Das Erbe der Altendiecks (eBook)

Eine Uhrmacher-Saga
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
640 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40585-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Erbe der Altendiecks -  Hendrik Lambertus
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Die Geschichte einer Familie. Die Chronik einer Stadt. Das Bild einer Epoche. Bremen im 18. Jahrhundert: Die Altendiecks sind eine der angesehensten Handwerksfamilien der Stadt. In ihrer Werkstatt entstehen kunstvolle Uhren für Ratsherren, Kaufleute und Seekapitäne. Doch nicht einmal Uhrmacher können den Lauf der Zeit aufhalten - oder die Katastrophen, die sie mit sich bringt. Johann Altendieck wird die Familie beinahe in den Abgrund stürzen, seine Tochter Gesche wird grausame Entscheidungen treffen müssen, sein Enkel Nicolaus wird einen Krieg erleben, der den ganzen Kontinent zerreißt. In diesen dunklen Zeiten können sie nur eins tun: sich an dem festhalten, was bleibt. Liebe. Hoffnung. Und die Familie. Ein beeindruckender historischer Roman, der fast hundert Jahre Geschichte einer norddeutschen Uhrmacher-Dynastie erzählt.

Dr. Hendrik Lambertus wurde 1979 geboren und studierte in Tübingen Skandinavistik, ältere Germanistik und Indologie, anschließend promovierte er mit einer Arbeit über die spätmittelalterliche Literatur Islands. Noch heute beschäftigt er sich im Zuge seiner wissenschaftlichen Lehrtätigkeit mit alten Texten aus verschiedenen Kulturräumen, was ihm ebenso als Inspiration für sein eigenes Schreiben dient. Seit 2011 betreibt er als freiberuflicher Schreibcoach die Schreibwerkstatt 'Satzweberei' und veröffentlicht Bücher in unterschiedlichen Genres. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Bremen. 

Dr. Hendrik Lambertus wurde 1979 geboren und studierte in Tübingen Skandinavistik, ältere Germanistik und Indologie, anschließend promovierte er mit einer Arbeit über die spätmittelalterliche Literatur Islands. Noch heute beschäftigt er sich im Zuge seiner wissenschaftlichen Lehrtätigkeit mit alten Texten aus verschiedenen Kulturräumen, was ihm ebenso als Inspiration für sein eigenes Schreiben dient. Seit 2011 betreibt er als freiberuflicher Schreibcoach die Schreibwerkstatt "Satzweberei" und veröffentlicht Bücher in unterschiedlichen Genres. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Bremen. 

Zweites Kapitel


«Was wollte denn nun der Ratsdiener, Vater?»

Sein Sohn Friedrich sah ihn nicht an, als er diese Frage stellte. Stattdessen ordnete er Kornzangen, Schraubenzieher und andere Werkzeuge auf dem Arbeitstisch, an dem Johann Christian Altendieck saß. Das war nicht wirklich nötig, denn die Werkstatt im hinteren Teil des Altendieck’schen Hauses nahe der Ansgarii-Kirche zu Bremen war stets in guter Ordnung. Doch Friedrichs Finger kannten keine Ruhe und brauchten immer eine Beschäftigung.

Die Werkstatt war ein kleiner Raum, dessen Sprossenfenster auf den Hinterhof schauten. Hier gab es einen winzigen Garten, in dem vor allem Braunkohl gezogen wurde. Das heimliche Gemach stand gleich daneben – der Holzschuppen, der als Abort diente.

In den großen Arbeitstisch unter dem Fenster waren zahllose schmale Schubladen eingelassen, an der Wand darüber hingen Werkzeuge bereit. Johann betrachtete sie nachdenklich und ließ sich mit der Antwort Zeit. Er wusste, dass seinem Sohn die Neuigkeit gefallen würde. Und ebendas bereitete ihm Sorge.

«Es ging um einen Auftrag», sagte er schließlich vage.

Friedrich ließ die Räumerei sein und wandte sich ihm ganz zu. Er war kräftig, stämmig und strohblond, mit den typischen rauchgrauen Altendieck-Augen. Johann erkannte sich in ihm wieder, eine breitschultrige Version seiner selbst – wenn da nicht diese Spannung in Friedrichs Körper gewesen wäre, wie eine aufgezogene Spiralfeder, die ungeduldig darauf wartete, ihre Kraft freizusetzen. Ein Erbe Magdalenas, seiner lebensvollen Mutter.

Man hätte leicht daran zweifeln können, dass Friedrich mit dieser Spannung die Ruhe eines guten Uhrmachers aufbrachte. Doch der Zweifel verflog, wenn man Johanns Sohn arbeiten sah. Er beherrschte die Kunst, seinen Tatendrang in kleine, präzise Bewegungen umzuwandeln, die frei waren von jedem Ungestüm.

«Ein Auftrag vom Rat?», hakte er nach und spielte mit einer Zange.

«Nein, nicht ganz», gab Johann zurück. «Nur die Aussicht auf einen Auftrag. Wir sind nicht die einzigen, mit denen die Ratsdiener sprechen. Es wäre vermessen, darauf zu hoffen.»

Friedrich ging zwei kurze, ärgerliche Schritte auf und ab. Die Werkstatt war nicht groß, doch für Johann war sie immer ausreichend gewesen. Friedrichs Gebärden hingegen schienen stets mehr Raum zu brauchen, als das kleine Zimmer bieten konnte.

«Worum geht es denn jetzt genau? Was für ein Auftrag, Vater?» Er bemühte sich vergeblich, nicht zu trotzig zu klingen. So liefen ihre Gespräche oft ab. Friedrich preschte unbeirrt voran, und Johann war die Hemmung, die verhinderte, dass die Kraft seiner Feder ungebremst freigesetzt wurde. Gegen seinen Willen stahl sich ein müdes Lächeln auf seine Lippen. Johanns Lächeln war immer müde, seit seine Frau Magdalena nicht mehr da war.

«Sie wollen eine neue Uhr», sagte er langsam. «Für die obere Rathaushalle, wo die hohen Herren tagen. Eine Uhr, die dem Ansehen unserer ehrwürdigen freien Reichsstadt angemessen ist, hat der Ratsdiener gesagt. Du kannst dir denken, dass sie keine nette, kleine Kaminuhr meinen … Mit etwas anderem als einem Meisterwerk gibt sich der Rat nicht zufrieden. Darum haben sie auch 425 Taler dafür ausgelobt.»

«425 Taler?», wiederholte Friedrich, und seine grauen Augen blitzten. Dann fixierte er Johann misstrauisch. «Aber irgendetwas verschweigst du doch, Vater!»

Johann seufzte. Friedrich konnte manchmal so zielsicher nachbohren wie Magdalena. Wenn auch nicht ganz so unnachgiebig wie die kleine Gesche …

«Es geht nicht nur um das Geld, das der Rat für die neue Uhr ausgeschrieben hat», erklärte Johann. «Als wenn das nicht schon für sich ein schöner Lohn wäre … Sie verbinden auch den Posten des Ratsuhrmachers damit! Seit der alte Fidelius im letzten Winter gestorben ist, wurde die Stelle noch nicht wieder besetzt. Nun geben sie den Posten demjenigen, der ihnen ihre Wunderuhr baut.»

«Ratsuhrmacher!» Friedrich rief das Wort wie einen Schlachtruf. «Das ist doch großartig, Vater! Du würdest alle Uhren des Rates pflegen und warten – Aufträge, die praktisch von selbst kommen. Und denk nur mal an die Kaufmannsfrauen, die es gewiss besonders vornehm finden, wenn ihre Stubenuhr direkt vom Ratsuhrmacher der freien Reichsstadt Bremen stammt! Wahrscheinlich müssten wir noch einen Gesellen ins Haus nehmen …»

«Friedrich», sagte Johann streng und lächelte nicht mehr. «Nun werd’ nicht gleich hoffärtig. Noch hat uns niemand zum Ratsuhrmacher gemacht. Wir sind nicht die einzigen, denen sie den Bau ihrer Uhr antragen. Wahrscheinlich wird einer der alteingesessenen Meister den Auftrag bekommen, vielleicht sogar der Greven. Ich werde jedenfalls ablehnen.»

Friedrichs Zange fiel klappernd auf den Arbeitstisch. Seine innere Feder hatte all ihre Spannung auf einmal verloren.

«Du wirst was?», fragte er ungläubig.

«Ablehnen», erwiderte Johann, in dem langsam Ärger aufstieg. «Du weißt doch, dass manch andere Uhrmacher die Altendiecks immer noch als Kleinschmiede sehen, die zu hoch hinauswollen. Da werde ich uns nicht den Spott ins Haus holen, indem ich mich um eine Stellung beim Rat bemühe.»

«Aber was könnten wir denn verlieren?», fragte Friedrich ehrlich verständnislos.

Johann atmete tief durch. Sein Sohn war nicht ungehorsam. In seinem Tatendrang verstand Friedrich wirklich nicht, dass man nicht jede sich bietende Gelegenheit bedenkenlos ergriff.

«Stell dir mal vor, dass wir durch Gottes Fügung den Auftrag des Rates wirklich bekämen», erklärte er um Geduld bemüht. «Es dauert mindestens zwei Jahre, so eine Uhr zu bauen, eher drei. Wir müssten andere Aufträge ablehnen, hätten nur noch Raum für diese eine, große Arbeit. Unser ganzer Ruf hinge davon ab, ob die hohen Herren damit zufrieden sind. Der Deibel hat schon mehr als einem närrischen Spieler das Genick gebrochen, der Haus und Hof auf einen Würfelwurf gesetzt hat.»

«Aber Vater …»

«Friedrich!» Es kam nicht oft vor, dass Johann in diesem Tonfall sprach. Sein Sohn verstummte sofort – mehr aus Überraschung denn aus Respekt. Johann rieb sich die Schläfen. Er hasste es, laut zu werden. Die Menschen schrien ihre Überzeugungen dann am lautesten heraus, wenn sie innerlich am unsichersten waren.

Für einen Moment herrschte peinliches Schweigen in der Werkstatt. Es wurde von einer leisen, kratzigen Stimme durchbrochen: «Kairos. Denk an Kairos.»

Johann vergaß zuweilen, dass sein Vater Nicolaus da war. Der alte Mann konnte stundenlang stillsitzen und vor sich hin brüten, wie ein Möbelstück. Und es war praktisch nicht zu erkennen, ob er darüber eingeschlafen oder hellwach war. Andere Greise wärmten ihre Knochen auf der Bank hinter dem Ofen. Nicolaus Altendieck zog es jedoch vor, unbequem in einer Ecke jener Werkstatt zu hocken, die er einst aufgebaut hatte, bevor seine Finger zu steif für die Arbeit mit den feinen Rädchen geworden waren.

«Kairos?», fragte Friedrich mit gerunzelter Stirn. «Was meinst du damit, Großvater?»

Nicolaus räusperte sich geräuschvoll. «Hat dein Vater dich nicht in die Sögestraße zur Lateinschule geschickt, damit man sich um deine Bildung kümmert, Junge?», fragte er, und ein schiefes Lächeln teilte sein faltiges Gesicht. «Kairos nannten die alten Griechen die günstige Gelegenheit! Er war ein Knabe mit einem dicken Haarschopf auf der Stirn und am Hinterkopf noch kahler als meine Glatze.» Er kicherte. «Wer Kairos fangen wollte, musste ihn vorne am Schopf packen, solange er noch angerannt kam. Zögerte man zu lange, lief er vorbei, und hinten gab es nichts mehr, um ihn festzuhalten. Dann konnte man ihm höchstens hinterherwinken, ehe man sich wieder um sein täglich Mühsal kümmern musste.»

Johann verlagerte unbehaglich sein Gewicht auf dem Stuhl. Solche Geschichten standen in den Büchern, die sein Vater sich von Gesche vorlesen ließ, seit seine Augen verschleiert waren.

«Kairos …», murmelte Friedrich und schaute Johann bedeutungsvoll an. Dieser schwieg ungnädig.

Nicolaus Altendieck hatte damals zugepackt und den rennenden Knaben am Haar erwischt, auf seinen Reisen, zu einer anderen Zeit in einem fremden Land. Sonst wären die Altendiecks heute keine Uhrmacher in einer der stolzesten Städte des Nordens. Johann hingegen …

Plötzlich tauchte Gesche wie aus dem Nichts auf. Sie trug ihr beigefarbenes Schürzenkleid, ihre Haube war nachlässig verrutscht. «Und? Wirst du es tun, Vater? Wirst du, Vater? Wirst …»

Sie zog am Ärmel seines Hemdes, während sie ihn mit überschlagender Stimme bedrängte. Johann fiel einmal mehr auf, wie groß sie inzwischen war und wie ähnlich sie ihrer Mutter mit dem hageren Körperbau und dem dunkelblonden Haar sah.

Friedrich und Nicolaus wirkten genauso überrascht wie er. Keiner von ihnen hatte bemerkt, wie das Mädchen in die Werkstatt gekommen war. Da sah Johann, dass die Tür zur Diele einen Spaltbreit offen stand. Dahinter war eine Gestalt im Halbdunkel zu erkennen. Clara, seine große, vernünftige Clara. Sie schaute ziemlich betreten drein, als sie nun zögerlich die Tür öffnete. Offenbar hatte sie sich nicht verkneifen können, zusammen mit ihrer kleinen Schwester zu lauschen.

«Nun komm halt auch noch rein», brummte er ihr zu. Johann zweifelte keinen Moment daran, dass das Lauschen Gesches Idee gewesen war. Und es überraschte ihn nicht, dass sie schließlich hereingestürmt war, um ihre Meinung kundzutun. Ihr Wille war schon immer stärker ausgeprägt gewesen als ihre guten Manieren. Sie war nun mal die Tochter ihrer Mutter. Auch wenn sie Magdalena in den zwei kurzen...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2020
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Carmen Korn • Charlotte Link • Clifton Saga • Daniel Wolf • Historische Romane • Jeffrey Archer • Ken Follett • Neuerscheinungen • Neuheiten • Saga • Ulrike Schweikert
ISBN-10 3-644-40585-9 / 3644405859
ISBN-13 978-3-644-40585-1 / 9783644405851
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