Das Leuchten über dem Gipfel (eBook)

Ein Fall für Commissario Grauner
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
272 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31975-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Leuchten über dem Gipfel -  Lenz Koppelstätter
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Verhängnisvolle Sommerfrische in Südtirol. Kauzige Gustav-Mahler-Liebhaber, verrückte Fußballfans und misstrauische Dorfbewohner: In seinem fünften Fall ermittelt das beliebte Südtiroler Duo im Pustertal. Ein Anruf stört die sommerliche Ruhe in der Bozner Questura. Ispettore Saltapepe, der gerade in Toblach Urlaub macht, bittet Commissario Grauner um Hilfe: In dem Ort, in dem im Juli immer der SSC Neapel trainiert, sei ein junger Spieler verschwunden. Nichts findet der Commissario langweiliger als Fußball. Er interessiert sich für Kühe. Und für klassische Musik - da passt es gut, dass im Pustertal gerade die alljährlichen Gustav-Mahler-Musikwochen stattfinden. Dort angekommen, landet er unversehens auf einer feucht-fröhlichen Hotelzimmerparty der Napoli-Spieler, die nicht nur Gutes über den Vermissten zu erzählen haben. Als im Kofferraum eines abgestellten Wagens eine grausige Entdeckung gemacht wird und das gesamte Dorf einen Hirtenjungen sucht, ahnen die Ermittler: Hier spielt niemand nach den Regeln.

Lenz Koppelstätter, Jahrgang 1982, ist in Südtirol geboren und aufgewachsen. Er arbeitet als Medienentwickler und als Reporter für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Salon. 2015 startete bei Kiepenheuer & Witsch die Krimireihe um den Südtiroler Commissario Grauner, die ein großer Erfolg bei Leser:innen und Presse ist.

Lenz Koppelstätter, Jahrgang 1982, ist in Südtirol geboren und aufgewachsen. Er arbeitet als Medienentwickler und als Reporter für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Salon. 2015 startete bei Kiepenheuer & Witsch die Krimireihe um den Südtiroler Commissario Grauner, die ein großer Erfolg bei Leser:innen und Presse ist.

2


Er versuchte, Alba zu erreichen. Sie ging nicht ran. Dann folgte er einem Bächlein am Waldrand, das vom Campingplatz zum Sportplatz führte, von dort wollte er weiter hinauf zum Dorfkern laufen, wo sein Panda stand. Gedankenversunken, die Ruhe genießend, die Campingplatzgeräusche hinter sich lassend. Er versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Die morgendliche Die-Welt-kann-mich-mal-Stimmung, die ihn alltäglich befiel, zu verdrängen.

Aber es gelang ihm nicht. Wäre Saltapepe verprügelt worden, einfach nur verprügelt, hätte er sich keine Sorgen gemacht. Früher hatte man sich auf jedem Feuerwehrfest geprügelt. Das gehörte einfach dazu. War aber ein Messer im Spiel, war das etwas anderes. Was steckte dahinter? Die Frage ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht hatte der Angriff gar nicht dem Ispettore gegolten. Vielleicht hatte es sich um eine Verwechslung gehandelt. Es gab so viele Möglichkeiten. Er wusch sich das Gesicht am Bach, trank einen Schluck aus der hohlen Hand. Wie gut das tat.

Ein Spieler war verschwunden. Vielleicht war er auch einfach nur abgehauen. Gottchen, das waren junge Buben, voller Übermut, voller Testosteron. Wahrscheinlich hatte er keine Lust auf das Trainingslager, auf ein idyllisches Dorfdasein im oberen Pustertal, wahrscheinlich vergnügte er sich irgendwo, wo mehr los war.

»Nicht mein Problem«, murmelte der Commissario, als er den Panda erreichte. Er ging nicht davon aus, dass die beiden Vorkommnisse zusammenhingen. Die Männer in der Bar gestern hatten noch von einem jungen Ziegenhirten gesprochen, der ebenfalls verschwunden war.

»Auch nicht mein Problem«, sagte er laut, als er den Motor startete. »Bin ja nicht bei der Bergrettung.« Er fuhr vom Parkplatz und folgte den Schildern in Richtung Süden.

 

Das einstige Grand Hotel lag im Schatten der Berge, hinter einer kleinen Parkanlage am Dorfrand. Früher beherbergte es den internationalen Jetset der vorletzten Jahrhundertwende, nun befand sich in einem Teil eine Schule und in einem anderen ein Gästehaus sowie ein Konzertsaal.

Grauner spazierte zum Eingang. Kein Mensch war zu sehen. Neben der großen Tür des Konzertsaals war ein Fenster, darüber hing ein Schild: Kasse – Vorverkauf. Er trat näher. Geöffnet: 10–12 und 16–18 Uhr, stand auf einem Zettel. Er schaute auf die Uhr. Der Zeiger rutschte auf drei Minuten vor zehn. Er klopfte gegen die Scheibe, hinter der ein geschlossener beiger Vorhang hing. Nichts. Erneutes Klopfen.

»Hallo, ist da wer?«

Der Vorhang bewegte sich leicht.

»Hallo Sie? Ich würde gerne …«

Ein bärtiger Mann um die vierzig, Doppelkinn, dünnes, langes Haar, das ihm über die verschmierte Brille hing, kam zum Vorschein. Neben ihm leuchtete ein Bildschirm, er hielt eine dampfende Teetasse in der Hand.

»Wir machen erst um zehn auf«, sagte der Mann, nachdem er die Scheibe einen Spaltbreit geöffnet hatte, ohne den Commissario anzuschauen.

Grauner kontrollierte erneut die Uhr. Der Zeiger rückte auf zwei Minuten vor zehn.

Er spürte, wie sein Gesicht rot anlief. Vor Zorn.

»Hören Sie, ich möchte gerne zwei Karten für heute Abend kaufen.«

Der Mann nahm langsam einen Schluck Tee und starrte auf den Bildschirm. Kurz überlegte der Commissario, fest gegen die Scheibe zu schlagen. Er war nicht gewalttätig, doch wenn ein Mensch seine Macht demonstrierte, sie nutzte, um andere zu erniedrigen, und bestand diese Macht auch nur darin, den anderen warten lassen zu können, dann überkamen ihn Gewaltfantasien.

Er biss sich auf die Lippen, ballte die Fäuste so fest, dass die Knöchel knackten. Er kontrollierte ein weiteres Mal die Uhr. Wartete. Endlich schob sich der Zeiger auf die Zwölf. Der Mann starrte immer noch auf den Bildschirm, Grauner konnte nicht genau erkennen, welches Programm er bediente. Er tippte Zahlen in verschiedene Fächer ein, daneben standen Prozentzeichen. Gelb-schwarzer Hintergrund. Grauner tippte auf Online-Börsenhandel. Er wusste, dass einige Menschen damit nebenbei Geld verdienten. Er selbst hatte sich das nie getraut. Es nie gewollt. Das hätte sein Leben hoffnungslos verkompliziert. Nichts war ihm so viel wert wie die Unkompliziertheit des Lebens.

Neben dem Computer lag ein Schneidebrett, Käse und Speck darauf.

»Grüß Gott. Ja, bitte, was darf ich für Sie tun?«, der Mann hatte sich nun zu ihm hingedreht, das Fenster ganz geöffnet, er lächelte freundlich.

Erneut unterdrückte der Commissario seine Zerstörungswut. Er entschied, die falsche Freundlichkeit des anderen noch zu überbieten. Er wusste, im Zweifel schmerzte das mehr.

»Grüß Gott. Wie ich vorhin sagte, ich möchte gerne zwei Karten für das Mahler-Konzert heute Abend kaufen.«

»Welche Kategorie?«

»Nix Teures.«

»Die günstigste Kategorie kostet elf Euro pro Karte.«

»Gut, dann nehme ich zwei.«

»Ist leider ausverkauft.«

Grauner fixierte den Mann mit zusammengekniffenen Lidern.

»Dann die zweitgünstigste Kategorie.«

»Kostet siebzehn Euro.«

»Gut …«

»Ist aber auch ausverkauft.«

Grauner fletschte die Zähne.

»In welcher Preiskategorie gibt es denn noch Karten?«

Der Mann setzte ein gespielt trauriges Gesicht auf. »Mein Herr, es tut mir leid, für heute Abend sind leider alle Plätze ausverkauft. Für morgen auch. Es sind alle Konzerte an allen Tagen ausverkauft. Ich bin nur hier, damit Menschen, denen Mahler so wichtig ist, dass sie bereits vorab Karten bestellt haben, diese abholen können.« Er lehnte sich zur Seite. »Der Nächste bitte.«

Der Commissario drehte sich um, er hatte gar nicht bemerkt, dass sich hinter ihm eine Schlange gebildet hatte. Er hatte nur selten Mordfantasien. Vielleicht zwei-, dreimal im Jahr. Er kannte das Böse im Menschen, es war sein Job, das Böse zu kennen. Zwei bis drei Mordgedanken im Jahr, das war vergleichsweise wenig, schätzte er. Damit war er ein vergleichsweise friedlicher Zeitgenosse. Wahrscheinlich dachte sogar der Papst öfter an Mord. Gandhi ganz bestimmt.

Er warf dem Mann ein letztes, gespielt freundliches Grinsen zu, dann trottete er an der Schlange vorbei. An deren Ende sah er Belli. Siedend heiß fiel ihm wieder ein, was er in den vergangenen Stunden verdrängt hatte. Er hatte den Dienstwagen des Staatsanwalts in der Nacht vor dem Hotel im Gsiesertal gesehen.

Bellis Gesicht verfinsterte sich. Grauner ging einen Schritt auf ihn zu.

»Was, verdammt, machen Sie hier?«, raunte der Staatsanwalt. »Sie sollten in der Questura sitzen, den Fall in Schalders bearbeiten. Wo ist der Ispettore?«

»Ich, ja, äh …«, stammelte der Commissario. »Ich war gestern in Schalders und dann … Ich bin wegen Mahler in Toblach, Sie wissen doch, ich liebe seine Sinfonien.«

»Ich weiß«, antwortete der Staatsanwalt ruhig, »und deshalb schätze ich Sie, Grauner. Wer Mahler liebt, kann kein böser Mensch sein.«

Da hat der Mann ausnahmsweise einmal recht, dachte Grauner.

»Und doch erdreisten Sie sich, mir jetzt ins Gesicht zu lügen. Genau wie gestern schon, beim Telefonat mit dem Ispettore.«

Die Schlange verkürzte sich, nur noch zwei Menschen standen vor ihnen.

Grauner starrte den Staatsanwalt verblüfft an.

»Sie waren gestern Abend im Hotel Gipfelblick im Gsiesertal. Ich darf mich ja glücklich schätzen, dort Gast zu sein. Aber was Sie und Kollege Saltapepe da zu suchen hatten, ist mir schleierhaft. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie sich von Ihrem Gehalt dort eine Suite leisten können. Und wenn doch, dann darf ich Ihnen den guten Ratschlag geben: Laden Sie Ihre Frau ein und verbringen Sie die Nächte dort nicht mit jüngeren Kollegen, mit Fußballspielern und mit Huren.«

Die letzten Worte hatte er geschrien. Die Wartenden drehten sich zu den beiden um. Grauner wich ein paar Schritte zurück.

»Es ist alles nicht so, wie Sie denken, Dottore. Ich erkläre es Ihnen.«

Doch Belli schien ihm gar nicht mehr zuzuhören, er hatte sich dem Ticketverkäufer zugewandt.

»Staatsanwalt Dr. Martino Belli«, sagte er. »Ich hole vier Karten ab.«

Er nahm sie entgegen, steckte sie in die Innentasche des Jacketts und baute sich wieder vor Grauner auf. Schwieg.

Der Commissario kapierte, dass es an der Zeit war, ehrlich zu sein.

»Ja, Herr Staatsanwalt, ich bin gestern Abend hierhergefahren, nachdem ich in Schalders war. Saltapepe brauchte Hilfe.«

Belli drehte sich um und schritt eilig in Richtung seines Dienst-Lancia, in dem sein Fahrer wartete. Grauner folgte ihm.

»Der Ispettore ist vergangene Nacht zusammengeschlagen und mit einem Messer verletzt worden. Ein Spieler vom SSC Neapel ist verschwunden. Außerdem ein Hirtenjunge. Da könnte es einen Zusammenhang geben.«

Er merkte, dass er seine Worte nicht unter Kontrolle hatte, er merkte, dass er selbst nicht an das glaubte, was er gerade gesagt hatte. Daran, dass all das zusammenhing.

»Wir haben ein wenig ermittelt …«, er biss sich auf die Zunge. Belli blieb ruckartig stehen, schrie ihn erneut an.

»Ermittelt?!«

»Nein, äh, ich meinte, wir haben einfach mit ein paar Leuten gesprochen. Uns ein wenig umgehört. Auch im Hotel.«

Es war zu...

Erscheint lt. Verlag 2.12.2019
Reihe/Serie Commissario Grauner ermittelt
Commissario Grauner ermittelt
Zusatzinfo 2 farbige Karten
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 5. Fall • Fußball • Gustav Mahler • Krimi Neuerscheinungen 2020 • Mafia • Mord • Pustertal • Saltapepe • Spiegel-Bestseller-Autor • Südtirol-Krimi • Urlaubskrimi
ISBN-10 3-462-31975-2 / 3462319752
ISBN-13 978-3-462-31975-0 / 9783462319750
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