Kumpel und Komplizen (eBook)

Warum die Natur auf Partnerschaft setzt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
368 Seiten
C. Bertelsmann (Verlag)
978-3-641-22352-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kumpel und Komplizen -  Volker Arzt
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Miteinander statt Konkurrenz - von Win-win-Konstellationen in der Natur
Ist faire Partnerschaft mehr als eine Vision? »Homo homini lupus« - nach dem berühmten Satz von Thomas Hobbes ist der Mensch gegenüber seinem Mitmenschen ein Wolf, nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Im Tierreich scheinen Aggression und Futterneid, Gier und Grausamkeit die Regel. Und doch lassen sich Wölfe auch von Gemeinsinn leiten. Schimpansen retten fremde Artgenossen. Buckelwale helfen Robben in Not. Selbst im Pflanzenreich gibt es seit jeher Symbiose-Deals, wovon beide Seiten profitieren. Die aktuelle Forschung enthüllt Kooperation als eine wesentliche Triebfeder der Natur. Doch wie verträgt sich das mit Darwins unerbittlichem »Kampf ums Dasein«?

Das Buch wird nach höchsten ökologischen Standards (Cradle to Cradle) hergestellt und wird nicht in Folie eingeschweißt.

Volker Arzt, geboren 1941, ist Diplomphysiker, erfolgreicher Wissenschaftsjournalist und Autor. Er moderierte u.a. die ZDF-Reihe »Querschnitt« (mit Hoimar von Ditfurth), wurde bekannt mit dem Bestseller »Haben Tiere ein Bewusstsein?« (zusammen mit Immanuel Birmelin) und erhielt zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen, u.a. den Europäischen Umweltpreis, den kanadischen Rockie Award für herausragende Fernsehproduktionen und den Japan-Preis, der als international wichtigste Auszeichnung des Bildungsfernsehens gilt.

ZWEITES   KAPITEL


WAS TREIBT DIE EVOLUTION?


Charles Darwin und die Taubenzucht


Es hat eine lange Tradition, dass wir uns für die einzigen Lebewesen halten, die moralische Werte kennen. Religiöse Menschen berufen sich dabei auf heilige Schriften und göttliche Gebote. Rationale Argumente laufen meist darauf hinaus, dass selbstloses Handeln ein hochgeistiger Prozess sei, den nur das Gehirn des Homo sapiens leisten könne. Und wie – die Frage drängt sich auf – schaffen es dann die Gehirne von Laborratten, von wilden Elefanten, zahmen Menschenaffen und vielen weiteren Tieren, die uns in diesem Buch noch über den Weg laufen werden? Vielleicht hängen wir die geistige Latte für Altruismus nur deshalb so hoch, weil wir uns selbst oft so schwer mit Hilfeleistung, Verzicht oder Rücksichtnahme tun?

Doch es gibt da ein zusätzliches Problem, mit dem sich die Biologen seit anderthalb Jahrhunderten herumschlagen müssen. Genau genommen seit 1859. In diesem Jahr veröffentlichte Charles Darwin sein revolutionäres, über 500 Seiten umfassendes Buch Über die Entstehung der Arten. Schon nach einem Tag, am 24. November, war es ausverkauft – und die darin ausgeführte »Evolutionstheorie« hat unser Weltbild von Grund auf verändert. Denn Darwin konnte auf überzeugende Weise »erklären«, was bis dahin keiner menschlichen Vernunft zugänglich schien: Wie hat sich die ganze Vielfalt unterschiedlichster Tiere und Pflanzen auf der Erde entwickelt? Und wie kommt es, dass diese so wunderbar zweckmäßig und vernünftig ausgeführt sind, als hätte sie jemand mit Bedacht entworfen und maßgeschneidert? Darwin zeigte einen natürlichen Mechanismus auf, der zwangsläufig von einfachsten Organismen zu immer »besseren« und komplexeren Lebewesen führt. Dabei erwiesen sich seine Grundgedanken als so überzeugend und erklärungsstark, dass sie bis heute als Fundament der biologischen Wissenschaften gelten.

Charles Darwin: Mit seinem Buch Über die Entstehung der Arten begründete er ein neues, revolutionäres Weltbild. Die Fotografie zeigt ihn als 72-Jährigen.

Public domain, via Wikimedia Commons (Julia Margaret Cameron, Charles Darwin, 1881)

Doch ausgerechnet Darwins so bahnbrechende und erfolgreiche Evolutionstheorie tut sich schwer mit dem Phänomen des Altruismus. Sie bietet keine einleuchtende Erklärung für selbstloses Verhalten oder Hilfsaktionen zugunsten anderer. Und so konnte es nicht ausbleiben, dass das Altruismus-Problem zum Streitpunkt und Zankapfel nachfolgender Biologengenerationen wurde. Oder, um es zurückhaltender auszudrücken: dass es bis heute kontrovers diskutiert wird. Aber worum genau geht es bei diesem Streit? Wo und warum kommen sich Darwin und Altruismus ins Gehege?

Der Gedanke einer unvorstellbar langsamen und lang anhaltenden Entwicklung des Lebens lag zu Darwins Zeiten in der Luft. Dafür sorgten schon die aufregenden Fossilfunde, die einen ganz neuen Wissenschaftszweig, die Paläontologie, ins Leben gerufen hatten. Die versteinerten, Millionen Jahre alten Pflanzen und Tiere ließen keinen Zweifel daran, dass die Erde früher von andersartigen Lebewesen bevölkert war – was so gar nicht mit einem biblischen Schöpfungsbericht zu vereinbaren war, wonach die Tiere in einem einzigen Wurf am 5. Schöpfungstag erschaffen worden waren. Was ist dann mit den riesigen Dinosauriern? Oder den fliegenden Echsen? Wo sind sie geblieben? Und noch schwieriger mit einem göttlichen Schöpfungsakt zu vereinbaren: Viele der versteinerten Kreaturen sind den heutigen zwar ähnlich, zeigen aber auch deutliche Abweichungen. Andere Hufe etwa, andere Größe oder Körperproportionen. Welches Modell zählt nun? In diesem Dilemma erklärten einige Forscher die Fossilien sogar zu missglückten Schöpfungsmodellen, zu »Probeentwürfen« Gottes, die er dann wieder aus dem Verkehr gezogen habe.

Da war es allemal schlüssiger, von einer Veränderung und Entwicklung der Lebewesen auszugehen. Die entscheidende Frage allerdings blieb offen: Welche geheime Kraft könnte bewirken, dass Tiere sich ändern? Und nicht nur das. Sie entwickelten sich offenbar aus einfachsten Ursprüngen – aus primitiven Bodenkrabblern im Meer, wie es die Versteinerungen aus 500 Millionen Jahre alten Erdschichten zeigen. Weitere Fossilien belegen, dass Fische ihre Flossen zu beinähnlichen Fortsätzen formten und schließlich zu vierbeinigen Landbewohnern wurden. Zu Amphibien und Reptilien. Einige legten sich Federn zu – zunächst als Wärmeschutz, dann als tragende Elemente für ihre vorderen Gliedmaßen, was ihnen schließlich den aktiven Vogelflug erlaubte. Andere schafften es immerhin bis ins Geäst der Bäume und hatten, dazu passend, geschickte Greifhände entwickelt: unsere affenähnlichen Vorfahren. Die Geschichte des Lebens zeichnete sich, zumindest in groben Zügen, schon für Darwin ab. Doch wer oder was hat diese Selbstentfaltung vorangetrieben? Wie können sich hirnlose Tiere und Pflanzen aus eigener Kraft formen und verändern – und das offensichtlich zu ihrem Besten? Man kann hinschauen, wo man will: Der Maulwurf hat Schaufelhände. Der Specht einen Hammerschnabel. Der Elefant einen langen Rüssel – wie sonst sollte er nach unten an die Grasbüschel oder ans Wasser kommen? Jedes Tier besitzt den richtigen Körperbau, die notwendigen Sinnesleistungen und das passende Verhalten, um sich optimal in seiner Welt zurechtzufinden. Alles passt. Auf wunderbare Weise.

Charles Darwin war sich bewusst, dass er mit der Entzauberung dieses Wunders eine Revolution auslösen würde. Nicht nur innerhalb der Wissenschaft. Seit Menschengedenken galt die so passend auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Tier- und Pflanzenwelt als augenfälliger Beleg für das Wirken eines allwissenden Weltenlenkers. Und jetzt sollte alles von selbst ablaufen? Ohne Einflussnahme und Lenkung höherer Mächte? Darwin sah voraus, dass er auf heftige Ablehnung stoßen würde. Und dennoch hat er sein Buch nicht im Stil einer Streitschrift verfasst. Seine Art sich auszudrücken wirkt sympathisch – auch heute noch; vielleicht deshalb, weil er immer an der Sache interessiert ist, nie am Rechthaben. Weil er seine Kritiker nicht »abbürstet«, sondern sie ernst nimmt. Er gesteht freimütig, wo sein Wissen noch unvollständig ist und wo er auf spätere Forschergenerationen hofft. In einem Schreiben bekennt er sogar: »Ich denke oft, meine Freunde haben allen Grund, mich zu hassen, weil ich so viel Schlamm aufgewirbelt und ihnen so viele Schwierigkeiten gemacht habe.«

Darwins Evolutionstheorie oder, wie er sie nannte, »Theorie der natürlichen Zuchtwahl« war trotzdem von unerhörter Durchschlagskraft. Ein entscheidender Punkt für diese Breitenwirkung liegt sicher in seinem didaktischen Geschick: Er holt seine Leser da ab, wo sie sich auskennen und mitreden können. Er geht von Alltagsbeobachtungen aus, die jedem geläufig sind. Und das, obwohl es sich um Abläufe handelt, die kein Mensch je erlebt hat, und um Zeitspannen, die jede Vorstellungskraft sprengen. Darwin beginnt seine Überlegungen mit – Tauben! Genauer gesagt: mit Zuchttauben. Er hat sich richtig »eingefuchst« in dieses Thema; wurde Mitglied in mehreren Taubenzuchtvereinen; hat selber Tauben gehalten und gezüchtet. Und er hebt auf die gewaltigen Unterschiede ab, die Hunderte verschiedener Taubenrassen aufweisen: die gewaltigen Kröpfe der Kropftauben, die sie bei der Balz aufblasen; die eindrucksvollen Schwanzfedern der Pfautauben oder die abstehenden Fußfedern bei anderen Rassen. Man glaubt, völlig unterschiedliche Vogelarten vor sich zu haben. Doch alle sind, so betont Darwin, künstlich durch Züchterhand entstanden. Alle gehen auf eine einzige Ursprungsart zurück: Columba livia, die Felsentaube.

Felsentaube: Darwin erkannte, dass Columba livia die »Stammmutter« darstellt, aus der alle Zuchttauben hervorgegangen sind.

fokus-natur.de (Pröhl)

Eine Auswahl an Zuchttauben: Ihr Aussehen kann fast nach Belieben geformt werden – für Darwin ein Beleg für die Kraft der künstlichen Zuchtwahl.

»Tauben«, in: Meyers Konversations-Lexikon, 5. Aufl., Leipzig und Wien 1893–1901

Keine Frage, der Mensch kann durch Züchtung neue Lebewesen schaffen, die es zuvor noch nie auf der Erde gab: heißblütige Rennpferde und kräftige Ackergäule; ergiebige Getreidepflanzen und köstliche Apfelsorten. Wer denkt noch daran, dass wilde Äpfel und wilder Wein scheußlich schmecken? Und es fällt mir – trotz besseren Wissens – immer schwer zu glauben, dass ein Mops, ein Pudel und ein Dobermann alle aus einer einzigen Stammform hervorgegangen sind. Aber so ist es. Und die Technik der Züchtung besteht lediglich darin, in jeder Generation auszuwählen, wer sich fortpflanzen darf und wer nicht. Jedes einzelne Tier hat bekanntlich einen etwas anderen Körperbau oder Charakter, und bei der Züchtung werden nur die Tiere mit günstigen Eigenschaften zur Paarung gebracht – in der Hoffnung, dass sie diese Eigenschaften in die nächste Generation vererben. Wo der Züchter dann erneut seine Auswahl trifft und eine neue Züchtungsrunde einleitet.

Darwin war bekannt, dass in diesem Züchtungsprozess mitunter auch ganz neue Eigenschaften auftauchen, die im Stammbaum der Eltern gar nicht vorkommen. Eine andere Färbung etwa oder eine neue Flugtechnik. Die Gründe dafür kannte er nicht, aber er nahm es als gegebene, immer wieder bestätigte Tatsache hin. Heute wissen wir, dass es Mutationen, also zufällige...

Erscheint lt. Verlag 9.9.2019
Zusatzinfo Mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik
Technik
Schlagworte Biologie • Botanik • Das geheime Leben der Bäume • eBooks • Fauna • Flora • Haben Tiere ein Bewusstsein? • Kluge Pflanzen • Kooperation • Ökologie • Symbiose • Überlebensprinzip • Vögel • Zusammenarbeit in der Natur
ISBN-10 3-641-22352-0 / 3641223520
ISBN-13 978-3-641-22352-6 / 9783641223526
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