Die Fenster zum Himmel (eBook)

Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
864 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-22770-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Fenster zum Himmel -  Gonzalo Giner
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Auf der Suche nach seinem Platz in der Welt fand er die Fenster zum Himmel.
Kastilien, 1474: Eigentlich sollte Hugo de Covarrubias den Wollhandel seines Vaters fortführen. Doch dann wird er Opfer einer List und muss hilflos mit ansehen, wie sein raffgieriger Stiefbruder zum rechtmäßigen Erben erklärt wird. Hugo hingegen wird nach Flandern entsandt. Dort soll er das Handwerk seiner Familie von der Pike auf lernen. Aber auch in der Fremde - weit entfernt von seiner Heimat und seiner geliebten Freundin Berenguela - erwarten ihn nur Niedertracht und Gefahr. Hugo muss letztlich flüchten. Er ahnt nicht, dass seine abenteuerliche Reise über das kalte Neufundland und die afrikanischen Wüsten ihn schließlich zu seiner wahren Bestimmung führen wird.

Gonzalo Giner, 1962 in Madrid geboren, schrieb 2004 seinen ersten Roman, der in sechs Sprachen übersetzt wurde. Der Heiler der Pferde ist sein dritter Roman - und sein persönlichster, denn Gonzalo Giner studierte Veterinärmedizin und ist praktizierender Tierarzt. Er erzählt von der hohen Kunst der Tierheiler im Mittelalter, eingebettet in die prächtige historische Kulisse Spaniens im 12. und 13. Jahrhundert.

2


Messe in Medina del Campo, Königreich Kastilien, Mai 1474

Der Brokat- und Posamentenstand flog durch die Luft, als ein junger Mann auf seiner Flucht vor zwei Bütteln dagegenprallte. Zuvor hatte er in einer anderen Straße bereits eine Bude mit Käse und Wurstwaren zu Fall gebracht, außerdem eine Wechselstation mit ihren Waagen, Rechnungsbüchern und Münzen, deren illustre Kunden unter Protestrufen am Boden gelandet waren.

Zehn Minuten zuvor hatten sich die beiden Büttel in einem der bekanntesten Gasthäuser der Stadt eingefunden, nachdem sie darüber informiert worden waren, dass sich dort eine Gruppe Jünglinge ganz unverschämt aufführte. Eine schöne Dame aus Brügge hatte sich beschwert, dass sie von einem dieser offensichtlich betrunkenen Kerle belästigt worden sei.

Der junge Mann hatte sich – offensichtlich angestachelt durch eine Wette mit seinen Kameraden – einfach ohne Erlaubnis an ihrem Tisch niedergelassen, hatte ihr, ehe sie sichs versah, einen Kuss auf die Lippen gedrückt und ihr in den Allerwertesten gekniffen.

Weil die Burschen alle wie von der Tarantel gestochen davongestoben waren, hatte man sich bei der Suche auf den von der jungen Dame genau beschriebenen Übeltäter beschränkt, auf den sich ja auch die Wut des Ehemanns richtete.

Die Büttel hatten sich zunächst in den angrenzenden Straßen und auf der Plaza Mayor nach ihm umgesehen, bis sie ihn schließlich vor der San-Antolín-Kirche entdeckt hatten.

Die Menschenmassen auf dem Platz und in den Gässchen ringsherum erschwerten die Flucht des Täters, allerdings auch die Verfolgungsjagd der Gerichtsdiener, die mit lauter Stimme die Hilfe der Umstehenden einforderten.

Der junge Mann rammte ein Maultier, verlor im Fall einen Schuh und rollte über den Boden. Dabei zerriss der Ärmel seines Hemdes, er hielt aber nicht inne, um seinen blutenden Arm zu untersuchen. Stattdessen kam er mühsam wieder auf die Füße, sammelte sich einen Moment und rannte dann die Calle de la Rúa in Richtung des Judenviertels und der Randbezirke weiter. Dort hatte er gute Freunde, bei denen er sich vielleicht verstecken könnte, oder er könnte zumindest im Gewirr der kleinen Gässchen untertauchen.

Allmählich wurden ihm die Beine schwer, und sein Kopf schien zu explodieren, immerhin hatte er sechs Karaffen Wein intus.

Als er sich jetzt umschaute, hatte er den Eindruck, einen Vorsprung gewonnen zu haben. Er holte Luft und wollte noch einmal an Tempo zulegen, um die Verfolger endgültig abzuschütteln, da versperrte ihm eine riesige Sau den Weg, die an einem Strick geführt wurde, und der junge Bursche rannte Tier und Besitzer über den Haufen. Er selbst flog über den Körper des Schweins hinweg, schlitterte dann am Boden noch ein paar Klafter weiter und prallte am Ende gegen ein Fass mit eingelegtem Hering. Das Fass bekam Risse, und eine klebrige, stinkende Flüssigkeit floss heraus und verteilte sich in Sekundenschnelle in seinem braunen Haar. Es war das Letzte, was Hugo de Covarrubias noch mitbekam, bevor er das Bewusstsein verlor.

Die ersten zwei Tage nach seiner Festnahme waren hart. Hugo machte der Kater zu schaffen, und die Kälte im Kerker hinter den Mauern der La-Mota-Festung kroch ihm in die Knochen. Außerdem musste er endlose Befragungen über sich ergehen lassen, bis er schließlich seinen Namen nannte.

Von diesem Moment an behandelte man ihn zwar etwas besser, die Warterei zog sich in der feuchten Zelle jedoch endlos in die Länge. Als einzige Zerstreuung konnte Hugo beobachten, wie das hereinfallende Licht im Laufe der Stunden den Boden entlangwanderte, und sich passende Rechtfertigungen für das Vorgefallene überlegen. Ein ordentliches Donnerwetter würde ihm aber wohl nicht erspart bleiben.

Am dritten Tag seiner Haft hörte er schließlich, wie der Riegel zurückgeschoben wurde, und Hugo blickte in das Ehrfurcht gebietende Gesicht seines Vaters.

»Hugo de Covarrubias! Ihr seid ein freier Mann!«, verkündete der Kerkermeister.

Hugo überschritt die Schwelle und begrüßte seinen Vater, ohne ihn anzusehen. Dann folgte er ihm einen unterirdischen Gang entlang und zwei enge Treppen hinauf, bis sie einen hell erleuchteten Hof erreichten, wo eine Kutsche auf sie wartete.

Darin nahmen sie einander gegenüber Platz.

»Wie du stinkst!«, wetterte Don Fernando.

Hugo erwiderte darauf lieber nichts.

Die Kutsche ruckelte das Kopfsteinpflaster der Wehranlage entlang. Erst außerhalb ihrer Mauern konnte sie auf einem besser befestigten Weg an Fahrt aufnehmen, und jetzt endete auch das unangenehme Schwanken. Von diesem Moment an hörte man im Inneren des Wagens nur die wiederholten schweren Seufzer und das eine oder andere trockene Husten von Don Fernando.

Hugo wusste, dass dieser angespannte Augenblick nicht ewig dauern würde. Ihm war aber auch klar, dass beim ersten Blickkontakt eine ebenso unangenehme Unterhaltung ihren Lauf nehmen würde, deshalb schaute er lieber zum Fenster hinaus.

So saßen die beiden etwa zwanzig Minuten schweigend da. Der eine betrachtete zerstreut die ersten draußen vorbeiziehenden Felder, der andere spielte an der metallenen Türklinke herum.

Schließlich kündigte Don Fernando mit langem Räuspern an, dass er nun etwas zu sagen hatte. »Weißt du überhaupt, wer diese Frau war, die du da belästigt hast?«

»Nein, Vater.«

»Sagt dir der Name Edgar Hossner etwas?« Don Fernandos Stimme wurde schärfer. »Tja, lass mich dir verraten, dass ihr Ehemann mein zweitbester Kunde in Brügge ist, oder vielmehr war. Letztes Jahr hat er uns vierhundert Sack Wolle abgekauft und uns dafür acht Millionen Maravedi gezahlt.«

Hugos grüne Augen wichen seinem anklagenden Blick nicht aus.

»Meine Aufgabe für euch bestand doch darin, Kunden für uns zu gewinnen … und nicht zu vergraulen!«

»Fragt Euch doch einmal, ob ich diese Aufgabe vielleicht gar nicht erfüllen wollte.«

Als er Don Fernandos bebende Nasenflügel bemerkte, rechnete der junge Mann mit dem Schlimmsten.

»Hugo!«, brüllte sein Vater aus vollem Halse. »Was zum Teufel ist denn nur mit dir los, Junge? Erklär es mir doch, weil ich es nun wirklich nicht begreifen kann. Schert dich das Ansehen unseres Namens wirklich so wenig, dass du ihn durch den Dreck ziehen musst, und zwar ausgerechnet vor den Augen unserer besten Kunden auf der Messe von Medina? Wenn ich wenigstens wüsste, was du sonst mit deinem Leben anfangen willst … Aber selbst das kannst du mir ja nicht sagen!« Zornig schlug er gegen die Tür der Kutsche. »Was habe ich dir nur getan, dass du mich mit solcher Gleichgültigkeit strafst? Kannst du mir das verraten? Mal sehen, ob ich irgendwie begreifen kann, weshalb du immer genau das Gegenteil von dem tust, worum man dich gebeten hat … Was meinst du – ob es dir irgendwann auch einmal anders herum gelingt?«

Er rieb sich mit den Händen über die Knie und dachte bei sich, dass er schon viel zu lange Antworten auf diese Fragen suchte.

Hugo seufzte. Natürlich wusste er ganz genau, wie viel Schaden er mit seinem Benehmen anrichtete. Er fand aber auch, dass sein Vater ihn, sein Wesen und seine Denkweise einfach nicht verstand. Er hatte sich schon tausendmal nach dem Grund dafür gefragt und war immer zu demselben Schluss gekommen: dass sie einander einfach in nichts ähnelten. Hugo glich seiner Mutter, und zwar nicht nur äußerlich. Er hatte denselben Charakter, denselben Geschmack, war wie sie sensibel und verfügte über die gleiche besondere Gabe, die nur seine Mutter erkannt hatte und die nach ihrem Tod in Vergessenheit geraten war. Seit ihrem Ableben waren zwölf Jahre verstrichen, und Hugos Leben hatte sich verändert.

In seinem Inneren brodelten tausend Fragen, sein Vater erwartete jedoch Antworten von ihm. Würde Don Fernando jemals verstehen, dass der Ursprung des Problems seine eigene Haltung Hugo gegenüber war? Würde er Kritik an seiner Ehe mit einer Frau akzeptieren, die Hugo die Kindheit zur Hölle gemacht hatte?

Würde Don Fernando irgendwann einmal erkennen, dass diese Stiefmutter sich nur widerwillig und voller Abschätzigkeit um Hugo gekümmert und die beiden Brüder, die ja nur durch diese zweite Ehe zu Brüdern geworden waren, ungleich behandelt hatte?

Würde sein Vater je gegen seine Gemahlin und für Hugo Partei ergreifen, wie er es bisher nie getan hatte? Wann immer sich das sensible Gemüt seines Sohnes gezeigt hatte, hatte Don Fernando ihn bislang als schwach und nutzlos bezeichnet. Würde er jemals begreifen, dass er nie für Hugo da gewesen war, wenn ihn dieser am meisten gebraucht hätte?

»Vater, falls Ihr wirklich dazu bereit seid, mich anzuhören, dann will ich heute kein Blatt vor den Mund nehmen.« Hugo holte Luft und nahm all seinen Mut zusammen, um mit ungewohnter Eindringlichkeit zu sprechen. »Ich hasse es einfach, dass Ihr Entscheidungen für mich trefft.« Angesichts der verständnislosen Miene seines Vaters versuchte er, sich klarer auszudrücken: »Habt Ihr Euch auch nur ein einziges Mal die Mühe gemacht, mich nach meinen Wünschen zu fragen? Halt, antwortet jetzt nicht! Das tue ich schon für Euch: Nein, niemals! Ganz zu schweigen von diesem heimtückischen Weib, das Ihr zur Ehefrau genommen habt …«

»Genug! Das muss ich mir nun wirklich nicht bieten …«

»Vater! Ich flehe Euch an, hört mir doch wenigstens dieses eine Mal zu.« Hugo hatte es noch nie gewagt, Don Fernando ins Wort zu fallen, aber zuvor hatte er sich ja auch noch nie zu völliger Offenheit entschlossen. »Seit ihrem Einzug bei uns hat diese Frau nur ein Ziel, nämlich mich...

Erscheint lt. Verlag 28.10.2019
Übersetzer Sonja Hagemann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Las Ventanas del Cielo
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Afrika • Brüder • Der Heiler der Pferde • Der Reiter der Stille • Die Kathedrale des Meeres • Die Säulen der Erde • eBooks • Falcones • Flandern • Glasmalerei • Grönland • Historische Romane • Historischer Roman • Kastilien • Kathedrale • Ken Follett • Kirchenbau • Mittelalter • Mittelalter Romane • Noah Gordon • Spanien • Taschenbuch Neuerscheinung 2021 • Unerwiderte Liebe • Wollhandel
ISBN-10 3-641-22770-4 / 3641227704
ISBN-13 978-3-641-22770-8 / 9783641227708
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