Der Hof der Wölfe (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
608 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-20474-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Hof der Wölfe -  Robyn Young
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Eine neue Zeit bricht an in Europa ...
1485, eine Zeit voller Konflikte und Umbrüche in Europa: Henry Tudor hat Richard III. bezwungen und Englands Thron bestiegen. In Florenz spielt der mächtige Lorenzo de' Medici ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Vatikan, und Isabella von Spanien zieht gegen die Osmanen in den Krieg. Währenddessen steht Jack Wynter vor dem Nichts, nachdem sein Vater exekutiert und ihm eine wertvolle Karte gestohlen wurde. Er folgt dessen letzten Worten nach Florenz, wo er sich die Hilfe der Medicis erhofft. Doch am intriganten Hof von Florenz warten weitere Gefahren auf Jack. Und es gibt jemanden, der nur ein Ziel kennt: Jack endgültig zu zerstören ...



Mit ihrem Debüt »Die Blutschrift« gelang der Britin Robyn Young in Großbritannien und den USA ein großartiger Durchbruch, der sie auf die Bestsellerlisten schnellen ließ. Geboren 1975 in Oxford, begann sie schon früh, Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben. Aber erst während eines Seminars in Kreativem Schreiben fand sie den Mut, ihre Ideen für einen Roman zu Papier zu bringen. Heute lebt Robyn Young in Brighton, und wenn sie nicht gerade an einer Trilogie schreibt, unterrichtet sie Kreatives Schreiben an verschiedenen Colleges.

1


Bei Tagesanbruch erhob sich der Gefangene von seinem Lager. Im Dämmerlicht goss er Wasser in ein juwelenbesetztes Becken, wusch sich das Gesicht und strich sein dunkles Haar zurück. Ein paar Tropfen rannen an seiner Brust herunter, wo verblasste Narben Geschichten von Gewalt erzählten. Die auffälligste begann in der Nähe seiner linken Schulter und wand sich in einer knotigen Linie bis zur Handfläche, wo sie alle anderen Linien durchschnitt, die sich dort entlangzogen: die des Herzens, die des Lebens und die des Schicksals. So hatte er es gelernt.

Nachdem er sein Gewand angelegt hatte, dessen Seidenstoff sich kühl auf seiner Haut anfühlte, stimmte er sein Gebet an. Der monotone Singsang hallte durch die geräumige Kammer, schwoll an und ebbte ab wie ein Lied. Trotz der weichen Matte schmerzten seine Knie jedes Mal, wenn er sich auf dem Boden nach vorne warf. Wie immer bat er Gott um die Kraft, diesen Tag durchzustehen, und darum, seine Familie zu segnen, wo immer sie sich auch befinden mochte.

Sobald er geendet hatte, trat er zum Fenster, umfasste die Eisenstäbe und blickte über den Spalt von Land hinweg, zu dem seine Welt zusammengeschrumpft war. Im Osten drangen die ersten Sonnenstrahlen wie Bänder aus Licht durch eine Wolkenbank und vergoldeten die Wipfel der Bäume, die sich vom Fuß des Turms zu einem Tal hinunterzogen, bevor sie auf der anderen Seite zu bewaldeten Hügeln anstiegen. Es war Spätsommer, aber in der Luft lag schon ein Hauch von Schärfe, ein Geruch, der eine Veränderung ankündigte. Bald würden sich diese Bäume langsam von Grün zu Bronze verfärben. Dann würden sie ihre Blätter verlieren, und endlich würde er den Fluss im Tal ausmachen können. In gewisser Hinsicht sehnte er sich danach, das Wasser zu sehen; wünschte sich verzweifelt etwas Neues in seinem Blickfeld. Andererseits fürchtete er sich davor. Der Anblick von allem, was sich draußen vor seinen Augen auf dem Weg von einem Ort zum anderen bewegte – ob nun Wasser, Wolken oder Vögel –, schmerzte ihn.

Als das Licht sich weiter ausbreitete und auf sein Gesicht fiel, schloss der Gefangene die Augen und versuchte, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, damit sie ihn wie auf Flügeln nach Hause trugen. Aber der blasse Sonnenschein und der Duft des feuchten Waldes ketteten ihn hier fest. Nach drei Jahren in der Fremde fiel es ihm sogar schwer, die Gesichter seiner Familie in allen Einzelheiten heraufzubeschwören, sie glichen alten Gemälden, deren Farben verblasst waren. Eines jedoch stand ihm klar und deutlich vor Augen. Er vermutete, dass dies auch noch so bleiben würde, wenn alles andere seinem Gedächtnis entschwunden war: der harte, kantige Kiefer, die Adlernase, die stählernen Augen, klar und gnadenlos. Das Gesicht seines Bruders. Die Hände des Gefangenen schlossen sich fester um die Gitterstäbe, aber nur einen Moment lang. Selbst die tiefe Quelle seiner Wut war aufgrund von Zeit und Stille nahezu versandet.

Er drehte sich um und ging zu dem Tisch, wo ihn ein Stapel von Büchern erwartete, jedes davon eine Welt, in die er dem Tag entfliehen konnte. Es gab religiöse Texte und große Romanzen, Werke über Recht und Philosophie, Poesie und Krieg. Seine Gefängniswärter, die seinen Hunger danach kannten, brachten ihm jeden Tag neue Lektüre. Er fragte sich, wo sie sie herbekamen. Aus einer Bibliothek in der Burg des Großmeisters vielleicht?

Einige waren alt, die Einbände morsch, das brüchige Papier knisterte unter seinen Fingerspitzen; ein paar, deren dünne äußere Holzbrettchen mit Samt bezogen waren, wirkten hingegen neu und unberührt. Einige wenige waren in seiner Sprache verfasst, weitaus mehr auf Französisch, Latein, Griechisch und Englisch. Die Sprachen, die er nicht beherrschte, eignete er sich mit Hilfe eines älteren Priesters des Ordens an. Oft schritt er beim Lesen durch die Kammer, versuchte seine Gliedmaßen muskulös und geschmeidig zu erhalten. Eines Tages würde er, so Gott wollte, seine Kräfte wieder brauchen. Eines Tages würde er vielleicht zurückkehren, um sich all das zurückzuholen, was ihm genommen worden war.

Er machte es sich in einem gepolsterten Stuhl bequem, schlug ein Buch auf und strich die Seiten glatt. Bald würden die Diener kommen, ihm seine Mahlzeit bringen, den Topf unter seinem Bett leeren und die Kissen aufklopfen. Er war gerne schon tief in den Text versunken, bevor sie den Raum betraten. Als er die zweite Seite zur Hälfte gelesen hatte, hörte er den Schrei.

Der selten ertönende menschliche Laut durchdrang die Stille und riss ihn in die Wirklichkeit zurück. Er stand auf und lauschte angestrengt, hörte aber nur aufgeregtes Vogelgezwitscher. Einen Moment lang kehrte wieder Ruhe ein, dann erschollen barsche Rufe, gefolgt von dem vertrauten Klirren, mit dem Stahl auf Stahl traf, und Flügelflattern, als Schwärme von Vögeln voller Angst von den Bäumen außerhalb des Turms aufflogen. Der Gefangene ließ das Buch fallen und stürzte zum Fenster.

Von seinem Aussichtspunkt aus konnte er außer den Baumkronen nichts erkennen, doch weiteres Waffengeklirr und qualvolle Schreie verrieten ihm, dass der Kampf ganz in der Nähe tobte. Sein Herz hämmerte, das Blut rauschte durch seine Adern und schärfte seine Sinne. Während all dieser eintönigen Jahre war die drohende Gefahr eine Bestie gewesen, die ihn nie verlassen hatte, die, zum Zuschlagen bereit, stets unter der Oberfläche lauerte. Er wusste, dass sein Bruder ihn endgültig aus dem Weg räumen würde, wenn ihm das möglich war. Ein gut entlohnter gedungener Mörder mit einer verborgenen Klinge, ein mit Gift versetztes Getränk, das ein unbekannter Diener ihm reichte, ein von einem Dach aus abgeschossener Pfeil. Mit all dem hatte er ständig gerechnet.

Er packte einen silbernen Kerzenleuchter und erprobte ihn, indem er ihn durch die Luft schwang. Der Leuchter war schwer, aber kurz. Er brauchte etwas, womit er sich besser verteidigen konnte. Dumpfe Schläge ließen die Turmmauern erzittern, woraus er schloss, dass die Tür aufgebrochen wurde. Er warf den Kerzenhalter weg und griff nach einem Stuhl. Massives Eichenholz, Schild und Waffe zugleich. Ein splitterndes Krachen ertönte, Rufe und weitere Schreie, von denen einige abrupt abbrachen. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie die Angreifer, wer immer sie waren, durch die Wachräume in den unteren Stockwerken streiften. Er kannte jeden Winkel dieses Turms, denn er hatte zugesehen, wie Männer ihn eigens für ihn erbaut hatten – hoch und mächtig: ein Gefängnis, das dazu bestimmt war, tausend Jahre zu überdauern. Jeder Stein hatte sich schwer in sein Herz gegraben, jedes Kratzen der Sägen auf Holz ein Lied der Verzweiflung gesungen.

Schwere, zielgerichtete Schritte näherten sich. Er schob sich hinter die Tür, als Stimmen im Treppenhaus widerhallten. Zuerst dachte er, sie würden sich des Lateinischen bedienen, aber als die Männer näher kamen, stellte er fest, dass er die Sprache nicht kannte. Dennoch kam sie ihm vertraut vor, als wären die Worte verschiedene Noten, die auf demselben Instrument gespielt wurden. Allerdings gaben sie ihm keinen Hinweis auf die Absichten der Eindringlinge, daher umklammerte er den Stuhl fester. Sein Herz pochte immer heftiger. Schlüssel rasselten, Riegel wurden zurückgeschoben, dann flog die Tür auf.

Im selben Moment, in dem er eine Gestalt hereinkommen sah – einen Blick auf braunes Haar und einen blauen Umhang erhaschte –, griff er an. Der Stuhl traf den Mann mit solcher Wucht an der Schulter, dass eines der Beine abbrach. Der Mann wurde nach hinten geschleudert und ließ dabei das Schwert in seiner Hand fallen. Bei dem Sturz schlug er mit dem Kopf gegen die harte Bettkante und sackte auf dem Boden zusammen. Mit einem gellenden Schrei holte der Gefangene erneut mit seiner provisorischen Waffe aus, doch jetzt strömten weitere Männer in die Kammer. Zu viele, um sich gegen sie zur Wehr zu setzen.

Einer duckte sich unter seinem Hieb hinweg, warf sich dann gegen ihn, fasste ihn um die Taille und warf ihn zu Boden. Ein anderer eilte rasch herbei, um ihm den Stuhl zu entwinden. Er hörte scharfe, gebieterische Worte, die von einem Mann kamen, der ein Breitschwert mit blutverschmierter Klinge schwang. Der Gefangene wurde auf die Füße gezerrt und zur Tür gestoßen. Er sah einen jungen Mann neben dem kauern, den er mit dem Stuhl niedergestreckt hatte und der jetzt regungslos, in seinen blauen Umhang verheddert, auf dem Boden lag. Der junge Mann schüttelte den Kopf in Richtung seines älteren Kameraden, woraufhin sich dessen Kiefermuskeln anspannten. Dann beschrieb er eine Geste mit seinem Schwert und bedeutete allen, den Raum zu verlassen.

Die Füße des Gefangenen glitten auf den schmalen Stufen aus, als er halb durch den Turm gestoßen, halb gezerrt wurde. Er war an so viel Bewegung nicht mehr gewöhnt. In den Wachräumen unten lagen umgestürzte Möbelstücke zwischen den Leichen von vier Männern verstreut. Leuchtend rote Blutspritzer besudelten die weiß getünchten Wände. Zwischen den drei toten Wächtern in ihren bunten Tuniken lag eine Gestalt in einem schwarzen Überwurf nebst Mantel, der sich wie Vogelschwingen um ihn bauschte. Seine Kleidungsstücke waren mit einem gegabelten weißen Kreuz bestickt – dem Symbol des Johanniterordens.

Der Gefangene wurde nach draußen geschleift, wo das taufeuchte Gras seine seidenen Pantoffeln durchnässte. Hier warteten noch mehr Männer, einige hatten Schwerter gezückt, andere hatten dickläufige Feuerwaffen und hielten glimmende Lunten in den Händen. Etliche waren verwundet und mussten sich auf ihre Kameraden stützen. Mit angespannten Gesichtern winkten die Männer die beiden, die den Gefangenen gepackt hielten, zu einem kleinen Tor in der Burgmauer hinüber. Eine...

Erscheint lt. Verlag 19.8.2019
Reihe/Serie Jack Wynter
Übersetzer Nina Bader
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Court of Wolves (New World Rising 2)
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Daniel Wolf • eBooks • England • Florenz der Medici • Historische Romane • Historischer Roman • Jack Wynter • Königsthron • Lorenzo di Medici • Mittelalter • Mittelalter Romane • Richard III. • Schottland
ISBN-10 3-641-20474-7 / 3641204747
ISBN-13 978-3-641-20474-7 / 9783641204747
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