens ganz gut zurechtkommen. Aber er hatte es nun einmal getan, und sie kam nicht zurecht. Sie hatte die Quads und die meisten Pferde verkauft und mit dem Geld das Hauptdarlehen abbezahlt, aber selbst wenn sie sich neu finanzierte, würden die Raten höher sein, als sie verkraften konnte, immer vorausgesetzt, dass die Bank bei der derzeitigen restriktiven Kreditvergabe einer Neufinanzierung überhaupt zustimmte.
Zumindest hatte sie nicht gewartet, bis sie in echte Schwierigkeiten geriet. Nein, mit dieser großen Portion Realismus hatte sie die Lage schnell durchschaut und erkannt, dass sie in spätestens einem Jahr pleite sein würde, wenn sie nichts dagegen unternahm. Aber ein Jahr war noch optimistisch gerechnet; die sechs Monate, die Harlan erwähnt hatte, um ihr Haus und Grundstück zu verkaufen, kamen der Sache schon näher. Bis dahin würde sie vielleicht noch nicht einmal aus den roten Zahlen sein, und sie wollte auf keinen Fall ihre Ersparnisse angreifen. Zum einen hatte sie nicht viele; zum anderen war es eine gute Möglichkeit, ausnahmslos alles zu verlieren, wenn man schlechtem Geld auch noch gutes hinterherwarf.
Harlan hievte seinen massigen Körper aus dem quietschenden Bürostuhl und ging mit ihr zur Tür. »Ich werde morgen rausfahren, um ein paar Fotos zu machen«, sagte er.
»Dann bin ich da. Ich habe übermorgen eine Tour und muss noch alles vorbereiten.« Zurzeit war diese geführte Jagd mit einem Stammkunden das Einzige, was in ihren Büchern an Aufträgen stand. Vor drei Jahren, bevor Dare Callahan zurückgekehrt war und begonnen hatte, große Löcher in ihre Geschäftsbücher zu reißen, hatte sie wochenlang zwischen den Touren gerade mal Zeit gehabt, ihre Vorräte wieder aufzufüllen. Selbst vor zwei Jahren noch, als er ihr Konkurrent geworden war, war sie einigermaßen zurechtgekommen und sogar dankbar gewesen, zwischen den Touren etwas Zeit zum Ausruhen zu haben. Letztes Jahr war schon wenig los gewesen. Und dieses Jahr war geradezu katastrophal geworden.
Harlan tätschelte ihr den Arm, als er ihr die Tür aufhielt. »Ich lasse dich nur ungern gehen, aber du weißt es sicher selbst am besten.«
»Das hoffe ich. Ich habe ein bisschen recherchiert, und ich denke, ich habe einen guten Ort gefunden, oben hinter Missoula.« Sie würde ihr Herz jedoch nicht an einen bestimmten Ort hängen, sondern sich Gebiete suchen, in denen Jagdführer dünn gesät waren, und dann von dort ausgehen. Ein Umzug würde schließlich nicht viel nützen, wenn sie sich nur wieder in eine Situation mit einem beinharten Wettbewerb begab.
Er warf einen Blick aus der Tür, auf die gebirgige Landschaft, die er schon tausend Mal gesehen hatte, und dabei schlich sich ein etwas trauriger Ausdruck auf sein Gesicht. »Ich … denke auch darüber nach fortzugehen.«
»Was?« Dieses unerwartete Geständnis riss Angie aus den Gedanken über ihre eigenen Probleme; sie starrte ihn erschrocken an. Er war doch immer hier gewesen, in dieser Gegend, und hatte einen Fixpunkt in ihrem Leben ausgemacht, von der Zeit an, da sie und ihr Dad hierher gezogen waren. Sie war zweimal weggegangen, einmal aufs College und dann anschließend nach Billings, aber Harlan war immer hiergeblieben, so verlässlich wie der Sonnenaufgang im Osten. Sie konnte sich diesen Ort gar nicht ohne ihn vorstellen. »Warum?«
In seinen Augen stand ein versonnener Ausdruck, als hätte er sich nach innen gewandt. »Je älter ich werde, desto näher bin ich den Menschen, die bereits gestorben sind, und umso schwerer wird die Beziehung zu den Leuten, die dableiben«, sagte er leise. »An manchen Tagen kann ich bloß noch an die Toten denken. Ich ertappe mich dabei, dass ich ständig mit Glory spreche.« Gloria war seine verstorbene Ehefrau; Angie hatte nie gehört, dass er sie anders als Glory nannte. »Und dein Dad … ich rede immer noch mit ihm, als würde er hier neben uns stehen. Und da sind noch andere, viel zu viele andere.«
Er seufzte. »Ich habe keine unbegrenzte Anzahl an Jahren mehr, weißt du, und ich verbringe zu viel von meiner Zeit allein. Ich muss in die Nähe von Noah und den Enkelkindern ziehen, ein bisschen mehr Kontakt zu ihnen aufbauen, solange ich das noch kann.«
»Du redest, als stündest du schon mit einem Fuß im Grab. Du bist doch nicht alt!« Sie war immer noch zu schockiert, um diplomatisch sein zu können, aber Diplomatie war noch nie ihre Stärke gewesen. Hinterher fiel ihr immer ein, was sie hätte sagen sollen, aber im gegenwärtigen Moment neigte sie eher dazu, mit dem herauszuplatzen, was ihr gerade durch den Kopf ging. Außerdem war Harlan wirklich nicht alt, wahrscheinlich Mitte sechzig, also etwa so alt wie ihr Dad.
Aber ihr Dad war tot, und plötzlich meinte Angie zu wissen, was Harlan meinte. Er hörte den Ruf des Jenseits; manchmal fing sie selbst ein Echo davon auf, in der Stille, die sie umgab – und die plötzlich voller Erinnerungen sein konnte. Vielleicht war das die Art der Natur, vom Leben zum Tod überzugehen, oder von diesem Leben zu einem anderen. Er wusste, dass er sich...
Erscheint lt. Verlag | 27.8.2019 |
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Reihe/Serie | Romance trifft Spannung - Die besten Romane von Linda Howard bei beHEARTBEAT |
Übersetzer | Michaela Link |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Prey |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | action • Auch Engel mögen's heiß • auf der Flucht • Beziehung • Die Doppelgängerin • Ein gefährlicher Liebhaber • Ein tödlicher Verehrer • From Haters to Lovers • heiß • heiße spur • Killer • Liebe • Mitternachtsmorde • Mord • Mordgeflüster • romantisch • romantische Spannung • Spannung • Tourguide • Wildnis • Zeugin |
ISBN-10 | 3-7325-8598-0 / 3732585980 |
ISBN-13 | 978-3-7325-8598-4 / 9783732585984 |
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