Puppentod (eBook)

Psychothriller
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
480 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-16739-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Puppentod -  Erik Axl Sund
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In Stockholm stürzt ein junges Mädchen von ihrem Balkon in den Tod. Zunächst sieht es nach Selbstmord aus, doch dann stellt sich heraus, dass sie in der gleichen Nacht mit einem unbekannten Mann verabredet war, mit dem sie gegen Geld Sex haben sollte. Spuren im Internet deuten darauf hin, dass sie Kontakt zu einem User namens »Der Puppenspieler« hatte, der mit illegalen Aufnahmen von Teenagern in Verbindung steht. Der Polizeibeamte Kevin Jonsson beginnt fieberhaft zu ermitteln. Gleichzeitig verschwinden zwei Jugendliche aus einem Heim bei Uppsala. Und auch sie drohen in die Hände des Unbekannten zu fallen ...

Erik Axl Sund ist das Pseudonym des schwedischen Autorenduos Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist. Zusammen haben sie die international erfolgreiche »Victoria-Bergman«-Trilogie geschrieben, für die sie 2012 mit dem Special Award der Schwedischen Krimiakademie ausgezeichnet wurden.

Eine Gleichung aus zahllosen Unbekannten

Bergshamra

Das Mädchen lag auf dem Rücken auf dem frostblanken Granitfelsen vor einem der fünfstöckigen Mietshäuser in Bergshamra. Ein Taxifahrer hatte es kurz vor Mitternacht entdeckt, als er eine Kippenpause machen wollte. Zunächst hielt er es für eine Schaufensterpuppe: viel zu dünn angezogen für die Jahreszeit und mit dürren, fast weißen Armen und Beinen, die unnatürlich abgespreizt waren.

Als er näher heranging, sah er das Blut.

Dann setzte unglücklicherweise Regen ein, sodass das Blut fast völlig vom Felsen hinabgespült wurde. Potenzielle Spuren wie etwa Schuhabdrücke würden so nicht mehr gesichert werden können.

Um halb eins sah eine alleinerziehende Mutter aus dem Küchenfenster im dritten Stock. Das Blaulicht der Streifenwagen warf unregelmäßige kalte Muster über die vordersten Bäume des benachbarten Wäldchens und bis hoch zu ihrer Wohnung. Das Blinklicht erweckte die Zeichnungen ihrer Kinder an der Kühlschranktür zum Leben. Ja, sie sahen beinahe lebendig aus – schludrig gemalte Wasserfarb-Kopffüßler, Tannenzapfen und Laub wanderten über die Kühlschranktür.

Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und überlegte, wer dort unter der Plane auf der Erde liegen mochte und was genau passiert war. Die Vorstellung, dass einer ihrer zwei Jungs vom Balkon oder aus einem Fenster stürzen und auf dem gnadenlosen Fels aufschlagen könnte, ängstigte sie seit ihrem Einzug.

Sie zog die Gardine zu und ging zu ihnen. Sie schliefen friedlich in ihren Betten, und sie schlüpfte zu ihrem Jüngsten unter die Decke. Kurz bevor sie einschlief, fiel ihr auf, dass die aufgebrachten Stimmen in der Wohnung über ihr verstummt waren.

Um ein Uhr nachts lief die Polizeiarbeit bereits auf Hochtouren. Ein Krankenwagen stand vor dem blau-weißen Absperrband, zwei Sanitäter in Wartestellung.

Das Mädchen war tot, sie konnten nichts mehr tun.

Yrsa Helgadóttir, frisch von der Polizeischule, hatte nie zuvor eine Leiche gesehen. Sie bemühte sich nach Kräften zu assistieren und kam sich dennoch wie eine Zuschauerin vor, die alles wie auf einem Fernsehbildschirm verfolgte.

Schwarz trat neben sie. »Sieh genau hin und lerne.« Er zeigte auf die vier Kriminaltechniker in blauen Schutzoveralls. »Emilia« – er wies auf eine groß gewachsene Schwarze – »sieht aus wie eine NBA-Basketballspielerin, aber sie ist die beste Technikerin, mit der ich je zusammengearbeitet habe.«

»Du meinst die WNBA

»Was?«

»Die Frauenliga«, erklärte Yrsa. Insgeheim wusste sie, warum sie sich mit dem Kollegen diesen verbalen Schlagabtausch lieferte; sie hoffte, dass sich mittels spöttischen Bullenjargons der Kloß in ihrem Hals auflöste.

Die Techniker hatten die erste Aufgabe soeben beendet: einen zwei Meter breiten Korridor zum Opfer und seiner unmittelbaren Umgebung zu sichern, damit der Rechtsmediziner sich frei bewegen konnte, ohne den Fundort zu kontaminieren.

Der Rechtsmediziner, der sich bisher seiner Stulle und einer Thermoskanne Kaffee gewidmet hatte, stieg aus seinem Wagen.

»Das ist Ivo Andrié«, erklärte Schwarz. »Während Emilia Basketballerin ist, ist Andrié eher der Baseballtyp.«

Eigentlich passte seine Baseballkappe nicht zu der Schutzhaube und dem Mundschutz, doch an dem Rechtsmediziner wirkte die Kombination vollkommen selbstverständlich.

Schwarz gab grünes Licht für die erste Inaugenscheinnahme der Toten, Andrié schob sich die Stirnlampe über die Baseballkappe und schritt bedächtig auf die Leiche zu. In regelmäßigen Abständen hielt er inne und sah sich um. Als er unvermittelt den Arm ausstreckte und die Handfläche nach oben drehte, fragte sich Yrsa, was da vor sich ging. War das ein spezielles Handzeichen? Hatte er etwas gefunden?

Andric´ schob seinen Mundschutz nach unten. »Es hat aufgehört zu regnen.« Er lachte sie an.

Der Kloß in ihrem Hals lockerte sich ein bisschen.

Yrsa blickte empor in den stahlgrauen Himmel, blinzelte und träumte sich fort an einen Ort, an dem es warm war. Unkompliziert. Freigiebig.

Aber nun war sie eben hier, und hier war sie zu Hause.

Die Techniker arbeiteten sich in einem immer kleineren Radius zur Leiche vor. Eine eintönige Tätigkeit, die mehrere Stunden in Anspruch nehmen würde – oder länger, sofern sie etwas von Interesse fänden. Emilia machte Fotos, und im Blitzlicht der Kamera waren die Kollegen zu sehen, die sich – ebenfalls mit Stirnlampen – durch die Dunkelheit bewegten.

»Fund«, rief einer, richtete sich auf und zeigte direkt vor sich zu Boden.

Ein winziger Abschnitt mit rund zehn Zentimeter hohem Gras in einem Felsspalt. Der Gegenstand wurde fotografiert und anschließend in einem Asservatenbeutel verstaut.

Selbst aus der Ferne hatte man erkennen können, worum es sich handelte: um ein Android-Handy. Emilia lief damit auf den Transporter der Kriminaltechniker zu.

Bis Viertel vor zwei hatte der Rechtsmediziner sich bis zu der Leiche vorgearbeitet. Unter dem kleinen Planenzelt studierte er sie zunächst eingehend, dann nahm er ein Diktiergerät zur Hand und sprach hinein. Wenige Minuten später gab er den Kollegen ein Zeichen, dass auch sie die Leiche inspizieren dürften.

Yrsa ging ein paar Schritte hinter Schwarz und den anderen beiden erfahreneren Polizeimeistern her und versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, was sie in ihrer Ausbildung gelernt hatte.

Nicht nach dem suchen, was man erwartete, sondern nach dem, was vom Erwartbaren abwich – was manchmal das Allernächstliegende sein konnte. Mitunter aber auch das Schwierigste.

Ein Mädchen ist hier gestorben.

Eine Tochter – vielleicht eine Schwester und Cousine – liegt dort kalt unter einem Zeltdach. Bislang ohne Erklärung.

Ein Mitmensch, eine Freundin und Klassenkameradin, deren Todesumstände bisher nur eine vage Hypothese vonseiten der Ermittler darstellen, die den Fall untersuchen. Das Mädchen, die Leiche, ja, das Opfer, ist bislang immer noch bloß eine Gleichung aus zahllosen Unbekannten.

Yrsa geht die letzten langsamen Schritte auf die Leiche zu. Lässt den Blick über das Mädchen schweifen.

Vermutlich vierzehn bis sechzehn Jahre alt. Leicht bekleidet mit einem ärmellosen roten Kleid, als wäre sie unterwegs zu oder auf dem Heimweg von einer Party gewesen. Im Hinblick auf das dünne Kleid eine Party in der Nachbarschaft.

Eine schlichte Kette hat sich in den dunklen Locken verheddert. Die Haut ist blass; doch das Mädchen ist ausländischer Herkunft. Vermutlich aus dem Nahen Osten.

Der rechte Unterarm ist unnatürlich verdreht, die linke Schulter sieht eingefallen aus; die nackten Arme und Beine sehen aus, als hätte das Mädchen sie sich allesamt ausgekugelt.

Wie bei einer Puppe – genau wie der Taxifahrer die Leiche beschrieben hat, nachdem er den Notruf gewählt hatte.

Ein Augenpaar mit leerem Blick.

Erstarrt in einer einzigen Schrecksekunde.

Der Mund halb offen, die Lippen bläulich, unter der Nase Reste von angetrocknetem Blut, das der Regen nicht weggespült hat.

Dann wäre die erste Leiche also überstanden, denkt Yrsa.

So schlimm war es nun auch wieder nicht.

Trotzdem weiß sie, dass sie das hier nie vergessen wird.

Schwarz geht vor der Leiche in die Hocke und wendet sich an Ivo Andric´: »Was denkst du spontan? Selbstmord? Oder müssen wir Hurtig informieren?«

Der Rechtsmediziner schüttelt den Kopf. »Ich würde damit noch warten.« Er blickt an der Hausfassade hoch. »Aber gut, bei der Lage der Leiche im Verhältnis zum Haus will ich einen Sprung nicht ausschließen – oder einen Sturz aus einem der oberen Stockwerke. Nicht angesichts dieser Verletzungen.«

Auch Schwarz betrachtet das Mietshaus. »Hätte das nicht jemand gesehen, wenn sie gefallen oder gesprungen wäre?«

Als sie hier eingetroffen sind, lag das Haus fast völlig im Dunkeln. Inzwischen ist gut die Hälfte der Fenster erleuchtet, und hier und da sind die Umrisse von Bewohnern erkennbar. Das Blaulicht hat sie nach draußen gelockt, und kurz nachdem die Absperrung gezogen wurde, sind die besonders Neugierigen, die auf die Balkone getreten sind, um zu gaffen, aufgefordert worden, wieder in ihre Wohnungen zurückzukehren.

Rechtsmediziner Andrié zuckt mit den Schultern. »Schwer zu sagen, was die Leute mitten in der Nacht hören und sehen. Aber es ist keiner rausgekommen, um mit euch zu reden, oder?«

»Nein«, antwortet Schwarz. »Aber wir können die Nachbarn auch aktiv befragen, sobald die Verstärkung da ist. Sie müsste jeden Moment eintreffen.«

Yrsa ahnt, dass die Aufgabe ihr zufallen wird, mit irgendeinem anderen Anfänger Klinken zu putzen, und sie wirft einen letzten Blick auf die Leiche.

Mit der Lage stimmt etwas nicht.

Als wäre sie dort auf dem Rücken zur allgemeinen Zurschaustellung abgelegt worden.

Ein Stück entfernt suchen ein paar Spatzen nach Krümeln, aber das meiste ist gefroren, und sie suchen vergebens. Yrsa ahnt, dass es ein langer Winter wird, auch für die Vögel.

Es ist fünf nach zwei, als ein weiterer Streifenwagen eintrifft, und noch während sie zurückgehen, um die Kollegen zu begrüßen, legt Schwarz ihr eine Hand auf die Schulter.

»Du wirkst ein bisschen nervös«, sagt er. »Aber du wirst sehen, es ist auch nicht schlimmer als irgendein Krimi.«

»Krimi? Was soll das heißen?«

»Na ja, alle guten Krimis fangen so an: dass jemand stirbt. Und am Ende klärt sich alles...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2020
Reihe/Serie Die Kronoberg-Reihe
Übersetzer Nike Karen Müller
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Gra Melankoli
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte eBooks • Geschenk für Mütter Mama Mutti • Geschenk Muttertag • Geschenk Vatertag • Krähenmädchen • Krimi • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2020 • Krimis • Kronoberg-Reihe • Narbenkind • Neuerscheinungen Bücher 2020 • Psychothriller • Puppenspieler • Schattenschrei • Scherbenseele • Schweden • SPIEGEL-Bestseller • Stockholm • Thriller • Victoria Bergman
ISBN-10 3-641-16739-6 / 3641167396
ISBN-13 978-3-641-16739-4 / 9783641167394
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