Grabesgrund (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
432 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40639-1 (ISBN)
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Wer andern eine Grube gräbt - Dr. Ruth Galloways siebte Fall. Eine Leiche in einem vergrabenen Kampfflugzeug - das hat die forensische Archäologin Ruth Galloway auch noch nicht gesehen. Laut DNA-Test handelt es sich bei dem Toten um Fred Blackstock, einen Aristokraten, der im Zweiten Weltkrieg über dem Ärmelkanal abgeschossen wurde und starb - jedoch in einem anderen Flugzeug! Die Ermittlungen führen die Polizei und Ruth zum Anwesen der Blackstocks. Als man auf deren Land menschliche Knochen entdeckt und bald darauf ein Mitglied der Familie attackiert wird, ahnt Ruth, dass die Blackstocks ein dunkles, jahrzehntealtes Geheimnis hüten, von dem eine tödliche Gefahr ausgeht. Kann sie das Schweigen brechen und den Killer aufhalten, ehe er erneut zuschlägt? «Eine vielversprechende Reihe mit cleveren Plots und faszinierenden Figuren.» The Sunday Times

Elly Griffiths lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Brighton. Bisher sind sieben Krimis mit der forensischen Archäologin Dr. Ruth Galloway und DCI Harry Nelson erschienen: «Totenpfad», «Knochenhaus», «Gezeitengrab», «Aller Heiligen Fluch», «Rabenkönig», «Engelskinder» und «Grabesgrund».

Elly Griffiths lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Brighton. Bisher sind sieben Krimis mit der forensischen Archäologin Dr. Ruth Galloway und DCI Harry Nelson erschienen: «Totenpfad», «Knochenhaus», «Gezeitengrab», «Aller Heiligen Fluch», «Rabenkönig», «Engelskinder» und «Grabesgrund». Tanja Handels, geboren 1971 in Aachen, lebt und arbeitet in München, übersetzt zeitgenössische britische und amerikanische Literatur, unter anderem von Zadie Smith, Bernardine Evaristo, Anna Quindlen und Charlotte McConaghy, und ist auch als Dozentin für Literarisches Übersetzen tätig.  2019 wurde sie mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis ausgezeichnet.

Prolog


|| Juli 2013 ||

Es ist der heißeste Sommer seit Jahren. Die Zeitungen sprechen von einer regelrechten Hitzewelle. Doch Barry West kümmert sich nicht um die Wettervorhersage. Er trägt sommers wie winters die gleiche Kleidung, Jeans und ein Englandtrikot. Er schwitzt in der Baggerkabine, aber auch das stört ihn nicht. Bei einem Mann gehört Schweiß dazu – wer sich zu viel wäscht, ist entweder Ausländer oder Schlimmeres. Dass Frauen seinen Geruch nicht gerade verlockend finden, kommt ihm gar nicht in den Sinn. Er ist vierzig und hatte seit Jahren keine Freundin mehr.

Doch an diesem Julitag ist er guter Dinge. Der Himmel über Norfolk ist von einem heißen, harten Blau, die Erde, die er mit den Fängen seines Baggers freilegt, hell, fast weiß. Das gelbe Gefährt bewegt sich gleichmäßig hin und her, es wühlt die Steine auf und das struppige Gras. Barry weiß nicht – und interessiert sich auch nicht dafür –, dass dieses Land, das jetzt für ein Bauvorhaben von Edward Spens & Co. vorgesehen ist, einst hart umkämpft war. Just hier, auf diesen Feldern, haben die Römer die Icener bekämpft, und fast zweitausend Jahre später lieferten sich die Armeen der Königstreuen erbitterte Nahkampfgefechte mit Cromwells Heer. Heute ist Barry mit seinem Bagger allein unter der sengenden Sonne, nur die Möwen leisten ihm Gesellschaft. Sie folgen seinem Weg und stürzen sich immer wieder auf den frisch umgegrabenen Boden hinab.

Die Arbeit ist anstrengend. Das Gelände ist uneben, von Kratern und Furchen durchsetzt, deswegen lag es auch so lange brach. Im Winter laufen die Gruben mit Wasser voll, das gesamte Feld wird zu einem mit Grasinseln durchsetzten See. Jetzt allerdings, nach einem Monat mit schönstem Wetter, ist es eine Mondlandschaft, trocken und trist. Barry steuert den Bagger hin und her und singt dabei unmelodisch vor sich hin.

Auf dem Grund eines Kraters schrammt der Bagger über Metall. Barry flucht und legt den Rückwärtsgang ein. Über ihm kreisen die Möwen. Ihr Kreischen klingt hämisch, als würden sie lachen. Barry steigt aus der Kabine.

Die Sonne scheint heißer denn je. Sie brennt auf seine Baseballkappe herunter, er wischt sich den Schweiß aus den Augen. Aus dem Boden ragt etwas hervor, grau und irgendwie bedrohlich, wie eine Haifischflosse. Barry starrt auf das Hindernis. Es strahlt etwas Dauerhaftes aus, als läge es bereits seit langer, langer Zeit in der Erde. Er bückt sich, kratzt mit den Händen etwas Dreck weg. Jetzt sieht er, dass die Flosse zu einem größeren Gegenstand gehört, einem sehr viel größeren, als Barry zunächst gedacht hat. Je mehr Erde er entfernt, desto mehr Metall kommt zum Vorschein. Es glänzt matt in der Sonne.

Barry weicht zurück. Edward Spens will dieses Feld eingeebnet haben. Barrys Vorarbeiter hat betont, dass die Arbeit so schnell wie möglich erledigt sein muss, «bevor die Spinner davon Wind kriegen». Wenn er jetzt weitermacht, wird sein Bagger das Metallobjekt zerreißen und zertrümmern. Oder der unbekannte Gegner wird ihn besiegen und den Bagger (Eigentum von Edward Spens & Co.) beschädigen. Plötzlich und völlig unerwartet fällt Barry ein Buch ein, das ihm in der Schule vorgelesen wurde. Es handelte von einem riesigen Mann aus Eisen, der auf einem Schrottplatz gefunden wird. Eine Sekunde lang gibt er sich der Vorstellung hin, dass dort unter der Erde ein Riese aus Metall schläft, der sich erheben und ihn mit seinem baggerhaften Maul zermalmen wird. Aber war der Eisenmann in der Geschichte nicht der Gute? Barry kann sich nicht erinnern. Er klettert zurück in die Kabine und holt sich einen Spaten. Der Boden ist hart, die Erde aber einigermaßen locker. Barry schuftet, das Trikot klebt ihm am Rücken, und schließlich stößt er auf noch etwas, etwas viel Größeres. Schwer atmend legt er den Spaten beiseite und wischt mit den Händen die Erde weg. Dann spürt er etwas, das kein Metall ist. Glas, dreckverklebt und fast undurchsichtig. Ohne selbst ganz zu begreifen, was ihn dazu treibt, säubert Barry eine Stelle, um hindurchzusehen.

Ein Schrei scheucht die Möwen zurück in die Luft. Barry braucht ein paar Sekunden, bis ihm klar wird, dass er es war, der da geschrien hat. Fast tut er es noch einmal, als er stolpernd vor dem begrabenen Riesen zurückweicht.

Denn als er durch das Fenster geschaut hat, schaute jemand zurück.

 

Nicht weit entfernt, auf der anderen Seite dieser Felder, auf denen die Römer in Reih und Glied marschiert und über die die Königstreuen in wirrer Hast geflohen sind, gräbt auch Ruth Galloway. Das geht allerdings in jeder Hinsicht geordneter vonstatten. Mehrere Studententeams schuften in ordentlich ausgehobenen Gräben, die mit Schnüren und Maßbändern markiert sind. Ruth geht von Graben zu Graben, gibt Ratschläge, wischt ein wenig Erde von einem Fund, einer Tonscherbe vielleicht oder womöglich sogar einem Knochenstück. Sie ist glücklich. Als sie diese sommerliche Ausgrabung mit ihren Studierenden begonnen hat, war sie sich der Geschichtsträchtigkeit der Gegend natürlich bewusst. Sie hat damit gerechnet, etwas zu finden, römische Keramik, vielleicht sogar ein paar Münzen. Doch nach zweitägiger Grabung haben sie tatsächlich eine bedeutende Entdeckung gemacht: eine Leiche, von der Ruth glaubt, dass sie aus der Bronzezeit stammen könnte, gut zweitausend Jahre vor den Römern.

Das Skelett lag in kalkigem Boden und ist daher nicht so gut erhalten wie eine Leiche, die in torfigem Milieu beerdigt wurde. Vor fünf Jahren hatte Ruth im Moor unweit ihres Hauses die Leiche eines Mädchens aus der Eisenzeit entdeckt. Es war fast völlig intakt gewesen, in der Zeit bewahrt, die Handgelenke mit Zweigen gefesselt, das Haar teilweise geschoren. Ruth hatte das Mädchen betrachten und seine Geschichte bestimmen können. Bei der Leiche hier ist das anders, Ruth kann sich ihres Alters nicht sicher sein (sie hat Proben zur Radiokarbonanalyse geschickt, wobei auch diese Ergebnisse um bis zu hundert Jahre abweichen können), doch das Skelett befand sich in der für Beisetzungen der Bronzezeit typischen Hockhaltung, und sie haben in seiner Nähe Keramikscherben gefunden, die starke Parallelen zur sogenannten Glockenbecherkultur aufweisen. Glockenbecherbestattungen, die rund viertausend Jahre zurückliegen, zeichnen sich oft durch Hügelgräber aus, doch es gibt auch Beispiele für Flachgräber. Außerdem kann der Grabhügel ohne Weiteres durch Ackerbau zerstört worden sein.

Ruth hat die Knochen tags zuvor gehoben, nachdem sie das Skelett fotografiert, es noch am Fundort gezeichnet und jeden einzelnen Knochen auf ihrem «Skelettspickzettel» eingetragen hat. Der Beckenknochen lässt sie vermuten, dass die Leiche weiblich ist, und sie hofft, genügend DNA extrahieren zu können, um sich diesbezüglich zu vergewissern. Die Isotopenanalyse wird Hinweise auf die Ernährung der Frau liefern, ihre Knochen und Zähne können von eventuellen Krankheiten oder zeitweiser Unterernährung berichten. Bald wird Ruth zumindest einige Antworten kennen, doch schon jetzt spürt sie eine Verbindung zu dieser Frau, die vor so langer Zeit gestorben ist. Während Ruth auf dem Feld steht und die Hitze in der Luft ringsum flimmert, gestattet sie sich einen Augenblick der Genugtuung. Es ist eine schöne Arbeit und gar kein schlechtes Leben, unter diesem hohen, klaren Himmel die Vergangenheit auszugraben. Es könnte alles sehr viel schlimmer sein. Ihre Eltern hätten sich gewünscht, dass sie Steuerberaterin wird.

«Ruth!» Ruth erkennt die Stimme, doch ihre Laune ist so gut, dass sie selbst dem Auftauchen ihres Chefs, Phil Trent, standhält. Und das, obwohl er Safarishorts trägt.

«Hallo, Phil.»

«Habt ihr noch was gefunden?»

Wie, reicht ihm eine Leiche aus der Bronzezeit etwa nicht? Das ist deutlich mehr, als er jemals gefunden hat. Doch trotz ihres Ärgers teilt Ruth insgeheim die Hoffnung, dass hier im Boden noch mehr Leichen liegen könnten. Die Haltung des Skeletts und das Vorhandensein von Glockenbecherscherben weisen auf eine rituelle Bestattung hin. Könnte es sich um einen Friedhof aus Bronzezeitgräbern handeln? Wenn ja, dann sind da bestimmt noch weitere Tote.

«Bisher nicht.» Ruth nimmt einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. Sie kann sich nicht erinnern, dass es in Norfolk schon jemals so heiß war. Die Baumwollhose klebt ihr an den Beinen, und sie ist garantiert knallrot im Gesicht.

«Na, wie auch immer», sagt Phil. «Ich habe da eine Idee.»

«So?» Ruth gibt sich Mühe, diese Mitteilung einigermaßen gelassen zu nehmen.

«Du kennst doch das DNA-Projekt der English Heritage?»

«Ja.»

«Warum beantragen wir nicht einfach, dass sie unseren Toten berücksichtigen? Wir könnten alle Anwohner testen lassen und sehen, ob noch irgendwer mit ihm verwandt ist.»

«Mit ihr.»

«Bitte?»

«Du weißt schon noch, was ich gesagt habe? Ich vermute, dass es sich um ein weibliches Skelett handelt.»

«Ach so, ja. Na, jedenfalls, was hältst du davon? Das könnte das Ansehen der UNN beträchtlich steigern.»

Phil ist geradezu besessen davon, das Ansehen der UNN, der University of North Norfolk, zu steigern. Im Stillen vermutet Ruth, dass dazu etwas mehr nötig sein dürfte als ein bisschen DNA aus der Bronzezeit. Trotzdem ist es keine schlechte Idee. Das DNA-Projekt wurde ins Leben gerufen, um herauszufinden, ob zwischen prähistorischen Leichen und der aktuellen Bevölkerung noch Verbindungen bestehen. Norfolk, das über eine bemerkenswert einheitliche Landbevölkerung verfügt, wäre ein geradezu ideales Testgebiet.

«Durchaus...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2019
Reihe/Serie Ein Fall für Dr. Ruth Galloway
Übersetzer Tanja Handels
Zusatzinfo Mit 1 s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte britische Krimis • englische Krimis • Forensik • Gegenwart • Krimi • Kriminalroman • Norfolk • Ruth Galloway
ISBN-10 3-644-40639-1 / 3644406391
ISBN-13 978-3-644-40639-1 / 9783644406391
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