Das Geständnis der Frannie Langton (eBook)

Roman

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2019 | 1. Auflage
432 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45333-9 (ISBN)

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Das Geständnis der Frannie Langton -  Sara Collins
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Sie ist jung. Sie ist klug. Sie ist fremd. Sie steht unter Mord-Verdacht. Ein aufwühlender historischer Kriminalroman im England des 19. Jahrhunderts London, 1826: Das Dienstmädchen Frannie Langton ist eine ungewöhnliche junge Frau, außerordentlich gebildet - und eines brutalen Doppel-Mordes angeklagt. Londons brave Bürger sind in Aufruhr: Wer ist diese ehemalige Sklavin, die aus den Kolonien nach England kam, um ihre Arbeitgeber in den eigenen Betten zu meucheln? Die Zeugenaussagen belasten Frannie schwer. Eine Verführerin sei sie, eine Hexe, eine meisterhafte Manipulatorin. Doch Frannie erzählt eine andere Version der Geschichte, ihrer Geschichte ... »Sie sagen, ich solle sterben für das, was Madame geschehen ist, ich solle gestehen. Doch wie kann ich etwas gestehen, das ich nicht getan habe?« Sara Collins arbeitete siebzehn Jahre lang als Anwältin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Dieser ergreifende historische Kriminalroman ist ihr Debüt. Sind Sie bereit für Frannie Langtons Geschichte?

Sara Collins studierte Rechtswissenschaften und arbeitete siebzehn Jahre lang als Anwältin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie hat Creative Writing an der Cambridge University studiert und lebt in England. Ihre Familie stammt aus Jamaica.

Sara Collins studierte Rechtswissenschaften und arbeitete siebzehn Jahre lang als Anwältin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie hat Creative Writing an der Cambridge University studiert und lebt in England. Ihre Familie stammt aus Jamaica.

1


Mein Prozess beginnt so, wie mein Leben begann: mit stürmischem Gedränge und Geschiebe und Gespucke. Aus der Wartezelle führen sie mich über die Galerie, die Treppe hinunter und an den Tischen vorbei, wo es von Anwälten und Schreibern wimmelt. Um mich herum eine Flut von Gesichtern. Ihr Raunen wird lauter, verschwimmt mit dem Geflüster der Anwälte. Ein Geräusch, das so scheußlich summt wie Bienen in einem Busch. Köpfe wenden sich, als ich eintrete. Jeder Blick ein Spieß.

Ich senke den Kopf, blicke auf meine Stiefel, verschränke die Hände, um ihr schreckliches Zittern zu unterdrücken. Es scheint, als wäre ganz London hier, aber Mord ist ja auch die Geschichte, die dieser Stadt am besten gefällt. Die öffentliche Stimmung ist angeheizt, alle sind in heller Aufregung wegen des »Aufruhrs, den diese grässlichen Morde entfacht haben«. Das waren die Worte des Morning Chronicle, der selbst dem Geschäft nachgeht, just diesen Aufruhr einzufahren wie eine tintenschwarze Ernte. Ich selbst lese im Allgemeinen nicht, was die Zeitungen über mich schreiben, denn sie sind wie ein Spiegel, den ich mal auf einem Jahrmarkt in der Stadt sah und der mein Gesicht in die Länge zog wie eine Streckbank, mir zwei Köpfe verlieh, sodass ich mich fast selbst nicht erkannte. Falls Sie je das Pech hatten, in der Zeitung zu stehen, wissen Sie, was ich meine.

Aber im Gefängnis Newgate gibt es Wärter, die einem aus Spaß vorlesen, was über einen geschrieben wurde, und man kann herzlich wenig dagegen tun.

Als sie sehen, dass ich mich nicht bewege, schieben sie mich mit flachen Händen vorwärts, und ich fröstele trotz der Hitze, stolpere die Stufen hinunter.

Mörderin! Das Wort folgt mir. Mörderin! Die Mörderische Mulattin.

Ich muss traben, um mit den Wärtern Schritt zu halten und nicht der Länge nach hinzufallen. Angst springt mir in die Kehle, als sie mich auf die Anklagebank stoßen. Die Anwälte in ihren Trauerroben blicken auf, träge wie Kühe. Selbst diese erfahrenen Männer, die schon alles gesehen haben, wollen einen Blick auf die Mörderische Mulattin werfen. Selbst der Richter starrt mich an, fett und glänzend in seinem Talar, das Gesicht weich und leer wie eine alte Kartoffel, bis er den schlaffhaarigen Gerichtsschreiber mit einem Kopfnicken auffordert, die Anklage zu verlesen.

Frances Langton, auch bekannt als Ebenholz-Fran oder Dunkle Fran, wird des vorsätzlichen Mordes an George Benham und Marguerite Benham beschuldigt. Der Anklage zufolge soll sie am 27. Januar im Jahre unseres Herrn 1826 in verbrecherischer und böswilliger Absicht George Benham und Marguerite Benham, beide Untertanen unseres Herrn und Königs, tödliche Stichwunden im oberen und mittleren Brustkorb zugefügt haben. Ihre Leichname wurden von Eustacia Linux entdeckt, Haushälterin in Bedford Square, London.

Die Anklage wird von MR JESSOP vertreten.

Die Galerie ist voll besetzt, alle möglichen feinen Leute und einfachen Leute und Gesindel zusammengepfercht, der Gerichtssaal einer der wenigen Orte, wo sie je so dicht an dicht gesehen werden. Peau de soie neben Kaschmirschals neben Kopftüchern. Sie rutschen mit den Hinterteilen über das Holz, dünsten einen Geruch aus wie angesäuerte Milch, wie eine Scheibe Schweinefleisch, die Phibbah einmal unter der Veranda vergessen hatte. Die Art von Geruch, die einem auf der Zunge, in der Kehle haftet. Manche von ihnen lutschen kandierte Orangenschalen, die sie in ihren Handtaschen mitgebracht haben, ihre Kiefer wie schnelle Paddel. Diejenigen, die es nicht verkraften, von einem ehrlichen Geruch umhüllt zu werden. Ladys. Ich kenne die Sorte.

Jessop hakt die Daumen in seine Robe und steht auf. Seine Stimme plätschert gleichmäßig wie Wasser an einen Schiffsrumpf. So sanft. Als würde er mit ihnen zu Hause an seinem Kamin plaudern. Genauso will er es, denn so sind sie gezwungen, sich vorzubeugen, aufmerksam zu lauschen.

»Gentlemen, am Abend des siebenundzwanzigsten Januar wurden Mr und Mrs Benham erstochen. Mr Benham in seiner Bibliothek, Mrs Benham in ihrem Schlafgemach. Diese … Frau … die Angeklagte hier vor Gericht, wird dieser Verbrechen beschuldigt. Zuvor am besagten Abend trat sie den beiden im Salon des Hauses gegenüber und drohte ihnen mit Mord. Etliche Personen, die an dem Abend auf einer von Mrs Benhams legendären Soirees zu Gast waren, wurden Zeugen dieser Drohung. Sie werden diese Gäste hier vor Gericht hören. Und Sie werden die Haushälterin Mrs Linux hören, die aussagen wird, dass die Angeklagte gesehen wurde, wie sie Mrs Benhams Gemächer betrat, kurz nachdem diese sich zur Ruhe begeben hatte. Mrs Linux begab sich selbst kurze Zeit später nach oben, gegen ein Uhr morgens, und entdeckte den Leichnam ihres gnädigen Herrn in der Bibliothek. Unmittelbar danach betrat sie Mrs Benhams Schlafgemach und entdeckte deren Leichnam, und daneben die Angeklagte. Im Bett ihrer Herrin. Schlafend. Als die Angeklagte durch die Haushälterin geweckt wurde, hatte sie getrocknetes Blut an den Händen, an den Ärmeln.

Seit ihrer Festnahme und während der gesamten Dauer ihrer Haft … bis zum heutigen Tage weigert sie sich, Angaben zu den Geschehnissen in der betreffenden Nacht zu machen. Die Zuflucht all jener, die keine einleuchtende und ehrliche Verteidigung vorbringen können. Nun, falls sie jetzt zu einer Erklärung bereit ist, so werden Sie sie ganz sicher zu hören bekommen, Gentlemen, ganz sicher. Angesichts der dargelegten Begleitumstände des Verbrechens halte ich jedoch eine zufriedenstellende Erklärung für ausgeschlossen.«

Ich umklammere das Geländer, die Ketten um meine Hände klimpern wie Schlüssel. Ich kann seinen Worten nicht folgen. Mein Blick schweift durch den Saal, verweilt bei dem Schwert, das hinter dem Richter hängt, silbern wie ein Mondsplitter. Ich lese die Worte, die in Gold gehämmert darunterstehen. »Ein falscher Zeuge bleibt nicht ungestraft, und wer Lügen redet, soll umkommen.« Nun ja. Wir werden alle umkommen, Lügner ebenso wie solche, die die Wahrheit sagen, doch das Old Bailey hat die Aufgabe, das Ende eines Lügners zu beschleunigen. Aber das ängstigt mich nicht. Mich ängstigt die Vorstellung, in dem Glauben zu sterben, dass ich es war, die sie getötet hat.

Ich sehe Sie am Tisch der Verteidigung. Sie heben den Blick, und Ihr rasches Nicken in meine Richtung legt sich über mich wie eine Pferdedecke. Da, aufgereiht wie Porzellan auf einer Anrichte, liegen die Beweise gegen mich: Benhams Krawatte, seine grüne Brokatweste; Madames lavendelblaues Seidenkleid, ihr Nachthemd und ihr Stirnband mit der passend zum Kleid lavendelblau gefärbten Schwanenfeder. Und da ist Linux’ Fleischermesser, das meines Wissens die ganze Zeit, die ich in Madames Zimmer war, in der Küche in seiner Scheide steckte.

Aber es ist das Ding neben all diesen Gegenständen, das Sie die Stirn runzeln lässt. Als ich es erblicke, erstarre ich innerlich vor Furcht. Es schwimmt zusammengerollt in einem Apothekerglas, klein wie eine Faust. Das Baby. Jemand stößt gegen den Tisch, und es drückt sich an das Glas wie eine Wange. In Ihren hochgezogenen Augenbrauen liegt eine Frage, aber eine, die ich nicht beantworten kann. Ich habe nicht erwartet, es hier zu sehen. Das Baby. Warum darf es hier sein? Werden sie mich bitten, darüber zu reden?

Als ich es erblicke, beginnen meine Knie zu zittern, und ich spüre wieder das ganze Grauen jener Nacht. Doch der Geist ist sein eigner Raum, wie Milton sagte, er kann einen Himmel aus der Hölle und aus dem Himmel eine Hölle schaffen. Wie gelingt ihm das? Durch Erinnern oder Vergessen. Die einzigen Tricks, derer der Geist fähig ist.

Eine Erinnerungswelle brandet auf. Sie liegt im Bett, auf die Ellbogen gestützt, die Zehen in die Luft gereckt, in der Hand einen Apfel, den ich ihr vergebens schmackhaft machen möchte. »Hör zu! Hörst du zu?« Sie wippt mit einem Bein.

»Ein Wanderer sprach mir von antikem Land:

›Zwei Beinkolosse, rumpflos, steingehauen,

Stehn in der Wüste … Nah zerschellt im Sand.

Versunken halb, ein Haupt.‹«

Ich höre nur halb hin, weil das, was da gerade geschieht, unmöglich ist: Meine Herrin liegt mit mir in ihrem Bett und liest mir ein Gedicht vor! Aber auch, weil es einer dieser Momente war, in denen es mir zufiel, über das Gleichgewicht ihres Geistes zu wachen, wie die anderen es nannten, wie über einen Topf, den ich auf dem Herd hatte. Ist sie wohlauf?, frage ich mich. Ist sie wohlauf?

Sie wendet sich mir zu: »Gefällt dir das?«

»Von wem ist es?«, frage ich, und ihr Haar bewegt sich von meinem Atem.

»Shelley. Obwohl ich Byron bevorzuge, du nicht auch? Der Fürst des Melodrams.« Sie rollt sich jäh auf den Rücken und schließt die Augen. »Byron ist der Beweis dafür, falls es je eines bedurfte, dass Laster einen Mann lediglich verderben, während sie eine Frau besudeln. Ach, Frances, Frances, findest du nicht, dass jeder täglich ein Gedicht verordnet bekommen sollte? Eine Frau kann nicht nur von Romanen leben!«

Damit hatte sie recht. Ein Roman ist wie ein langer warmer Trunk, aber ein Gedicht ist ein Stachel im Kopf.

Ich habe Ihnen diese Geschichte gestern erzählt, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Ich wollte, dass Sie etwas anderes über sie und mich wissen als die schrecklichen Dinge, die erzählt werden. Ihr Anwälte findet Hörensagen so unangenehm wie ein Plantagenbesitzer Rohrratten, und doch wird ein ganzer...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2019
Übersetzer Ulrike Wasel, Klaus Timmermann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 19. Jahrhundert • Debüt • Debütroman • Dienstmädchen • Doppelmord • Drama • Drama Roman • dramatische Romane • Eifersucht • England • Forschung • frannie langton • Frauenfreundschaft • Frauenschicksal • Gefängnis • Historische Krimis • historische Krimis England • Historischer Kriminalroman • historische Romane 19. Jahrhundert • historische Romane England • historische Romane viktorianische Zeit • Historischer Roman • Jamaika • Krimi • Kriminalroman • Liebe • Liebesgeschichte • London • Mord • Mordfall • Mordverdacht • Old Bailey • Romane Drama • schicksalsromane • Sklaverei • Sklavin • Todesurteil • Verrat
ISBN-10 3-426-45333-9 / 3426453339
ISBN-13 978-3-426-45333-9 / 9783426453339
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