Zu Staub (eBook)

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
416 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00369-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zu Staub -  Jane Harper
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Der neue Roman von der «Queen of Crime» (Sunday Times). Eindringlich schreibt Jane Harper über die gnadenlose australische Wildnis und über Menschen, die grausamer sein können als jede Natur. Zwei Brüder treffen sich am Zaun, der ihre Farmen voneinander trennt. Tief im Outback sind sie einander die einzigen Nachbarn. Ihre Häuser liegen vier Stunden Autofahrt voneinander entfernt. Cam, der mittlere Bruder, der die Familienranch verwaltete, liegt tot zu ihren Füßen. Er ist allein in der Hitze gestorben. Die beiden Männer bringen ihren Bruder heim auf die Ranch. Aber in der tiefen Trauer wächst das Misstrauen. Was, wenn Cam keines natürlichen Todes gestorben ist? Was, wenn Isolation und Einsamkeit hier im Nirgendwo die Menschen verändern - zum Bösen? «Wirklich einzigartig. Nichts ist so, wie es zu Beginn scheint.» (Spiegel)

 Jane Harper ist Journalistin bei der Herald Sun. Sie lebt in Melbourne. Mit ihrem Erstling «Hitze» gewann sie neben zahlreichen anderen Preisen auch den wichtigsten britischen Krimipreis, den «Gold Dagger». «Hitze» schaffte es auf Platz 1 der Bestsellerliste der Times. Zuletzt wurde sie mit dem Prix Polar für den besten internationalen Thriller ausgezeichnet.

 Jane Harper ist Journalistin bei der Herald Sun. Sie lebt in Melbourne. Mit ihrem Erstling «Hitze» gewann sie neben zahlreichen anderen Preisen auch den wichtigsten britischen Krimipreis, den «Gold Dagger». «Hitze» schaffte es auf Platz 1 der Bestsellerliste der Times. Zuletzt wurde sie mit dem Prix Polar für den besten internationalen Thriller ausgezeichnet. Ulrike Wasel und Klaus Timmermann arbeiten seit vielen Jahren erfolgreich als Übersetzerteam. Zu den von ihnen übersetzten AutorInnen zählen Michael Crichton, Zadie Smith, Scott Turow, Dave Eggers und Tana French. 2012 wurden sie mit dem Albatros-Literaturpreis ausgezeichnet. Sie leben in Düsseldorf. Ulrike Wasel und Klaus Timmermann arbeiten seit vielen Jahren erfolgreich als Übersetzerteam. Zu den von ihnen übersetzten AutorInnen zählen Michael Crichton, Zadie Smith, Scott Turow, Dave Eggers und Tana French. 2012 wurden sie mit dem Albatros-Literaturpreis ausgezeichnet. Sie leben in Düsseldorf.

Kapitel eins


Nathan Bright sah erst nichts und dann alles auf einmal.

Er war die Anhöhe hochgefahren, das Lenkrad fest umklammert, um auf dem holprigen Untergrund nicht die Kontrolle zu verlieren, und oben angekommen, lag plötzlich alles vor ihm. Sichtbar, aber noch immer meilenweit entfernt, was ihm zu viel Zeit ließ, um die Szene, die vor seinen Augen größer und größer wurde, eingehend zu betrachten. Er schielte zum Beifahrersitz hinüber.

«Nicht hinsehen», lag ihm auf der Zunge, aber er verkniff es sich. Es wäre sinnlos gewesen. Der Schauplatz vor ihnen zog den Blick magisch an.

Dennoch stoppte er den Wagen etwas weiter vom Zaun als nötig. Er zog die Handbremse, ließ Motor und Klimaanlage laufen. Beide protestierten mit misstönendem Gekreische gegen die Dezember-Hitze von Queensland.

«Bleib im Wagen», sagte er.

«Aber –»

Nathan knallte die Tür zu, ehe er den Rest hören konnte. Er ging zum Zaun, zog die oberen Drähte auseinander und schlüpfte hindurch, von seinem Grundstück auf das seiner Brüder.

Am Stockman-Grab parkte ein Geländewagen ebenfalls im Leerlauf und wahrscheinlich auch mit auf Hochtouren laufender Klimaanlage. Nathan war gerade ein paar Schritte vom Zaun entfernt, als die Fahrertür aufging und sein Bruder Lee ausstieg. Er war der Nachzügler und wurde deshalb von allen nur «Bub» genannt, eine Art Kosewort für Babys.

«Hi», rief Bub, als Nathan näher kam.

«Hi.»

Sie trafen sich am Grabstein. Nathan wusste, irgendwann würde er nach unten schauen müssen, und er zögerte den Moment hinaus, indem er sich Bub zuwandte.

«Wie lange bist du –» Er hörte Bewegung hinter sich und hob warnend die Hand. «He! Bleib im Wagen, verdammt noch mal!» Er musste schreien, um die Entfernung zu überbrücken, und es kam barscher heraus, als er beabsichtigt hatte. Er versuchte es noch einmal: «Bleib im Wagen.»

Nicht viel besser, aber sein Sohn gehorchte wenigstens.

«Hab ganz vergessen, dass Xander bei dir ist», sagte Bub.

«Ja.» Nathan wartete, bis die Autotür wieder geschlossen war. Er konnte Xanders Silhouette durch die Frontscheibe sehen; mit sechzehn schon mehr Mann als Junge. Er wandte sich wieder seinem Bruder zu. Zumindest dem, der vor ihm stand. Ihr dritter Bruder, der mittlere, lag zu ihren Füßen vor dem Grabstein. Cameron Bright war Gott sei Dank mit einer verblichenen Plane zugedeckt worden.

Nathan versuchte es erneut. «Wie lange bist du schon hier?»

Bub überlegte einen Moment, was er oft tat, ehe er antwortete. Seine Augen unter der Hutkrempe waren leicht verschleiert, und seine Worte kamen einen Tick langsamer heraus als bei den meisten Leuten. «Seit gestern Abend, kurz bevor es dunkel wurde.»

«Kommt Onkel Harry nicht?»

Wieder ein Zögern, dann ein Kopfschütteln.

«Wo ist er? Zu Hause bei Mum?»

«Und Ilse und den Mädchen», sagte Bub. «Er wollte kommen, aber ich hab gesagt, du wärst schon auf dem Weg hierher.»

«Ist wahrscheinlich besser, wenn einer bei Mum ist. Gab’s Probleme?» Endlich blickte Nathan nach unten auf das Bündel zu seinen Füßen. Es hatte unweigerlich Aasfresser angelockt.

«Meinst du Dingos?»

«Ja, Mensch.» Natürlich. Was denn sonst? So viele Möglichkeiten gab’s hier draußen ja nicht.

«Musste ein paar Schüsse abfeuern.» Bub kratzte sich am Schlüsselbein, und Nathan konnte den Rand des westlichen Sterns von dem Kreuz des Südens sehen, das er sich hatte tätowieren lassen. «War aber halb so schlimm.»

«Gut. Okay.» Nathan spürte die übliche Frustration, die er jedes Mal empfand, wenn er mit Bub sprach. Er wünschte, Cameron wäre da, um die Wogen zu glätten, und das jähe Begreifen war wie ein schmerzhafter Stich in die Rippen. Er zwang sich, tief einzuatmen, die Luft heiß in Kehle und Lunge. Das hier war für alle schwer.

Bubs Augen waren rot und sein Gesicht unrasiert und vom Schock gezeichnet, genau wie Nathans vermutlich auch. Sie sahen einander ein bisschen, aber nicht sehr ähnlich. Die Geschwisterbeziehung war deutlicher mit Cameron in der Mitte, der die Kluft in mehrfacher Hinsicht überbrückte. Bub sah müde aus und, wie immer in letzter Zeit, älter, als Nathan ihn in Erinnerung hatte. Sie waren zwölf Jahre auseinander, und Nathan stellte stets eine gewisse Verwunderung bei sich fest, wenn er sich klarmachte, dass sein Bruder auf die dreißig zuging, statt noch in den Windeln zu liegen.

Nathan ging neben der Plane in die Hocke. Sie war ausgebleicht und an einigen Stellen festgesteckt, wie ein Bettlaken.

«Hast du ihn dir angesehen?»

«Nein. Die haben gesagt, ich soll nichts anfassen.»

Nathan glaubte ihm nicht. Es hing mit Bubs Tonfall zusammen oder vielleicht damit, dass die Plane am oberen Ende locker war. Und tatsächlich, als er die Hand ausstreckte, stieß Bub einen heiseren Laut aus.

«Nicht, Nate. Ist kein schöner Anblick.»

Bub hatte nie gut lügen können. Nathan zog die Hand zurück und richtete sich auf. «Was ist mit ihm passiert?»

«Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, was über Funk gesagt wurde.»

«Tja, ich hab da so einiges verpasst.» Nathan schaute Bub nicht direkt an.

Bub trat von einem Bein aufs andere. «Mann, ich dachte, du hast Mum versprochen, das Funkgerät anzulassen.»

Nathan erwiderte nichts, und Bub bohrte nicht nach. Nathan blickte nach hinten über den Zaun zu seinem eigenen Landbesitz. Er konnte Xander sehen, unruhig, auf dem Beifahrersitz. Sie waren die vergangene Woche die südliche Grenze abgefahren, hatten tagsüber gearbeitet, nachts kampiert. Am Tag zuvor hatten sie gerade Feierabend machen wollen, als die Luft plötzlich zu vibrieren begann und ein Hubschrauber über sie hinwegflog. Ein schwarzer Vogel vor dem Indigoblau des sterbenden Tages.

«Wieso fliegt der noch so spät?», hatte Xander gesagt und mit zusammengekniffenen Augen nach oben gespäht. Nathan hatte nicht geantwortet. Nachtflug. Eine gefährliche Entscheidung, die nichts Gutes verhieß. Irgendwas musste passiert sein. Sie hatten das Funkgerät eingeschaltet, doch da war es längst zu spät.

Nathan sah seinen Bruder an. «Hör mal, ich hab genug mitgekriegt. Das heißt aber nicht, dass ich es verstehe.»

Bubs stoppelige Wangenpartie zuckte. Willkommen im Klub. «Ich weiß nicht, was passiert ist», sagte er wieder.

«Schon gut, erzähl mir einfach, was du weißt.»

Nathan versuchte, sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Er hatte am Vorabend, als es dunkel wurde, kurz über Funk mit Bub gesprochen und ihm gesagt, dass er bei Tagesanbruch herkommen würde. Er hatte noch zahllose weitere Fragen gehabt, aber keine davon gestellt. Nicht über eine offene Funkfrequenz, bei der jeder mithören konnte, wenn er wollte.

«Wann ist Cam denn von zu Hause losgefahren?» Er wollte Bub auf die Sprünge helfen, weil der offenbar nicht wusste, wo er anfangen sollte.

«Vorgestern Morgen, meint Harry. Gegen acht.»

«Also Mittwoch.»

«Ja, genau. Ich hab ihn aber nicht gesehen, weil ich selbst am Dienstag losgefahren war.»

«Wohin?»

«Ein paar Wasserlöcher auf der Nordweide kontrollieren. Wir hatten ausgemacht, dass ich da oben kampiere, dann am Mittwoch rüber zum Lehmann’s Hill fahre, um mich mit Cam zu treffen.»

«Wozu?»

«Den Verstärkermast reparieren.»

Also, damit Cam ihn reparierte, dachte Nathan. Bub wäre hauptsächlich dabei gewesen, um Werkzeug anzureichen. Und weil es zu zweit sicherer war. Lehmann’s Hill lag am Westrand der Farm, mit dem Auto vier Stunden von zu Hause entfernt. Wenn der Verstärkermast da draußen defekt war, dann war auch kein Langstreckenfunkkontakt möglich.

«Was ist schiefgelaufen?», fragte Nathan.

Bub blickte auf die Plane. «Ich hab mich verspätet. Wir wollten uns gegen eins treffen, aber ich hatte unterwegs eine Panne. War erst zwei Stunden später am Lehmann’s Hill.»

Nathan wartete.

«Cam war nicht da», fuhr Bub fort. «Ich hab mich gefragt, ob er vielleicht schon wieder abgefahren war, aber der Mast war noch immer kaputt, deshalb hab ich mir gedacht, wahrscheinlich nicht. Hab versucht, ihn anzufunken, aber er hat nicht reagiert. Also hab ich eine Weile gewartet und bin dann Richtung Piste gefahren. Hab gedacht, er würde mir entgegenkommen.»

«Ist er aber nicht.»

«Nee. Ich hab’s immer mal wieder über Funk versucht, aber er hat sich nicht gemeldet.» Bubs Miene verfinsterte sich. «Bin gut eine Stunde gefahren, aber ich hatte es noch immer nicht bis zur Piste geschafft, deshalb musste ich anhalten. Weil’s allmählich dunkel wurde, weißt du?»

Seine Augen unter der Hutkrempe suchten nach Bestätigung, und Nathan nickte.

«Was anderes blieb dir auch nicht übrig.» Das stimmte. Die Nacht draußen am Lehmann’s Hill war ein pechschwarzer Schleier. Wenn man in dieser Finsternis fuhr, war es nur eine Frage der Zeit, bis man gegen einen Felsen krachte oder eine Kuh oder von der Straße abkam. Und dann hätte Nathan zwei Brüder unter einer Plane vor sich liegen gehabt.

«Aber du hast angefangen, dir Sorgen zu machen?», fragte Nathan, obwohl er sich die Antwort denken konnte.

Bub zuckte mit den Achseln. «Ja und nein. Du weißt ja, wie das ist.»

«Ja.» Nathan wusste es. Sie lebten in mancherlei Hinsicht in einem Land der Extreme. Den Leuten ging es entweder rundum gut oder äußerst schlecht. Dazwischen gab es wenig. Und Cam war kein Tourist. Er kannte sich aus, und das hieß, dass er vielleicht nur noch eine halbe Stunde entfernt war, von der Dunkelheit aufgehalten und außer Reichweite, aber behaglich in seinem...

Erscheint lt. Verlag 23.7.2019
Übersetzer Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Australien • Familiendrama • Familiendynamik • Krimi • Kriminalroman • Leseempfehlung • Naturbeschreibung • Outback • spannende Bücher • Spannung • SPIEGEL Empfehlung • Thriller • Thriller Neuerscheinungen 2021
ISBN-10 3-644-00369-6 / 3644003696
ISBN-13 978-3-644-00369-9 / 9783644003699
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