Moscheen, Wein und böse Geister (eBook)

Die zehn Verwandlungen des Bettlers al-Yaschkuri

(Autor)

eBook Download: PDF | EPUB
2019 | 1. Auflage
140 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-73945-3 (ISBN)
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Die 'Verwandlungen' des Ibn Naqiya sind ein ungehobener Schatz der arabischen Literatur. Nur durch Glück hat sich eine einzige Handschrift der anstößigen, alle Konventionen aufs Korn nehmenden Erzählungen über die Jahrhunderte erhalten. Erstmals aus dem Arabischen übersetzt, entfalten die Geschichten auch für heutige Leser ihren subversiven Charme.
Bagdad war im 11. Jahrhundert vielleicht die wichtigste, sicher aber die interessanteste Stadt der Welt, bevölkert von Theologen, Philosophen und Freigeistern, Künstlern und Kaufleuten, Söldnern und Banditen. In diesem Milieu spielen die zehn zwischen Derbheit, Posse und Raffinement changierenden Episoden des Bagdader Schriftstellers Ibn Naqiya (1020 - 1092). In ihrem Mittelpunkt steht der listenreiche al-Yaschkuri, der sich mithilfe seines Sprachwitzes, seiner Verschlagenheit und seiner stets neuen Verwandlungen durch eine unwirtliche Welt schlägt. Verkleidet als Bettler oder Prediger, als frommer Moscheebesucher, Gelehrter oder Prophet zieht er durch die Lande und meistert pfiffig und unverschämt die Herausforderungen des (Über-)Lebens.


Stefan Wild Professor em. für Semitische Philologie und Islamwissenschaft an der Universität Bonn, gehört zu den besten Kennern der klassischen arabischen Literatur. Für sein wissenschaftliches Lebenswerk wurde er mit dem <i>Preis der Helga und Edzard Reuter-Stiftung</i> ausgezeichnet.

Cover 1
Titel 4
Zum Buch 142
Über den Autor 142
Impressum 5
Widmung 6
Inhalt 8
Vorwort 10
EINLEITUNG: Ibn Naqiya und seine Zeit 12
1. Der Schauplatz: Bagdad im elften Jahrhundert 14
2. Der Verfasser: Ibn Naqiya 18
Das Buch der Perlen über die Vergleiche im Koran 21
Das Buch Tha?lab 25
3. Das Genre der Makamen 26
Standreden gegen die Mächtigen 26
Hamadhani, Hariri und Harizi 28
Europäische Nachbildungen der Makamen des Hariri 31
4. Ibn Naqiyas Makamen und ihre Themen 34
Subversive Kunst 34
Der Skandaldichter Abu Nuwas als Vorbild 39
Lob des Weins 40
Schmähungen und Gegenschmähungen 46
Sexualität und Homoerotik 50
Toleranz der Ambiguität 52
Verbotene Musik 57
Neuzeitliche Makamen-Kritik an Ibn Naqiya und seinem Vorgänger 59
5. Überlieferung und Übersetzung 61
IBN NAQIYA: Die Verwandlungen 66
Vorwort des Ibn Naqiya 70
1. Die Eidechsen-Makame 75
2. Die Grabräuber-Makame 81
3. Die Moscheen-Makame 86
4. Die Bagdad-Makame 91
5. Die Herbst-Makame 97
6. Die Materialisten-Makame 101
7. Die Dichter-Makame 110
8. Die Dschinnen-Makame 115
9. Die Wein-Makame 118
10. Die Propheten-Makame 126
ANHANG 134
Anmerkungen zur Einleitung 134
Literatur 138

2. Der Verfasser: Ibn Naqiya


Über die Lebensumstände Ibn Naqiyas ist nicht viel bekannt. Er war zu seiner Zeit nicht sonderlich bedeutend – sonst hätte es nicht ein knappes Jahrtausend gedauert, bis man in Ost und West auf ihn aufmerksam wurde. Er scheint seine Geburtsstadt Bagdad nur selten oder nie verlassen zu haben und war vermutlich ein begüterter Kaufmann. Sein voller Name lautet in der für arabische Namen typischen, streng männlichen Filiationsreihe, welche die makellose Abstammung garantieren sollte: Abdallah (nach anderen: Abdalbaqi) Ibn Muhammad Ibn al-Husain Ibn Dawud Ibn Naqiya al-Bagdadi Abu l-Qasim Ibn Abi l-Fath al-Hanafi. Der Name «Naqiya» ist eindeutig nicht arabisch, sondern syrisch-aramäisch. Es kann also sein, dass sich unter Ibn Naqiyas entfernteren Vorfahren syrisch-aramäisch sprechende Christen oder Juden befanden. Eine arabische Philosophie hätte es ohne solche Juden und Christen, welche die Übersetzer und die Hauptvermittler griechischer Kultur an die Muslime waren, nie gegeben. Ibn Naqiyas arabische Biographen loben ihn häufig, setzen aber ebenso oft an ihm aus, dass er zu Unverschämtheiten neigte – damit waren meist seine Verwandlungen gemeint und wohl auch einige seiner Gedichte. Überdies wurde ihm vorgeworfen, er habe am islamischen Recht und an der islamischen Religion überhaupt gerüttelt.[5] Und manchem war selbst sein frommes Buch der Perlen über die Vergleiche im Koran nicht orthodox genug. Dem ägyptischen Herausgeber der Makamen des Ibn Naqiya, Hasan Abbas, zufolge musste Ibn Naqiya sich zeitlebens ausdrücklich von ungenannten Freigeistern distanzieren, weil diese die Existenz des Teufels leugneten.[6]

Für das Jahr 1092, das Todesjahr Ibn Naqiyas, vermeldet der arabische Historiker Ibn al-Athir (gest. 1233) in seiner nach dem islamischen Kalenderjahr geordneten Universalgeschichte Die vollkommene Chronik unter anderem die Ermordung des Wesirs Nizamulmulk, des Stifters der Nizamiyya, durch einen Assassinen, das heißt einen schiitischen Fanatiker. Unter der Rubrik «Einzelne Begebenheiten» berichtet der Autor weiter über Teuerungen, Feuersbrünste, Überschwemmungen, Kometen und Seuchen. Regelmäßig notiert er auch den Tod bekannter Zeitgenossen. Gegen Ende findet sich die folgende Notiz über Ibn Naqiya:

In diesem Jahr starb der Bagdader Dichter Abdalbaqi Ibn Muhammad Ibn al-Husain Ibn Naqiya. Er war ein Gelehrter in der religiösen Tradition, stand aber im Verdacht, die religiösen Gesetze verleumdet zu haben. Als er gestorben war, fand man eine seiner Hände zur Faust geballt, und selbst der Totenwäscher vermochte sie zuerst nicht zu öffnen. Mit vieler Mühe ließ sich die Faust dennoch auftun, und man fand auf seiner Handfläche die folgenden frommen Verse geschrieben:

«Ich ging zu einem Herrn ein, der den Gast nicht darben lässt,

Und hoffe auf Erlösung von der Hölle ew’ger Qual.

Gott fürchte ich und stehe hier in meiner Hoffnung fest,

Denn Gottes reiche Gnade gehet über Maß und Zahl.»

Diese Verse werden in vielen arabischen Biographien zitiert.[7]

Ibn Naqiya wurde zweiundsiebzig Jahre alt – ein für die damalige Zeit sehr respektables Alter. Er zitiert diese Verse – sie stammen von seinem Großvater – in seinem Buch der Perlen über die Vergleiche im Koran (siehe den folgenden Abschnitt). Sie dienten der Nachwelt als Beweis für seine Orthodoxie. Die fromme Verrätselung solcher Verse ist in der arabischen Literatur nicht selten.

Mit arabischen Versen dieser Zeit hat es eine besondere Bewandtnis. Das umfangreiche arabisch-islamische Schrifttum kannte zu dieser Zeit kaum eine bildliche Darstellung des Menschen. Die wenigen arabischen Miniaturen aus dieser Zeit gehören zu den wichtigen und berühmten, aber sehr seltenen Ausnahmen. Aus Prosawerken jedoch und besonders aus den Gedichten eines wichtigen Mannes – viel seltener einer Frau – konnte man leicht zitieren und hoffen, ihn oder sie damit besonders gut zu charakterisieren. Die Poesie nahm damit gewissermaßen die Stelle ein, die bildliche Darstellungen in der Neuzeit haben. Geburt und Tod, Beschneidung und Heirat, Reise und Politik, Wichtiges, Merkwürdiges und Beiläufiges – alles konnte literarisch-prosaisch oder poetisch dargestellt werden. Nicht wenige Gespräche und Begebenheiten dieser Zeit kennen wir nur aus literarischen oder poetischen Schriften. Daher wimmelt es in dem überaus fruchtbaren Genre der arabischen Biographie bis in die Neuzeit nur so von Poesie. Über Ibn Naqiyas Leben haben die arabischen Biographen im Einzelnen leider nicht viel zu sagen. Immerhin sind von ihm außer seinen bereits genannten Schriften mehr als zwei Seiten Gedichte erhalten, darunter einige Zeilen Weingedichte, einige fromme Verse und ein paar riskante polemische Prosapassagen.

Schon der Großvater Ibn Naqiyas hatte skeptische Gedichte verfasst. Die folgenden melancholischen Zeilen etwa sind in dem Buch der Perlen über die Vergleiche im Koran erhalten:

Ich vertat bei jeder Gelegenheit viel von meiner Zeit. Die Jugend war mir neu, aber unversehens wurde ich alt.

Alles, was wächst, muss vergehen. Und nie kamen zwei Freunde zusammen, ohne dass sie sich trennen mussten.[8]

Von den etwa ein Dutzend dem Ibn Naqiya zugeschriebenen Werken sind außer den Verwandlungen bislang nur zwei erhalten. Ich bedaure besonders, dass sein Buch darüber, wie man eine Tischgesellschaft durch Scherze unterhalten kann, nicht überliefert ist. Die zwei erhaltenen Bücher sollen im Folgenden kurz charakterisiert werden.

Das Buch der Perlen über die Vergleiche im Koran


Dieses Werk Ibn Naqiyas, sein bekanntestes, trägt im Arabischen einen gereimten Ziertitel. Es existiert ebenso wie die zehn Verwandlungen des Ibn Naqiya nur in einer einzigen arabischen Handschrift. In den 1960er und 1970er Jahren wurde es zum ersten Mal gedruckt – dann allerdings gleich mehrfach: in Kuweit, in Bagdad, in Alexandria und in Beirut. Ich zitiere nach der nicht immer fehlerfreien Ausgabe von Mustafa al-Sawi al-Juwayni (Alexandria 1974).[9] Alle vier Drucke beruhen auf einem einzigen Codex, der heute in der Bibliothek des Escorial nahe Madrid aufbewahrt wird. Die arabischen Handschriften des Escorial sind alles, was nach der Vertreibung der Muslime von der Iberischen Halbinsel im fünfzehnten Jahrhundert an islamischen Texten übrig geblieben ist. Arabische Gelehrte haben in der Neuzeit nicht ohne Grund geklagt, dass arabische Manuskripte, darunter viele Unica, häufig aus islamischen Ländern gestohlen oder gegen lächerlich niedrige Geldsummen angekauft worden seien. Solche oft nur in einem einzigen Exemplar erhaltenen kostbaren Exemplare lägen jetzt zu Unrecht in Berlin, London, Paris oder Madrid. Daran ist leider nicht zu zweifeln. Andererseits sind gerade in der jüngsten Zeit unersetzliche arabische Handschriften in Syrien und im Irak, im Jemen und in Mauretanien verloren gegangen oder sogar absichtlich von Muslimen vernichtet worden. Der «Islamische Staat» (IS) etwa würde die Werke des Ibn Naqiya mit Sicherheit verbrennen und sogar versuchen, seine Leser zu töten.

In seinem Buch der Perlen untersucht Ibn Naqiya eine Reihe ausgewählter Koranstellen, die Vergleiche enthalten, und setzt diese mit Vergleichen aus der altarabischen Poesie in Beziehung. Der wohl produktivste Schreiber der gesamten arabischen Tradition, al-Suyuti (1445–1505), der Hunderte von Büchern und Sendschreiben verfasste, kompilierte, reproduzierte und plagiierte, lobt etwa vierhundert Jahre nach dem Tod des Ibn Naqiya: Dieses Buch sei das einzige, das je speziell zu diesem Gegenstand verfasst worden sei.

Der «Vergleich» in der altarabischen Poesie war seit den frühesten Zeiten arabischer Sprachwissenschaft ein gelehrtes Thema. Die Vergleiche im Koran waren jedoch von Anfang an theologisch umstritten. Um eine arabische Sprachwissenschaft zu etablieren, hatten sich die arabischen Gelehrten etwa anderthalb Jahrhunderte nach dem Tod des Propheten Mohammed zum Teil auf den Koran, aber mindestens ebenso sehr auf die mündliche und schriftliche Tradition der altarabischen, zum guten Teil vorislamischen Dichtung verlassen. Diese Dichtung war oft jüdisch, christlich oder...

Erscheint lt. Verlag 18.7.2019
Reihe/Serie Neue Orientalische Bibliothek
Übersetzer Stefan Wild
Zusatzinfo mit 1 Abbildung
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Schlagworte 11. Jahrhundert • Arabien • Bagdad • Derbheit • Handschrift • Ibn Naqiya • Literatur • Posse • Raffinement • Verwandlungen
ISBN-10 3-406-73945-8 / 3406739458
ISBN-13 978-3-406-73945-3 / 9783406739453
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