Die andere Tote: Vera Stanhope ermittelt (eBook)

England-Krimi

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40593-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die andere Tote: Vera Stanhope ermittelt -  Ann Cleeves
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Zwei Leichen in einem Grab Ein alter Bekannter Veras - Ex-Cop John Brace, der für Mord im Gefängnis sitzt - bietet ihr einen Deal an. Wenn sie bei seiner alleinerziehenden Tochter nach dem Rechten sieht, verrät er ihr, wo die Leiche des seit über zwanzig Jahren vermissten Robbie Marshall versteckt liegt. Sowohl Brace als auch Marshall gehörten mit Veras inzwischen verstorbenem Vater Hector und dem geheimnisvollen «Professor» zur «Gang of Four», die einen mehr als zweifelhaften Ruf genoss. Vera und ihr Team von der Northumbria Police folgen dem Hinweis und finden tatsächlich menschliche Knochen - allerdings zu viele, um zu einem einzigen Skelett zu gehören. Wer ist die Tote, die sich ihr geheimes Grab mit Robbie Marshall teilt? Bei ihren Ermittlungen stößt Vera auf den unter mysteriösen Umständen abgebrannten Nachtclub The Seagull an der Whitley Bay und wittert eine Spur ...

 Ann Cleeves lebt mit ihrer Familie in West Yorkshire und ist Mitglied des «Murder Squad», eines illustren Krimi-Zirkels. Für ihren Kriminalroman «Die Nacht der Raben» erhielt sie den «Duncan Lawrie Dagger Award», die weltweit wichtigste Auszeichnung der Kriminalliteratur. 2017 wurde sie für ihr exzellentes Lebenswerk mit dem «Diamond Dagger» ausgezeichnet. Sowohl die «Vera Stanhope»-Reihe, als auch Cleeves zweite Serie um das Shetland-Quartett, sind verfilmt worden.

Ann Cleeves lebt mit ihrer Familie in West Yorkshire und ist Mitglied des «Murder Squad», eines illustren Krimi-Zirkels. Für ihren Kriminalroman «Die Nacht der Raben» erhielt sie den «Duncan Lawrie Dagger Award», die weltweit wichtigste Auszeichnung der Kriminalliteratur. 2017 wurde sie für ihr exzellentes Lebenswerk mit dem «Diamond Dagger» ausgezeichnet. Sowohl die «Vera Stanhope»-Reihe, als auch Cleeves zweite Serie um das Shetland-Quartett, sind verfilmt worden.

Kapitel zwei


Vera stand dort im Gefängnis, weil ihr neuer Boss ein akademischer Quereinsteiger war, sehr eigenwillig und von manipulativem Charme. Er hatte da diesen Spleen von wegen Vermittlung der Opferperspektive. Vera war sich nicht sicher, ob er sich diese Maxime selbst ausgedacht hatte oder ob sie von weiter oben kam. Sie jedenfalls hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, und argwöhnte, dass er das eigentlich auch nicht wusste. Er hieß Watkins, und seit seinem Antritt wurde sie das ungute Gefühl nicht mehr los, dass er es auf sie abgesehen hatte. Dass er sich von ihr bedroht fühlte und zugleich auf sie angewiesen war. Und dass er sie nicht ausstehen konnte, weil er sie brauchte. Am Vortag hatte er sie zu sich ins Büro gerufen.

«Der Kaplan von Warkworth hat angefragt, ob wir jemanden zu einem Vortrag vorbeischicken könnten.» Warkworth war ein Gefängnis der mittleren Sicherheitsstufe. Hier warteten gewöhnliche Gauner neben Lebenslänglichen das Ende ihrer Haftstrafe ab – in einer ehemaligen Militärkaserne mit hintereinandergereihten Zellenblöcken, umgeben von einer Mauer und Stacheldraht. Im Winter versank die Anlage im Schlamm, und der Wind pfiff um die Gebäude und ließ die Insassen zu Eiszapfen erstarren. Noch aber war September, und der Sommer war warm und trocken gewesen, sodass die Wachleute und Gefangenen das Gelände vermutlich noch ohne Mantel und Gummistiefel überqueren konnten. «Er möchte, dass jemand zu den Männern im FSB spricht.»

«FSB?» Die wechselten ihre Abkürzungen mit derselben Regelmäßigkeit, mit der Joe Ashworths Frau schwanger wurde.

«Der Flügel für Senioren und Behinderte.»

Vera wusste, was das bedeutete. Es bedeutete Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs. Alte Knacker, die Vergewaltigungen begangen hatten, als sie sich mächtig fühlten und glaubten, ein Anrecht darauf zu haben, weil sie berühmt waren. Inhaftierte, die, sperrte man sie mit den anderen Insassen in einen Flügel, zusammengeschlagen würden, weil sie sich an Kindern vergangen hatten, die im Gefängnis aber mittlerweile so alt geworden waren, dass sie Pfleger brauchten, die ihnen morgens beim Aufstehen halfen. Und es bedeutete korrupte Polizeibeamte, die der Strafverfolgung so lange entgangen waren, dass sie am Ende glaubten, sie kämen damit davon; bis eine neue Generation bei der Polizei, deren Arbeitsethos ein ganz anderes war, sie schließlich doch noch hatte auffliegen lassen. Steckte man die in einen Flügel mit einem Haufen Verurteilter, von denen sie einige selbst hinter Gitter gebracht hatten, sie würden buchstäblich in Stücke gerissen.

«Ashworth können Sie nicht schicken.» Vera wusste, wie schlimm das für Joe wäre. Er hatte selbst Kinder und wurde immer ganz grün im Gesicht, wenn es um Missbrauch oder Vernachlässigung ging. «Der wird hier gebraucht.»

Angestrengt dachte sie nach. Sie musste ihrem Boss jemanden zum Fraß vorwerfen. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man ihm das nicht mehr ausreden. Ihn abzulenken und darauf zu hoffen, dass er die Sache dann vergessen würde, brachte auch nichts. Er hatte etwas Gnadenloses an sich; bestimmt gab er niemals auf. «Wie wär’s mit Clarke? Dabei könnte sie noch was lernen, und in ihrem Lebenslauf würde es sich auch gut machen. Schließlich wollen wir alle, dass sie mal befördert wird.» Außerdem kann das unserer Holly nur guttun. Ein paar alte Knastbrüder zu sehen. Zu erkennen, wo sie die Männer hinschickt, wenn sie wieder mal sagt, sie würde sie am liebsten einsperren und den Schlüssel wegwerfen. In jüngster Zeit war Vera zwar besser auf Holly zu sprechen als früher, doch sie fand nach wie vor, dass es ihrer Kollegin an Menschlichkeit mangelte.

«Ich habe dem Kaplan gesagt, dass Sie das übernehmen würden.» Er blickte ihr über den Schreibtisch hinweg direkt in die Augen. Eine Kampfansage. Unerbittlich. «Eine leitende Ermittlerin sendet genau die richtige Botschaft aus.»

Sie hätte sich eine Entschuldigung ausdenken können, aber er wusste, dass sie zurzeit nicht viel zu tun hatten. Und außerdem war ihr klar, dass er ihre ganze Woche umorganisieren würde, nur um seinen Willen zu bekommen. Nur um zu beweisen, dass er das konnte. Früher hätte sie auf stur geschaltet, doch mittlerweile war sie alt und erfahren genug, um zu wissen, dass es sinnlos war, einen Krieg vom Zaun zu brechen, den man nicht gewinnen konnte. Wie einen solchen Machtkampf. Mit einem so eiskalten Menschen wie ihrem Boss. Im Stillen sagte sie sich, dass er einen ziemlich kleinen Pimmel haben müsse, wenn er jemanden wie sie als Bedrohung empfand, und nickte. «Warum nicht?», meinte sie. «Ein Nachmittag fern vom Büro und ein kleiner Ausflug die Küste hoch. Warum nicht?» Sie schenkte ihm ihr schönstes Lächeln und verließ das Büro.

 

Die Schulferien waren gerade zu Ende gegangen, und auf der Küstenstraße Richtung Norden war nichts los. Im Drift Café in der Druridge Bay legte Vera Halt für einen frühen Lunch ein. Krabbensandwiches und hausgemachte Zitronenlimonade. Ein Zipfelchen Glückseligkeit. Sie hatte dasselbe Gefühl wie als Kind, wenn sie hin und wieder die Schule geschwänzt hatte, und plötzlich kam ihr der Gedanke, ob sie nicht in Frührente gehen sollte. Dann bräuchte sie keine Schuldgefühle mehr zu haben, wenn sie mal einen Tag für sich wollte. Sie war jetzt Mitte fünfzig und hatte immer Vollzeit gearbeitet, konnte also in Rente gehen, wann sie wollte. Natürlich würde niemand sie drängen, früh zu gehen, aber vielleicht wollte ihr Boss sie ja sowieso schnell loswerden, und dass er sie gezwungen hatte, einen Vortrag vor betagten Knackis zu halten, war womöglich Teil seiner Botschaft. Scheiß auf den! Da bin ich in meinem Job schon mit härteren Typen fertiggeworden. Ich gehe, wann ich will. Sie war versucht, noch ein Eis zu essen, beschloss dann aber, das auf dem Rückweg zu machen. Schließlich gab es im Büro nichts, weswegen sie sich beeilen musste.

Auf dem Gefängnisparkplatz verstaute sie Handy und Geldbeutel im Handschuhfach ihres Wagens und schlenderte zur Pforte. Vor dem Besuchereingang stand eine Schlange. Junge Frauen mit Babys in Kinderwagen, für die sie viel zu jung aussahen und denen sie kaum Beachtung schenkten, während sie an ihren Handys herumfummelten, bevor sie sie an der Pforte abgeben mussten. Frauen, die vor der Zeit gealtert waren und ihre nichtsnutzigen Söhne besuchten. Für die Alten und Behinderten war wohl kein Besuch darunter, glaubte Vera. Die Ehefrauen dieser Insassen brauchten mittlerweile vermutlich schon ein Gehwägelchen, und die Kinder hatten sich bestimmt vor Jahren von ihren Vätern losgesagt, weil sie sich für sie schämten. Vera zeigte der Wache am Empfang ihren Dienstausweis, durchschritt eine automatische Tür und wartete im Niemandsland darauf, dass die zweite aufging.

Der Kaplan quasselte den ganzen Weg vom Empfangstor bis zur Kapelle. Nichtiges Geplapper, an dem sie die Nervosität des Mannes erkannte, was allerdings kein bisschen Mitgefühl bei ihr hervorrief. Das eine, was sie – abgesehen von dem Haus in den Bergen und einer Kühltruhe voller Tierkadaver – von Hector geerbt hatte, war ein gesundes Misstrauen gegenüber allem Religiösen. Dann aber drang das Wort «Erlösung» an ihr Ohr, und sie stutzte kurz.

«Glauben Sie wirklich, dieser Ort hier wird sie erlösen?»

«Es sind alte Männer», sagte er. «Einige von ihnen sind dem Tod schon so nahe, dass sie Bilanz ziehen wollen.»

Was Veras Frage zwar nicht beantwortete, doch sie hatte bereits beschlossen, ihren Vortrag runterzureißen und den alten und behinderten Insassen ein bisschen was darüber zu erzählen, was ihre Taten bei den Opfern angerichtet hatten, um dann früh die Fliege zu machen und, nach einem Eis im Drift Café, gleich nach Hause zu fahren. Die Männer würden ihr ohnehin nicht zuhören, und ihr war es auch egal. Es war nur Theater. Sinnlos, sich näher mit ihnen, dem Kaplan oder den Wärtern zu befassen. In einer Stunde wäre sie hier wieder weg.

Sie überquerten einen betonierten Hof und näherten sich einem neueren Gebäude. Dem Ausbildungs- und Verwaltungstrakt. Darin war es angenehmer für die Zivilangestellten als in den zugigen, ungemütlichen Gebäuden der alten Kaserne. Gesichert wurde der Trakt mit einem Tor, das dröhnend wie eine Kirchenglocke hinter ihnen zuschwang, und einer verriegelten Tür. Der Kaplan ging Vera nun voran, er wies auf die Bibliothek und die Klassenzimmer hin und lobte die Einrichtung in höchsten Tönen. Vor einem Grüppchen aus vier Männern stand eine Frau mit kurzem grauem Haar und las aus einem Buch vor. Ihre Zuhörer wirkten überraschend interessiert. «Das ist Hope, die Leiterin unserer Ausbildungsstelle, mit der Abschlussklasse in Literatur. Wir haben bemerkenswerte Erfolgsquoten bei den Prüfungen.» Der Kaplan war eine wandelnde Reklame für das Gefängnis und dessen Direktor. Dann erreichten sie eine weitere Tür. Der Kaplan sperrte auf und trat beiseite, um Vera zuerst einzulassen, die von dem Schwall Sonnenlicht, der nach dem dunklen Flur völlig unerwartet kam, kurz geblendet war.

In der Kapelle standen keine Kirchenbänke, stattdessen waren etwa ein Dutzend gepolsterte Stühle in einem Halbkreis arrangiert. Vera war zwar auf alte Männer vorbereitet gewesen, nicht aber auf Männer mit einer solchen Vielfalt an Beeinträchtigungen, wie sie nun hier vor ihr saßen. Zwei Häftlinge waren im Rollstuhl. Ein bis aufs Skelett abgemagerter Mann sah aus, als sollte er eigentlich im Krankenhaus liegen. Sein Gesicht war ganz eingefallen, und die Hand, die sich um die Armlehne des Stuhls krallte, bestand nur noch aus...

Erscheint lt. Verlag 16.4.2019
Reihe/Serie Vera Stanhope ermittelt
Übersetzer Stefanie Kremer
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Drogenring • england krimi • Kriminalroman • Nordengland • Prostitution • Schottland • schottland krimi • Vera Stanhope • Whitley Bay
ISBN-10 3-644-40593-X / 364440593X
ISBN-13 978-3-644-40593-6 / 9783644405936
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