Agilstabile Organisationen - Richard Pircher

Agilstabile Organisationen (eBook)

Der Weg zum dynamischen Unternehmen und verteilten Leadership

(Autor)

eBook Download: PDF | EPUB
2018
XV, 316 Seiten
Vahlen (Verlag)
978-3-8006-5531-1 (ISBN)
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„Wir haben alles weggelassen, was man nicht braucht.“

Michael Botek, ITdesign

Ressourcenvergeudung und Ineffizienzen in der Organisation, Überlastung oder das Gegenteil davon, Bore-out, kaum überwindbare Barrieren für die eigene Entwicklung, Manager ohne Leadership-Fähigkeiten, das Vorherrschen individueller Machtinteressen statt Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel - Phänomene wie diese haben wohl die meisten Menschen im Arbeitsleben schon kennengelernt. Kann Zusammenarbeit auch anders funktionieren? Ja!

Dieses Buch bietet Führungskräften, Eigentümern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern konkrete Ansatzpunkte, um mit neuen Formen der Zusammenarbeit lebendige Entwicklung zu ermöglichen und dadurch sowohl die Agilität als auch Stabilität ihres Unternehmens in einem dynamischen Umfeld sicherzustellen.

Erfolgreiche Unternehmen aus dem deutschen Sprachraum, die Richard Pircher auf Basis von Interviews analysiert hat, zeigen, welche anderen Wege der Organisation und Zusammenarbeit möglich sind – losgelöst von Pyramidenstruktur und klassischem Management- und Führungsmodell.

Aus den Erfahrungen dieser Pionierunternehmen aus unterschiedlichen Branchen, wie Gutmann Aluminium Draht, Tele Haase, Premium Cola, Liip oder Ökofrost, leitet der Autor vier Bausteine der agilstabilen Organisation ab, die Unternehmen und Menschen beflügeln. Deren Zusammenwirken verbindet nicht nur Effizienz und Innovation, Orientierung und Potenzialentfaltung, Menschlichkeit und Rentabilität, sondern ermöglicht gänzlich neue Leistungsdimensionen.

Für den Weg dorthin gibt es kein Patentrezept. Je nach Geschichte und Ist-Situation passen andere Schritte und Strategien. In diesem Buch wird aufgezeigt, welche Fragestellungen und Maßnahmen für eine Organisation geeignet sein können, um sich stufenweise in Richtung höherer Dynamik, Sinnorientierung und verteilter, organischerer Strukturen zu verändern und die Unterschiedlichkeit der in ihr arbeitenden Menschen als Potenzial zu begreifen.

Der erste Schritt besteht in der Beantwortung dieser drei Fragen:

  • Wozu das Ganze, was ist der Sinn?
  • Wie wollen wir zusammenarbeiten?
  • Welche Rollen und Verantwortlichkeiten braucht es dafür, und was will ich übernehmen?

 "Das Buch zeigt einen Weg zu einer neuen Freiheit in Organisationen. Durch ehrliche Akzeptanz des Status quo und passende Anwendungsbeispiele kann man sicher durch die Transformation navigieren. Der Mut, sich auf diese Reise zu begeben, wird belohnt!"

Benjamin Büscher, adidas, VP Global Logistics

Richard Pircher ist Unternehmensberater und Wirtschaftsprofessor. Er unterstützt Organisationen bei Entwicklungsprozessen und hält Workshops, Seminare und Vorträge zu den Themen neue Führungs-, Entscheidungs- und Organisationsformen, New Work Experience, Selbstführung, Strategieentwicklung, Führen bei Unsicherheit und Wissensmanagement (www.richardpircher.com).

Cover 1
Zum Inhalt/Zum Autor 2
Titel 3
Vorwort 4
Die Reichweite und Art der Veränderung bestimmen die Transformation 4
Agilstabil: Dynamik und Stabilität dort,wo sie sinnvoll sind 5
Danke! 7
Inhaltsverzeichnis 8
Kapitel 1: Die Evolution der Zusammenarbeit 13
1.1 Der Beginn 14
Erste Menschen 14
Garten- und Ackerbau 14
1.2 Industrialisierung: Effizienz und Masse 16
Entwicklung durch Zusammenarbeit und Wissen 18
1.3 Die Pyramidenorganisation – ein Körper mit Blockaden und Schmerzen 19
Wie kommt man überhaupt in die übergeordnete Position? 20
Informations- und Entscheidungsverzerrung 21
Kapitale Fehlentscheidungen 22
Aber Fehler kann doch jeder machen, oder? 23
Welche Bedeutung hat das, was wir (nicht) wissen? 24
Management ist nicht direkt wertschöpfend, aber teuer 26
Sind es manchmal vielleicht auch egozentrierte Stars? 26
Die Managementpyramide vermittelt eine Eltern-Kind-Logik 27
Können Mitarbeiter überhaupt wichtige Entscheidungen treffen? 28
Kontrollillusion, Drama-Dreieck und ungenutzte Potenziale 29
1.4 Warum werden heute die Probleme schmerzhafter und gefährlicher? 31
Kann das Unternehmen es mit der Dynamik aufnehmen? 33
1.5 Eine kritische Würdigung der Pyramidenorganisation 36
1.6 … und noch ein wenig an der Pyramide herumdoktern 37
1.7 Auf dem Weg zu einer Innovationskultur von Mitdenkern und Intrapreneuren in der Managementpyramide? 38
Kapitel 2: … und es geht auch anders 40
2.1 Neue Wege 41
Soziokratie 41
W. L. Gore 42
Handelsbanken 44
Semco 45
Sich selbst organisierende Teams in der Praxis 46
Agiles Manifest 47
Unternehmensbeispiele nach 2000 49
Holacracy 50
Reinventing Organizations 51
Neue Formen der Zusammenabeit 55
2.2 … einen beweglichen Geist 58
2.3 Einige Pionierunternehmen gehen andere Wege 59
apus Software GmbH 59
Gutmann Aluminium Draht GmbH (GAD) 60
Handelsbanken Austria 61
hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH 61
ITdesign Software Projects & Consulting GmbH
Liip AG 63
Netcentric 64
Ökofrost 65
Premium Cola 66
Tele Haase 67
2.4 Eigenschaften von Organisationen mit dezentralen Strukturen 68
Warum das Ganze? 68
Verteilte Entscheidungen und Verantwortung 72
Organische Strukturen 79
Hier und jetzt mit Ausrichtung 86
2.5 Eine kritische Würdigung dezentraler Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen 90
Häufige Fragen und Missverständnisse 92
2.6 Alles schön und gut, aber sind sie auch wirtschaftlich erfolgreich …? 95
2.7 Eine Landkarte der Wege zu einer organischen Struktur 96
Methode versus Eigenentwicklung 97
Struktur versus Kultur 99
Reichweite der Transformation 102
Kapitel 3: Bausteine der agilstabilen Organisation 107
Unterschiedliche Grade von Unsicherheit und Gestaltbarkeit innerhalb einer Organisation 109
Verschiedene Logiken innerhalb eines Unternehmens 110
3.1 Verschiedene Grade der Unsicherheit 113
3.2 Baustein 1: Menschenbild und informelle Organisation 114
3.3 Baustein 2: Richtung und Orientierung? 118
3.4 Baustein 3: Organische, flexible Struktur 120
3.5 Baustein 4: Lebendiger Anfängergeist 121
Empowerment-Struktur 122
3.6 Unterschiedliche Grade von Komplexität gezielt integrieren 125
Kapitel 4: Leadership oder geht das Kamel durchs Nadelöhr? 127
4.1 WILL jemand grundlegende Weiterentwicklung? 130
Wie kann man Führungseignung beurteilen? 130
Konventionell und postkonventionell 134
Lassen Chefs los? 135
4.2 Ja, jemand WILL. Was kommt dann? 136
Methode oder Haltung? 136
Methode und Haltung – Struktur und Kultur 144
Kapitel 5: Organisationstransformation und Mindshift 151
5.1 Der Veränderungsprozess 152
Warum überhaupt Veränderung? 152
Mit oder ohne externe Unterstützung? 156
Start-up 157
Ausgründung 159
5.2 Do’s und Don’ts 160
5.3 Methoden- oder entwicklungsgetrieben 162
Methodiker – Unterstützer 162
Entwickler – Modellierer 165
Übersetzer 167
Kapitel 6: Praktiken agilstabiler Organisationen 176
6.1 Der Sinn und Seinszweck der Organisation 176
6.2 Das Menschenbild in Bezug auf Mitarbeiter und Stakeholder 180
Persönlichkeitsentwicklung 184
6.3 Leadership und Management 185
Geschäftsführung 189
Strategische Planung 191
Regeltreue und Pragmatismus 192
Managen, Führung, Hierarchie und Macht 192
6.4 Entscheidungsfindung und Transparenz 195
Beratungsprozess (Advice Process) 198
Mehrheit 200
Konsent 201
Einstimmigkeit 204
Herausforderung breiter aktiver Beteiligung 205
6.5 Effizienz und Dynamik 206
„Sowohl als auch“ ertragen 207
Effizienz und Dynamik durch verschiedene Logiken in der Organisation 208
6.6 Transparenz und Kommunikation 212
Umgang mit Spannungen und Konflikten 216
6.7 Eigentümerstruktur und rechtliche Rahmenbedingungen 218
6.8 Controlling, Steuerung, Koordination und (Nicht-)Planung 220
6.9 Diversität 225
6.10 Arbeitsplatz und Arbeitszeit 226
6.11 Rekrutierung, Onboarding, Kündigung 228
Recruiting: Erkläre eine andere Welt 228
Onboarding 232
Kündigung 233
Die partnerschaftliche HR-Abteilung 234
6.12 Kompetenzentwicklung 235
Selbstgesteuerte Weiterbildung 237
6.13 Rollen statt Positionen – Staffing 238
6.14?Funktionsentwicklung: Den „Sweet Spot“ finden 241
Unterstützung und Coaching 243
Self-Leadership 245
6.15 Entgelt 247
6.16 Interaktion mit der Unternehmensumwelt 251
Die Wirkung der eigenen Organisation in einem größeren Ganzen 252
6.17 Selbstorganisation und integrierter Change 254
6.18 Skalierbarkeit 257
Kapitel 7: Der Weg zur agilstabilen Organisation und zu verteiltem Leadership 263
7.1 Fünf Phasen der Transformation 264
7.2 Wo stehe ICH? 267
7.3 Geschichte und Status quo von Führung und Organisation 268
7.4 WHY? Der Seinszweck der Organisation 270
Purpose Quest 270
Visions-Workshop 271
7.5 Evolutive Transformation: Reichweite – Strategie 271
Der Weg zur organischen Struktur 273
7.6 Bausteine der agilstabilen Organisation 277
7.7 Module des Transformationsprozesses 279
7.8 Das agilstabile Unternehmen im Überblick 286
Anhang 1: Trainingsprogramm New Work Experience 288
Anhang 2: Beispielhafte Szenarien 290
Szenario Starke Linienstruktur (~ ~ – –) 290
Szenario Krisensituation (! ~ ~ –) 291
Szenario Laissez-faire, kaum strategiegeleitet (~ – – ~) 292
Szenario Vom Leadership angetrieben (~ + – –) 293
Szenario Agile Projekte (+ ~ – +) 293
Szenario Start-up (! + – +) 294
Glossar 295
Agile Teams und Organisationen 295
Bewusstseinsentwicklung 296
Holacracy, Holakratie 297
Kreiskommunikation, Circle Practice 299
Scrum, Large Scale Scrum 300
Soziokratie 300
Anmerkungen 303
Quellen 308
Stichwortverzeichnis 317
Impressum 321

29Kapitel 2
… und es geht auch anders


„Alle sagten: Das geht nicht.
Dann kam eine,
die wusste das nicht und hat’s gemacht.“

Lebensweisheit

Wohin Sie dieses Kapitel führt

  • Immer mehr Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größe organisieren sich in flexiblen, dezentralen Strukturen.
  • So unterschiedlich ihre Entstehungsgeschichte und Struktur dabei sind, es können ähnliche Eigenschaften beobachtet werden.
  • Die gemachten Erfahrungen lassen sich heute auswerten, um eine Roadmap für den individuell geeigneten Weg zu einer lebendigeren und dynamischeren Organisation zu skizzieren.
  • Häufige Eigenschaften sind verteilte Entscheidungen, dezentrale, dynamische Strukturen und eine Ausrichtung auf den Seinszweck des Unternehmens mit Fokus auf das Hier und Jetzt.

Die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel und die Koordination der Tätigkeiten zu seiner Erreichung können heute auch zeitgemäßer und zielführender gestaltet werden als durch die Managementpyramide. Betrachten wir kurz im Überblick, welche neuen Wege dazu beschritten wurden.

302.1 Neue Wege


Soziokratie1


Der französische Philosoph und Mitbegründer der Soziologie, Auguste Comte prägte 1851 den Begriff „Sociocratie“, der später von anderen Autoren aufgegriffen wurde. Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte der niederländische Unternehmer Gerard Endenburg das Konzept der Soziokratie auf Basis der Gedanken seines Lehrers Kees Boeke und dem Prinzip der dynamischen Steuerung, das Endenburg aus der Kybernetik übernommen hatte, erheblich weiter. Boeke, ein niederländischer Reformpädagoge und Quäker, machte Endenburg mit der Art der Entscheidungsfindung der Quäker bekannt, bei der eine einmütige Beschlussfassung angestrebt wird und eine Entscheidung dann erfolgt, wenn es keine Bedenken dagegen gibt.

Endenburg wollte in seinem Unternehmen Endenburg Electrotechniek weder hierarchische noch demokratische Entscheidungen. Deshalb entwickelte er die sozio­kratische Kreisstruktur. Durch sie soll strukturell sichergestellt werden, dass die Bedürfnisse aller Mitglieder berücksichtigt werden und sich die kollektive Intelligenz der Organisation entfalten kann, wodurch sowohl die Organisation als Ganzes als auch ihre Mitglieder sich individuell entwickeln können sollen. Dabei wirken sogenannte Basiskreise, ein Leitungskreis und der Topkreis der Geschäftsführung zusammen, wobei jeder Kreis Delegierte auf zwei Jahre wählt, die ihn im nächsthöheren Kreis vertreten. „Jede Stimme zählt, jeder ist Teilhaber, so wird das Wissen der Mitarbeiter für die Firma erschlossen. Nicht Position und Titel entscheiden, sondern Argumente. Nicht Macht, sondern Verstand und Expertise. Jede Meinung ist wertvoll. Jeder kann alles werden, jeden Posten besetzen innerhalb der Organisation. Ein ungelernter Arbeiter kann durch Wahl bis in den Topkreis vorrücken.“2 Endenburgs Credo lautet: „Die Soziokratie lebt von der Anerkennung des Individuums. Sie kennt keine Gewinner und Verlierer, nur Lösungen.“3

Im Gegensatz zur Demokratie werden bei dem Konzept der Soziokratie Entscheidungen nicht durch Mehrheitsvotum oder durch Einstimmigkeit getroffen, sondern nach dem Konsent-Prinzip: Ein Vorschlag kann hier nur durch einen schwerwiegenden und begründeten Einwand blockiert werden. Dadurch werden unsachliche Einflüsse in der individuellen Urteilsfindung, wie Emotionen oder Machtbestrebungen, weitgehend ausgeklammert, die vorgebrachten Überlegungen werden für alle Beteiligten explizit und nachvollziehbar.

„Wer Soziokratie in einer Organisation praktizieren will, muss Macht aufgeben, nicht die Macht seiner Überzeugungskraft, seiner Expertise, sondern die Über-Macht, die ihn trotz Unwissenheit und Inkompetenz unantastbar macht.“4 Durch die Strukturen und Entscheidungsprozesse wird gewährleistet, dass die Kraft der Inhalte im Vordergrund steht und nicht der Status der Person, die eine Sichtweise vertritt.

Entscheidungen werden so eher gefördert als verhindert, solange keine triftigen Gründe dagegenstehen. Statt auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zurückgeworfen zu werden, weil sich entgegengesetzte Meinungen blockieren, wie es in Demokratien häufig der Fall ist, dominieren die Prinzipien „Good enough for now“ und „Safe enough to try“.

31Gerard Endenburg wandte ab den frühen 1970er-Jahren die soziokratischen Grundsätze bei Endenburg Elektrotechniek an. Als das Unternehmen 1976 in eine Krise geriet, weil seine Kunden zunehmend in Asien produzieren ließen, wurde die Konsequenz gezogen, 60 Mitarbeiter zu kündigen. Bei einer Versammlung meldete sich der Schlosser Jan de Groot zu Wort und sagte sinngemäß, dass die Bewältigung einer Krise eine Gemeinschaftsaufgabe sei. Daraufhin bemühten sich alle auf ihre Art, neue Aufträge zu akquirieren. Nach sieben Monaten waren die Auftragsbücher voll und es konnte sogar neues Personal eingestellt werden. In der Folge wurden neue Geschäftsfelder erschlossen und das Unternehmen machte Schlagzeilen mit seiner ungewöhnlichen und erfolgreichen Organisationsstruktur. Endenburg gründete 1978 das Sociocratisch Centrum Nederland in Rotterdam. Er hält Vorträge und berät Unternehmen auf der ganzen Welt. Heute sind weltweit eine Reihe von Unternehmen und Organisationen vor allem aus dem Sozial- und Nonprofit-Bereich soziokratisch organisiert, mit einem deutlichen Schwerpunkt in den Niederlanden und den USA.

Viele Jahre später übernahm Brian Robertson, der Mitbegründer von Holacracy5 (siehe Glossar Holacracy), für sein „Betriebssystem“ bedeutende Elemente der Soziokratie.

W. L. Gore6


Eine der ersten und auch heute noch unter den internationalen Top-Unternehmen befindlichen Organisationen, die einen neuen und eigenen Weg zur Selbstorganisation gegangen sind, ist W. L. Gore. Ihr Gründer Wilbert „Bill“ Gore kündigte 1958 nach 17 Jahren beim Chemieproduzenten DuPont, weil er dort zu wenig Unterstützung fand, um ein Material zu vermarkten, das unter dem Namen Gore-Tex bekannt werden sollte. Zu diesem Zweck gründete er das Unternehmen W. L. Gore. Doch er wollte nicht nur innovative Produkte herstellen und verkaufen, sondern auch ein vollkommen neuartiges Unternehmen schaffen, in dem jede Person inspiriert ihrer Tätigkeit nachgehen und sich frei entwickeln kann. Es sollte hier genau so intensiv das „nächste große Ding“ gesucht, wie „das letzte große Ding“ kommerziell ausgewertet werden können.

Bill Gore setzte in seinem Unternehmen seine Schlussfolgerungen aus Douglas McGregors Theory X–Theory Y-Konzept7 in die Praxis um. Die sogenannte Theory X entspricht der verbreiteten Annahme, dass Menschen grundsätzlich faul, nicht an ihrer Arbeit interessiert und nur durch äußere Anreize wie Geld zu motivieren seien. Im Gegensatz dazu geht die Theory Y davon aus, dass Mitarbeiter sich selbst motivierende Problemlöser sind, die einen Sinn in der Arbeit finden können. McGregor folgerte, dass beide Theorien, und damit die Menschenbilder einer Führungskraft, immer von der Realität bestätigt werden, egal ob die Führungskraft glaubt, alle kontrollieren zu müssen oder ob sie in die Handlungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Menschen vertraut. Bei Theorie X führen Misstrauen und Kontrolle zu geringem Engagement und dem Umgehen von Regeln. Vertrauen in die Menschen nach Theorie Y bewirkt, dass Menschen Verantwortung übernehmen und zusammenarbeiten. Gore wusste, dass viele Führungskräfte ihr Theory X-Management mit ein wenig Theory Y verbrämen. Allerdings kannte er kein 32Unternehmen, das auf dem Theory Y-Menschenbild aufgebaut gewesen wäre. Und genau das wollte er verwirklichen.

So schuf Gore ein Unternehmen, in dem jeder mit jedem offen sprechen kann, in dem es keine traditionellen Manager oder Beaufsichtigung gibt und wo familiäre Kollegialität zwischen den Mitarbeitern herrscht. Dennoch oder gerade deshalb ist das Unternehmen über die Jahre stark gewachsen. Es agiert sowohl profitabel als auch menschlich. Alle dort Tätigen verfolgen in kleinen, sich selbst managenden Teams denselben Grundsatz: „Let’s make money and have fun“. Weder gibt es eine Managementpyramide noch ein Organigramm. Stattdessen verwendete Gore das Bild einer gitterartigen Netzwerkstruktur. Obwohl das Unternehmen mittlerweile rund 10.000 Mitarbeiter (die „Associates“ bzw. Partner oder Teilhaber genannt werden) beschäftigt, verhält es sich immer noch so agil und motiviert wie ein Start-up. Es erwirtschaftet einen Umsatz von rund 3 Milliarden USD jährlich und seit seiner Existenz jährlich Gewinne. Es gibt keine Manager, stattdessen hört man den Begriff „Leader“. Zum Leader wird man nicht durch die Beförderung durch einen Vorgesetzten, sondern durch Kollegen, die der Meinung sind, man wäre einer. „Wir stimmen mit unseren Füßen ab. Wenn Sie ein Meeting einberufen und die Leute kommen, dann sind Sie ein Leader“8, sagt dazu ein Mitarbeiter. Durch dieses System des „natural Leadership“ kann niemand sicher sein, seine Führungsposition zu behalten, weil einem die Gefolgschaft der Mitarbeiter jederzeit entzogen werden könnte. Dadurch ist sichergestellt, dass...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2018
Zusatzinfo mit Abbildungen
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Unternehmensführung / Management
Schlagworte Change • Organisation • Organisationsentwicklung • Unternehmenskultur • Wandel
ISBN-10 3-8006-5531-4 / 3800655314
ISBN-13 978-3-8006-5531-1 / 9783800655311
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