Sterbekammer (eBook)

Kriminalroman. Atmosphärische Spannung aus Norddeutschland: Band 3 der SPIEGEL-Bestsellerserie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
430 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-7776-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sterbekammer -  Romy Fölck
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Dunkel ragt die Silhouette der Deichmühle in den Himmel. Es ist ein unheimlicher Ort, an den sich der alte Josef Hader vor vielen Jahren zurückgezogen hat. Als die Polizistin Frida Paulsen dort eines Nachts die Leiche des Eigenbrötlers entdeckt, ist das nicht ihr einziger grausiger Fund: Unter einer Bodenklappe verbirgt sich eine spärlich möblierte Kammer, die Schreckliches erahnen lässt. Am Bettpfosten hängen die Überreste einer Metallkette, und auf der stockfleckigen Matratze liegt ein Sommerkleid, das Fridas Kollegen Bjarne Haverkorn nur allzu bekannt vorkommt. Vor zehn Jahren verschwand in der Marsch eine junge Frau, von ihr fehlt bis heute jede Spur ...



Kapitel 1


Frida lief am Pförtner der Bezirkskriminalinspektion vorbei zum Fahrstuhl und schlug mehrfach auf die Ruftaste. Das Teammeeting der Mordkommission um acht Uhr war schon seit zwei Wochen angesetzt. Mails mit der Einladung waren herumgegangen. Ein zusätzlicher Aushang am Schwarzen Brett unterstrich die Dringlichkeit des Termins. Der neue Leiter der Mordkommission sollte vorgestellt werden, sein Vorgänger, Andreas Vollmer, verabschiedet. Dieser würde am Mittag den Stuhl seines Büros räumen.

Frida sah auf ihr Smartphone. 08.03 Uhr. Sie war zu spät, obwohl sie früher als sonst auf dem Hof ihrer Eltern in der Elbmarsch losgefahren war. Ein Unfall in einer Baustelle auf der Autobahn hatte sie aufgehalten. Die Anfahrt nach Itzehoe war momentan die reinste Tortur.

Sollte sie die Treppe nehmen? Das leise Pling des Lifts nahm ihr die Antwort ab. Die Tür öffnete sich viel zu langsam. Ungeduldig ließ sie zwei Kollegen heraustreten, die beim Betrug arbeiteten, nickte ihnen zu. Sie ging hinein und drückte auf den Knopf zum zehnten Stock. Wie in Zeitlupe schloss sich die Tür hinter ihr. Frida begann, ruhiger zu atmen.

Es tat ihr leid, dass Vollmer die Mordkommission verließ. Er hatte sie von Hamburg nach Itzehoe geholt und ihr den Einstieg leicht gemacht. An ihrem ersten Tag hatte er sie dem Team nicht als Frischling, sondern als gleichwertige Kollegin präsentiert. Er kannte ihre Vorgeschichte. Und ihre vagen Zweifel, ob es richtig gewesen war, zurück in den Polizeidienst zu gehen. Vollmer hatte sie darin bestärkt. Wie auch ihr Kollege Bjarne Haverkorn, der sich noch immer zu Hause von seiner schweren Rauchvergiftung erholte. Frida saß an seinem Schreibtisch, auf seinem Stuhl. Den sie gern für ihn frei machen würde. Seinetwegen war sie überhaupt wieder bei der Polizei.

Seit acht Wochen arbeitete sie nun in Itzehoe in der Mordkommission. Der Wechsel von der Hansestadt nach Schleswig-Holstein war nur möglich gewesen, weil ein Polizeikollege aus Kiel unbedingt nach Hamburg wollte. So konnte die wechselseitige Versetzung auf die Dienststellen über die Landesgrenze hinaus zügig vollzogen werden.

Während der Aufzug aufwärtsfuhr, fragte sie sich, ob Vollmer der Abschied von Itzehoe wohl schwerfiel. Er war fünf Jahre lang Leiter der Mordkommission gewesen. Nächste Woche würde er eine Stelle beim LKA in Kiel antreten, als Leiter des Sachgebiets 243 im Dezernat 24, zuständig für die Operative Fallanalyse. Eine neue berufliche Herausforderung. Er würde eine spezialisierte Ermittlergruppe, die Cold Case Unit, leiten. Spannende Aufgaben und ein neues Team warteten auf ihn. Da würden die letzten Jahre und die Provinz schnell vergessen sein. Außerdem würde er in Kiel näher bei seiner Tochter leben, die er seit der Trennung von seiner Frau nur selten sah. Offiziell freuten sich die Kollegen mit ihm, klopften ihm im Gang auf die Schulter, witzelten, dass er nun die Sessel beim LKA vollfurzen könnte. Aber insgeheim war sein Weggang ein herber Verlust für das Team in der zehnten Etage der Bezirkskriminalinspektion. Andreas Vollmer war einer von den Guten.

Der Fahrstuhl hielt an. Frida drängte sich durch die halb geöffnete Tür. Die Etage der Mordkommission war still und verwaist. Frida lief zum Konferenzraum und hörte eine gedämpfte Stimme. Sie zog die Tür auf, blieb stehen.

»… verlässt uns ein großartiger Kollege, Vorgesetzter und Freund.« Das Wort hatte Hanno Tehfs, der Leiter der BKI, der neben Vollmer und einem Mann im dunkelblauen Anzug stand. Das musste der Neue sein. Frida ging hinein und setzte sich auf den freien Stuhl neben Anja Schlüte, die ihr zuzwinkerte.

Tehfs sprach weiter, als habe er ihr Zuspätkommen nicht registriert. »Auch wenn wir dich, Andreas, nun an das LKA in Kiel verlieren, haben wir mit Nick Wahler einen großartigen Ersatz gefunden.«

Der Anzugträger sah in die Gesichter seines neuen Teams. Länger als bei den anderen verharrte sein Blick auf Frida, und sein Lächeln verschwand.

Der Leiter der BKI übergab das Wort an Andreas Vollmer, der mit einem leichten Beben in der Stimme über seine Jahre in der Mordkommission sprach. Der Abschied fiel ihm tatsächlich nicht leicht, das war ihm anzusehen. Tehfs warf einen schnellen Blick auf seine Armbanduhr. Wahler lächelte wie der Werbestar eines Zahnpasta-Spots und strahlte ein gesundes Selbstbewusstsein aus. Frida hatte gehört, dass er aus Lübeck zu ihnen wechselte, wo er als Gruppenleiter beim Kriminaldauerdienst in der Polizeidirektion tätig gewesen war. Mehr hatte sie nicht erfahren können. Er war einer vom Fach, mehr musste sie nicht wissen.

Nach Vollmers Rede verabschiedete sich Hanno Tehfs. Er müsse leider zu einem Termin im Innenministerium, entschuldigte er sich, drückte dem neuen und dem scheidenden Leiter der Mordkommission die Hand und ging hinaus.

Der Anzugträger wurde ernst. »Mein Name ist Nick Wahler, aber das wisst ihr ja längst.« Der neue Vorgesetzte wählte sofort das vertrauensvolle Du in seiner Ansprache, was normal war im Umgang der Kollegen in einer Mordkommission. Erst in höherer Leitungsebene begann in der polizeilichen Hierarchie das Siezen. »Ich bin fünfundvierzig, verheiratet und habe zwei Kinder. Meine Familie bleibt vorerst in Lübeck. So kann ich mich hier mit allen Kräften meiner neuen Aufgabe widmen.« Er machte eine effektheischende Pause, um den letzten Satz wirken zu lassen. Übersetzt sollte dies wohl heißen: Ich werde viel arbeiten, und das erwarte ich auch von euch. »Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. Meine Tür steht euch jederzeit offen, wenn ihr Fragen oder Anliegen habt. Eine Sache muss ich aber noch ansprechen: Ich hasse Unpünktlichkeit!« Er schwieg einen Moment und sah Vollmer an, der regungslos am Fenster stand. »Die Kollegin, die heute zu spät gekommen ist, möchte ich bitten, sich nach dem Meeting in meinem Büro einzufinden.« Er warf Frida einen Blick zu. »Ich werde mit jedem von euch Einzelgespräche führen, damit wir uns kennenlernen können. Aber vorher steht für euch nebenan ein kleines Buffet zu meinem Einstand bereit. Bitte, greift zu!«

Das Team klatschte zurückhaltend, und die Kollegen erhoben sich. Wahler drückte Vollmer die Hand. Dann begleitete er ihn zur Tür, wo er sich zu ihr umdrehte. Er sah sie an. »Du bist Frida Paulsen, richtig?«

Sie nickte überrascht.

»Kommst du?«

Frida fühlte ihre Anspannung, als sie ihrem neuen Vorgesetzten in sein Büro folgte. Wahler war den ersten Tag hier, sie hatten sich noch nie gesehen, und doch kannte er schon ihren Namen. Kein guter Start mit dem neuen Chef.

Bjarne Haverkorn steckte das Festnetztelefon in die Station zurück und blieb nachdenklich im Wohnzimmer stehen. Andreas Vollmer hatte sich soeben von ihm verabschiedet. »Wir sehen uns!«, waren die letzten Worte seines Vorgesetzten gewesen. Aber er glaubte nicht daran. Wenn Vollmer erst beim LKA in Kiel loslegte, würde er keine Zeit mehr für sein altes Team haben. Er sah es ihm nach. Vollmer war im besten Alter und der Aufstieg zum Leiter der Operativen Fallanalyse beim LKA wie für ihn gemacht. Er selbst hatte ihm vor einiger Zeit geraten, den Absprung zu wagen. Das sichere Fahrwasser in Richtung der weiten See zu verlassen, weil er das Zeug dazu hatte. Dann war es schneller gegangen, als er, Haverkorn, sich das gewünscht hatte. Und nun hieß es, Abschied zu nehmen.

Ihm selbst hatten die ruhigeren Gewässer immer gereicht. Er hatte nie den Drang verspürt, in der Hierarchie der Polizei aufzusteigen. Einmal war er Leiter der Mordkommission gewesen, aber er hatte das Amt bald wieder niedergelegt. Dafür war er einfach nicht geschaffen. Ihm fehlte der Biss, sich als Führungskraft über die Meinung anderer hinwegzusetzen. Erneut fragte er sich, warum er die Verlängerung beantragt hatte. Im Herbst würde er als Polizeibeamter in den wohlverdienten Ruhestand gehen können. Aber Anfang des Jahres, als der runde Geburtstag ins Haus stand, hatte er sich einfach noch nicht vorstellen können, zum alten Eisen zu zählen. Also hatte er den Antrag unterschrieben, der schnell genehmigt worden war, weil wie überall Leute fehlten. Insbesondere erfahrene Kriminalisten.

Doch dann waren im Frühjahr die Karten neu gemischt worden. Seit ihn der Brand eines Hauses beinahe das Leben gekostet hatte, war kaum noch etwas von seinem früheren Diensteifer übrig geblieben. Er war müde. Die schwere Rauchvergiftung hatte ihn lange ans Krankenbett gefesselt. Es hatte gedauert, bis er wieder halbwegs auf die Beine gekommen war. Er war daher geschlurft wie ein Neunzigjähriger, weil seine Lunge schwach wie ein undichter Blasebalg arbeitete. Schon der Weg vom Bett bis ins Bad hatte ihn an seine Grenzen gebracht. Die Zähne hatte er sich im Sitzen geputzt. Es waren Wochen vergangen, bis er nachts nicht mehr das Gefühl hatte, ersticken zu müssen. Ein Gutes hatte die Rauchvergiftung: Ihm war es nie leichter gefallen als jetzt, die Finger von den Zigaretten zu lassen.

Seit er das Krankenhaus verlassen hatte und zu Hause war, spürte Haverkorn, dass er seine Zeit bei der Kripo hinter sich hatte. Von der alten Glut als Ermittler war nicht mehr viel übrig. Sobald Ursula aus der psychiatrischen Klinik entlassen würde, wollte er weg aus der Stadt. Mit seiner Frau oder ohne sie. Es war ihre Entscheidung – wenn sie lieber in der Wohnung bleiben wollte, sollte sie das tun. Ihre Ehe war nur noch Makulatur, das wussten sie beide. Vielleicht wäre es das Beste, wenn sie nach ihrer Rückkehr die räumliche Trennung vornehmen und die Scheidung einreichen würden.

Haverkorn ging in die Küche und machte sich daran, das Geschirr vom Vortag zu spülen. Vollmer...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2019
Reihe/Serie Elbmarsch-Krimi
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel Sterbekammer
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Detektiv • Deutsche Krimis • Deutschland • eingesperrt • Elbe • Elbmarsch • Entführung • Ermittler • Kommissar • Krimi • Kriminalroman • Krimis • Missbrauch • Mord • Mörder • Natascha Kampusch • Nordsee • Polizei • Polizei / Geheimdienste • Polizeiruf • Polizist • Serienkrimi (Serienermittler) • Spannungsroman • Tatort • Thriller • Verbrechen
ISBN-10 3-7325-7776-7 / 3732577767
ISBN-13 978-3-7325-7776-7 / 9783732577767
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