Das Geheimnis der Fenne - Kommissar Mommsens vierter Fall - Ein Föhr-Krimi -  Reimer Jürgensen

Das Geheimnis der Fenne - Kommissar Mommsens vierter Fall - Ein Föhr-Krimi (eBook)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
326 Seiten
Verlag DeBehr
978-3-95753-604-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
4,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Vorsichtig versuchte der Ermittler, den Anorak des Leblosen hochzuziehen. Erst rührte sich nichts. Dann - als er kräftiger zog - konnte er den Oberkörper der Leiche etwas anheben. Der Kopf blieb allerdings noch im Erdreich stecken. Um einen Blick auf das Gesicht des Toten werfen zu können, musste er sich überwinden und in die Haare greifen. Das Gesicht war offenbar durch Schläge schwer misshandelt worden, sodass es völlig unkenntlich geworden war ... Die malerische Insel Föhr. Bei Baggerarbeiten in der Fenne der Oevenumer Marsch wird eine Leiche aus dem Erdreich geborgen - das Opfer ist ein allseits unbeliebter Zeitgenosse mit einer Menge Feinde. Drogendealer aus der Karibik könnten mit seinem Ableben ebenso zu tun haben wie gehörnte Ehemänner, oder steckt etwas ganz Anderes hinter dem Mord? Kommissar Mommsen ermittelt in seinem vierten Föhrer Fall in alle Richtungen. Spannung, Flair und plastische Beschreibungen der Insel Föhr versprechen Lesegenuss.

 

1. KAPITEL

24. September

„Trotzdem, wir können nicht einfach abwarten. Wir haben auch eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Patienten. Herr Dienskämper ist zum letzten Mal gestern beim Mittagessen gesehen worden. Das ist jetzt fast 24 Stunden her. Der ist gestern Abend gewiss nicht nur in einer Disco versackt. Sie müssen unbedingt die Polizei einschalten.“

Oberschwester Renate schaute Heinz Fliedner, den Verwaltungsleiter der Rehaklinik „Utlande“ auf Föhr kampfbereit an. Dieser seufzte kurz, wandte sich seinem Laptop zu, rief die Daten des Patienten auf und las laut vor:

„Günter Dienskämper, geb. am 6.6.1978, wohnhaft in Wesel, verheiratet, hier in der Klinik seit dem 15.9. aufgrund seines Asthmas.“ Dann zu Schwester Renate: „Hat er ein Einzelzimmer oder hat er einen Zimmergenossen?“

„Einzelzimmer!“ Mit dieser knappen Antwort deutete sie an, dass sie nicht bereit war, sich auf eine weitere, verzögernde Diskussion einzulassen.

„Dann haben wir auch keinen Zeugen dafür, wo er die Nacht verbracht hat.“

„Aber wir haben genügend Zeugen, dass er zum Abendessen, zum Frühstück und zur Visite heute Vormittag nicht da war. Und sein Bett ist unberührt.“

„Also gut, ich spreche mit der Polizei.“ Nach einem kurzen Blick in sein Telefonverzeichnis rief Heinz Fliedner die Wyker Polizeistation an.

„Henning Lürrsen, Polizei Wyk. Was kann ich für Sie tun?“

„Henning, hier ist Heinz Fliedner. Ich glaube, ich muss eine Vermisstenmeldung machen. Einer unserer Patienten ist verschwunden, ein Günter Dienskämper aus Wesel.“

„Wie lange ist der denn schon abgängig?“

„Seit gestern Mittag. Da war er zum Essen noch da. Danach hat ihn keiner mehr gesehen.“

„Du weißt aber, dass wir erst nach 48 Stunden eine Vermisstenfahndung herausgeben können. Vielleicht ist er nach Hause gefahren, ohne euch zu informieren. Das ist doch schon vorgekommen. Habt ihr denn bei seiner Familie nachgefragt?“

„Nee, ich wollt erst deinen Rat einholen, bevor ich seine Frau aufrege. Aber o. k., ich werde mich erst einmal bei ihr erkundigen. Ich melde mich wieder, wenn ich mehr weiß.“ Heinz Fliedner legte auf und suchte die Telefonnummer von Günter Dienskämpers Ehefrau heraus.

„Ja?!“, meldete sich eine unwirsche Frauenstimme, die ihn spüren ließ, dass sein Anruf ungelegen kam.

„Spreche ich mit Frau Dienskämper?“

„Ja doch. Und wer sind Sie?“

„Fliedner von der Rehaklinik ‚Utlande‘ in Utersum auf Föhr. Frau Dienskämper, ist Ihr Mann bei Ihnen zu Hause?“

„Soll das ein verspäteter Aprilscherz sein? Mein Mann ist doch seit über einer Woche bei Ihnen zur Kur. Vorgestern hat er mir über WhatsApp noch Bilder von der Insel und der Klinik geschickt.“

„Nein, leider kein Aprilscherz. Ihr Mann ist seit gestern Mittag nicht mehr gesehen worden. Daher machen wir uns Sorgen, wo er geblieben ist. Haben Sie eine Idee, wo er sein könnte? Ich möchte keine Vermisstenmeldung bei der Polizei aufgeben, bevor wir nicht alle anderen Möglichkeiten überprüft haben.“

Fliedner registrierte ein verhaltenes Schweigen in der Leitung. „Frau Dienskämper?“, brachte er sich in Erinnerung.

„Ja, ich überlege gerade. Er wollte nach der Kur – also auf dem Rückweg – noch seine Schwester in Pinneberg besuchen. Aber die Kur dauert ja noch fast zwei Wochen. Gut, ich werde sie gleich anrufen, ob sie was von ihm gehört hat.“

„Tun Sie das bitte. Und benachrichtigen Sie mich gleich, wenn Sie mit seiner Schwester gesprochen haben.“

Nach wenigen Minuten meldete sich Dienskämpers Frau mit dem Bescheid zurück, dass dessen Schwester keine Nachricht von ihrem Bruder erhalten habe. Fliedner vereinbarte mit ihr, dass er das Gelände der Rehaklinik nach ihrem Mann absuchen lassen würde und sich auch im Wyker Krankenhaus erkundigen wollte, ob Dienskämper dort eingeliefert worden sei. Sollte dieser bis zum nächsten Morgen nicht wieder auftauchen, müsste er eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgeben.

Fliedner war nun ernsthaft besorgt. Nach dem Gespräch begab er sich mit der Oberschwester zum Zimmer des verschwundenen Patienten. Gemeinsam versuchten sie zu klären, ob Dienskämper vor seinem Verschwinden seinen Koffer gepackt habe. Sie fanden einen leeren Rollkoffer sowie Wäsche und Garderobe im Schrank.

„Das sieht nicht nach einer geplanten Abreise aus.“ Fliedner schüttelte ratlos den Kopf. „Gab sein Gesundheitszustand denn Grund zur Besorgnis? Vielleicht ist er irgendwo kollabiert?“

„Sein Arzt hat nichts vermerkt.“

„Wer hat ihn denn behandelt?“

„Dr. Ringer.“

Fliedner erkundigte sich per Handy bei Dr. Ringer nach Dienskämper. Dieser bestätigte ihm, bei dem Patienten hätten außer Asthma keine weiteren Befunde vorgelegen. Dass Dienskämper ohne äußere Einwirkung kollabiert sei, erschiene ihm unwahrscheinlich.

Zurück in seinem Büro beauftragte Fliedner alle abkömmlichen Mitarbeiter, während der Zeit der Mittagsruhe möglichst unauffällig die Gebäude und das Gelände der Klinik abzusuchen, ohne die Patienten zu beunruhigen.

Die Suchaktion war dennoch nicht unbemerkt geblieben. So beschloss Fliedner, das Verschwinden des Patienten nicht länger geheim zu halten. Zum Abendessen begab er sich in den Speiseraum und setzte sich an den Tisch, an dem Dienskämper regelmäßig seine Mahlzeiten eingenommen hatte. Die drei anderen Patienten, die schon ebenso lange wie Dienskämper an diesem Tisch ihre Stammplätze hatten, berichteten ihm, dass dieser ein zurückhaltender Mensch sei, der keine näheren Kontakte suchte.

„Allerdings, vorgestern ist er von einem Strandspaziergang mit einer Frau zurückgekommen. Die ist gestern wieder nach Hause gefahren. Ihre Kur war zu Ende.“ Fliedners Gegenüber, ein hagerer Sechzigjähriger, erinnerte sich mit einem süffisanten Lächeln an seine Beobachtung.

„Wie sah die Frau denn aus?“

„Diese Blondine, die immer dort am Tisch neben der Tür gesessen hat. Mit der kurzen Frisur.“

Fliedners Nachbar zur Linken, ein jüngerer Brillenträger, unterstützte die Erinnerung seines Vorredners. „Bob-Frisur heißt das. Trägt meine Frau auch. Ja, jetzt weiß ich, wen du meinst. Eine flotte Biene. Aber meinst du, dass er bei der Chancen hatte?“

„Vielleicht hat er ja Qualitäten, die wir nicht entdeckt haben.“

Fliedner wollte das Gespräch nicht in die Untiefen des Taxierens geschlechtsspezifischer Vorzüge oder Nachteile der besprochenen Personen abgleiten lassen. „Wissen Sie den Namen der Frau?“

„Nein, aber die Bedienung hat manchmal mit ihr geredet. Die kennt den sicher.“

Ein kurzes Gespräch Fliedners mit der Bedienung brachte den Namen heraus: Stefanie Leister. Jetzt erinnerte sich auch Fliedner an die attraktive Frau. Diese war vor zwei Jahren schon einmal als Patientin in der Kurklinik gewesen. Im Computer suchte er nach ihren Personalien. Als er ihren Wohnort „Dinslaken“ las, erinnerte er sich, dass der in der Nachbarschaft Wesels lag, des Herkunftsortes Dienskämpers. Ob sich die beiden etwa kannten? Nach kurzem Zögern wählte er ihre heimische Telefonnummer. Als sich auch nach zweimaligem Anwählen keiner meldete, legte er nachdenklich auf.

Die Unruhe, die ihn ergriffen hatte, ließ Fliedner aufstehen und nervös im Büro hin- und hergehen. Nach kurzem Zögern griff er erneut zum Telefon und rief wieder die Polizeiwache in Wyk an. Nachdem er mit Henning Lürrsen, dem Revierleiter, verbunden war, schilderte er ihm den Stand der Nachforschungen nach Günter Dienskämper. Lürrsen ließ sich eine Personenbeschreibung des vermissten Patienten geben. Er vereinbarte mit Fliedner, dass er die Vermisstenmeldung zum nächstmöglichen Termin herausgeben und auch der Möglichkeit nachgehen würde, dass Dienskämper bereits vorher mit Stefanie Leister bekannt war.

*

Heike Brodersen schaute lächelnd in die Runde um die reich gedeckte Kaffeetafel, die sie im Wohnzimmer ihres Hofes in der Oevenumer Marsch auf Föhr aufgetischt hatte. Ihre Freundinnen hatten ihr gerade ein Ständchen gebracht, um ihre Geburtstagsfeier einzuläuten. Da ihr Geburtstag in die Erntezeit fiel, hatte sie – als Ehefrau eines Landwirts – es sich zur Gewohnheit gemacht, die Feier mit ihren Freundinnen im September nachzuholen. Ihre Cousine Cosima Bernstädt erhob das Glas: „Heike, unseren herzlichen Glückwunsch! Wir wünschen dir für das neue Lebensjahr Gesundheit, Freude, viele schöne Erlebnisse und Harmonie. Unser Geburtstagsgeschenk fängt gleich mit den Erlebnissen an: zwei Karten für das Freiluftkonzert von Santiano auf Langeneß. Sünjhaid!“ Mit diesem friesischen Ausruf leerten sie ihre Gläser mit Manhattan, dem Föhrer Nationalgetränk.

Die Gäste konnten den Verlockungen der üppigen Torten nicht widerstehen und griffen munter zu. Nach zwei weiteren Runden Manhattan wurde auch die Unterhaltung immer lebhafter. Als sich der verwunderte oder auch nachsichtige Meinungsaustausch über Verhalten und Fehlverhalten nicht anwesender Zeitgenossinnen erschöpft hatte, landeten die Gespräche bei der...

Erscheint lt. Verlag 30.11.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-95753-604-9 / 3957536049
ISBN-13 978-3-95753-604-4 / 9783957536044
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 714 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Anne Freytag

eBook Download (2023)
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
14,99
Roman. Aus den Memoiren der Herbjörg María Björnsson

von Hallgrímur Helgason

eBook Download (2011)
Tropen (Verlag)
9,99
Band 1: Lebe den Moment

von Elenay Christine van Lind

eBook Download (2023)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
9,49