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Freinacht (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
336 Seiten
Berlin Verlag
978-3-8270-7993-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
12,99 inkl. MwSt
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Etwas Schlimmes ist geschehen ... Eine Feier in der Nacht auf den 1. Mai, ein Toter und vier junge Menschen, für die nichts mehr so ist, wie es vorher war. Aus einer wahren Hintergrundgeschichte entwickelt Thomas Lang einen hellsichtigen Gesellschaftsroman über Ziellosigkeit und Verantwortung, Schuld und Sühne. »Statt auf Grusel zu schielen, entfacht Freinacht mit feinsinniger Erkundungslust einen tragischen Taumel zwischen Freiheit und freiem Fall. Im Sturz seiner Figuren blickt uns die Gesellschaft selbst aus der Untiefe entgegen. Ein bewegendes Buch über den schmalen Grat unserer Conditio Humana.« Fridolin Schley »Freinacht singt keine sympathy for the devil, sondern bezeugt das tiefe Verständnis des Autors von Möglichkeiten, Lebenswegen, Katastrophen, Wandlungen. Nichts in diesem Buch ist abwegig.« Heike Geißler  

Thomas Lang, geboren 1967 in Nümbrecht (NRW), lebt in München. 2002 erschien der Roman Than, ausgezeichnet mit dem Bayerischen Staatsförderungspreis und dem Marburger Literaturpreis. 2005 erhielt Lang den Ingeborg-Bachmann-Preis für einen Auszug aus dem Roman Am Seil, der außerdem für den Preis der Leipziger Buchmesse 2006 nominiert wurde. Als Stipendiat hielt er sich unter anderem in Kanada, Italien (Casa Baldi), den USA (Villa Aurora) und der Schweiz auf. Neben dem fiktionalen Schreiben arbeitet Lang als freier Journalist, verfasst Essays und lehrt kreatives Schreiben. Zuletzt erschien sein Künstlerroman Immer nach Hause über den jungen Hermann Hesse (2016) sowie Freinacht (2019).

Thomas Lang, geboren 1967 in Nümbrecht (NRW), lebt in München. 2002 erschien der Roman Than, ausgezeichnet mit dem Bayerischen Staatsförderungspreis und dem Marburger Literaturpreis. 2005 erhielt Lang den Ingeborg-Bachmann-Preis für einen Auszug aus dem Roman Am Seil, der außerdem für den Preis der Leipziger Buchmesse 2006 nominiert wurde. Als Stipendiat hielt er sich unter anderem in Kanada, Italien (Casa Baldi), den USA (Villa Aurora) und der Schweiz auf. Neben dem fiktionalen Schreiben arbeitet Lang als freier Journalist, verfasst Essays und lehrt kreatives Schreiben. Zuletzt erschien sein Künstlerroman Immer nach Hause über den jungen Hermann Hesse (2016). Und im Sommer 2019 erscheint sein neuer Roman Freinacht.

DER GEFUNDENE TOD


Die Freinacht


Das Bahngelände hatte Junis im letzten Herbst einmal überflogen und war dabei so weit runtergegangen wie nur möglich. Das Drohnenauge glitt über die Wipfel junger Fichten. Sie standen so dicht, dass nur Grün zu sehen war. Bei geringem Flugtempo waren im Video einzelne Zweige und sogar Nadeln zu unterscheiden. An einer kahlen Stelle ragte etwas Dunkles aus dem Boden, eine Rolle verrosteter Maschendraht oder ein halb verfaulter Teppich.

Da er ziemlich richtungssicher war, ließ er den Vogel in vollem Tempo über den Stichweg rasen. Die Kamera blickte senkrecht hinab. Aufgrund der Geschwindigkeit lieferte sie bloß eine Abfolge von Farben. Gelb, Rot und Braun herrschten vor, ab und zu unterbrochen von grünen Blitzen. Nur in einer Zeitlupe ließen die Bilder sich zuordnen oder eben aus Erfahrung. Laub, Gras, Zweige, Wasser. Aber was sagte das aus? Begriff man mehr von der Welt oder vom Leben, wenn man diese Dinge benennen konnte? Junis bremste die Drohne ab, bis sie über einer Pfütze stand, und verringerte noch einmal die Höhe. Das Gerät nahm sich selbst auf oder eigentlich sein Spiegelbild im Wasser, das der Rotorwind verzerrte. Die Konturen des Flugkörpers schlingerten, als wäre er dabei sich aufzulösen. Die Rotoren schienen zu eiern, so hätten sie in der Wirklichkeit kein noch so kleines Objekt in der Luft halten können. Die Teerpappe auf dem Dach des Schuppens verwandelte sich in die Wüste eines fernen Planeten. Düstere Abgründe taten sich auf, in die kein Raumschiff vordringen konnte. Diese fremde Welt, stellte sich heraus, war eine Scheibe, dazu viereckig. Junis war wieder hochgegangen, bis er das Gelände vollständig im Bild hatte. Aus der Höhe war es leicht sich zu orientieren. Aber dieser Überblick erschien ihm nachher wie eine Fälschung. So wie man aus dem Flugzeug eine Landschaft betrachten konnte, die sinnvoll geordnet wirkte. Fuhr man mit dem Fahrrad oder dem Roller durch dieselbe Landschaft, verschwand die Ordnung schnell und man brauchte ein Navigationsgerät, um sein Ziel zu finden. Er wünschte sich, dass das Laub, die Nadeln und Halme, die Wasser- und Teerflächen, die er sah, nicht länger diese Dinge wären, sondern unbestimmte Objekte, denen er selbst ihre Bedeutung zuordnen konnte – grüner Teppich, Rücken einer Rakete, spiegelndes Dach über dem Jenseits. Für diese Welt gab es keine Totale, die eine Verbindung von Bild und Gedanken löste die nächste und löschte die vorige aus.

Er hatte sich das Video noch einmal angeschaut, bevor er mit Elle zum Feiern dort hinausging. Vor Ort wollten die Dinge sich jedoch nicht noch einmal verwandeln. Die Pfützen blieben Pfützen, der Schuppen ein Schuppen, und der Wald war der Wald. Er sagte sich, dass er schließlich auch nicht von oben hinabschaute. Auch nicht auf Elle, die Elle blieb und weiterhin hoffte, dass viele Gäste kommen würden.

Inzwischen war es sieben und noch hell. Elle ließ die Beine von der Laderampe baumeln und schien zu träumen. Er an ihrer Stelle hätte eine Legende schaffen wollen, ein Fest, von dem man noch in zehn Jahren sprach. Er stellte sich vor, wie eine Menge Leute auf das Gelände strömte und der Lärm schnell anschwoll, wie einige zu tanzen begannen, während andere im Schuppen kifften. Alle tranken und alle fanden die Musik vollkommen; sie waren glücklich.

Elle sprang auf die Füße. Offenbar fühlte sie sich unbeobachtet, oder es war ihr egal, dass Junis zusah, wie sie ein paar Übungen machte. Sie bemerkte sein Zeichen nicht, das er ihr gab, als von hinten Dennis ankam und sie mit einem Stoß in den Rücken erschreckte. Er schien das immer noch für einen guten Witz zu halten. Obwohl es noch gar nicht so weit war, nuschelte er einen Glückwunsch. Verärgert schaute sie ihn an. Unbeeindruckt hob er eine Plastiktüte hoch und schüttelte sie. Im Innern klackten Flaschen aneinander.

»Vale, der Versager, hat sich erwischen lassen«, ließ er sie wissen. »Deshalb bring ich nur drei Flaschen. Exklusiv geklaut bei Uwe’s

Das war sein Trumpf. Elles Miene hellte sich auf.

»Ich hab auch den Ofen«, fuhr er fort und grinste noch breiter als breit. »Ein Zeltofen. Von meinem Bruder. Dafür könn’st du mir mindestens die Eier kraulen.«

»Du nervst«, antwortete sie.

Viel zu milde Reaktion, fand Junis.

»Feierst du in dem Schuppen da?« Dennis deutete mit dem Kopf in die Richtung. »Ich bau ihn so auf, dass es drinnen nicht raucht. Du kannst so lang Holz sammeln gehen.«

Folgsam verschwand Elle zwischen den Büschen. Warum gehorchte sie ihm? Und hatte sie nicht gesagt, Dennis solle auf keinen Fall allein in den Schuppen gehen?

Junis folgte ihm nach drinnen. Er hatte sich vorgenommen, Dennis zu ermahnen, dass er seine anzüglichen Bemerkungen Elle gegenüber heute einmal bleiben lassen sollte. Es war gut möglich, dass er damit das Gegenteil bewirken würde. Außerdem gefiel es ihm, wie konzentriert und fachmännisch Dennis gerade den Raum musterte. Sein Blick wanderte unter dem Dach entlang zu den Stellen, an denen die Balken gebrochen waren und in zackigen Fetzen Teerpappe herabhing. Weiter wanderte er über die Wand zu dem hoch gelegenen Fenster, von dem nur die eisernen Sprossen übrig waren. Dennis nickte beifällig. Er holte das Ofenrohr und steckte es geschickt zwischen den Streben hindurch. Wie ein Fragezeichen hing es an der Wand. Junis nahm sich vor, ihm für die Schlepperei zu danken. Ohne Ofen könnten sie es keine drei Stunden hier aushalten, zumal seiner Einschätzung nach kaum weitere Leute kommen würden. Das tat ihm leid.

Dennis schleifte jetzt den Ofen rein, die eisernen Füße kreischten über den Betonboden. Junis dachte nicht daran ihm zu helfen. Er fummelte stattdessen seine Boom aus dem Rucksack. Als Dennis sie sah, ließ er den Ofen so abrupt los, dass der für ein paar Sekunden tanzte. Er rannte zu Junis und wollte die akkubetriebene Box gleich in die Hand nehmen. Junis zog sie weg. Dennis fingerte sein Phone aus der Hosentasche.

»Komm, schalt an, dann kann ich mich verbinden. Wir stellen sie auf die Rampe. Von da können wir das ganze Gelände beschallen.«

Junis stellte sich MC Dennis vor, wie er von einem zum anderen Ende der Rampe sprang und nicht in den Kopf kriegte, dass der Menge unten sein Set nicht gefiel. Er sah ihn zappeln und sich selbst feiern.

»Erstens«, bestimmte er, »bleibt die Box drinnen. Ich will nicht, dass sie versaut wird. Zweitens verbinde ich sie mit Elles Phone. Und wenn sie das nicht will, habe ich ein paar Sets vorbereitet.«

»Die hört bestimmt nur Scheißmusik«, murrte Hell. »Shawn Mendes, oder?«

Solange Junis diesen Ort kannte, stand hier ein verwestes Sofa. Früher hatte er sich bedenkenlos draufgesetzt. Heute dachte er, dass es vielleicht doch gesünder wäre zu stehen oder daneben auf einer Pappe zu hocken. Der Boden war ja einigermaßen trocken. Sein Blick fiel auf das Rohr für die elektrische Leitung, das unten von der Wand abstand. Oben hing noch die Porzellanfassung für eine Glühbirne, aber Strom gab es nicht. Das hatte er außer Acht gelassen, sonst hätte er einen Generator organisiert. Hier zu sitzen, wenn es draußen richtig dunkel wurde, konnte keinen Spaß machen. Er fluchte innerlich, weil sie so amateurhaft an die Sache rangegangen waren.

In einer Ecke sah er einen Haufen Ziegelsteine liegen. Einige davon schichtete er sorgfältig zu einem Turm auf. Die obere Lage wischte er mit einem Papiertaschentuch ab, ein weiteres breitete er anschließend als Deckchen darauf aus. Dort platzierte er die Boom. Er wollte sie gerade einschalten, da hörte er von draußen Stimmen.

 

Elle hatte sich nur wenige Meter vom Schuppen entfernt. Die wenigen Äste in ihren Händen ließ sie wieder fallen, als sie sah, wer sich dem Schuppen näherte. Ausgerechnet das Klischee! Die machte doch ihre eigene Party! In ihrem Gefolge gingen Leon und zwei weitere Jungs. War einer von denen Holger? Sie hatte sich nicht getraut ihn einzuladen. Vielleicht ging er auf Corinnas Party? Nein, es war nur jemand, der Holgers Stil nachahmte.

Die Frage blieb, warum Corinna aufkreuzte. Vielleicht, dachte Elle, war ja zu ihrer Party keiner gekommen und sie hatte sich entschlossen lieber hier mitzufeiern. Oder sie kam, um Leute zu sich abzuziehen. Oder, das würde am besten zu ihr passen, sie fand den Ort so unschlagbar toll, dass sie ihre eigene Feier hierher verlegt hatte. Es gab schließlich noch einen zweiten Schuppen auf dem Gelände.

»E-elle!«, rief das Klischee, »hast du nun heute Geburtstag oder morgen? Ich möchte dir gratulieren, aber vorher bringt Unglück. Ich hab übrigens heute, Schwester.«

»Morgen«, sagte Elle.

»Dann hab ich ja vor dir. Ist das lässig?« Sie schmiegte sich so eng an Leon, als wollte sie mit in seine Haut schlüpfen.

Elle gratulierte ihr.

»Wir sind mit dem Auto rübergekommen, weißt du, um schnell mal bei deiner Party vorbeizuschauen, bevor bei uns richtig die Post abgeht. Ich starte erst um neun. Feierst du da drin?« Sie zeigte auf das Schiebetor. »Ab-ge-fahren!«

Schon witschte sie durch den Spalt hinein, Elle folgte ihr. Wo war eigentlich Dennis hin? Sie sah nur Junis. Er hatte eine Art Tisch für seine Boom gebaut und stellte sich nun schützend davor. Es lief noch keine Musik. Es gab zu wenig Licht.

»Lässig«, sagte das Klischee, »ich nehme an, das ist pur. Richtig? So punkmäßig. Oder? Habt ihr gar keine Matratzen? Auf dem Sofa kann man ja nicht sitzen oder so. Das ist zu schmutzig, würde ich sagen. Wann kommen eigentlich deine Leute?«

Immer noch hing sie an Leon, als könnte sie allein nicht gehen. Trotz der Dämmerung im Schuppen sah Elle...

Erscheint lt. Verlag 5.8.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller 2019 • Erwachsenwerden • Gesellschaft • Gesellschaftliche Entwicklung • Gesellschaftskritik • Jugend • Provinz • Schuld und Sühne • Social Media • Tod • Verantwortung • Wahrer Fall
ISBN-10 3-8270-7993-4 / 3827079934
ISBN-13 978-3-8270-7993-0 / 9783827079930
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