Mordsleben. Ostfrieslandkrimi -  Ulrike Busch

Mordsleben. Ostfrieslandkrimi (eBook)

(Autor)

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2017 | 1. Auflage
200 Seiten
Klarant (Verlag)
978-3-95573-656-9 (ISBN)
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Mit der ostfriesischen Ruhe ist es in Greetsiel vorbei: Die norddeutsche Schauspielerin Leonie Altinga kehrt in ihre Heimat zurück und eines Abends werden Schüsse auf sie abgegeben. Sie bleibt unverletzt, aber bald darauf werden mehrere Bürger des idyllischen Fischerdorfes zum Ziel weiterer perfider Anschläge. Bei allen beteiligten Personen finden sich Verbindungen zu Leonies Leben. Doch wer ist hier Opfer, wer ist Täter? Vor vielen Jahren hatte Leonie in Greetsiel ihre Tochter und ihren Mann verloren. Führt sie in Wahrheit einen brutalen Rachefeldzug, und die Schüsse auf sie waren nur inszeniert? Die Ermittler Tammo Anders und Fenna Stern stehen vor einem mysteriösen Fall, und das mörderische Spiel in Ostfriesland scheint kein Ende zu nehmen...

1. Kapitel


 

Es war einer dieser Spätsommerabende, die das ganze Leben wie einen Traum erscheinen ließen. Über das Grundstück am Neuen Greetsieler Sieltief wehte ein sanfter Westwind. Er trug den Duft von Meer, Fisch und frisch gemähtem Gras in den Garten mit dem wild wachsenden Rasen und der Terrasse, die von Blumenbeeten umgeben war. Das Wasser der Gracht schimmerte dunkelgrün. Auf seiner Oberfläche spiegelte sich das Laub der Trauerweiden, Birken und Hecken, die an den Ufern zu beiden Seiten des Kanals standen.

Altweibersommer! Für Leonie Altinga die schönste Zeit des Jahres. Symbolisierte sie mit ihrem Zauber und der Pracht ihrer Farbtöne nicht ihre eigene schillernde Persönlichkeit und den Glanz eines facettenreichen fünfundsiebzigjährigen Lebens, das sich über Jahrzehnte im Licht der Öffentlichkeit abgespielt hatte?

Theatralisch lehnte Leonie sich gegen eine der Birken, die am Kanalufer wuchsen. Sie spürte dieses Prickeln in sich, das sie in Augenblicken überkam, in denen sie vor Glück hätte weinen mögen. Dass sie nach all der Zeit, die sie in anderen Städten und Ländern verbracht hatte, wieder da leben durfte, wo sie geboren war: in ihrem geliebten Fischerdorf Greetsiel!

Hier hatte alles angefangen.

Rückblenden liefen vor Leonies geistigem Auge ab. Erinnerungen an ihre Zeit als international gefeierte Schauspielerin. An ihre Erfolge als Autorin mitreißender Liebesromane. An ihren Durchbruch als Kriminalschriftstellerin – für sie die Ära einer fiktiven Revanche, einer indirekten Abrechnung auf dem Papier mit dem Autofahrer, der ihre Tochter auf dem Gewissen hatte. Mit dem Fabrikanten, der ihren Mann als Geschäftspartner in eine brisante Situation gebracht und letztlich in den Selbstmord getrieben hatte. Mit dem Verehrer, der ihr Liebhaber geworden war und sie um einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens geprellt hatte.

Leonie lachte bitter. Der Schmerz über das, was sie verloren hatte, würde nie versiegen. Sie lehnte den Kopf gegen den Birkenstamm, betrachtete die Baumkrone mit all ihren Verästelungen und gab sich ihren Gefühlen hin.

In Greetsiel hatte alles angefangen, und hier würde es enden. Aber bevor es zu Ende ging ...

»Leonie?«

Die schrille Stimme vom Grundstück nebenan zerschnitt die friedliche Stille des Abends und erzeugte Falten des Unwillens auf Leonies Stirn.

Es war unverkennbar ihre Nachbarin Theda Bubendey, die sie rief. Theda und sie kannten sich seit ihrer Kindheit. Was sie beide miteinander verband, war eine innige Hassliebe. Doch für den Erhalt des nachbarschaftlichen Friedens standen ihre Häuser weit genug auseinander, und die Hecke zwischen den Gärten wirkte wie ein Schutzwall – mit Ausnahme des schmalen Durchgangs, den Theda nach Leonies Einzug hatte hineinschneiden lassen.

»Leonie, brechen deine Literaten heute Abend wieder über Greetsiel herein?«

Leonie stellte sich dumm. »Ist heute der erste Donnerstag im Monat?«, rief sie hinüber, ohne Theda den Kopf zuzuwenden.

»Na klar«, erwiderte Theda irritiert. »Das weißt du doch selbst.«

»Dann werden sie wohl kommen.«

Durch die Zweige der Bäume beobachtete Leonie die Wolken, die sich gemächlich über den Himmel schoben. In einer Stunde, um Punkt acht Uhr, würden die Teilnehmer des Literaturzirkels, den sie vor ein paar Monaten ins Leben gerufen hatte, bei ihr eintreffen.

In der ersten Zeit nach ihrer Rückkehr in die Heimat hatte sie versucht, alte Kontakte wiederaufleben zu lassen. Doch die meisten früheren Bekannten waren entweder verstorben oder weggezogen. Übrig geblieben waren nur Theda und das Greetsieler Urgestein Frido Anders, wie Theda ein Bekannter aus gemeinsamen Schuljahren. Frido hatte sie bei einer zufälligen Begegnung in der Bäckerei auf die Idee gebracht, einen Literatursalon zu eröffnen. Er meinte, mit ihrer Weltgewandtheit, der Bühnenerfahrung und den Erfolgen als Schriftstellerin wäre sie dafür prädestiniert, das Kulturleben des Ortes zu bereichern.

Sie hatte sich nicht zweimal bitten lassen. Auf ihre Einladung in der Zeitung hin hatten sich innerhalb weniger Tage sechs Interessenten aus der näheren und weiteren Umgebung gemeldet, altersmäßig bunt gemischt. Die Jüngste war siebenundzwanzig, der Älteste, Frido, in ihrem Alter. Er brachte seine neue Partnerin mit, Magda Alves, die ebenfalls erst vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam mit ihrer Tochter, der Kriminalkommissarin Fenna Stern, nach Greetsiel zurückgekehrt war.

Der Achte im Bunde mit Leonie und den sechs anderen wurde schließlich Meno Christoffers aus Leer, von Beruf Lektor. Ein äußerst angenehmer Mann von Anfang vierzig, gebildet, kultiviert, charmant. Er hatte großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit ihr gezeigt. Sie hatte ihm den Gefallen getan, ihn ihrem Verleger zu empfehlen, auch wenn sie selbst mit ihrer bisherigen Lektorin, die im Verlagshaus in Frankfurt saß, weiter zusammenarbeiten wollte. Seit Leonie den Literatursalon eröffnet hatte, kam Meno jedes Mal eigens aus Leer, um daran teilzunehmen, und sie war stolz auf seine Anwesenheit, war er doch neben ihr der Einzige in diesem Kreis, der beruflich mit Literatur zu tun hatte.

Leonie stapfte durch das hohe Gras zur Terrasse ihres Wohnhauses, das mit seinen verwitterten Backsteinen und den Sprossenfenstern aussah wie das Gemälde eines idyllischen alten Greetsieler Fischerhauses. Sie suchte die Blumenschere aus dem Kasten mit dem Gartenwerkzeug und stellte einen Strauß aus Dahlien und Sommerastern zusammen. Ein schönes Bukett! Sie würde es in die Vase stellen, die zu ihrem Teeservice mit der handgemalten hundertblättrigen Rose gehörte.

Den Tisch wollte sie mit den vergoldeten Kerzenhaltern dekorieren, die in der Familie von Generation zu Generation weitergereicht worden waren. Wenn der Tag der Nacht wich und das warme, flackernde Licht der Kerzen sich Minute für Minute stärker von der Dunkelheit abhob, war die Stimmung für ihren Lesezirkel perfekt. Es würde ein sehr persönlicher, vielleicht sogar etwas heikler Abend werden, denn für heute hatten sie ihre Autobiografie als Thema gewählt.

Vom Kanal her wehte kühle Luft heran. In ein, zwei Stunden würde es zu frisch sein, um draußen zu sitzen. Die Terrassentür konnte noch eine Weile offen stehen bleiben, aber sie würde Neske, ihre Haushaltshilfe, gleich darum bitten, den langen rustikalen Tisch in der Essecke des Wohnraums herzurichten.

Leonie betrat das Wohnzimmer und schaltete das Licht ein. Wenn die Sonne hinter den Bäumen verschwand, wurde es schnell dunkel im Raum. Vorsichtig, beinahe fürsorglich, legte sie den Blumenstrauß auf den Tisch und ging auf die Vitrine zu, in deren Unterschrank die Vasen standen.

Der große Spiegel in dem kunstvoll geschwungenen, vergoldeten Rahmen, der an der Wand zwischen dem Möbelstück und der Tür hing, wirkte wie ein Ölgemälde, dem Leben eingehaucht worden war. In diesem Moment zeigte das Bild die Strahlen der Abendsonne, die zwischen den Baumkronen hindurchfielen. Die Zweige, die leicht im Wind wehten, schienen Leonie zuzuwinken.

Plötzlich pfiff etwas durch den Raum.

Leonie erstarrte. Was war das?

Wie in Zeitlupe zerbarst der Spiegel. Die Scherben fielen klirrend zu Boden und zersplitterten in tausend Fragmente, die über das Parkett schlidderten.

Während Leonie zu begreifen versuchte, was vor sich ging, sauste etwas direkt an ihrem Ohr vorbei.

Das Glas der Vitrine zersprang. Eine bauchige Porzellanvase, die in Augenhöhe in dem Schrank stand, stob in tausend Teilen auseinander wie ein explodierender Ballon.

In Angst um ihr Leben stieß Leonie einen entsetzten Schrei aus. Sie warf sich auf den Boden, kniff die Augen zusammen und legte die Hände schützend über den Kopf. Atemlos horchte sie, was als Nächstes geschehen würde. Doch es blieb mucksmäuschenstill. Kein Laut drang zu ihr durch. Selbst die Vögel hatten aufgehört zu zwitschern. Die Welt schien stehengeblieben zu sein.

Was war geschehen?

Leonie rührte sich nicht. Noch immer wartete sie. Worauf?

»Frau Altinga? Frau Altinga!«

Neske eilte die Treppen hinab. Leonie hörte ihr leichtfüßiges Tapsen näher kommen. Dann ein spitzer Laut. »Frau Altinga! Sind Sie verletzt?«

Thilo, Neskes Mann, stapfte ebenfalls die Treppe hinab. Leonie erkannte ihn an seinem schweren Tritt auf den Holzstufen.

Noch immer wagte sie nicht, sich zu bewegen.

»Leonie?« Das war Theda, die aufgeregt vom Garten her rief.

Leonie antwortete nicht.

Neske beugte sich über sie und berührte ihre Schulter sanft. »Frau Altinga, was ist passiert?«

Langsam nahm Leonie die Hände vom Kopf, drehte sich um und öffnete die Augen.

Theda klopfte gegen das Glas der offen stehenden Terrassentür. Erneut rief die Nachbarin ihren Namen. »Was ist denn hier los?«, fragte sie und machte einen Schritt ins Wohnzimmer. Als sie die Scherben erblickte, die über den Boden verteilt lagen, blieb sie wie angewurzelt stehen.

Benommen richtete Leonie sich auf. Sie versuchte, das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen.

Im Garten sah es...

Erscheint lt. Verlag 12.7.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-95573-656-3 / 3955736563
ISBN-13 978-3-95573-656-9 / 9783955736569
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