Der Passagier der Polarlys (eBook)

Die großen Romane
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
192 Seiten
Hoffmann und Campe Verlag
978-3-455-00632-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Passagier der Polarlys -  Georges Simenon
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Schon bevor die Polarlys den in frostigen Nebel getauchten Hamburger Hafen Richtung Norwegen verlässt, beschleicht Kapitän Petersen ein ungutes Gefühl. Er spürt etwas, was die Seemänner den »bösen Blick« nennen, und ahnt, dass diese Fahrt keine gewöhnliche wird. Auch der inkompetente, ihm von seinem Arbeitgeber als Dritter Offizier zugeteilte junge Niederländer gefällt ihm nicht. Noch weniger der gerade aus dem Gefängnis entlassene Rumtreiber, den der Maschinist als Ersatz für den erkrankten Heizer an Bord genommen hat. Tatsächlich lässt das Unheil nicht lange auf sich warten, denn schon einen Tag nach Lichten des Ankers wird an Bord einer der fünf Passagiere, der Polizeirat Sternberg, ermordet aufgefunden - und an Verdächtigen mangelt es nicht ...

Georges Simenon, geboren am 13. Februar 1903 im belgischen Lüttich, gestorben am 4. September 1989 in Lausanne, gilt als der »meistgelesene, meistübersetzte, meistverfilmte, in einem Wort: der erfolgreichste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts« (Die Zeit). Seine erstaunliche literarische Produktivität (75 Maigret-Romane, 117 weitere Romane und mehr als 150 Erzählungen), viele Ortswechsel und unzählige Frauen bestimmten sein Leben. Rastlos bereiste er die Welt, immer auf der Suche nach dem, »was bei allen Menschen gleich ist«. Das macht seine Bücher bis heute so zeitlos.

Georges Simenon, geboren am 13. Februar 1903 im belgischen Lüttich, gestorben am 4. September 1989 in Lausanne, gilt als der »meistgelesene, meistübersetzte, meistverfilmte, in einem Wort: der erfolgreichste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts« (Die Zeit). Seine erstaunliche literarische Produktivität (75 Maigret-Romane, 117 weitere Romane und mehr als 150 Erzählungen), viele Ortswechsel und unzählige Frauen bestimmten sein Leben. Rastlos bereiste er die Welt, immer auf der Suche nach dem, »was bei allen Menschen gleich ist«. Das macht seine Bücher bis heute so zeitlos.

Cover
Titelseite
1 Der Böse Blick
2 Der sonderbare Passagier
3 Die Tote aus der Rue Delambre
4 Die beiden Tickets
5 Cornelius Vriens
6 Katias Geburtstag
7 Der Tag der Brieftaschen
8 Katias Vermögen
9 Sternbergs Neffe
10 Tromsø
11 Die Nacht in Hamburg
12 Else Silberman
Nachwort – Der Menschenkenner
Über Georges Simenon
Impressum

1 Der Böse Blick


Er ist eine Krankheit, von der Schiffe in sämtlichen Weltmeeren befallen werden, und die Ursachen liegen im weiten Feld des sogenannten Zufalls.

Bisweilen sind die ersten Symptome gutartig, sodass sie der Aufmerksamkeit des Seemanns entgehen. Da zerspringt zum Beispiel grundlos ein Halteseil wie eine Violinsaite und reißt einen Ausguckträger ab. Oder der Schiffsjunge schneidet sich beim Kartoffelschälen in den Daumen, und am nächsten Tag hat er Nagelumlauf und schreit vor Schmerzen.

Es kann auch mit einem missglückten Manöver losgehen, oder ein unachtsames Boot läuft auf den Vorsteven auf.

Aber das ist noch nicht der Böse Blick. Der setzt eine Serie voraus, die selten ausbleibt. Die nächste Nacht oder der nächste Tag bringt fast immer einen neuen Schaden.

Von da an kommt eines zum anderen, und die Männer können sich nur noch ducken, die Zähne zusammenbeißen und die Schläge zählen. Natürlich wird sich die Maschine gerade jetzt verabschieden wie eine alte Kaffeemühle, nachdem sie dreißig Jahre lang ohne Panne gelaufen ist.

Trotz aller Erfahrungswerte, genauester Aufzeichnungen und Wetterkarten halten sich die Winde unter Umständen drei Wochen lang in einem Gebiet, in dem sich um diese Jahreszeit eigentlich kein Lüftchen regen dürfte.

Und dann … Der erste Brecher wird einen Mann über Bord spülen, und die Mannschaft bekommt Ruhr, wenn nicht gar die Pest.

Dabei kann man noch von Glück sagen, wenn man nicht auf eine Sandbank aufläuft, die vorher hundert Mal glücklich umschifft wurde, oder wenn man bei der Einfahrt in den Hafen nicht die Mole rammt.

 

Die Polarlys hatte am Kai 17 festgemacht, in einem der abgelegensten und schmutzigsten Hamburger Hafenbecken. Sie sollte um drei Uhr nachmittags auslaufen, wie auf der Anzeigentafel am Briefkasten der Gangway vermerkt war.

Es war noch vor zwei, als Kapitän Petersen das undeutliche Gefühl hatte, der Böse Blick gehe um.

Dabei stand Petersen mit beiden Beinen auf der Erde – ein kleiner, energischer und robuster Mann. Seit neun Uhr morgens ging er auf Deck auf und ab und überwachte das Stauen der Ladung.

Über dem Hafen lag ein eigentümlich gelblich grauer und schmieriger Nebel, der eisige Feuchtigkeit ausspie, und durch die Schwaden konnte man nur selten einen Blick auf die Lichter der Straßenbahnen und die erleuchteten Fenster erhaschen.

Es war Ende Februar. Wegen der Kälte hinterließen die Nebelschwaden, in denen die Männer hantierten, eine Art eisigen Film auf Gesicht und Händen.

Die Sirenen heulten alle gleichzeitig, und ihr hässliches heiseres Tuten übertönte das Quietschen der Kräne.

Das Deck der Polarlys war fast ausgestorben: Da waren nur vier Mann oberhalb des vorderen Laderaums, die damit beschäftigt waren, die Flaschenzüge zu bedienen und Kisten und Fässer zum Aushaken nach unten zu dirigieren.

Hatte Petersen bei der Ankunft von Vriens, so gegen zehn, eine Vorahnung des Bösen Blicks bekommen?

Das Schiff machte nicht viel her. Es war ein Dampfschiff von etwa tausend Tonnen, das nach Kabeljau stank, und auf Deck stand ständig Frachtgut herum. Es verkehrte regelmäßig zwischen Hamburg und Kirkenes, immer der norwegischen Küste entlang, wobei es auch die unbedeutendsten Häfen anlief.

Die Polarlys war ein kombiniertes Fracht- und Passagierschiff. Sie bot Platz für mindestens fünfzig Personen in der ersten Klasse und noch einmal so viele im Zwischendeck. Sie beförderte Maschinen, Obst und Pökelfleisch nach Norwegen und kehrte mit Tonnen über Tonnen von Kabeljau zurück, sowie Bärenfellen und Robbentran aus dem hohen Norden.

Bis zu den Lofoten waren mehr oder weniger normale Wetterverhältnisse zu erwarten. Danach jedoch war man plötzlich im Bereich des Eises, und es stand eine fast dreimonatige Nacht bevor.

Die Offiziere waren Norweger. Tüchtige Jungs, die von vornherein wussten, wie viel Fässer bei Olsen und Cie. in Tromsø an Bord kamen und für wen die in Hamburg geladenen Werkzeugmaschinen bestimmt waren.

Noch am selben Morgen hatte Petersen den letzten Armeistreifen, der nur noch an einem Faden hing, von seiner Uniform abgerissen.

Und da schickte ihm die Reederei, mit ellenlangen Empfehlungen versehen, einen neunzehnjährigen Holländer! Ein schmales und mageres Bürschchen, das wie sechzehn wirkte.

Er hatte diese Woche erst die Marineschule in Delfzijl beendet. Gestern Abend hatte er sich vorgestellt – blass, aufgekratzt, in einer grauenvoll korrekten Uniform, und hatte vor Petersen strammgestanden: »Zu Diensten, Herr Kapitän!«

»Im Augenblick«, hatte Petersen gesagt, »brauche ich Ihre Dienste nicht, Herr Vriens. Sie haben bis morgen frei. Als Dritter Offizier werden Sie sich um das Einschiffen der Passagiere kümmern.«

Vriens war fortgegangen und die ganze Nacht weggeblieben. Um zehn Uhr morgens sah ihn der Kapitän schwankend einem Taxi entsteigen mit einem Gesicht wie Braunbier und Spucke, verquollenen Lidern und ängstlichem Blick. Als er das Deck überquerte, konnte er gerade noch ein Taumeln vermeiden.

Petersen wandte sich ab; er hörte, wie Vriens hinter ihn trat, grüßend die Hacken zusammenschlug und sich dann zu seiner Kabine wandte.

»Dem ist hundeelend«, hatte der Steward ihm später berichtet. »Einen Kaffee hat er verlangt, aber einen ganz starken … Er liegt stocksteif auf seinem Bett und bringt kaum einen ordentlichen Satz zusammen. Wenn man dem ein Streichholz vor den Mund hält, fängt sein Atem Feuer!«

Natürlich, eine Katastrophe war das nicht … Aber wenn man es nun mal gewohnt ist, mit seinen Offizieren vertrauten Umgang zu pflegen, ist man nicht begeistert, einen solchen Burschen auftauchen zu sehen – noch dazu, wenn einem von der Reederei schriftlich nahegelegt wurde, ihm den Anfang leicht zu machen.

Mit neunzehn hatte er, Petersen, zwar keine Ausbildung auf der Marineschule beendet, war dafür aber schon dreimal um die Welt gefahren!

 

Er hätte es schon vorher sagen können. Die Serie begann. Während er, die Hände in den Taschen, die Pfeife im Mundwinkel, einen Rundgang über das Schiff machte, fiel sein Blick auf einen rothaarigen Menschen, der an der Reling lehnte und sich eine Zigarette drehte. Der Mann grüßte ihn knapp mit einem unbestimmten Kopfnicken, während er in den Taschen nach Streichhölzern kramte.

Einer von diesen Typen, wie sie überall in den Häfen herumlungern, ganz klar. Offenbar ein Tramper aus nördlicheren Breiten, irgendwie schon von weitem zu erkennen. Noch keine vierzig, der Mann – groß, kräftig und von gesundem Aussehen trotz der etwas eingefallenen Wangen und des acht Tage alten Barts.

Er fühlte sich schon ganz zu Hause … Er rauchte in kurzen Zügen, und seine Brust hob und senkte sich unter dem alten Uniformhemd, an das er andere Knöpfe angenäht hatte.

»Was machst du hier?«

Der Mann wies mit dem Kinn auf den Leitenden Ingenieur, der gerade das Deck überquerte.

»Hans hat vorhin seinen Malariaanfall bekommen«, erklärte er dem Kapitän. »Ich muss ihn an Land zurücklassen. Und als der Mann da am Kai stand, habe ich ihn als Kohlentrimmer angeheuert. Er ist robust und …«

»Hat er Papiere?«

»Seine Papiere sind in Ordnung. Er ist grade aus dem Kölner Gefängnis entlassen …« Und er entfernte sich lachend.

»Von mir aus«, brummte Petersen vor sich hin. Es war ihm völlig egal, ob er einen Kohlentrimmer hatte, der gerade aus dem Knast kam. Kohlentrimmer muss man nehmen, wie sie kommen … Aber dieser Mensch war ihm von Kopf bis Fuß unsympathisch. Während Petersen weiter auf und ab ging, beobachtete er den anderen verstohlen.

Die meisten deutschen Tramper haben dieses selbstbewusste Auftreten; Bescheidenheit oder gar Scham sucht man bei ihnen vergeblich. Und der hier hatte obendrein noch etwas Ironisches im Blick.

Er merkte, dass Petersen ihn beobachtete. Er rauchte weiter, ab und zu klebte er mit Spucke das aufgeweichte Papier seiner Zigarette fest und betrachtete den Rauch, der sich im Nebel verlor.

»Wie heißt du?«

»Peter Krull …«

»Und was hast du gemacht, dass du gesessen hast?«

»Das letzte Mal gar nichts! Das war ein Justizirrtum.« Er sprach gelassen, mit etwas schleppender Stimme, und der Kapitän beließ es dabei.

Im Übrigen riss im gleichen Augenblick ein Seil, und ein in einer riesigen Kiste steckender Traktor fiel aus sechs Metern Höhe in den Laderaum hinunter.

Der erste Passagier tauchte auf, aber Petersen sah von ihm nur einen grauen Mantel und einen grünen Koffer.

»Wo ist Vriens?«, fragte er den Steward. »Ich hoffe, ich muss mich nicht auch noch um das Einschiffen kümmern!«

»Er sitzt vor seinen Listen im Salon.«

Es stimmte, Vriens hatte sicherlich einen Brummschädel und einen verdorbenen Magen, aber er war auf seinem Posten. Er empfing den Passagier, notierte die Angaben in seinem Pass und wies ihm eine Kabine zu.

In den beiden letzten Stunden vor dem Auslaufen ging es wie immer drunter und drüber. Die Laster mit der Fracht trafen zu spät ein; die Kräne schafften es nicht schneller.

»Dann eben nicht! Was nicht rechtzeitig geladen ist, bleibt zurück!« Die übliche Drohung, die auf niemand mehr Eindruck machte.

Ein weiblicher Passagier, gefolgt von einem Träger, kam an Bord. Die Polizei diskutierte mit Vriens, der bei den Formularen eine Spalte auszufüllen vergessen hatte.

Beim ersten Glockenschlag war der Weg vor der Polarlys frei. Als sie fünf Minuten...

Erscheint lt. Verlag 29.10.2019
Reihe/Serie Die großen Romane
Übersetzer Stefanie Weiss
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Elbe • Ermordet • Flucht nach dem Nordkap • Hamburg • Krimi • Kriminalromane • Leiche • Mord • Norwegen • Polizei • Psychothriller • Schiff • Simenon Georges • Spannungsroman • Unterhaltungsliteratur • Verbrecher
ISBN-10 3-455-00632-9 / 3455006329
ISBN-13 978-3-455-00632-2 / 9783455006322
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