Die Reise der Urzeitjägerin - Abenteuer-Roman aus der Kupferzeit -  Sylvia Maria Zöschg

Die Reise der Urzeitjägerin - Abenteuer-Roman aus der Kupferzeit (eBook)

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2018 | 1. Auflage
250 Seiten
Verlag DeBehr
978-3-95753-561-0 (ISBN)
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Südtirol vor 5500 Jahren. Dort, wo sich heute das obere Vinschgau befindet, siedelt der Clan der jungen Brigga. Die friedlichen Urzeitsiedler leben von Ackerbau und Jagd. Doch in den Wäldern lauert der Tod - und er kommt immer näher. Eines Tages bricht ein furchtbares Unglück über Briggas Familie herein. Das Mädchen, zur Jägerin ausgebildet, muss ihren Weg nun alleine finden. Einzig ihr neuer Gefährte, ein Wanderer aus einem fremden Land, begleitet sie. Doch die Wildnis der Jungsteinzeit birgt große Gefahren. Nicht nur die Natur ist Brigga alsbald auf den Fersen. Der Roman schickt den Leser auf eine fesselnde Reise in die südtiroler Jungsteinzeit und über deren Grenzen hinaus.

 

Zwei

Die Frau beobachtete mit ausdrucksloser Miene, wie der Rehbock auf den Boden stürzte und mehrmals mit den Hufen ausschlug, bevor er leblos liegen blieb. Erst als er kein Lebenszeichen mehr von sich gab, senkte sie den Bogen. Das Leder ihrer Bekleidung – eine langärmlige Weste, Beinröhren und der Lendenschutz – spiegelte die Farben des Waldes. Ihre schlanke, dennoch kräftige Gestalt war zwischen den Bäumen kaum auszumachen. Mit dem Handrücken fegte sie ungeduldig ein paar Haarsträhnen ihrer zotteligen, hellbraunen Mähne aus dem immer noch kindlichen Gesicht.

Mächtig wollte sich der Triumph in ihr Platz schaffen. Nur mit Mühe gelang es der jungen Frau, nicht in lautes Jubeln auszubrechen. Einzig das Strahlen ihrer dunkelblauen Augen und ein leichtes Beben ihrer Schultern verrieten den Ansturm der Gefühle, der in ihr tobte. Zärtlich streichelte sie das glatte Holz ihres Bogens. Viele Tage war sie durch den Wald gestreift, bis sie das passende Stück Holz gefunden hatte. Es durfte weder zu hart noch zu weich sein, und musste sie an Länge überragen. Wann immer es ihr in den vergangenen Monden möglich gewesen war, hatte sie an ihren Waffen gearbeitet. Ihre Familienmitglieder hatten oft lächelnd darüber hinweggesehen, wenn sich die angehende Jägerin vor der Arbeit drückte, um aus dünnen Trieben Pfeilschäfte zu schnitzen, Vogelfedern und Sehnen zu bearbeiten, die Schneiden ihres Speers und der Pfeilspitzen zu schleifen. Wie es der Brauch verlangte, hatte sie erst am Vorabend erfahren, welches Tier sie mit welcher Waffe erlegen sollte.

Nun zupfte Brigga spielerisch an der Bogensehne. Sie hatte sie so oft benutzt, dass ihre Fingerkuppen durchfurcht und rau waren. Vorsichtig lehnte sie den Bogen an den Baumstamm zu ihrer Rechten. Kaum dem Krabbelalter entwachsen hatte sie gemeinsam mit den anderen Kindern die Kleintierjagd erlernt. Jetzt war es endlich so weit. Im letzten Herbst war aus ihr eine Frau und nun eine Jägerin geworden. Brigga legte die Hand auf ihre Brust. Ihr Herz pochte wild. Die Umrisse des Schmuckstückes, welches sie an einem Lederband um den Hals trug, bohrten sich tröstend in ihre Handfläche. Dieser Stein, der im Sonnenlicht blaugrün funkelte, war ein Geschenk ihrer Mutter Sura. Es sollte ihre Tochter ständig daran erinnern, dass Brigga ein Kind der Sterne war und somit in der besonderen Gunst der Hüter stand. In der Nacht, in der Brigga geboren wurde, war nämlich ein Schweifstern über den Himmel gezogen, der das Firmament in ein grünes Glühen getaucht hatte.

Die frischgebackene Jägerin schloss die Augen und dankte stumm den Hütern des Waldes. Langsam fiel die Anspannung von ihr ab. Sanfte Erschöpfung machte ihren Kopf leicht und ihre Glieder schwer. Noch vor dem Morgengrauen war sie aufgebrochen. Inzwischen stand die Sonne hoch im Himmel. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie der Fährte des Rehbocks gefolgt war. Von dem Augenblick an, in dem sie sich an ihn geheftet hatte, gab es nichts mehr, außer völliger Konzentration und instinktiven Handelns. Immer wieder war sie stehen geblieben, hatte in den Wald hineingehorcht, sich hingekauert und am Waldboden geschnuppert, hatte Spuren untersucht.

Die ganze Zeit über folgten ihr zwei Schatten, die sich in der Dunkelheit des Waldes verborgen hielten. Brigga wusste, dass jeder ihrer Schritte streng überwacht wurde. Noch war ihre Prüfung nicht vollendet. Brigga streckte die Arme seitlich aus und rollte den Kopf hin und her. Ihre Wirbelsäule knackte laut. Mehrmals ballte sie ihre Hände zu Fäusten und streckte sie wieder. Unerwartet traf sie etwas so schmerzhaft am Hinterkopf, dass die junge Frau beinahe gestürzt wäre. „Was ist los, hast du einen der Finsteren gesehen und bist zu Stein erstarrt?“ Brigga rieb sich den Kopf und sah mürrisch ins Gesicht der Frau, die ihr eine kräftige Kopfnuss verpasst hatte. Die geweihähnlichen Tätowierungen auf ihren nackten Unterarmen zeichneten die Ältere als Jägerin von höchstem Rang aus. Lautlos, wie die Kinder der Mutter Erde, hatte sie sich an ihre Schülerin herangeschlichen und sie wieder einmal überlistet. Wie immer kämpfte die Jüngere in Anwesenheit dieser großartigen Jägerin mit gemischten Gefühlen. Solariga war einen ganzen Kopf größer als Brigga und um einiges stärker. Unter einer wilden, dunkelblonden Haarpracht glitzerten ihre strahlend blauen Augen. Sie war wild, furchtlos und die Geschickteste unter den Jägern. Solariga wurde von allen Frauen in der Sippe gefürchtet und bewundert und von allen Männern begehrt. Aber die große Jägerin zeigte keinerlei Interesse am anderen Geschlecht. Brigga hatte schon früh in ihrer Kindheit eine große Begabung bei der Jagd und im Umgang mit den Waffen gezeigt. Niemand war darüber sonderlich überrascht, war doch auch ihre Mutter Sura in jungen Jahren eine hervorragende Jägerin gewesen. Seitdem war Solariga ihre Lehrmeisterin. Und die große Jägerin war nie zufrieden. So sehr Brigga sie auch bewunderte und liebte, wie sie jedes ihrer Familienmitglieder liebte und schätzte, so sehr hasste sie diese Frau auch. Solariga suchte sie oftmals sogar in ihren Träumen heim. „Willst du das Tier einfach dort liegen lassen? Los, mach dich an die Arbeit!“ Mit brennenden Wangen senkte die junge Frau den Kopf. „Sei nicht so streng, Sol“, lachte eine tiefe Stimme hinter den beiden. Nur Ragun, der dem Rat der Ältesten angehörte, wagte es, Solariga so zu nennen. „Fürs erste Mal hat die Kleine das ganz gut hinbekommen.“ Er zwinkerte Brigga zu.

Solariga brummte. Schnell, bevor der Jägerin noch weitere Gehässigkeiten einfallen konnten, legte Brigga ihren Köcher mit den übrigen Pfeilen neben den Bogen auf den Erdboden und eilte auf die Lichtung. Vor dem Kadaver des Rehbocks kauerte sich die junge Jägerin hin. Zufrieden stellte sie fest, dass ihr Pfeil seinen Weg direkt in das Herz des Tieres gefunden hatte. Sie zog den Dolch aus ihrer Gürteltasche und durchtrennte die Halsschlagader des Tieres mit einem einzigen kurzen Schnitt. Während sie das Tier ausbluten ließ, schloss Brigga die Augen. Sanft berührte sie seinen Kopf, seinen Hals und seinen Rumpf. Leise murmelte sie dabei die Worte, die Solariga ihr beigebracht hatte. Sie bat den Rehbock um Vergebung und bedankte sich bei ihm. Anschließend legte sie ihren Kopf in den Nacken und die Handflächen auf den Boden, als Zeichen der Ehrerbietung an Mutter Erde, der Schöpferin alles Lebens. Danach breitete sie die Arme aus, die Handflächen nach außen gedreht, und streckte sie in die Luft – als Dank an die Hüter des Waldes, der Berge, der Luft und des Wassers. Sie waren die Kinder der Mutter Erde und wachten über die Jahreszeiten, das Wetter und den Lauf der Gestirne. Schließlich legte sich Brigga die Finger über die Augen und senkte abermals den Kopf. Dieses Zeichen der Demut galt den Finsteren, die in den Schatten und den Erdspalten lauerten. Auch sie waren ein Teil der Mutter Erde. Gierig wachten sie über die Schritte der Menschen, lauerten ihnen auf, und wenn Mutter Erde den Menschen zürnte, dann schickten die Finsteren die Stürme und die Feuerbrände auf sie los.

Erst als dieses Ritual vollendet war, widmete sich die Jägerin wieder ihrer Beute. Vorsichtig versuchte sie, den Pfeil aus dem Leib des Tieres zu ziehen, aber er steckte fest. Nun, dafür würde später noch Zeit sein. Jetzt mussten sie sich beeilen, bevor das vergossene Blut und der Geruch des toten Fleisches Raubtiere anlockte. Tief atmete Brigga ein und aus. Sie machte ihr Innerstes frei von der Freude, der Aufregung und der Nervosität. Sie ging in die Knie, winkelte das rechte Bein an und stellte den Fuß fest auf den Boden. Dann beugte sie sich nach vorne und schob ihre Hände und Arme unter den noch immer warmen Leib des Tieres. Solariga und Ragun traten links und rechts neben sie und halfen ihr, das Tier auf ihre Schultern zu hieven. Wieder atmete Brigga tief ein und aus. Schließlich richtete sie sich schwungvoll auf. Das Gewicht des Tieres auf ihren Schultern war ungewohnt, brachte sie ins Schwanken. Ihre beiden Begleiter beobachteten jede ihrer Bewegungen. Sie waren bereit, einzuspringen, sollte die junge Jägerin das Tier fallen lassen. Aber Brigga biss die Zähne zusammen. Ragun grinste ihr anerkennend zu. Trotz der Anspannung spürte Brigga ein leichtes Flackern in ihrer Magengrube. Ragun war beinahe so alt wie ihr Vater. Graue Strähnen durchzogen sein dichtes braunes Haar, unzählige Narben zierten seinen Körper. Grüne Sprenkel glitzerten in seinen haselnussbraunen Augen. Er war immer noch vital und kräftig. Hin und wieder fragte Brigga sich, ob er in der Lage wäre, ihr noch mehr beizubringen, als den Umgang mit den Waffen. Schnell verscheuchte Brigga diese Gedanken. Ein langer und beschwerlicher Weg lag vor ihnen. Solariga griff nach dem Köcher und dem Bogen ihres Schützlings und ging voran. Ragun bildete die Nachhut. Die beiden waren Briggas Augen und Ohren. Diese war vollkommen damit beschäftigt, das erlegte Tier heil nach Hause zu bringen. Dabei musste sie auf jeden ihrer Schritte achten. Langsam machten sich die drei an den Abstieg.

Schon hatten sie das steilste Stück hinter sich gelassen und folgten nun einem kaum erkennbaren Trampelpfad durch den Wald in jene Richtung, deren karge Umgebung davon erzählte, dass sich die Sonne hier nur ungern blicken ließ. Endlich erreichten sie einen schmalen Bach. Sie benutzten den Holzsteg, den schon ihre Ahnen angelegt hatten, und folgten seinem Lauf, bis er ganz in der Nähe ihrer Siedlung einen Schwenker talabwärts machte, um sich dann am Fuße des Abhangs mit dem großen Fluss zu vereinen. Bald schon lief Brigga der Schweiß in Bächen über den Rücken. Das Fell des Rehbocks kratzte...

Erscheint lt. Verlag 23.8.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-95753-561-1 / 3957535611
ISBN-13 978-3-95753-561-0 / 9783957535610
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