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Das Buch der anderen (eBook)

Zadie Smith (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
304 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-32042-8 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
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»Es gibt so viele Möglichkeiten, Figuren zu erschaffen, wie es Autoren gibt.« Zadie Smith 21 Autorinnen und Autoren ihrer Generation folgten Zadie Smiths Bitte, zugunsten der von ihr ins Leben gerufenen Charity-Organisation »826 New York«, die Kinder und Jugendliche zum Lesen und Schreiben ermutigen will, honorarfrei eine Short Story zu der vorliegenden Anthologie beizutragen.Die Vorgabe: eine Geschichte schreiben, in deren Mittelpunkt eine fiktive Person steht. So präsentiert Nick Hornby das äußerst wechselvolle Autorenleben des J. Johnson in fiktiven Verlagsankündigungen »Über den Autor« (illustriert von Posy Simmonds), Jonathan Safran Foers Großmutter Rhoda bietet Plätzchen an, um uns die Geschichte ihrer Herzuntersuchung zu versüßen, und Dave Eggers lässt uns teilhaben an der Geschichte des hoffnungslos verliebten Steinriesen »Theo«.Mit einer Einleitung von Zadie Smith und Geschichten einiger der besten jungen englischsprachigen Autorinnen und Autoren diesseits und jenseits des Atlantiks ist »Das Buch der anderen« so schillernd und innovativ wie seine Autoren und so lebendig und vielfältig wie seine Charaktere. Mit Beiträgen von: Edwidge Danticat, Dave Eggers, Jonathan Safran Foer, Andrew Sean Greer, Aleksandar Hemon, A.M. Homes, Nick Hornby (u. Posy Simmonds), Heidi Julavits, Miranda July, A.L. Kennedy, Hari Kunzru, Jonathan Lethem, Toby Litt, David Mitchell, Andrew O'Hagan, ZZ Packer, George Saunders, Zadie Smith, Adam Thirwell, Colm Tóibín, Vendela Vida »Dieses Buch ist ein Schaufenster. Wer stehen bleibt und durch die Scheibe späht, sieht die junge anglo-amerikanische Literatur.« Die Welt

Zadie Smith wurde 1975 im Norden Londons geboren. Ihr erster Roman »Zähne zeigen«, 2001 erschienen, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und ein internationaler Bestseller. Der Roman »Von der Schönheit«, 2006 erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, war auf der Shortlist des Man Booker Prize 2005 und gewann den Orange Prize. Zadie Smith erhielt u.a. 2016 den Welt-Literaturpreis und 2018 den Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur. Sie lebt mit ihrer Familie in London.

Zadie Smith wurde 1975 im Norden Londons geboren. Ihr erster Roman »Zähne zeigen«, 2001 erschienen, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und ein internationaler Bestseller. Der Roman »Von der Schönheit«, 2006 erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, war auf der Shortlist des Man Booker Prize 2005 und gewann den Orange Prize. Zadie Smith erhielt u.a. 2016 den Welt-Literaturpreis und 2018 den Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur. Sie lebt mit ihrer Familie in London.

Judith Castle


David Mitchell

»Hallo? Judith Castle?«

»Am Apparat.«

»Mein Name ist Leo Dunbar. Ich bin Olivers …«

»Olivers Bruder! Ich habe schon unendlich viel über Sie gehört, Leo!«

»Äh … gleichfalls, Judith. Hören Sie, ich …«

»Voll der Begeisterung, hoffe ich doch?«

»Bitte?«

»Ollys Erzählungen. Über meine Wenigkeit. Voll der Begeisterung!«

»Hören Sie, Judith, ich … also, ich muss Ihnen etwas Furchtbares mitteilen.«

»Ja, ich weiß! Und ich sage Ihnen, an die Decke gehen könnte ich deswegen.«

»Sie … wissen es?«

»Natürlich, die Nachrichten berichten über nichts anderes!«

»Was?«

»Ein landesweiter Bahnstreik betrifft nun mal das ganze Land, Leo! Ausgerechnet an dem Wochenende, wo ich nach Lyme Regis komme, um mit Olly den Liebesakt zu vollziehen, treten die verdammten Zugführer in Streik! Es wird genauso sein wie in den Siebzigern – drastische Preissteigerungen, Saturday Night Fever, hochnäsige Araber, warten Sie’s ab. Solche Dinge kehren immer wieder. Aber kein Gewerkschaftsrowdy stellt sich zwischen mich und Ihren Bruder. Ich könnte natürlich das Auto nehmen, aber auf der Autobahn bekomme ich immer meine Migräne, wie Olly Ihnen sicher erzählt haben wird. Holen Sie mich ab, oder kommt er selbst?«

»Judith, ich rufe aus einem anderen Grund an.«

»Schießen Sie los.«

»Oliver ist … tot, Judith … Judith? Sind Sie noch dran?«

»Aber unsere Suite ist schon gebucht. De luxe, mit Doppelbett. Die junge Frau im, im, im Hotel Excalibur hat meine Kreditkartennummer notiert. Es ist alles vorbereitet. Ich habe Oliver gestern Bescheid gegeben. Da war er noch nicht tot. Er war nicht einmal krank.«

»Es war ein Unfall mit Fahrerflucht. Er wollte schnell noch Tiefkühlerbsen besorgen und kam nicht mehr zurück. Der Notarzt sagte, er sei … der Notarzt sagte, Oliver sei auf der Stelle tot gewesen.«

»Aber das ist … entsetzlich …«

»Wir können es selbst nicht fassen.«

»Das ist … also … Ihr Bruder … wann ist die Beerdigung?«

»Die Beerdigung?«

»Olly und ich waren ein Liebespaar, Leo! Da darf ich auf der Beerdigung wohl kaum fehlen!«

»Die … die Beerdigung war leider schon.«

»Schon?«

»Heute Vormittag. Im engsten Kreis. Ich habe seine Asche von der Cobb gestreut.«

»Der was?«

»Der Cobb. Die Hafenmauer von Lyme Regis.«

»Ach so, die. Ja. Olly hat versprochen, mit mir dorthin zu gehen … zum Sonnenuntergang. Morgen Abend. Der Sonnenuntergang. Ach. Das Ganze ist so … so … tot?«

»Tot.«

»Das wenigste, was ich tun kann, ist zu Ihnen zu kommen und mich nützlich zu machen.«

»Sie sind ein Engel, Judith, und Olly hatte nur die zärtlichsten Worten für Sie übrig, aber wenn ich offen sein darf, es ist besser, Sie kommen nicht. Hier ist … der Teufel los. Das verstehen Sie doch, oder? Verwandte müssen benachrichtigt werden, die Exfrau, geschäftliche Angelegenheiten sind zu regeln, Anwälte … Berge von Papierkram … Versicherungen, das Testament, Vollmachten … tausendundeine Sache … ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht …«

 

Camilla macht mit ihrem Vater und Micki-Schicki Urlaub in Portugal. Ich habe ihr meine Tragödie in aller Kürze auf die Mailbox gesprochen. Die Tomaten zu gießen wirkte beruhigend, bis ich ein paar Blattläuse entdeckte. Ich verpasste den abscheulichen Biestern eine ordentliche Ladung Gift. Dann waren die Ameisen an der Reihe. Einen Kessel kochendes Wasser nach dem anderen habe ich auf die Terrasse geschüttet, bis ihre Leichen den Mosaikbelag pflasterten wie ein Sack voll Kommas. Plötzlich saß ich im Wintergarten, wo ohrenbetäubend laut Evita spielte. Olly musste zugeben, dass Sir Andrew ganz herrliche Melodien komponiert. Das war mit das Letzte, was er zu mir sagte. »Another Suitcase in Another Hall« begann, und die Tränen strömten mir über das Gesicht. Das Wochenende sollte ein neuer Anfang sein. Ich wollte mir Ollys Atelier ansehen, seine Familie kennenlernen, mich ihm hingeben, während der Meerwind sanft über die Vorhänge strich. Nach all den lauen ersten Begegnungen, all den zerstörten Hoffnungen hatte ich endlich einen Mann gefunden, dessen Mängel sich beheben ließen. Ein paar stramme Spaziergänge gegen den Bauchspeck. Ein taktvoller Hinweis, dass es vielleicht an der Zeit wäre, sich von dem grässlichen Schnauzbart zu trennen. Ein paar Musicals, um ihm seine Schwäche für »Folk Rock« auszutreiben. Dass Olly und ich geistig auf einer Ebene schwammen, war nicht weiter erstaunlich: Bei My Soulmate können nun mal nicht Hinz und Kunz Mitglied werden. Bei unserem Rendezvous in Bath konnte er jedoch nicht verbergen, dass er auch auf sinnlicher Ebene hingerissen von mir war. Sobald sie die fünfzig überschreiten, lassen sich die meisten britischen Frauen gehen, und wir Übrigen erstrahlen wie Rosen auf einem Trümmerfeld.

 

Ich riss das Steuer meines Saab herum und fuhr in die letzte freie Lücke auf dem Krankenhausparkplatz, sehr zum Ärger einer Rothaarigen, die sich offenbar einbildete, sie hätte ihn für sich gepachtet. Solche Dinge perlen an mir ab. Mein Buchladen hatte geöffnet, aber zu meiner Bestürzung war nicht ein Kunde zu sehen. Winnifred kämpfte im Lager mit einem Niesanfall, also stellte ich mich hinter den Tresen und ging die Post durch: drei Rechnungen, ein Vordruck vom Finanzamt, zwei Lebensläufe von aufstrebenden Talenten auf der Suche nach einem Samstagsjob, ein Glückwunschbrief, dass der Empfänger in der Lotterie eine Villa auf den Fidschi-Inseln gewonnen hatte – auf jede dieser dreisten Gaunereien kommen tausend Dummköpfe, die einfach nicht begreifen wollen, dass niemand Geld verschenkt –, und eine Ansichtskarte von Barry aus Grange-over-Sands, dem Auffanglanger für die asylsuchende Seele. Eine Australierin kam herein und fragte nach der No. 1 Ladies’ Detective Agency. Wir kamen ins Gespräch, und bald hatte ich Milly aus Perth dazu überredet, doch gleich die Alexander-McCall-Smith-Sammelbox zu kaufen. Sie verließ den Laden, und Winnifred hielt es für angebracht, sich zu zeigen. Winnifred ist eine kurzsichtige, vegane, homöopathische, Pu-der-Bär-hafte Lesbierin aus Wales.

»Judith! Was können wir … heute für dich tun?«

»Zunächst einmal die No. 1 Ladies’ Detective-Sammelbox nachbestellen. Quält uns wieder mal der Heuschnupfen?«

»Aber … du weißt doch, Judith, dass du … dass du …«

»Dass ich was, Winnifred?«

»… dass du … eigentlich … nicht mehr hier arbeitest.«

»Irgendwer muss das Kind schließlich schaukeln, solange Barry in der Gegend herumgondelt und der Ort voll mit Feriengästen ist. Wäre die Kundin eben eine Zigeunerin gewesen – huch, heutzutage muss man ja ›Roma‹ sagen, nicht? –, stündest du jetzt in einem leeren Laden. Denk mal drüber nach.«

»Aber … Barry wird kaum bereit sein, dich … zu bezahlen.«

»Bin ich vielleicht angezogen, als müsste ich mir Sorgen darüber machen, wie ich nächste Woche die Miete bezahle?«

»Judith … Barry hat gesagt, wenn du kommst, soll ich dich bitten …«

»Oliver ist tot, Winnifred.« Es platzte einfach so aus mir heraus. »Mein … mein Geliebter. Tot.«

Winnifred trat einen Schritt zurück. »Oh, Judith!«

»Mein Seelenverwandter.« Die Tränen übermannten mich. »Autounfall mit Fahrerflucht.«

»Oh, Judith!«

»Der Hohn darin ist einfach nicht zu ertragen. Morgen wollte Olly mich seiner Familie vorstellen. Wir wollten gemeinsam nach Fossilien suchen. Auf der Hafenmauer Eis essen. Den Liebesakt vollziehen. Es ist so … entsetzlich … ich wusste überhaupt nicht, an wen ich mich wenden …«

»Oh, Judith. Setz dich. Ich bringe dir eine Tasse Tee.«

»Der Theaterkreis braucht mich in einer halben Stunde, aber für ein offenes Ohr könnte ich wohl ein paar Minütchen entbehren … Earl Grey, bitte, mit einer Zitronenscheibe, wenn es nicht zu viele Umstände macht.«

 

Meine Theatergruppe führt im Oktober Das Phantom der Oper von Sir Andrew auf, und die Proben sind in vollem Gange. Roger, unser Regisseur, hat June Nolan, Terry Nolans Frau, die Hauptrolle gegeben. So bleibt der Lions Club hübsch heimelig unter sich. Unerheblich, dass June Nolan Stimme und Grazie eines Hundetrainers hat. Ich habe eine Nebenrolle abgelehnt und konzentriere mich auf die Arbeit hinter den Kulissen. Sollen die anderen um Ruhm und Ehre wetteifern. Meine Arbeit ist hektisch und undankbar; aber wie ich schon zu Olly sagte, würde ich Dummkopf mich nicht opfern, ginge der Laden innerhalb einer Woche vor die Hunde.

Als ich mein kleines Theater aufschloss, kamen mir wieder die Tränen. Olly wollte mich am Abend der Premiere besuchen. Leute, das ist Oliver Dunbar, ein sehr lieber Freund. Sein Atelier ist in Dorset, aber er hat sogar schon in New York ausgestellt. Ach, gebt nichts auf seine Bescheidenheit. Ollys Fotoarbeiten sind heiß begehrt.

In...

Erscheint lt. Verlag 9.5.2019
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Anthologien
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anthologie • Charity-Buch • Dave Eggers • Jonathan Safran Foer • Kurzgeschichten-Sammlung • Miranda July • Nick Hornby • Short Stories • The Book of Other People • Zadie Smith
ISBN-10 3-462-32042-4 / 3462320424
ISBN-13 978-3-462-32042-8 / 9783462320428
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