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Die Liebenden von Starbitz -  Sonja Ruf

Die Liebenden von Starbitz (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
280 Seiten
konkursbuch (Verlag)
978-3-88769-691-7 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
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Eine Tour d´amour. Leidenschaft und Intensität, aber auch Witz und Absurdität, Inniges und Zärtliches, Freude an der Leiblichkeit und die Dämonie des gliederlösenden Eros - eine erotische Welt jenseits der einsortierten Sexualitäten und frei von Life-Style-Zwängen. In den Geschichten geraten Menschen in ihrem Wunsch nach Liebe in außergewöhnliche, manchmal schräge Situationen, in Fallen, in die Ekstase und Verklärung. Sonja Rufs Sprache ist 'leicht und schön hingetupft' (Ulrich Greiner, Die Zeit) poetisch. Die Sprache selbst ist erotisch. Erotische Literatur, das sind viertausend Jahre Begegnung, Beschwörung oder Verwünschung. Sprache als magische Handlung.

Sonja Ruf veröffentlichte bisher zehn Bücher, sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien, war z.B. 1996 Teilnehmerin am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, 2014 Stadtschreiberin in Gotha. 2016 lud sie das Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes ins Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf ein.

Sonja Ruf

Die Liebenden
von Starbitz

Erzählungen

konkursbuch

Verlag Claudia Gehrke

Zum Buch


„Ihr Stil, ihre Sprachkunst und ihr unvoreingenommenes Herangehen an ein Thema machen Appetit auf mehr.“ (Badener Rundschau).

Mal überschwängliche, mal bittersüße und melancholisch-herbe Geschichten vom Liebesverlangen, vom glücklichen Scheitern, vom Wunsch nach Wärme, Erotik und Zusammensein. Sonja Ruf erzählt von den Höhen und Tiefen, der Verklärung und den Fallen, in die Neugierde und Liebessehnsucht uns treiben können.
Diese „Tour d’amour“ zeigt Leidenschaft und Intensität, Inniges und Zärtliches, Freude an der Leiblichkeit und die Dämonie des gliederlösenden Eros – eine erotische Welt jenseits der einsortierten Sexualitäten und frei von Life-Style-Zwängen.  Rufs Sprache selbst ist erotisch, „leicht und schön hingetupft.“ (Ulrich Greiner, Die Zeit).

Widmung


Ich hab’s von der Natur gelernt, sie küsst mich beständig, ich mag gehn und stehn, wo ich will; sie küsst mich.

Die Günderode,
BETTINA VON ARNIM

Die Liebenden von Starbitz


Wir kamen nach Starbitz und bezogen die alte Gutsmühle über dem Krebsbach. Im Garten sangen die Amseln. Der Bach verschwand unter der alten Gutsmühle, schoss durch den tiefsten Keller und tauchte jenseits des Hofes wieder auf. Im Flur roch es nach unbenutztem Abort und nach in den Rohren abgestandenem Wasser. Aus der Dusche drang ein Geruch, der nur bei geöffnetem Fenster erträglich war, und die Polster für die Gartenmöbel waren schimmelfleckig. Es gab kein warmes Wasser im Haus, es sei denn, wir erhitzten es im Topf auf der Herdplatte. Überall webten Spinnen, sogar das Porzellan im abgeschlossenen Vitrinenschrank war flockig eingesponnen, und die Tees und Gewürze in den Küchenschubladen sahen verdächtig aus – wir warfen sie weg. Wir schliefen im dritten, im obersten Stock, im einzigen Zimmer, das für uns vorbereitet und gereinigt worden war. Es war ein Zimmer mit Teppichen, einem breiten Bett und roten Schlaufengardinen vor zwei großen Fenstern. Ein Fenster ging auf die Straße hinaus, eines seitlich zum Hof mit Blick auf den Kindergarten und den »Landhandel. Du.«

In diesem Zimmer sagte Angelina zu mir: »Ich war noch nie mit einer Frau so glücklich wie mit dir.«

Wir durchquerten die Apfelplantagen, die Starbitz kilometerweit umfluteten, auf steinplattenschuppigen Wegen, die sich wie abgestreifte Häute zogen. Blickten auf eine detailbestickte Landschaft, auf Dörfer, Hügel, Wäldchen, Wiesen und ein paar Schafe rings unter Birnbäumen. Wir begegneten niemandem, auch keinen Landwirten, nur einmal einer Frau mit einem Metalldetektor. Das war in den Ruinen der alten Zollstation oben auf dem Kamm zwischen Starbitz und Mügeln. Wir fragten sie nicht, was sie suchte. Vielleicht waren es Münzen, vielleicht Uniformknöpfe napoleonischer Soldaten aus der Völkerschlacht.

Wir gingen auf Grasmatten, Sand- oder Plattenwegen. Auf Kleewiesen umsummten Hummeln unsere Füße, eine verliebte Sonne karamelisierte unsere Haut und ließ die Härchen auf den Armen weißblond flimmern.

Angelina rupfte Brombeeren ab, samt Blättern und Ranken, legte sie mir in die Hände wie aus dem Füllhorn geschüttet. Ich zupfte die einzelnen Beeren frei. Wegen der Mäuse pflückte ich die Birnen, Pflaumen oder Äpfel lieber vom Baum, Angelina las sie hastig vom Boden auf.

»Du musst den Bestohlenen respektieren«, sagte sie und versteckte die Blätter, die ich von einem Maiskolben abgezogen hatte, so, dass sie vom Weg aus nicht mehr zu sehen waren.

In der Starbitzer Mühle kochte ich den Mais eine ganze Stunde lang, bevor ich das Gefühl hatte, er sei zart genug und servierte ihn mit zerlaufener Butter und Salz. Er schmeckte gut, aber in der Nacht bekamen wir Bauchschmerzen und so stahlen wir nie wieder Mais, der womöglich als Tierfutter oder auch für eine Biogasanlage angebaut worden war. Im »Landhandel. Du.« kaufte Angelina mit meinem Geld Brot, Milch und Eier. Sie war stolz, die dafür nötigen Worte zu beherrschen. Angelina sprach kein Deutsch, ich kein Russisch. Wir unterhielten uns auf Englisch, was aber hier keine Rolle spielen soll, wir verständigten uns gut.

Wir wanderten zu einer Kiesgrube, die ich auf der Karte verzeichnet gefunden hatte. Angelina trug eine Decke über den Schultern, sah aus wie eine Schäferin, ein Kegel.

Zum ersten Mal sagte sie, dass sie Waliki Nowgorod verlassen würde, sobald ihr alter Vater nicht mehr wäre, »sowas darf ich eigentlich nicht sagen«, ängstlich sah sie zum Himmel.

»Was ist denn so schlimm bei dir?«

»Na, was ist das Erste, was eine Russin macht, wenn sie essen geht? Sie reibt den Löffel an der Serviette sauber. Und warum? Weil das Besteck immer schmutzig ist. Und was ist das Erste, was der russische Busfahrer macht, wenn er Deutschland verlässt? Er kickt mit dem Fuß den Müllsack raus, einfach raus damit auf die Straße. Und dann fährt er rechts ran, geht rum und sammelt Geld ein für die Grenzer. Damit die nicht in die Koffer schauen. Und jeder zahlt. Jeder. Ich auch. Ich hasse Russland«, Angelinas Augen lächelten immer, wenn sie mich ansah, sogar jetzt lächelten ihre Augen. Einmal, so erzählte sie weiter, habe sie ein paar Betrunkene aufgefordert, einen Baum in Ruhe zu lassen, von dem sie gerade einen Ast abbrachen. Einer der Männer habe sie ins Gesicht geschlagen, ihr ein Stückchen Schneidezahn weggeschlagen. Der Baum war eine Magnolie. Eine blühende Magnolie in einem öffentlichen Park.

»Hätte ich mich nur nicht eingemischt. Aber wer sagt denn auch, dass das Leben leicht sein muss?«

Ich schloss sie in meine Arme.

Im Weitergehen fasste sie nach meinem Handgelenk, schlenkerte meinen Arm und sagte: »Lass uns reden, lass uns ernsthaft reden, möchtest du mit mir leben? Sag nur ein Wort und ich ziehe sofort nach Deutschland, wenn mein Vater –, nunja«, und wieder dieser abergläubische Blick in den Himmel. Ich dachte an die acht Quadratmeter in der Wohngemeinschaft, die ich in Leipzig bewohnte, und versuchte mir vorzustellen, dort mit ihr zu leben. Ich versuchte mir auch vorzustellen, ohne sie zu leben. Beides erschien mir nicht möglich. Ich schwieg. Sie sah mich lächelnd an: »Komm, lass die Maschine mal stillstehen« und rückte mir mit beiden Händen die Brille zurecht, bevor sie mich küsste.

Vor uns versandeten die Wiesen in einer Art Wüstenlandschaft. Wir hatten das Gelände erreicht, wo früher Kies abgebaut worden war. Nur wenige Sträucher wuchsen dort und zarte zähe Birken als erste Siedlerinnen auf hellem Boden, der die Sonne fast schmerzhaft reflektierte. In der Mitte lag türkis und milchig der See. Die Ufer waren leer. Mehrere Schilder verboten das Schwimmen. Ich zog mich aus, nutzte den Turnschuh als Brillenetui und stieg ins Wasser. Der Grund sackte rasch steil ab. Ich schwamm, während Angelina sich auf der Decke sonnte, die sie als Umhang getragen hatte.

»Kommst du nicht rein?«, rief ich ihr zu.

»Ich kann nicht schwimmen.«

»Schade, du verpasst was«, ich schwamm unter einem wolkenlosen Himmel, der See zog angenehm an den Haaren, ich wurde durch das sandhaltige Wasser gereinigt und gestreichelt, vergaß die Dusche in der alten Gutsmühle. Es war still, mein Plätschern im Wasser das einzige Geräusch. Bis Angelina mich schreien hörte. Sie sprang auf und lief zum Ufer: »Was ist?«

»Nichts passiert«, rief ich ihr zu und ertastete, was mich eben so erschreckt hatte, es war der zackige Rand eines Rohres, das bis kurz unter die Wasseroberfläche reichte. Hätte ich eben einen rascheren Armzug gemacht, dann hätten diese Zacken mir Bauch oder Schenkel aufgeschlitzt.

»Scheiße, ist das gefährlich!«, ich schwamm langsam, kurzsichtig, mich vorsichtig mit Händen und Füßen unter der Wasseroberfläche vorantastend. Der See schien tiefer zu sein als er wirkte, er war kälter als vermutet, womöglich gab es Gruben, Senkungen, Zuflüsse, denn unterseeische Strömungen hatten sich wie kühle Bänder um meine Beine gewickelt.

Angelina reichte mir die Hand und half mir ans Ufer.

»Was war los?«, fragte sie.

»Die haben das Räumgerät stehen lassen. Die Kiesgrube säuft ab, und keiner holt was weg. Ist wohl auch billiger, Verbotsschilder aufzustellen. Im Zweifelsfall bist du dann selbst schuld.«

Sie hörte sich das ruhig an.

Und stieg hinein.

Sie schwamm los, ungelenk, paddelte wie ein Hund, aber sie schwamm. Sie schwamm bis zu der Stelle mit dem Rohr, ertastete es, schwamm zurück ans Ufer, wo jetzt ich ängstlich stand und ihr hinaus half: »Du hast doch gesagt, du kannst nicht schwimmen.«

»Wegen dir. Wie beim Radfahren. Ich denk an nichts, ich folge dem Orange, so magst du mich doch, hm?«, sie streckte sich entspannt in der Sonne aus und blickte über den See, der sie erst interessiert hatte, als er gefährlich geworden war.

Ja, ich hatte ihr das Radfahren beigebracht. Wir hatten erst mit dem Klapprad im Hof geübt, dann uns vom Nachbarn zwei Räder geliehen und eine Tour über die Dörfer gemacht. Ich trug eine orangene Bluse, und meist fuhr sie mir hinterher, sie fuhr wie ein kleines Mädchen mit hochgezogenen Schultern und ganz schnellen Bewegungen, trat in die Pedale wie eine Aufzieh-Puppe. Das gefiel mir und ihr gefiel, dass es mir gefiel –, und dann, auf einmal, glitt sie an mir vorüber, ganz aufrecht, beide Hände im Nacken verschränkt, als hätte sie nie etwas anderes getan als Rad fahren, als wäre sie damit im Zirkus aufgetreten.

Wir sonnten uns nebeneinander, schwitzten und schwiegen, bis sie meinen Arm ein wenig anhob und mit ihren Fingern...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bisexuell • Körper • Landschaft • Lesbisch • Lesbische Erotik • Liebe
ISBN-10 3-88769-691-3 / 3887696913
ISBN-13 978-3-88769-691-7 / 9783887696917
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