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Der Schnee war schmutzig (eBook)

eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
320 Seiten
Kampa Verlag
978-3-311-70007-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
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Ein namenloses Land, von fremden Trup- pen besetzt. Der Winter will kein Ende nehmen. Frank Friedmaier wächst als Sohneiner Prostituierten in einem Bordell auf. Der 18-Jährige ist ein Kind seiner Zeit, die geprägt ist von Täuschung und Verrat. Frank hungert nach Erfahrungen, doch nichts vermag ihn zu befriedigen. Aus reiner Langeweile wird er zum Mörder und verschachert das Mädchen, das ihn liebt. Als er schließlich begreift, was er getan hat, und mit sich selbst ins Gericht geht, ist es zu spät.Ein großer, unerbittlicher Roman über die Frage, wie das Böse in die Welt kommt. Meisterlich entwirft Simenon eine Welt, in der die Regeln des menschlichen Miteinanders außer Kraft gesetzt sind, Mitgefühl und Erbarmen nichts mehr gelten, und deutet zugleich vor diesem düster-unheilvollen Hintergrund eine Liebesgeschichte an, die so surreal wie überzeugend ist.

Georges Simenon, geboren am 13. Februar 1903 im belgischen Liège, ist der »meistgelesene, meistübersetzte, meistverfilmte, mit einem Wort: der erfolgreichste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts« (Die Zeit). Seine erstaunliche literarische Produktivität (75 Maigret-Romane, 117 weitere Romane und über 150 Erzählungen), seine Rastlosigkeit und seine Umtriebigkeit bestimmten sein Leben: Um einen Roman zu schreiben, brauchte er selten länger als zehn Tage, er bereiste die halbe Welt, war zweimal verheiratet und unterhielt Verhältnisse mit unzähligen Frauen. 1929 schuf er seine bekannteste Figur, die ihn reich und weltberühmt machte: Kommissar Maigret. Aber Simenon war nicht zufrieden, er sehnte sich nach dem »großen« Roman ohne jedes Verbrechen, der die Leser nur durch psychologische Spannung in seinen Bann ziehen sollte. Seine Romane ohne Maigret erschienen ab 1931. Sie waren zwar weniger erfolgreich als die Krimis mit dem Pfeife rauchenden Kommissar, vergrößerten aber sein literarisches Ansehen. Simenon wurde von Kritiker*innen und Schriftstellerkolleg*innen bewundert und war immer wieder für den Literaturnobelpreis im Gespräch. 1972 brach er bei seinem 193. Roman die Arbeit ab und ließ die Berufsbezeichnung »Schriftsteller« aus seinem Pass streichen. Von Simenons Romanen wurden über 500 Millionen Exemplare verkauft, und sie werden bis heute weltweit gelesen. In seinem Leben wie in seinen Büchern war Simenon immer auf der Suche nach dem, »was bei allen Menschen gleich ist«, was sie in ihrem Innersten ausmacht, und was sich nie ändert. Das macht seine Bücher bis heute so zeitlos.

Georges Simenon, geboren am 13. Februar 1903 im belgischen Liège, ist der »meistgelesene, meistübersetzte, meistverfilmte, mit einem Wort: der erfolgreichste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts« (Die Zeit). Seine erstaunliche literarische Produktivität (75 Maigret-Romane, 117 weitere Romane und über 150 Erzählungen), seine Rastlosigkeit und seine Umtriebigkeit bestimmten sein Leben: Um einen Roman zu schreiben, brauchte er selten länger als zehn Tage, er bereiste die halbe Welt, war zweimal verheiratet und unterhielt Verhältnisse mit unzähligen Frauen. 1929 schuf er seine bekannteste Figur, die ihn reich und weltberühmt machte: Kommissar Maigret. Aber Simenon war nicht zufrieden, er sehnte sich nach dem »großen« Roman ohne jedes Verbrechen, der die Leser nur durch psychologische Spannung in seinen Bann ziehen sollte. Seine Romane ohne Maigret erschienen ab 1931. Sie waren zwar weniger erfolgreich als die Krimis mit dem Pfeife rauchenden Kommissar, vergrößerten aber sein literarisches Ansehen. Simenon wurde von Kritiker*innen und Schriftstellerkolleg*innen bewundert und war immer wieder für den Literaturnobelpreis im Gespräch. 1972 brach er bei seinem 193. Roman die Arbeit ab und ließ die Berufsbezeichnung »Schriftsteller« aus seinem Pass streichen. Von Simenons Romanen wurden über 500 Millionen Exemplare verkauft, und sie werden bis heute weltweit gelesen. In seinem Leben wie in seinen Büchern war Simenon immer auf der Suche nach dem, »was bei allen Menschen gleich ist«, was sie in ihrem Innersten ausmacht, und was sich nie ändert. Das macht seine Bücher bis heute so zeitlos.

Erster Teil Die Gäste im Timo’s


1


Ohne jenes zufällige Zusammentreffen hätte Frank Friedmaiers Geste keine besondere Bedeutung gehabt. Natürlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sein Nachbar Gerhardt Holst die Straße entlangkommen würde. Nun war alles anders, weil Holst vorbeigekommen war und ihn erkannt hatte. Frank aber nahm auch das hin, und alles, was sich daraus ergeben sollte.

Warum war, was sich in dieser Nacht an der Mauer der Gerberei abspielte, von solch grundlegend anderer Bedeutung für Gegenwart und Zukunft als beispielsweise eine Entjungferung?

Denn daran hatte Frank zuerst denken müssen, und der Vergleich belustigte und ärgerte ihn zugleich. Vorige Woche erst hatte sein Freund Fred Kromer – mit zweiundzwanzig! – einen Mann getötet, auch er war gerade aus dem Timo’s gekommen, wo Frank eben noch gewesen war, bevor er nach draußen ging und sich an die Mauer der Gerberei drückte.

Zählte der Tote von Kromer überhaupt? Kromer hatte seinen Pelzmantel zugeknöpft und war zur Tür gegangen, mit wichtiger Miene, wie gewohnt eine dicke Zigarre zwischen den dicken Lippen. Er glänzte. Kromer glänzte immer. Er hatte eine fettige, großporige Haut, wie manche Orangen, und diese Haut schwitzte sichtlich.

Jemand hatte ihn mal mit einem jungen Stier verglichen, der nicht weiß, wohin mit seinem Trieb. Jedenfalls erweckte sein dickes, glänzendes Gesicht mit den triefenden Augen und den geblähten Lippen eine irgendwie sexuelle Assoziation.

Ein kleiner Dünner, von der Sorte blass und hitzig, wie es so viele gibt – so wie er aussah, hätte man nicht gedacht, dass er sich überhaupt einen Drink im Timo’s leisten konnte –, hatte sich ihm dummdreist in den Weg gestellt, ihn am Pelzkragen gepackt und beschimpft.

Was mochte Kromer ihm angedreht haben, womit er nicht zufrieden war?

Kromer war würdevoll, an seiner Zigarre ziehend, weitergegangen. Vielleicht um die Frau an seiner Seite zu beeindrucken, war ihm der Hungerhaken bis auf die Straße gefolgt und hatte dort begonnen herumzubrüllen.

Die Nachbarn in der Straße vom Timo’s sind solches Geschrei gewohnt. Die Polizei meidet die Ecke so gut es geht, denn wenn ein Streifenwagen in der Nähe vorbeikäme, wären die Herren genötigt, ein bisschen genauer hinzusehen.

»Geh schlafen!«, hatte Kromer zu dem Zwerg mit dem feuerroten Haarschopf gesagt, dessen Kopf zu groß war für seinen Körper.

»Erst wenn du mich ausreden lässt …«

Wenn man immer alle ausreden ließe, würde es nicht lang dauern, und man landete im Kittchen.

»Geh schlafen!«

Hatte der Rothaarige zu viel getrunken? Eigentlich wirkte er eher wie ein Drogensüchtiger. Vielleicht bezog er den Stoff von Kromer, und vielleicht war die letzte Lieferung gepanscht gewesen? Was soll’s.

Kromer stand mitten auf der Fahrbahn, die schwarz zwischen zwei Schneewällen lag. Mit der linken Hand nahm er die Zigarre aus dem Mund, mit der rechten Faust schlug er zu, nur einmal. Und schon ragten zwei Beine und zwei Arme in die Luft, geradezu wie bei einer Marionette; dann sackte eine dunkle Gestalt in den Schneehaufen am Rand des Bürgersteigs. Besonders eigenartig war, dass neben dem Kopf eine Orangenschale lag. So etwas war vermutlich in der ganzen Stadt nicht zu finden, außer vor dem Timo’s.

Timo kam raus, ohne Jacke, ohne Mütze, so wie er auch hinter dem Tresen stand. Er betastete die Marionette und schob die Unterlippe ein wenig vor.

»Der hat ausgelitten«, brummelte er, »in einer Stunde ist er kalt.«

Hatte Kromer den Rotschopf wirklich mit einem einzigen Faustschlag getötet? Ihm ist recht, wenn man das glaubt. Der jedenfalls wird nicht widersprechen, denn auf Timos Rat hin, der gern Nägel mit Köpfen macht, hat man ihn zweihundert Meter von hier ins Alte Hafenbecken geschmissen, wo die Kanalisation hineinläuft und das Wasser am Zufrieren hindert.

Kromer kann sich also damit brüsten, seinen Mann getötet zu haben. Selbst wenn Timo die Hand im Spiel hat, selbst wenn die Marionette, die man noch einmal in die Luft hatte werfen müssen, um sie über eine kleine Ziegelmauer zu befördern, da noch nicht vollkommen tot gewesen sein sollte.

Der Beweis dafür, dass der Tote für Kromer gar nicht zählt, ist, dass er weiterhin die Geschichte von dem erwürgten Mädchen erzählt. Allerdings ist das nicht in der Stadt passiert und auch nicht an einem anderen Ort, den die anderen gekannt hätten. Es gibt keine Beweise. Da kann sich jeder mit irgendetwas schmücken.

»Sie hatte große Brüste, fast keine Nase und helle Augen …«, sagte er.

Bis dahin hat er es immer genau gleich geschildert. Aber jedes Mal fügt er neue Details hinzu.

»Es war in einer Scheune …«

Gut. Aber was machte Kromer, der nie Soldat gewesen war und der das Landleben verabscheute, in einer Scheune?

»Wir haben im Stroh miteinander geschlafen, und das dauernde Piksen der Halme brachte mich auf die Palme …«

Wenn Kromer diese Geschichte erzählt, knabbert er an seiner Zigarre und stiert geistesabwesend vor sich hin, mit gespielter Zurückhaltung. Es gibt da noch eine Einzelheit, von der er nicht abweicht. Eine Äußerung der Frau.

»Ich hoffe, du machst mir gerade ein Kind.«

Er behauptet, dass diese Äußerung alles in Gang gesetzt hat und dass ihm die Vorstellung, von diesem dummen, schmutzigen Mädchen, das er wie ein Stück Teig bearbeitete, ein Kind zu bekommen, grotesk, ja geradezu unerträglich vorkam.

»Ganz und gar un-er-träg-lich.«

Und dass sie immer zärtlicher und zudringlicher wurde.

Dass er schließlich die Augen gar nicht mehr zu schließen brauchte, um das blonde, bleiche, konturlose Gesicht eines Ungeheuers vor sich zu sehen, sein Kind mit diesem Mädchen.

Liegt es daran, dass Kromer der dunkle Typ ist und stark wie ein Baum?

»Das hat mich angewidert«, sagt er abschließend und klopft die Asche von seiner Zigarre.

Ein ganz Gerissener. Er weiß, welche Gesten ankommen. Er hat Tics, die ihn interessant wirken lassen.

»Ich fand es sicherer, die Mutter zu erwürgen. Es war mein erstes Mal. Also … ganz einfach! Nichts Besonderes.«

Kromer ist nicht der Einzige. Wer von den Gästen im Timo’s hat nicht mindestens einen Menschen umgebracht? Im Krieg oder sonstwie. Oder durch Denunziation, das geht am einfachsten. Man muss nicht einmal seinen eigenen Namen druntersetzen.

Timo brüstet sich nicht damit, aber er hat sicher viele umgebracht, sonst würden die Besatzer nicht zulassen, dass seine Kneipe die ganze Nacht offen ist, ohne nachzusehen, was dort vor sich geht. Auch wenn die Läden immer geschlossen sind, auch wenn man durch die Einfahrt kommen und sich an der Tür draußen zu erkennen geben muss, sie sind nicht so naiv, dass sie nicht Bescheid wüssten.

Was also? Für Frank hatte die Entjungferung, die echte, keine große Bedeutung gehabt. Denn er befand sich schon im richtigen Umfeld. Für andere ist das eine große Geschichte, die sie noch Jahre später erzählen und immer weiter ausschmücken, wie Kromer die Sache mit dem in der Scheune erwürgten Mädchen.

Dass Frank mit neunzehn seinen ersten Menschen tötet, ist für ihn eine kaum beeindruckendere Entjungferung als die erste, die echte. Und wie bei der ersten ist es ohne Vorsatz geschehen. Es ist ganz von selbst gekommen. Als wäre irgendwann der Augenblick da, wo es unvermeidlich und natürlich ist, eine Entscheidung zu treffen, die in Wahrheit längst gefallen ist.

Niemand hat ihn dazu genötigt. Keiner hat sich über ihn lustig gemacht. Typen, die sich von anderen aufstacheln lassen, sind ohnehin Trottel!

Seit Wochen, wenn nicht Monaten, denkt er, weil er eine Art Minderwertigkeitsgefühl empfindet:

»Ich muss es versuchen …«

Nicht in einer Rauferei. Das ist nicht seine Art. Damit es vor ihm selber wirklich zählt, muss es kaltblütig geschehen.

Vorhin bot sich die Gelegenheit. Lag es an seiner Erwartungshaltung, dass es sich ihm als Gelegenheit darstellte?

Sie waren im Timo’s, an ihrem Stammtisch nah am Tresen. Kromer war da, mit seinem Pelz, den er selbst an überheizten Orten anbehält. Und natürlich mit seiner Zigarre. Und seiner glänzenden Haut. Und seinen großen Augen, die wirklich etwas Kuhäugiges haben. Kromer scheint sich als etwas Besseres zu fühlen gegenüber dem Rest der Welt, denn er macht sich nicht die Mühe, die großen Scheine in einer Brieftasche unterzubringen, sondern stopft sie sich bündelweise und zerknüllt in die Taschen.

Bei Kromer saß ein Kerl, den Frank nicht kennt, ein Kerl aus anderen Kreisen, der sofort statt einer Vorstellung nur sagt:

»Sagen Sie Berg zu mir.«

Er dürfte etwas über vierzig sein. Kühl, wortkarg. Jemand Wichtiges. Der Beweis: Sogar Kromer benimmt sich ihm gegenüber geradezu devot.

Er erzählte ihm die Geschichte vom erwürgten Mädchen ohne großes Aufhebens, eher in dem Ton, als wäre das nichts Besonderes, ein kleiner Scherz im Vorbeigehen.

»Schau, Frank, das Messer, das mein Freund mir gerade gegeben hat.«

Und das Messer, wie ein Edelstein, der noch schöner funkelt, wenn man ihn einem edlen Etui entnimmt, strahlte nur umso mehr, als es, aus dem warmen Pelz hervorgezogen, auf dem karierten Tischtuch lag.

»Fühl die Schneide.«

»Ja.«

»Kannst du den Stempel lesen?«

Es war ein schwedisches Fabrikat, ein Springmesser, von so klarer Linienführung, so »leichtgängig«, dass man den Eindruck gewann, es habe eine intelligente Klinge, die sich den...

Erscheint lt. Verlag 4.10.2018
Reihe/Serie Georges Simenon
Nachwort Daniel Kehlmann
Übersetzer Kristian Wachinger
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bordell • Böse • Frank Friedmaier • Krieg • Liebesgeschichte • Mörder • Nachwort • Neuübersetzung • Prostituierte • Täter • Winter
ISBN-10 3-311-70007-4 / 3311700074
ISBN-13 978-3-311-70007-4 / 9783311700074
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