Blutiger Wahn. Ostfrieslandkrimi -  Dörte Jensen

Blutiger Wahn. Ostfrieslandkrimi (eBook)

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2019 | 1. Auflage
200 Seiten
Klarant (Verlag)
978-3-95573-975-1 (ISBN)
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Am Strand von Norddeich wird die Kleidung der erfolgreichen Schauspielerin Henrike Sattler aufgefunden. Die Hinweise deuten auf Selbstmord. Seit Wochen sitzt ihr Ehemann als Verdächtiger einer schrecklichen Bluttat in U-Haft – hat sie die Situation und den öffentlichen Druck nicht mehr ertragen? Kommissar Joost Kramer ermittelt. Dabei machen ihm nicht nur die mysteriösen Fälle zu schaffen, sondern auch die Alleingänge von Henrikes bester Freundin Ricarda. Die Fotografin glaubt an eine grausame Intrige und verdächtigt Henrikes längst abservierten Ex-Freund. Ist die junge Schauspielerin in Wahrheit noch am Leben? Und welche Rolle spielt der verschwundene Schlüsselbund? Trotz aller Widrigkeiten lichtet sich der Nebel. Doch gerade als Kommissar Kramer meint, die mysteriösen Zusammenhänge zu durchschauen, kommt es zum tödlichen Showdown in Ostfriesland...
+++„Blutiger Wahn“ ist die überarbeitete Neuauflage des Ostfrieslandkrimis „Tödlicher Vorhang“.+++

Heimkehr


 

Oldenburg, September, elf Jahre später

 

»Ich weiß, dass Sie die Bilder schon vor einer Stunde bekommen sollten. Mein Computer ist abgestürzt, daher konnte ich Ihnen die Dateien noch nicht schicken. Zum Glück hatte ich sie vorher auf einem USB-Stick gespeichert. Zudem …« Ricarda Albers seufzte vernehmlich, als der Anrufer sie unterbrach und sich lauthals über ihre Unzuverlässigkeit beschwerte. »Mir ist klar, dass Sie die Aufnahmen für einen Kundenauftrag Ihrer Werbeagentur brauchen. Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen den Speicherstick persönlich vorbeibringe? Mit dem Fahrrad bin ich in einer Viertelstunde bei Ihnen. – Gut. Bis gleich.«

Nachdem die freiberufliche Fotografin das Telefonat beendet hatte, zog sie den Stick aus dem Laptop, der sich am frühen Nachmittag ohne Vorwarnung verabschiedet hatte. In den letzten beiden Stunden hatte die Zweiunddreißigjährige vergeblich versucht, zumindest die darauf befindlichen Daten zu retten. Nun würde sie doch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Hoffentlich konnten IT-Experten den Inhalt ihrer Festplatte sichern. Ricarda steckte das Speichermedium in die Hosentasche und eilte aus dem Arbeitszimmer, das sie sich in ihrer Wohnung in den Fleethöfen am Oldenburger Stadthafen eingerichtet hatte.

Sekunden später knallte sie die Wohnungstür im dritten Stock hinter sich zu. Da der Fahrstuhl wieder einmal kaputt war, nahm sie die Treppe. Im Erdgeschoss verschnaufte sie einen Moment. Sie musste dringend wieder etwas für die Fitness tun, in den letzten Jahren waren ihre Hüften bereits zu rundlich geworden. Aber Sport und Ricarda schienen einfach nicht füreinander geschaffen zu sein. Nachdem sie wieder etwas zu Atem gekommen war, fuhr sie sich durch die kurz geschnittenen schwarzen Haare, die sie bei ihrem letzten Friseurbesuch aus einer Laune heraus mit lilafarbenen Strähnchen aufgelockert hatte.

»Ich habe das Fahrrad heute Mittag doch in den Flur geschoben!«, murmelte sie vor sich hin, als sie ihren Drahtesel nicht fand. Ricarda öffnete die Haustür, sah hinaus und entdeckte das Rad an der Hauswand lehnend. Irritiert schüttelte sie den Kopf. Sie konnte sich nicht daran erinnern, es dort abgestellt zu haben. Die Eisenkette, mit der es gesichert war, hatte sie noch nie gesehen. Sie benutzte immer das alte Ringschloss.

»Das darf doch nicht wahr sein!«

Auch ohne den Zettel, der in dem Drahtkorb an ihrem Lenker lag, zu lesen, wusste sie, dass ihr Nachbar dafür verantwortlich war. Joost Kramer machte ihr seit seinem Einzug im Frühjahr das Leben zur Hölle. Der Polizist war einer jener Zeitgenossen, die ihre Lebensaufgabe in der Einhaltung von Recht und Ordnung gefunden zu haben schienen. Die anfängliche Freude über den gut aussehenden Kerl, der im Gegensatz zu ihr seine gesamte Freizeit in einem Fitnesscenter zu verbringen schien, war schnell Ernüchterung gewichen, denn hinter der durchaus ansprechenden Fassade verbarg sich ein Pedant, der sie immer wieder in den Wahnsinn trieb.

 

Frau Albers, wie Sie bestimmt wissen, dürfen Fahrräder nicht im Flur abgestellt werden. Damit ich Sie noch einmal mit der gültigen Hausordnung vertraut machen kann, bitte ich Sie, sich den Schlüssel an der Polizeidienststelle Friedhofsweg abzuholen. Halten Sie sich im Interesse einer guten Nachbarschaft zukünftig an die Regeln!

Joost Kramer

 

Gedanklich bedachte Ricarda ihren Nachbarn mit nicht jugendfreien Schimpfwörtern und eilte zurück in ihre Wohnung. Dort schnappte sie sich den Wagenschlüssel für den hellgrünen Käfer, den sie aus einer Sektlaune heraus auf den Namen Frosch getauft hatte, knallte die Tür hinter sich zu und machte sich wieder auf den Weg nach unten. Atemlos öffnete sie kurz darauf die Wagentür und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Als sie den Käfer anlassen wollte, rutschte ihr der Schlüssel aus den verschwitzten Fingern und fiel in den Fußraum. Fluchend tastete sie danach. Wenn sie diesen Joost Kramer sah, würde sie ihn …

Während Ricarda sich in Gedanken ausmalte, was sie alles mit ihm anstellen konnte – natürlich waren ihre Vorstellungen illegal und mehr oder weniger schmerzhaft –, ließ sie den Wagen an und fuhr Richtung Innenstadt. Mit etwas Glück konnte sie ihren verärgerten Kunden noch rechtzeitig erreichen. An den Berufsverkehr am späten Nachmittag dachte sie erst, als sie sich in die Blechlawine eingefädelt hatte und langsam durch die verstopften Straßen kroch. Als sie ihr Ziel endlich erreichte, hatte die Werbeagentur den Auftrag bereits per Mail storniert.

Fluchend fuhr sie zum Friedhofsweg und stellte ihr Fahrzeug in der Nähe der Polizeistation ab. Wenige Minuten später teilte ihr eine junge Beamtin mit, dass Joost Kramer zu einem Unfall gerufen worden war und erst später zurückkommen würde. Nach dem Versprechen, den Kommissar über ihren Besuch zu informieren, machte sich Ricarda auf den Rückweg.

Zwanzig Minuten später nahm sie sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank, ließ sich auf das Sofa fallen und starrte auf das Chaos in ihrer Wohnung. Da sie in den letzten Tagen rund um die Uhr an dem Kundenauftrag für die Werbeagentur gearbeitet hatte, war sie weder zum Aufräumen noch zum Saubermachen gekommen. Sie musste dringend so etwas wie Ordnung in ihre vier Wände bringen.

Bei dem Wort Ordnung dachte sie wieder an ihren pedantischen Nachbarn, in dessen Wohnung bestimmt keine Wäsche im Wohnzimmer lag und keine Schuhe in der Küche standen. Ricarda schloss die Augen, um die unerledigte Arbeit nicht länger sehen zu müssen. Wenig später war sie eingeschlafen.

Die Türklingel schreckte sie aus ihren Träumen. Ricarda wischte sich mit den Handrücken über die Augen. Dann stand sie auf, schlurfte zur Tür und fuhr sich vor dem Garderobenspiegel mit den Fingern durch die Haare, die jetzt nur noch eine entfernte Ähnlichkeit mit einer Frisur hatten. Nach einem Blick durch den Türspion hätte sie sich am liebsten gleich wieder hingelegt. Da sie aber den Schlüssel für die Sicherheitskette am Fahrrad brauchte, öffnete sie.

»Guten Abend, Frau Albers.«

Das Lächeln hätte sie bei einem anderen Mann bestimmt charmant gefunden. Bei ihrem Nachbarn wirkte es so aufgesetzt wie bei einem Politiker.

»Als Polizist ist es meine erste Bürgerpflicht, Sie an die Einhaltung der Regeln zu erinnern und …«

»Den Vortrag kenne ich bereits«, unterbrach sie ihn genervt. »Ihretwegen habe ich einen Scheißtag hinter mir und einen wichtigen Kunden verloren. Dürfen Sie mein Fahrrad überhaupt abschließen?«, wollte sie wissen, während sie ihm die Hand wie einen Zahlteller entgegenhielt.

»Wenn Sie die Rechtmäßigkeit meines Handelns in Zweifel ziehen, können Sie gerne einen Anwalt konsultieren.«

»Wenn Sie endlich den Stock aus Ihrem Arsch ziehen würden, kämen wir beide besser miteinander aus.«

Einen Moment lang sah er sie so verwirrt an, als hätte sie ihn gebeten, nackt auf dem Oldenburger Stadtfest zu tanzen.

»Im Gegensatz zu Ihnen bemühe ich mich um eine gute Nachbarschaft. Wenn ich Ihr Fahrrad noch einmal im Hausflur sehe, werde ich es konfiszieren. Die Kette habe ich vorhin entfernt. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.«

»Sie können mich auch mal.«

Ricarda knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Im Wohnzimmer sah sie auf die Uhr. Es war kurz nach neun. Statt sich über ihren Nachbarn zu ärgern, sollte sie sich lieber auf den Besuch ihrer Freundin freuen. Bis zu ihrer Ankunft musste sie allerdings noch die Wohnung auf Vordermann bringen.

Ricarda legte eine CD mit deutschen Schlagern aus den siebziger Jahren ein. Bei der Musik konnte sie am besten putzen. Während sie das Geschirr spülte und den Boden wischte, sang sie die bekannten Melodien lauthals mit. Sie begleitete den Sänger Christian Anders gerade in einem Zug nach Nirgendwo, als es erneut klingelte.

»Gefällt Ihnen meine Musik nicht?«, wollte sie von ihrem Nachbarn wissen, nachdem sie die Tür geöffnet hatte.

»Es geht nicht um die Musik, sondern um die Lautstärke. Würden Sie diese bitte zurückdrehen? Mit dem Krach beschallen Sie das ganze Haus!«

»Seltsamerweise stört es außer Ihnen niemanden.«

»Ich bin auch der Einzige, der direkt neben Ihnen wohnt.«

»Dann würde ich mich an Ihrer Stelle nach einer anderen Wohnung umsehen.«

Mit diesen Worten schloss sie die Tür, stampfte wütend ins Wohnzimmer zurück und machte die Stereoanlage aus. Zwei Stunden später glänzte die Wohnung wie schon lange nicht mehr. Ricarda nahm sich ein weiteres Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich damit an den Esstisch, an dem sie früher oft mit Henrike gesessen hatte.

 

***

 

Am nächsten Morgen stand Ricarda entgegen ihren sonstigen Gewohnheiten früh auf und schlurfte zur Kaffeemaschine. Während der Vollautomat geräuschvoll die Bohnen malte, sah sie aus dem...

Erscheint lt. Verlag 10.6.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-95573-975-9 / 3955739759
ISBN-13 978-3-95573-975-1 / 9783955739751
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