Der Schrei des Raben (eBook)

Roman

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2019 | 1. Auflage
512 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-21633-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Schrei des Raben -  Ed Mcdonald
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Eine düstere Welt, ein düsterer Held - doch seine Gegner sind noch weit finsterer als er.
Galharrow hat durch den Tod der Frau, die er liebte, jede Hoffnung verloren. Und so wendet er sich wieder seinem alten Leben zu, das geprägt ist von Brutalität und von Alkohol, um die Brutalität wieder zu vergessen. Noch rücksichtsloser als zuvor geht er gegen die Schergen der Dunklen Könige vor, jagt sie und richtet sie hin. Da erfährt Galharrow von einem leuchtenden Schatten, der immer wieder gesehen wird. Was hat es damit auf sich? Und kann die Lichterscheinung wirklich die Erlösung bringen, wie ein geheimnisvoller neuer Kult verkündet?

Ed McDonald hat viele Jahre lang zwischen verschiedenen Berufen, Städten und Ländern gewechselt, und das Einzige, was ihnen gemeinsam war, ist, dass sie ihm genug Zeit zum Schreiben gelassen haben. Derzeit lebt er mit seiner Frau in London, einer Stadt, die ihn ständig inspiriert und wo er als Universitätsdozent arbeitet. Wenn er nicht schreibt, kann man ihm beim Fechten antreffen - mit Langschwertern, Rapieren und Langäxten.

1


Levan Ost bestand in seiner Nachricht darauf, dass ich allein kommen sollte.

Die Uhren waren im Begriff, zur vierten Stunde zu schlagen, als ich mich dem Treffpunkt näherte. Der Nachthimmel zeigte einen purpurnen Schimmer, Rioque und Clada nahmen zu und waren von keiner Wolke verhangen. Zügig schritt ich durch die Winterkälte, die Kapuze übergestreift. Bewaffnet. Wachsam. Bei meinem letzten Treffen mit Levan Ost hatte er mich mit einer zerschlagenen Glasflasche erstechen wollen. Doch das war lange her, und um die Wahrheit zu sagen, hatte ich es wohl verdient.

Drei Straßen, bevor der Kanal in Sicht kam, schlug mir schon sein Gestank entgegen. Das Wasser war schwärzer als Öl, die Uferstraßen fast menschenleer. Niemand wollte in so einem Gestank leben. Valengrads Kanäle hatten noch nie zum Schwimmen eingeladen, und nach der Belagerung hatten wir alle toten Hörigen zum Verrotten hineingeworfen. Doch böse Magie lässt sich nicht einfach fortspülen, und die Verunreinigung hat das Wasser verfärbt. Vier Jahre später zeugt es noch immer davon.

Ost wollte mich auf einem Frachtkahn treffen, der in Kanal Sechs angedockt lag. Das ist eine alte Wasserstraße entlang der Westgrenze Valengrads, draußen hinter den aufgereihten Militärkasernen. Ich kam an Kähnen vorbei, die nach Süden fuhren, beladen mit Steinen für den langwierigen Bau eines gewaltigen Phoswerks im Pfuhl. Hunderte Tonnen Mauersteine drückten das Schiff tief ins stinkende Wasser und warteten darauf, im Stiftsturm verbaut zu werden. Kanal Sechs zählte nicht zu den schlimmsten Wasserwegen, trotzdem drang mir sein Gestank bis in die Kehle.

An einer Straßenecke hielt ich in den tiefen Schatten inne. Schmale Boote und Barken lagen am Ufer vertäut, die Fracht fest verzurrt. In der vergangenen Woche hatten uns zwei Erdbeben heimgesucht, und niemand wollte die über Bord gegangenen Steine aus dem verschmutzten Wasser holen. Ich verharrte in den Schatten und ließ die Minuten verstreichen. Es bestand kein Grund zu Ungeduld.

Nichts regte sich auf dem schwarzen Kanal. Die matt leuchtenden Lichtröhren brummten leise. Niemand zeigte sich auf den Decks, die dunklen Kähne blieben nachts stets unbemannt, nur in einem Kajütenfenster brannte Licht. Früher war das Schiff ein Bordell gewesen, führte aber inzwischen ein unwürdiges Dasein als Frachtkahn. Zwölf Schritt lang, leeres Deck. Ein seltsamer Ort, mir eine Falle zu stellen, falls es tatsächlich eine war. Ich überprüfte meine Ausrüstung, die ich unter dem Mantel verbarg, doch wenn man in eine Falle läuft, spielt es selten eine Rolle, ob man bewaffnet ist. Allein Osts Name und unsere alte Verbindung hatten mich dazu veranlasst, ohne Verstärkung herzukommen. Meine Rekruten würden mürrisch dreinblicken und meckern, wenn sie wüssten, dass ich die Vorsicht, die ich ihnen einbläute, in den Wind schlug. Doch die Regeln galten nur für sie, nicht für mich.

Ich spannte den Hahn der Steinschlosspistole unter dem Mantel.

»Ost!«

Meine Worte verhallten über dem schwarzen Wasser.

Ein Schatten drückte sich von innen an das schmutzverkrustete Glas. Das Quietschen eines zurückgeschobenen Riegels erklang, dann öffnete sich die Kajütentür. Eine knorrige, schmale Gestalt zeichnete sich vor dem Licht ab.

»Hauptmann Galharrow?«, fragte eine barsche Raucherstimme. »So nennt man dich doch heutzutage, stimmt’s? War mir nicht sicher, ob du kommst.«

Levan Ost sah aus, als hätte er ein Jahr lang zu wenig gegessen und wäre dann einen Hügel hinabgepurzelt, vielleicht mehr als einmal. Er wirkte ausgemergelt, seine Muskeln verloren allmählich den Kampf gegen das Alter. Sein langer Bart war aschgrau, seine Augen hingegen noch klar. Die typischen runden Narben in seinem Gesicht verrieten, dass er schon mal vom Elendswurm befallen gewesen war.

»Schön, dich zu sehen, Levan«, log ich.

»Komm rein. Bei offener Tür kühlt die Kajüte aus.« Er drehte sich um und wankte dabei so stark, dass ich ihn für betrunken hielt. Mit Trunkenbolden hatte ich reichlich Erfahrung.

Ost wirkte nicht sonderlich bedrohlich. Falls er heute zu Ende bringen wollte, was vor vielen Jahren mit seinem Flaschenangriff begonnen hatte, war er mies vorbereitet. Langsam entspannte ich den Hahn des Pistolenschlosses, ließ aber den Daumen darauf und kletterte an Bord.

Im Gegensatz zu den Frachtbooten in den meisten Docks war der Kahn einst ein Luxusschiff gewesen, die Art von Gefährt, auf dem der Adel exklusive Nachmittage verbringt. Dann hatte der Besitzer wegen Schulden, Langeweile oder des schwarzen Wassers beschlossen, ihn zu verkaufen oder damit Früchte über den Kanal zu verschiffen.

»Keine Besatzung an Bord?«, fragte ich.

»Nein.«

Die schlichte Kajüte maß zwölf mal zwölf Schritt. Ein paar abgenutzte Stühle, eine altmodische Öllaterne an einem Deckenhaken. Ost bot mir einen Platz an. Ich blieb stehen. Betreten rückte er ein paar Dinge auf dem schmucklosen Tisch zurecht: einen Papierstapel und eine Flasche Wein, deren Jahrgang weder von Wohlstand noch Geschmack zeugte. Daneben stand eine leere Flasche. Eine weitere entdeckte ich vor der Wand am Boden. Auf dem Tisch lag ein Breitschwert mit Korbgriff, es steckte in der Scheide. Ich rechnete nicht damit, dass Ost mich angreifen würde, doch selbst wenn, wäre das kein Problem. Er war alt, außer Form und betrunken.

»Ist lange her«, sagte ich leise. In tiefster Nacht bringt uns die Urangst vor dem Dunkeln dazu, mit gedämpfter Stimme zu reden.

»Stimmt wohl«, erwiderte Ost. »Hab dich nicht mehr gesehen, seit du gegen Torolo Mancono gekämpft hast.« In seinem Ton schwang die vertraute, selbstsichere Rauheit mit. Er hatte es zwar nur bis zum Navigator gebracht, dennoch hatte ihm das Respekt und einen Platz im Kommandozelt verschafft. Er hatte mich nie leiden können, denn er stammte aus bürgerlichen Kreisen. Ich hingegen war mit Sahne im Blut zur Welt gekommen und muss gestehen, dass ich damals ein großspuriger Bastard war.

»Immer noch verbittert deswegen?«

Ost zuckte mit den Schultern. »Ich mochte Mancono. Er hörte einem zu, obwohl er als reicher Fürst geboren wurde. Du hast ihn auf üble Weise umgebracht, aber vermutlich trifft dich dafür nicht allein die Schuld. Er hat das Duell gefordert.«

Ich war nicht hier, um die Vergangenheit durchzukauen oder alten Groll beizulegen. »Du sagst, du hast wichtige Informationen über Valengrads Sicherheit?«

»Wein?« Die Becher auf Osts Tisch waren mit Fingerabdrücken übersät, also hätte ich wohl ablehnen sollen, trotzdem ließ ich mir einschenken. Ich bin nicht die Art Mann, die einen schmutzigen Becher mit übelstem Wein ablehnt, ganz gleich zu welcher Tageszeit.

Ost musterte meine Uniform. Er beäugte den langen, gut sitzenden schwarzen Mantel, der mir bis zu den Knien reichte und mit zwei Reihen Silberknöpfen versehen war. Er betrachtete die gespreizten Schwingen, die mit Silbergarn auf die Schultern gestickt waren. Ich hatte mir eigentlich geschworen, nie wieder eine Uniform zu tragen, aber Geld, Prestige und die Zeit machen uns alle zu Lügnern. Wenigstens repräsentierte der Mantel meine eigene Organisation. Ich ließ Ost gewähren, trank Wein und wartete darauf, dass er etwas sagte.

»Sieht so aus, als wäre das Leben zu dir besser als zu uns anderen«, brummte er schließlich.

»Hängt vom Blickwinkel ab.«

»Hast ’ne nette Position bei den Schwarzschwingen, was?«

Ein Anflug von Feindseligkeit. Die Schwarzschwingen als nett zu bezeichnen, war kaum zutreffend. Deserteure zu jagen, Spione, Verräter und die elenden Bastarde, die der Kult der Tiefe in den Klauen hält, trägt nicht gerade zur Beliebtheit bei, und Krähfuß zu dienen ist ebenfalls kein Zuckerschlecken.

»Seit der Belagerung bist du auf dem aufsteigenden Ast, stehst wieder in der Gunst. Anscheinend haben die Fürsten dir einen Sack voll Gold zugeworfen, damit du hier für Ordnung sorgst, und die halbe Welt fürchtet sich vor dir.«

»Schuldbewusstsein erzeugt nun mal Angst«, erwiderte ich. »Manche Leute tun gut daran, sich zu fürchten.«

Ost nickte und fuhr sich mit der Hand über das schüttere Haar. Ich schätzte ihn auf sechzig Jahre, vielleicht älter. Ein stolzer Mann. Es kostete ihn Überwindung, mir eine Bitte zu unterbreiten.

»Ich wollte dich eigentlich nicht fragen, aber du bist der Einzige, dem ich in dieser Sache traue«, gab er schließlich zu.

Wenn man einen Mann mitten in der Nacht allein zu sich zitiert, will man ihn entweder umlegen oder um etwas bitten, wofür man sich am helllichten Tag schämen würde. Er hatte nicht versucht, mich zu töten. Jedenfalls noch nicht.

»Schieß los.«

»Wo fange ich an?« Ost leerte seinen Wein, bleckte die Zähne und biss sie zusammen. »Ich bin in was hineingeraten. Etwas Übles. Die Art von Sache, für die man Leute aufknüpft. Ich erzähl dir alles. Aber ich will erst eine Abmachung treffen.«

»Glaubst du, ich hab es nötig, mit dir zu verhandeln?«

Ost hob stolz das markante Kinn. Er war nicht beeindruckt und ganz sicher nicht eingeschüchtert. Er hatte vierzig Jahre im Elend navigiert, viel länger als ich. Von Nahem erkannte ich die feinen grünen Adern unter seiner Haut, Anzeichen der Verderbtheit, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Er hatte Krottler und Sandräuber gesehen, gegen Hörige gekämpft und erlebt, wie Menschen sich in Nebel verwandelten. Ich war nur ein hässlicher Kerl mit mehr grauen als dunklen Haaren im Bart.

»Es geht nicht um mich. Sondern um meine Tochter und ihr Kind. Wenn ich auspacke, bin ich sowieso...

Erscheint lt. Verlag 16.12.2019
Reihe/Serie Schwarzschwinge
Übersetzer Ruggero Leò
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Ravencry (Raven's Mark 2)
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte düster • Dystopie • eBooks • Fantasy • grim & gritty • Heroische Fantasy • Hexer • High Fantasy • Joe Abercrombie • Licht • Mark Lawrence • Sapkowski • Witcher
ISBN-10 3-641-21633-8 / 3641216338
ISBN-13 978-3-641-21633-7 / 9783641216337
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