21 - Dunkle Begleiter (eBook)

Gewinner des Glauser Preises 2020

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
480 Seiten
cbj Kinder- & Jugendbücher (Verlag)
978-3-641-22076-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

21 - Dunkle Begleiter -  Wulf Dorn
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Mein Name ist Nikka. Ich wurde ermordet. Aber das war erst der Anfang ...
Als die 16-jährige Nikka in einem Krankenhaus zu sich kommt, hat sie Mühe, sich zu erinnern, was passiert ist. War sie nicht eben noch mit ihrer Freundin Zoe auf dieser Party? Dann plötzlich ... Filmriss. Nikka erfährt, dass sie tot war - schockierende 21 Minuten lang. 21 Minuten ohne Herzschlag, aber keineswegs ohne Erlebnisse. Denn sie erinnert sich an einen dunklen Tunnel, in dem sie einem Licht entgegenirrte und in dem auch Zoe war. Schockiert erfährt Nikka, dass ihre Freundin seit der Party vermisst wird. Wurde sie ebenfalls ermordet? Nikka glaubt das nicht und macht sich auf die Suche ...

Wulf Dorn (*1969) war zwanzig Jahre in einer psychiatrischen Klinik tätig, ehe er sich ganz dem Schreiben widmete. Mit seinem 2009 erschienenen Debütroman 'Trigger' gelang ihm ein internationaler Bestseller, dem weitere folgten. Dorns Bücher werden in zahlreiche Sprachen übersetzt und begeistern eine weltweite Leserschaft. Für seine Storys und Romane wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem französischen Prix Polar, dem ELLE Readers Award und dem Glauser Preis.

4.

Ich hatte meine Eltern nie kennengelernt. Einen Tag nach meiner Geburt erlitt meine Mom eine Gehirnblutung und fiel ins Koma. Eine Spätfolge der Wehen, vermuteten die Ärzte.

Mein Dad war sofort zum Krankenhaus gefahren und in seiner Aufregung hatte er einem Lastwagen die Vorfahrt genommen. In dem Zeitungsartikel, den ich in meiner Andenkenkiste aufbewahrte, hieß es, er sei noch am Unfallort gestorben. Meine Mom folgte ihm zwei Tage später nach.

So wuchs ich bei meiner Großmutter auf, die es jedoch hasste, wenn man sie so bezeichnete. Dafür fühle sie sich viel zu jung, erklärte sie – obwohl sie inzwischen siebenundsechzig und somit für meine Begriffe alles andere als jung war. Deshalb hatten wir uns schon früh darauf geeinigt, dass ich sie bei ihrem Vornamen nannte: Ella.

Wir verstanden uns prima, auch wenn mir ihre Frömmigkeit und ihre ängstliche Art manchmal ziemlich auf den Geist gingen. Doch trotz ihrer ständigen Sorgen ließ sie mir meine Freiheiten, was sie bestimmt viel Überwindung kostete, und das fand ich ziemlich cool von ihr.

Als ich an diesem Abend nach dem Schwimmtraining mein Kostüm für die Party und ein paar Übernachtungssachen in meinen Rucksack packte, stand Ella in der Tür zu meinem Zimmer und gab mir zig Ermahnungen mit auf den Weg, wovor ich mich auf solchen Partys, wie sie es betonte, in Acht nehmen sollte. Vor allem natürlich vor den Jungs, die immer nur das eine wollten.

»Der liebe Gott passt nur auf die auf, die auch auf sich selbst aufpassen. Also steig zu keinem Fremden ins Auto, hörst du? Und auch nicht zu jemandem, den du kennst, wenn er etwas getrunken hat.«

»Nein, das mache ich ganz bestimmt nicht«, versicherte ich ihr. Ich nahm Herrn Rossi hoch, der schnurrend meinen Rucksack inspiziert hatte – und sicherlich jeden Moment hineingekrochen wäre –, und setzte ihn auf den Boden.

»Falls du es dir anders überlegst und doch nach Hause kommen willst, dann nimm dir ein Taxi«, sagte sie und steckte mir einen Zehner in die Jackentasche.

»Ella, das braucht es doch nicht. Ich werde bei Zoe schlafen und ihr Dad fährt uns hin und holt uns auch wieder ab.«

»Das braucht es sehr wohl«, beharrte sie und nahm unseren alten Kater auf den Arm, der sich sofort an sie schmiegte. »Sicher ist sicher. Man liest jeden Tag die schlimmsten Dinge in der Zeitung, und ich will auf gar keinen Fall, dass dir etwas zustößt. Du bist doch der einzige Mensch, den ich noch habe.«

Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Wir hatten einfach zu viele geliebte Menschen verloren, um noch einen weiteren Verlust zu ertragen. Deshalb sah ich es ihr auch nach, wenn sie manchmal vergaß, dass ich in drei Monaten schon siebzehn wurde.

Ich nahm mir vor, den Zehner nicht anzurühren. Stattdessen würde ich ihn gleich nach meiner Rückkehr wieder in die Zuckerdose auf dem Küchenregal stecken, wo Ella ihr Extrageld für besondere Fälle aufbewahrte. Wir waren nicht arm, und es ging uns gut, aber uns stand eben nur das Einkommen einer Rentnerin zur Verfügung, und mein Taschengeld, das ich mir mit dem Austragen des Wochenanzeigers verdiente.

Nachdem ich Ella zum gefühlt hundertsten Mal versichert hatte, dass ich auf mich aufpassen würde, drückte ich ihr einen Kuss auf die Wange und machte mich auf den Weg.

Ich nahm den Sieben-Uhr-Bus und fuhr hinaus zum Stadtrand, wo die Wagners in einer schicken Siedlung wohnten. Ein stylishes Haus mit einem großen gepflegten Garten, an dessen Tor ein Messingschild für das Architekturbüro von Zoes Eltern warb.

Zoe erwartete mich schon und wir gingen sofort in ihr Zimmer. Nun, eigentlich war es kein Zimmer, sondern ein kleines Apartment im Obergeschoss. Es hatte sogar ein eigenes Bad.

Sie trug bereits ihr Kostüm und sah in ihrem schwarzen Outfit als Catwoman ziemlich sexy aus. Das einzig Bunte an ihr war unser Freundschaftsband, das keine von uns jemals ablegte.

»Wow«, sagte ich. »Halle Berry hat keine Chance gegen dich.«

Zoe sah mich fragend an.

»Du kennst den Film nicht?«

»Nein, ich fand einfach nur das Kostüm scharf.« Sie hielt mir einen Teller mit Karottensticks und einem grünlichen Dip hin. »Hier, willst du? Ist mit Avocado, aber ohne Knoblauch.«

Ich schüttelte den Kopf. »Nicht so wirklich, danke.«

Sie grinste. »Ich kann dieses Gemüsezeug auch nicht mehr sehen, aber du kennst ja meine Mom. Fürchtet Kohlenhydrate wie der Teufel das Weihwasser. Hauptsache, es hält schlank, ist gesund und natürlich. Aber da gibt es ja auch noch andere Sachen.«

Damit zog sie einen Joint aus ihrem Ausschnitt und hielt ihn mir vors Gesicht. »Reine Bioware.«

»Du willst doch jetzt nicht …«, begann ich, doch Zoe lachte nur und öffnete das Fenster.

»Nur ein bisschen zur Auflockerung.« Sie steckte sich den Joint an, zog daran und hielt ihn mir hin. »Nimm auch ’nen Zug, entspann dich.«

»Danke, heute lieber nicht.«

Ich legte meinen Rucksack neben Zoes Katzenmaske auf dem Bett ab. Dann holte ich mein Schminkzeug und das Kostüm hervor, das eigentlich nichts anderes war als eines von Ellas weißen Nachthemden. Den Saum hatte ich über Nacht in schwarzer Wasserfarbe eingelegt, sodass er nun ziemlich schmuddelig aussah.

»Was soll das denn werden, wenn’s fertig ist?«, fragte Zoe und blies einen Mundvoll Rauch aus dem Fenster.

»Lass dich überraschen, ich hab’s gleich.«

Ich zog das Nachthemd über. Es war mir zwei Nummern zu groß und sah an mir eher wie ein Kleid aus, genau wie beabsichtigt. Dann nahm ich einen Kamm und etwas Gel und drapierte meine langen dunklen Haare vors Gesicht.

Schließlich wandte ich mich zu Zoe um.

»Und? Wer bin ich?«

»Hey, das ist cool! Das tote Mädchen aus Ring

Sie streckte beide Daumen in die Höhe und ich lachte.

»Genau! Hundert Punkte für dich. Ist zwar schon ein alter Schinken, fast so alt wie ich, aber immer noch der gruseligste Film, den ich kenne. Jetzt muss ich nur noch meine Augen so richtig dunkel …«

»Pst!«

Zoe legte den Finger an die Lippen und trat ein Stück vom Fenster zurück. Ihr Blick wurde schlagartig ernst.

»Was ist los?«

»Schau mal, da draußen«, flüsterte sie.

»Was ist da?«

»Da steht einer.«

Noch immer sprach sie mit gesenkter Stimme, und ich war mir nicht sicher, ob sie mich verschaukelte oder nicht.

»Wer soll da stehen? Michael Myers, weil Halloween ist? Haha.«

Zoe schüttelte den Kopf. »Im Ernst jetzt. Da ist ein Typ, der uns beobachtet.«

»Kein Scheiß?«

»Nein, echt nicht. Komm her!« Sie winkte mich ungeduldig zu sich heran. »Schau selbst. Da unten bei der Hecke.«

Ich zögerte einen Augenblick, ehe ich zum Fenster ging. Halb erwartete ich, dass Zoe gleich losprusten und mir etwas wie »Buh!« ins Ohr rufen würde.

Aber das tat sie nicht. Stattdessen sah ich im trüben Abendlicht tatsächlich jemanden im Garten stehen. Eine schlanke dunkle Gestalt mit einem Kapuzenpullover, die sich halb zwischen den Büschen am Tor verbarg. Die hohe Gartenhecke hielt das Licht der Straßenlaternen ab, und wenn man es nicht besser wusste, hätte man glauben können, dort unten stehe eine Statue.

Zoe stand mit dem Rücken zum Fenster, und der Typ musste wohl gedacht haben, er sei ihr nicht aufgefallen. Aber als ich nun ans Fenster kam und zu ihm herunterschaute, duckte er sich hinter die Büsche und tauchte nicht wieder auf.

»Himmel, was war denn das?«

Zoe trat neben mich und schaute ebenfalls wieder in den Garten hinunter. »Keine Ahnung. Der Typ war schon ein paarmal da und immer steht er nur da und glotzt zu meinem Fenster rauf.«

»Das war nicht das erste Mal?«

»Nein, das geht jetzt schon ungefähr vier Wochen so. Er taucht immer wieder mal auf.«

»Wow! Hast du das deinen Eltern gesagt?«

Sie schaute mich an, als ob ich sie etwas Dummes gefragt hätte. »Natürlich nicht! Soll ich meiner Mom einen Herzinfarkt bescheren? Du kennst sie doch, die würde sich nicht mehr vor die Tür trauen. Und ich hätte dann Hausarrest, bis der Kerl geschnappt ist.«

»Aber das geht doch nicht! Irgendwas muss man doch dagegen tun!«

»Ach ja, und was?«

»Na, die Polizei rufen oder so.«

»Süße, und was soll ich denen erzählen? Dass wir hier einen Spanner im Viertel haben? Der Typ ist doch immer gleich wieder weg, wenn ich ihn sehe. Glaubst du, der würde hier brav stehen bleiben und auf die Bullen warten?«

»Nein, aber … «

»Und selbst wenn die etwas unternehmen wollten, was sollten sie denn tun? Eine Streife vor unser Haus stellen? Bestimmt nicht! Mom würde durchdrehen. Außerdem würde das meinen Eltern die ganze Kundschaft vertreiben.«

»Na ja, es würde ihm wenigstens einen Schrecken einjagen«, sagte ich, auch wenn mir mein Vorschlag inzwischen selbst ziemlich naiv vorkam. »Vielleicht bleibt er dann weg.«

»Das glaubst du doch selbst nicht!« Zoe schnaubte abfällig den Rauch durch die Nase aus. »Bis jetzt hat es den doch auch nicht gejuckt, dass ich ihn gesehen habe. Nicht mal, nachdem ich neulich mein Handy hochgehalten habe. Er kommt immer wieder.«

»Du hast ein Foto von ihm gemacht?«

»Nein, ich war leider nicht schnell genug.« Sie seufzte und dann sah sie mich ernst an. »Okay, jetzt weißt du’s, aber das muss unter uns bleiben, verstanden? Meine Eltern dürfen das nicht wissen. Das musst du mir versprechen, okay?«

»Aber du kannst dem Kerl das doch nicht durchgehen lassen!«

»Werde ich auch nicht.« Zoe sah wieder in den Garten hinunter. »Ich erwische ihn schon noch. Aber bis dahin hältst du die Klappe, ja?«

»Okay, ich werde niemandem etwas sagen....

Erscheint lt. Verlag 24.6.2019
Reihe/Serie Bände der "21"-Reihe
Die "21"-Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte ab 14 • Beste Freundin • eBooks • Geister • Glauser preis • Identität • Jugendbuch • Jugendkrimi • Kinderkrimi • Liebe • Mord • Nahtoderfahrung • Psychothriller • Selbstwert • Spannung • Thriller • Thriller für Jugendliche • Trigger • Tunnelerfahrung • Young Adult
ISBN-10 3-641-22076-9 / 3641220769
ISBN-13 978-3-641-22076-1 / 9783641220761
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